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Zu 647 III. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1915).

(Vom 3. Dezember 1915.)

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47.

Gottlieb Hofstettier, Karrer, Marzilistrasse 26, Bern.

Rudolf Matti, Schrennengasse 21, Zürich.

Georges Perrenoud, Uhrmacher in Grenchen.

Emil Wägli, Schneider, Thalweg 9, Bern.

Friedrich Zeller, Taglöhner in Merligen.

(Nichtbezahlung der Militärsteuer.)

Die vorgenannten Militärsteuerpflichtigen wurden wegen Nichtbezahlung der Militärtaxe verurteilt: a. Gottlieb Hofstettier wegen einer Steuerforderung für 1913 einschliesslich Gebühren von Fr. 16. 30 vom Polizeirichter von Bern am 14. Februar 1914 zu zwei Tagen Gefängnis, sechs Monaten Wirtshausverbot und den Kosten; b. Rudolf Matti wegen einer Steuerforderung für 1914 einschliesslich Gebühren von Fr. 22. 30 von der I. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern am 18. August 1915 zu zwei Tagen Gefängnis, sechs Monaten Wirtshausverbot und den Kosten; c. Georges Perrenoud wegen einer Steuerforderung für 1914, II. Rate, einschliesslich Gebühren von Fr. 12.60 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern am 6. September 1915 zu zwei Tagen Gefängnis und den Kosten; d. Emil Wägli wegen einer Steuerforderung für 1914, II. Rate, einschliesslich Gebühren von Fr. 19.. 30 vom korrektionellen Richter von Seftigen in Belp am 10./17. September 1915 zu fünf Tagen Gefängnis, Entzug des Stimmrechtes auf die Dauer eines Jahres und den Kosten;

194 e. Friedrich Zeller wegen einer Steuerforderung für 1914, II. Rate, einschliesslich Gebühren von Fr. 5. 85 vom korrektioneilen Richter von Thun am 6. Oktober 1915 zu einem Tag Gefängnis, sechs Monaten Wirtshausverbot und den Kosten.

Die Genannten ersuchen um Erlass der ausgesprochenen Strafen und machen zur Begründung ihrer Gesuche folgendesgeltend : M a t t i , W ä g l i und Z e l i e r berufen sich darauf, dass siedurch schlechten Verdienst und zeitweise vollständige Arbeitslosigkeit an der rechtzeitigen Bezahlung der Taxe verhindert worden seien. Gemeindebehörden und Regierungsstatthalter beantragen Abweisung des Gesuches Matti, Erlass der Strafe dagegen in den Fällen Wägli und Zeller, wobei berücksichtigt wird, dass diese die Taxe nachträglich bezahlt haben. Die von den Bestraften vorgebrachten Gründe rechtfertigen den Erlass der ausgesprochenen Strafen nicht. Es wurden ihnen genügende Fristen zur Zahlung der Steuer eingeräumt und damit bei einigem gutem Willen die Möglichkeit gegeben, die im Verhältnis zu den an die Militärdiensttauglichen gestellten Anforderungen, leichten Pflichten dem Staate gegenüber zu erfüllen. Der Umstand, dass Zeller die Steuer am Tage nach der Verurteilung, und Wägli kurze Zeit darauf, zahlte, liefert hierfür den besten Beweis und spricht daher nicht zu ihren Gunsten.

P e r r e n o u d behauptet, zu Unrecht verurteilt worden zu sein, da er die Taxe vor Ablauf der Zahlungsfrist beim Sektionschef Grenchen habe entrichten wollen, der aber die Annahme wegen Fehlens des Dienstbüchleins verweigert habe. Der Sektionschef von Grenchen bezeichnet diese Angaben als unwahr.

H o f s t e t t i e r ist vom April 1914 bis Juli 1915 wegen Geisteskrankheit in der Irrenanstalt Waldau (Bern) verpflegt worden, weshalb die im Februar 1914 über ihn verhängte Strafe nicht vollzogen werden konnte. Er begründet sein Begnadigungsgesuch damit, dass es ihm am guten Willen nicht gefehlt habe die Steuer zu bezahlen, und dass der Vollzug der Strafe schlimme Folgen auf seinen Geisteszustand haben würde. Gestützt auf Erhebungen des Quartieraufsehers empfiehlt der städtische Polizeidirektor von Bern das Gesuch zur Berücksichtigung, desgleichen der Regierungsstatthalter I von Bern. Mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Gesuchstellers, der laut Zeugnis der Anstaltsdirektion schon im Jahre 1913 krank gewesen ist, rechtfertigt es sich, im Sinne dieser Anträge zu entscheiden.

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A n t r a g : Es sei dem Gottlieb Hofstettier die ihm auferlegte Strafe zu erlassen, dagegen seien die Begnadigungsgesuche des Rudolf Matti, Georges Perrenoud, Emil Wägli und Friedrich Zeller abzuweisen.

48. Gustav Ballmer, Wirt und Pferdehändler in Villigen (Aargau).

49. Adolf Brandii, Landwirt in Unter-Bözberg (Aargau).

(Übertretung des Art. 213 M. 0.)

Die Vorgenannten wurden wegen unbefugten Verkaufes von Pikettpferden verurteilt: a. Gustav Ballmer wegen Verkaufes des Pferdes Nr. 694/84 an Landwirt Bessmer im Moos bei Oberägeri (Zug), vom Bezirksgericht von Brugg am 8. Oktober 1915 zu einer Busse von Fr. 100 und den Kosten; b. Adolf Brandii wegen Veräusserung des Pferdes Nr. 382/50 an Viehhändler Wyler in Brugg, vom Bezirksgericht von Brugg am 20. August 1915 zu einer Busse von Fr. 100 und den Kosten.

Die Genannten ersuchen um Erlass der ausgesprochenen Bussen und machen zur Begründung ihrer Gesuche geltend, sie hätten nicht gewusst, dass die Pferde auf Pikett standen.

Im Falle B a l l m e r hat das urteilende Gericht den Beweis als erbracht angesehen, dass dem Angeschuldigten die Pikettstellung bekannt war. Es stützt sich dabei auf die ausdrückliche Erklärung des früheren Besitzers, das Pikettverhältnis beim Verkaufsabschluss erwähnt zu haben, worauf Ballmer auf die Einvernahme dieses Zeugen in der Hauptverhandlung verzichtete und ferner auf die Tatsache, dass das Pferd gebrannt, und somit für jedermann und namentlich für einen Pferdehändler als Pikettpferd erkenntlich war.

Adolf B r a n d i i beruft sich zur Begründung seiner Ansicht, das Pferd sei dienstuntauglich und nicht auf Pikett gestellt, darauf, dass es, als es noch im Besitze des früheren Eigentümers war, bei der Wiedermobilmachung der 4. Division im März 1915 nicht zum Militärdienst angenommen worden war, und sich auch zu seinem persönlichen Dienste wegen Hinkens untauglich erwies.

Demgegenüber ist festzustellen, dass das veräusserte Pferd mit Hufnummern gebrannt war, woraus der Verkäufer schliessen musste, dass es bei der ersten Mobilisation tauglich befunden und auf Pikett gestellt worden war. Glaubte Brandii, dass das

196 Tier inzwischen untauglich geworden sei, so war es seine Pflicht, sich darüber zu erkundigen, ob die Entlassung aus der Pikettstellung auch wirklich erfolgt war. Er hat dies unterlassen und sich dadurch einer groben Nachlässigkeit schuldig gemacht, deren Folgen er zu tragen hat. Ein besonderer Grund, die Busse zu erlassen, oder herabzusetzen, besteht nicht.

A n t r a g : Die Begnadigungsgesuche des Gustav Ballmer und Adolf Brandii sind abzuweisen.

50. Robert Müller, Landwirt.

Johann Beutler, Zimmermann.

Karl Lüthi, Geflügelzüchter, alle drei in Uttigen (Kt. Bern).

Franz Boschi, Wirt, früher in Uttigen, nun in Bévilard (Bern).

(Übertretung des Bundesgesetzes betreffend Jagd und Vogelschutz).

Der Polizeirichter von Thun verurteilte am 26. August 1915 Robert Müller wegen Übertretung des Art. 6, lit. g, des Bundesgesetzes betreffend Jagd und Vogelschutz zu Fr. 20 Busse, und der Polizeirichter von Seftigen am 27. August 1915 Beutler, Eoschi und Lüthi wegen Übertretung des Art. 5, lit. a, des genannten Gesetzes, erstere je zu Fr. 40, letzteren zu Fr. 50 Busse.

Die Genannten haben von Anfang an die Richtigkeit der gegen sie erhobenen Anschuldigungen anerkannt : Müller, zwei Nester Fasaneneier ausgenommen, Beutler, Lüthi und Roschi, junge Fasanen verkauft zu haben, von denen sie wussten, dass sie gefrevelt worden waren. Die Tiere rührten von Nestern her, die Müller und Beutler beim Grasmähen entdeckt und ausgenommen hatten, und deren Eier sie durch Hühner ausbrüten Hessen. Sie behaupten aber, dass kein Jagdfrevel, noch irgendwelche Schädigung des Wildbestandes vorliege, da die auf der gemähten Wiese gefundenen Eier verloren gewesen wären, weil das Weibchen sie unter solchen Umständen im Stiche lässt.

Gestützt darauf und mit dem Beifügen, dass die Fasanen sich im Aaretal so sehr vermehrt haben, · dass den Kulturen daraus namhafter Schaden erwächst, ersuchen sie um Erlass der Bussen. Die Forstdirektion des Kantons Bern beantragt Abweisung, des Begnadigungsgesuches.

Es ist ohne weiteres klar, dass der Einwand des Kulturschadens hinsichtlich der wegen Verkaufes des gefrevelten Wildes Bestraften unerheblich ist; allein auch das Ausnehmen der Eier

197 entschuldigt er nicht, da es nicht in der Absicht geschah, die Brut zu zerstören.

Die Frage, ob Jagdfrevel und somit Verkauf gefrevelten Wildes vorliege, obschon die ausgenommene Brut ohne Zutun der Beteiligten zugrunde gegangen wäre, wurde vom Richter in bejahendem Sinne beantwortet. Es besteht kein Grund, von dieser Auffassung abzuweichen.

Unter diesen Umständen erscheinen die Strafen, bei deren Ausmessung der Richter alle vorhandenen Milderungsgründe bereits gewürdigt hat, als den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen angemessen.

A n t r a g : R. Müller, J. Beutler, A. Lüthi und F. Roschi seien mit ihrem Begnadigungsgesuche abzuweisen.

51. Johann Bracher, Karrer in Rüegsauschachen.

(Übertretung des Jagdgesetzes.)

Der Polizeirichter von Trachselwald verurteilte am 4. November 1915 den Johann Bracher wegen Jagdfrevel, in Anwendung von Art. 6, lit. d und 21, Ziffer 5, lit. a, des Bundesgesetzes betreffend Jagd und Vogelschutz, zu Fr. 40 Busse, weil er im Oktober 1915 einen von.Hunden verfolgten jungen Hasen, der die Emme durchschwömmen und sich vollständig erschöpft in einem Gebüsch verkrochen hatte, mit einem Stock tötete. Bracher hat den Hasen nach Hause genommen und ihn dann einem Wirt in Rüegsauschachen übergeben, der im hierfür Getränke verabreicht haben soll.

Der Bestrafte stellt ein Begnadigungsgesuch, in welchem er den Anschein zu erwecken sucht, er habe den Hasen getötet, als dieser noch im Flusse schwamm, wo er ohnedies verendet wäre. Er entschuldigt sich im fernem damit, dass er seine Beute einem patentierten Jäger abgeliefert habe und beruft sich ausserdem auf seine zahlreiche Familie und vollständige Vermögenslosigkeit.

Die bei Verübung der Tat an den Tag gelegte rohe Gesinnung Brachers und seine Unaufrichtigkeit bei Abfassung des Gesuches rechtfertigen dessen Abweisung.

A n t r a g : Das Begnadigungsgesuch des Johann Bracher sei abzuweisen.

Bundesblatt. 67. Jahrg. Bd. IV.

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198 52. Luigi Bernasconi, Maurer in Grenchen.

(Nichtbezahlung der Militärsteuer.)

Bernasconi wurde wegen schuldhafter Nichtbezahlung der Militärtaxe für 1912 und 1913 einschliesslich Gebühren von Fr. 12. 60 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern am 12. Oktober 1914 zu drei Tagen Gefängnis und den Kosten verurteilt.

Der Genannte ersucht um Erlass der ausgesprochenen Strafe mit der Begründung, er habe die Steuern rechtzeitig bezahlt.

Aus dem bei den Akten liegenden Dienstbüchlein ist ersichtlich, dass die in Rede stehende Taxe am 5. Juli 1914, somit vor Urteilsfällung entrichtet worden ist. In diesem Falle kommt der Zahlung nach dem Wortlaut des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 und konstanter Praxis straf befreiende Wirkung zu; es empfiehlt sich daher der Erlass der Strafe durch Begnadigung.

A n t r a g : Es sei die dem Luigi Bernasconi auferlegte Strafe zu erlassen.

53. John Charpier, Uhrenmacher in Locle.

(Nichtbezahlung der Militärsteuer.)

Charpier wurde wegen schuldhafter Nichtbezahlung der Militärsteuer für 1914 von Fr. 18 vom Tribunal de police du district de Locle am 4. Oktober 1915 zu vier Tagen Gefängnis verurteilt.

Der Genannte ersucht um Erlass der ausgesprochenen Strafe mit der Begründung, es sei ihm infolge Arbeitslosigkeit unmöglich gewesen, die Steuer rechtzeitig zu bezahlen, legt aber seinem Gesuche keine Zeugnisse bei, wodurch die Richtigkeit dieser Behauptung zum mindesten glaubhaft gemacht würde. Aus den Strafakten ist nicht ersichtlich, welche Gründe Charpier zu seiner Entlastung vor Gericht geltend gemacht hat, und ob er um Gewährung einer nachträglichen Zahlungsfrist nachgesucht hat.

Unter diesen Umständen muss das vorliegende Gesuch abgewiesen werden, da es nicht Sache der Begnadigungsinstanz sein kann, die Akten zu vervollständigen, und anderseits nachgewiesen ist, dass der Bestrafte, noch nach Ablauf der gesetzlichen Zahlungsfristen, mehr als einen Monat Zeit hatte, um die verhältnismässig geringe Summe aufzubringen.

A n t r a g : Das Begnadigungsgesuch des John Charpier sei abzuweisen.

199 Genehmigen Sie die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 3.Dezember 1915.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Frist zur Einreichung von Entschädigungsbegehren für Epidemieunkosten im Jahre 1915.

(Vom 30. November 1915.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Gestützt auf Art. 8 des Epidemiengesetzes vom 2. Juli 1886 betreffend Massnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien und in Anwendung von Art. 13, Absatz 2, des auf dasselbe sich gründenden Reglements vom 4. November 1887 betreffend die Ausrichtung von Bundesbeiträgen an Kantone und Gemeinden zur Bekämpfung gemeingefährlicher Epidemien (A. S. n. F. X, 353) haben wir heute als Endtermin für die Einreichung von Entschädigungsbegehren an den Bund für Kosten, welche Kantonen oder Gemeinden aus der Durchführung von Schutzmassnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien (Pocken, Flecktyphus, Pest und Cholera) im Laufe des Jahres 1915 erwachsen sind,

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

III. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1915). (Vom 3. Dezember 1915.)

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1915

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49

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08.12.1915

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193-199

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