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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung, 67. Jahrgang.

Bern, den 31. März 1915.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 10 Franken im Jahr, 5 Franken im Halbjahr.

Einrückungsgebühr: 15 Rappen die Zeile oder deren Baum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli & (He. in Bern.

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Bericht des

schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1914.

(Vom 27. Februar 1915.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren! · Gemäss Art. 47 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege beehren wir uns, Ihnen über unsere Amtstätigkeit im Jahre 1914 wie folgt Bericht zu erstatten :

A. Allgemeines.

Personelles.

Im Bestand der Mitglieder des Gerichtes und der Gerichtsbeamten sind im Berichtsjahre keine Änderungen eingetreten.

Von den Angestellten hat einer, ein Kanzleigehülfe, seine Demission eingereicht. Da seine Ersetzung nicht dringend war, wurde vorläufig von einer Wiederbesetzung der Stelle abgesehen.

Am 13. Februar 1914 hat das Gericht ein neues Kanzleireglement erlassen, das genauer als bisher die Funktionen der verschiedenen Beamten und Angestellten und ihre Zuteilung in die einzelnen Besoldungsklassen ordnet. Bei dieser Gelegenheit wurden einige Angestellte in eine höhere Klasse befördert.

Bandesblatt. 67. Jahrg. Bd. I.

31

424

Wenn auch die allgemeine Mobilisation der schweizerischen Armee in die Zeit der Gerichtsferien fiel, so hat sie doch etwelche Störungen für den Geschäftsgang des Gerichtes nach sich gezogen. Schon von Anfang an waren 4 Richter, 5 Gerichteschreiber oder Sekretäre und 11 Angestellte aufgeboten worden.

Die nichtdienstpflichtigen Angestellten wurden, soweit in den Ferien, zurückberufen, und es konnte so trotz der Mehrarbeit von einer Zuziehung von Hülfskräften abgesehen werden. Natürlich hat aber die andauernde Abwesenheit eines grossen Teiles der Kanzleibeamten und -Angestellten im Militärdienste eine gewisse Verzögerung in der Abfassung und Ausfertigung der vor den Ferien erlassenen Urteile zur Folge gehabt.

Zu erwähnen ist noch, dass das Gericht zur Durchführung einer wegen Übertretung des Art. 213 der Militärorganisation einzuleitenden Strafuntersuchung gestützt auf Art. 10, Abs. 2, OG zum ausserordentlichen Untersuchungsrichter Herrn Dr. E. Vallon, Advokat in Lausanne, ernannt hat, als Ersatzmann des durch Militärdienst verhinderten Untersuchungsrichters für die französische Schweiz, Herrn E. Bornand.

Errichtung eines neuen Gerichtsgebäudes.

Die Architekten, die bei der Konkurrenzausschreibung von 1913 mit dem ersten Preise bedacht worden waren, haben nunmehr ein neues Projekt ausgearbeitet, um den gemachten Aussetzungen Rechnung zu tragen. Dieser Entwurf hat zu neuen Anregungen des Gerichts Anlass gegeben, die mit dem schweizerischen Departement des Innern hätten besprochen werden sollen.

Hiezu ist es aber'infolge der eingetretenen Kriegsereignisse nicht gekommen und so die Frage in diesem Stadium pendent geblieben.

Geschäftslast, -Verteilung und -Erledigung.

Die staatsrechtlichen Streitigkeiten und die Straffalle weisen ungefähr die nämliche Zahl wie im Vorjahre auf. Dagegen hat die Verminderung der Berufungen, wie sie sich im vorigen Jahr bemerkbar machte, nicht angehalten, vielmehr sind hier trotz den Kriegereignissen die Geschäfte von 419 im Jahre 1913 auf 460 gestiegen, die höchste bisher erreichte Zahl. Ferner haben sich die vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilenden Prozesse an Zahl beinahe verdoppelt. Auch die Expropriationsfälle und die Rekurse in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen

425 haben sich wesentlich vermehrt. Die Mobilisation führte zwar zu häufigen Verschiebungen von · Terminen, aber dennoch ist die Zahl der Übertragungen auf das Jahr 1915 nicht anormal gross und hält sich sogar unter der Ziffer der Jahre 1911 und 1912.

Hinsichtlich der Zivilfälle machen wir neuerdings auf die Häufigkeit der Rückzugserklärungen aufmerksam. Sie beweist deutlich, dass viele Berufungen eingereicht werden, nur um Zeit zu gewinnen oder sich die Möglichkeit einer vergleichsweisen Erledigung zu verschaffen.

Die besonders in der II. Zivilabteilung verhältnismässig grosse Zahl der Nichteintretensentscheide rührt hauptsächlich davon her, dass in vielen Fällen noch das alte Recht anzuwenden war.

Auch im Berichtsjahr war die I. Zivilabteilung mehr belastet als die zweite, und es sind dieser 34 Geschäfte zugewiesen worden, deren Behandlung ihr nach dem Reglement ordentlicherweise nicht obgelegen hätte.

Auf Begehren der H. Zivilabteilung hat das Gericht am 18. Mai 1914 an die kantonalen Behörden ein das Entmündigungsverfahren betreffendes Kreisschreiben erlassen. Diedarin gegebenen Weisungen wurden seither im allgemeinen befolgt, und die Rekurse haben in diesem Gebiet an Zahl abgenommen.

Verschiedenes.

Im Anschluss an das im letzten Jahresbericht über die amtliche Veröffentlichung der bundesgerichtlichen Entscheidungen Gesagte ist mitzuteilen, dass wir auf Grund einer beschränkten Submission mit der Société des Imprimeries réunies in Lausanne einen Vertrag über die Herausgabe und die Verwaltung der Urteilssammlung abgeschlossen haben. Gewisse Abänderungen, wie die Trennung in drei gesonderte, je einem Redaktor zur Besorgung übertragene Teile der Sammlung und die Beschaffung eines grössern Letternmaterials, haben es ermöglicht, die Herausgabe zu beschleunigen. Sie sollte künftig nicht mehr an den in den letzten Jahren mit Recht gerügten Verspätungen leiden.

Bei Anlass des neuen Vertragsabschlusses haben wir uns mit dem Herausgeber dahin verständigt, den Absatz des zum Teil noch recht bedeutenden Vorrates an alten Jahrgängen der amtlichen Sammlung in der "Weise zu befördern, dass der Preis sowohl der ganzen Sammlung als einzelner Bände erheblich ermässigt wurde.

420

Wie schon im letzten Berichte erwähnt, war von uns grundsätzlich die Herausgabe eines neuen systematischen und alphabetischen Registers zur Sammlung nach dem Muster der frühern beschlossen worden, das die Jahre 1905--1914 zu umfassen hätte. Zu diesem Zwecke haben wir in dem Entwurfe des Gerichtsbudgets von 1915 für einen Teil der notwendigen Kosten den erforderlichen Ausgabeposten vorgesehen. Aus Gründen der Ersparnis musste später dieser Posten wieder gestrichen und damit die Herausgabe des Registers, für das die Materialien bereits gesammelt sind, verschoben werden. Gleiche Gründe haben uns bewogen, von der Beanspruchung eines Kredites für die Ausarbeitung des neuen Bibliothekkataloges abzusehen.

Die Gesamtzahl der Sitzungen beläuft sich im vergangenen Jahre auf 261 (gegenüber 280 im Jahre 1913). Diese Sitzungen verteilen sich wie folgt: Plenum 6 L Zivilabteilung 69 II. Zivilabteilung 63 Staatsrechtliche Abteilung 74 Abteilung f ü r Schuldbetreibung u n d Konkurs . . . . 4 4 Kassationshof 5 Bundesstrafgericht -- Total 261

Statistik über die Erledigungen von 1910 bis 1914.

1911

1910

Natur der Streitsachen

ö

U I. Zivilsachen: 1. Erst- und letztinstanzlich zu beurteilende Zivilsachen 2. Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte . .

3. Zivilrechtl. Beschwerden 4. Andere Zivilsachen . .

5. Rekurse in Expropriationssachen I I . Strafsachen . . . .

III. Staatsrechtliche Streitigkeiten IV. Beschwerden betreffend das Sehuldbetreibungswnd Konkurswesen .

V. Freiwillige Gerichtsbarkeit Total

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63 388 347 104 442 477 69 419 459 29 460 446 43 -- -- 35 30 5 26 28 3 30 30 3 -- -- 4 6 7 6 1 3 13 17 -- 8 8 -- -- 253 793 412 634 565 687 512 330 565 277 423 507 193 589 359 423 3 20 20 2 17 2 29 26 5 29 31 3 21 22 18 1 52 401 390 -- -- -- 8 --8

50 389 390

49 370 351

6 217 212

11 251 258

68 368 353 4

299 298

83 409 409 5 302 304

83 396 424

55

357 351

9

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2 1 4 4 4 5 2 3 1 6 2 2 3 5 2 3 802 722 1765 472 1632 1768 336 571 1643 1723 1515 1890 1655 391 1874 1463

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428

B. Spezieller Teil.

1. Zivilrechtspflege.

1. Vom Bundesgericht als einziger Zivilgerichtsinstanz zu beurteilende Streitsachen (Art. 48-52 OG) 2. Berufungen (Art. 56 f. OG) . .

3. Zivilrechtliche Beschwerden (Art. 86 und 87 OG) . . .

4. Revisions- und Erläuterungsbegehren, Moderation . . . .

5. Rekurse in Expropriationssachen

Neu 1 eingegangen |

Natur der Streitsache

Übertragen aus 1 dem Vorjahre 1

Eine Übersicht über die Zivilsachen, mit denen sich das Bundesgericht im Jahre 1914 zu befassen hatte, gibt folgende Tabelle:

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10

27 49 14 29 460 489 446 30

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35 43 3

8 8 8 -- -- 193 589 782 359 423 247 1114 1361 857 504

Ad 1. Von den 49 direkten Prozessen betrafen: 1. Zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen dem Bund und Kantonen

2

2. Zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Korporationen oder Privaten als Klägern und dem Bund als Beklagtem. .

6

Übertrag

8

429

Übertrag 8 3. Zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten anderseits . . . . 16 4. Bürgerrechtsstreitigkeiten zwischen Gemeinden verschiedener Kantone 2 5. Klagen aus Art. 23 des Expropriationsgesetzes . . .

4 6. Klagen aus Art. 47 dieses Gesetzes 2 7. Streitigkeiten nach Art. 42 des Bundesgesetzes über die Verpfändung und Zwangsliquidation der Bisenbahnen .

5 8. Streitigkeiten aus dem Nebenbahnengesetz . . . .

2 9. Streitigkeiten aus Art. 17 des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen . .

l 10. Streitigkeiten aus dem Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente 2 11. Zivilrechtliche Streitigkeiten, in welchen das Bundesgericht als vereinbarter Gerichtsstand angerufen wurde 7 _49 Die direkten Prozesse wurden erledigt : Durch Vergleich, bzw. Rückzug der Klage 5 Durch Nichteintreten 3 Durch Urteil 6 Übertragen auf 1915 35 10

2 Prozesse wurden von der I. Zivilabteilung, 5 von der II. Zivilabteilung und 7 von der staatsrechtlichen Abteilung erledigt.

Ad 2. Von den 446 erledigten Berufungen, von denen 78 im schriftlichen Verfahren behandelt wurden, betrafen : 1. Das Zivilgesetzbuch (neues Recht) 132 und zwar:

Einleitung und Personenrecht Familienrecht (Ehescheidung 48, Vaterschaft 18, andere Materien 10) Erbrecht Sachenrecht (Eigentum 15, Dienstbarkeiten 9, Pfandrecht 1 3 , Besitz 2 )

.

.

.

.

.

.

3 76 14

.

39

Übertrag

132

430

Übertrag 2. Obligationenrecht und zwar im wesentlichen : Allgemeine Bestimmungen (Schadenersatz aus Vertrag u n d unerlaubter Handlung 42) . . . . 7 5 Kaufvertrag 53 Pacht und Miete 7 Dienstvertrag -24 Werkvertrag 18 Bürgschaft 14 Gesellschaftsrecht 9 3. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (Anfechtungsklagen 13} 4. Haftpflichtgesetze (Fabrikhaftpflicht 18, Eisenbahnhaftpflicht 8, Haftpflicht aus Starkstromgesetz 1) . . . .

5. Bundesgesetz betreffend das geistige Eigentum . . .

6. Versicherungsrecht

132 240

35 27 5 7 446

Von den 446 Berufungen wurden 213 von der L, 233 von der II. Zivilabteilung (davon 34 aus dem reglementarischen Geschäftskreis der I. Zivilabteilung) erledigt.

Die auf 1915 übertragenen Geschäfte sind ohne Ausnahme im Berichtsjahre, 28 erst im Monat Dezember eingegangen.

Über die Art der Erledigung und die Herkunft der 489 Berufungen gibt die nachfolgende Tabelle Auskunft:

Aargau Appenzell A.-Rh.

Baselland Baselstadt . .

Bern Freiburg Genf Graubünden . .

Luzern Neuenburg . .

Obwalden . .

Schaffhausen .

Schwyz Solothurn . . .

S t . Gallen . .

Tessin Thurgau .

Uri Waadt Wallis Zug . . .

Zürich

.

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4 8 3 7 5 5 2

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Total

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29 2 4 32 58 11 52 12 28 33 7 4 3 12 29 21 14 2 32 9 3 92

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Rückweisung an die kantonale Instanz

Kantone

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Ganz oder teilweise gutgeheissen

Nichteintreten

431

7 3

9,

1

79 187

9

Von den 84 Nichteintretensfällen war in 36 Fällen kantonales bzw. fremdes Recht anwendbar; in 16 Fällen fehlte der Streitwert oder ein Haupturteil, und in 32 Fällen waren die gesetzlichen Formvorschriften nicht gewahrt, bzw. es hätte die zivilrechtliche Beschwerde ergriffen werden sollen, oder es war die Berufung verspätet.

432

Ad 3. Von den 30 zivilrechtlichen Beschwerden betrafen 3 Elternrechte (Art. 862 OG-), 17 Vormundschaft und Beistandschaft (Art. 86 3), 10 die Anwendung kantonalen oder ausländischen statt eidgenössischen Rechts oder die Verletzung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1891 (Art. 87). 11 Beschwerden wurden abgewiesen, 7 gutgeheissen, auf 10 wurde nicht eingetreten, l wurde zurückgezogen ; l Geschäft wurde an die kantonale Instanz zurückgewiesen. 29 Beschwerden waren von der II., l von der I. Zivilabteilung zu behandeln.

Ad 5. Von den 359 Expropriationsstreitigkeiten entfielen 148 auf die Bundesbahnen, 64 auf Nebenbahnen, 16 auf Trambahnen, l auf militärische Anlagen, 114 auf Elektrizitätswerke, 2 auf die eidgenössische Telegraphenverwaltung und 14 auf die internationale Rheinregulierung. Es wurden erledigt: 146 durch Rückzug, bzw. Vergleich, 192 durch Annahme des Vorentscheides, 21 durch Urteil. Von den 423 übertragenen Geschäften sind 9 im Jahre 1912, 10 im Jahre 1913 und die übrigen im Berichtsjahre eingegangen.

II. Strafrechtspflege.

a. Bundesstrafgericht.

Das Bundesstrafgericht hatte sich im Berichtsjahre mit keinem Fall zu beschäftigen.

b. Kassationshof.

Beim Kassationshof waren 19 Geschäfte anhängig (23 im Vorjahr), nämlich: vom Vorjahr übernommene 2 im Berichtsjahr eingegangene 17 19 Davon wurden erledigt: durch Gutheissung der Beschwerde 7 durch Abweisung 8 durch Nichteintreten 3 -- JL8 Unerledigt l Das unerledigte Geschäft ist am vorletzten Tage des Berichtsjahres anhängig gemacht worden.

433

Von den 7 begründet erklärten Beschwerden bezogen sich 6 auf kantonale Urteile, die eine Strafe ausgesprochen hatten, eine auf ein freisprechendes Urteil, und es betrafen : das Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht vom 4. Hornung 1853, Art. 67 (fahrl. Eisenbahngefährdung) l ,, ,, über Mass und Gewicht l ,, ,, über Fabrik- und Handelsmarken . . .

l ,, ,, betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen 4 _7 Von den übrigen 11 Beschwerden bezogen sich auf: das Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht (Art. 54 und 67) .n .

,, über den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken ,, ,, über Muster- und Modellschutz . . . .

über Jagd und Vogelschutz fl fl ,, vom 12.

April 1894 betreffend die Ergänzung fl des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht vom 4. Hornung 1853 (Sprengstoffverbrechen) ,, ,, über den Verkehr mit Lebensrnitteln und Gebrauchsgegenständen

2 2 l l

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Tf Die 18 erledigten Fälle verteilen sich auf folgende Kantone : Aargau 2 Baselland l Baselstadt . 2 Bern . "

Luzern Nidwaiden St. Gallen Waadt Wallis Zug Zürich

2

l l l 4 2 l l 18

434

III. Staatsrechtspflege.

1. Kompetenzkouflikte zwischen Bundesbehörden und Kantonalbehörden (Art. 175 ' OG) . .

2. StreitigkéitenzwischenKantonen (Art. 175 2 0 G) 3. Beschwerden von Privaten und Korporationen (Art. 175 3 OG) 4. Steuerstreitigkeiten zwischen Bund u. Kantonen (Art. 179 OG) 5. Auslieferungen ans Ausland (Art. 181 OG) 6. Revisions-, Erläuterungs- und Moderationsbegehren . . .

1 3

77 2

Neu II eingegangen ||

Natur der Streitsache

Übertragen aus II dem Vorjahre I

Die im Jahre 1914 beim Bundesgerichte anhängig gewesenen staatsrechtlichen Streitigkeiten verteilen sich ihrer N a t u r nach wie folgt:

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386 463 410 53 1

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3 3 -- -- 3 83 396 479 424 55

Von den 55 auf 1915 übertragenen Geschäften stammt eines aus dem Jahre 1907 (es betrifft eine Streitsache, in welcher neben dem Rekurs ans Bundesgericht gleichzeitig auch ein solcher beim Bundesrat bzw. bei der Bundesversammlung anhängig ist und die, da dem Bundesrat bzw. der Bundesversammlung die Priorität zusteht, bis zur Erledigung durch diese Behörden beim Bundesgerichte sistiert werden musstej, eines stammt aus dem Jahr 1913 und die übrigen 53 sind im Laufe des Berichtsjahres eingegangen.

Ad 1. Die hier erledigte Streitsache betrifft einen Konflikt zwischen dem Bundesrate und der Regierung des Kantons Wallis über das Recht zur Erteilung einer Konzession für die Benützung eines Grenzgewässers (Barberine).

435

Ad 2. S t r e i t i g k e i t e n z w i s c h e n K a n t o n e n . Die erledigten 7 Fälle betrafen folgende Anstände : Kantone Luzern und 8t. Gallen

2.

3.

4.

Thurgau und Zürich Zug und Zürich . .

Zürich und Thurgau

5.

Neuenburg und Bern

Natur der Streitsache Negativer Kompetenzkonflikt aus Art. 52 des Lebensmittelpolizeigesetzes.

Vormundschaftsübertragung.

Niederlassung (Art. 45 3 BV).

Ersatz von Verpflegungs kosten (Erklärung zwischen der Schweiz und Italien betreffend gegenseitige unentgeltliche Verpflegung armer Erkrankter, vom 6. und 15. Oktober 1875).

Hoheitsrechte an Gewässern.

Ad 3. B e s c h w e r d e n von P r i v a t e n und K o r p o r a t i o n e n gegen kantonale Verfügungen und Erlasse. Nach der N a t u r der als verletzt behaupteten verfassungsmässigen Rechte verteilen sich die erledigten 410 Beschwerden wie folgt : a. Verletzung der Bundesverfassung b.

,, von Kantonsverfassungen c.

,, von Bundesgesetzen d.

,, von Staatsverträgen und Konkordaten

.

343 43 13 11 410

Ada. Die 343 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g der Bundesv e r f a s s u n g haben Bezug auf folgende Artikel derselben:

436

Art.

,, ,, ,, ,, ., ,, ,, ., ,, ,, ., ,, .,

3 4

(Souveränität der Kantone) (Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, Rechtsverweigerung, Willkür usw.)

31 (Handels- und Gewerbefreiheit) 44/45 (Recht der freien Niederlassung, Ausstellung von Ausweisschriften) 46 (Doppelbesteuerung) 49 (Glaubens-und Gewissensfreiheit, Kultussteuern) 50 (Kultusfreiheit) 55 (Pressfreiheit) 56 (Bildung von Vereinen, persönliche Freiheit) .

58 (Verfassungsmässiger Richter, Schuldverhaft) .

59 (Gerichtsstand) 61 (Vollziehung rechtskräftiger Zivilurteile) . .

2 der Übergangsbestimmungen (derogatorische Kraft des Bundesrechts) 5 der Übergangsbestimmungen (Freizügigkeit wissenschaftlicher Berufsarten)

l 229 33 5 29 ',i l 5 1 8 15 7 5 l 343

Ad b. Die 43 Beschwerden wegen behaupteter V e r l e t z u n g k a n t o n a l e n Ver f as su n g s r e c h t s bezogen sich in der Hauptsache auf angebliche Missachtung oder unzulässige Beschränkung der Eigentumsgarantie, auf Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung, des Rechts der Gemeinden auf Selbstverwaltung, der politischen Stimmberechtigung der Bürger, sowie auf kantonale Wahlen und Abstimmungen.

Ad c. Von den 13 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g v o n B u n d e s g e s e t z e n betrafen: das Bundesgesetz vom 24. Juli 1852 über die Auslieferung von Verbrechern oder Angeschuldigten (unter den Kantonen) 3 ,, ,, über den Erwerb und den Verzicht auf das Schweizerbürgerrecht 2 die Bundesgesetze über die Eisenbahn-, die Fabrik- und die gewerbliche Haftpflicht (Verweigerung des Armenrechts, Art. 180, Ziff. 6. OG) . .

4 das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz 3 das schweizerische Zivilgesetzbuch (Art. 715) l 13

437

Ad d. Von den 11 Beschwerden wegen Verletzung von S t a a t s v e r t r ä g e n und K o n k o r d a t e n betrafen: den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich vom 15. Juni 1869 den Niederlassungsvertrag mit Frankreich vom 23. Februar 1882 ' den Niederlassungsvertrag mit Deutschland die Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 17. Juli 1905 die Berner Konvention vom 13. November 1908 zum Schütze von Werken der Literatur und Kunst das Konkordat über den Motorwagen- und Fahrradverkehr von 1904

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2.

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11

Aus der nachfolgenden Tabelle ist die Herkunft der Beschwerden von Privaten und Korporationen, nach Kantonen geordnet, und die Art ihrer Erledigung ersichtlich :

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Kantone

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Appenzell A.-Rh. .

Appenzell I.-Rh.

', Baselland Baselstadt 1 Bern Freiburg Genf Glarus Graubünden Luzern Neuenburg Schaffhausen . . . : Schwj'z Solothurn St. Gallen Tessin Thurgau Unterwaiden n. d. W.

Unterwaiden o. d. W.

Uri Waadt Wallis Zug Zürich Total

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2 -- 6 2 2 3 6 2 1 -- 1 4 2 2 1 1 1 3 4 1 3

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Abgewiesen 1

C

Gutgeheissen II oder anerkannt II

438

17 2 -- 6

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In den 54 Fällen, in denen auf die Beschwerde nicht eingetreten wurde, waren die G r ü n d e des N i c h t e i n t r e t e n s folgende :

439 Inkompetenz 2 Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde . . . . 14 Nichterschöpfung der kantonalen Instanzen 12 Nicht- oder ungenügende Substantiierung 9 Verspätung 12 ·Gegenstandslosigkeit l Andere Mängel (Legitimation, Verwirkung des Rekursrechts u. dgl.)

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54 Nach der Natur der Streitsache bezogen sich die 49 begründet (oder zum Teil begründet) erklärten Beschwerden auf: Art. 4 ,, 31

der Bundesverfassung (Rechtsverweigerung) .

11 ,, .,, (Handels- und Gewerbe freiheit) . . . .

4 ., 45 ,, ,, (Niederlassung)...

l ,n 46 ,, ,, (Doppelbesteuerung) .

14 ,, 50 ,, ,, (Trennung von Religions genossenschaften) . .

l .;1 58/59 ,, ,, (Gerichtsstand, verfassungsmässiger Richter) 5 ,, 61 ,, ,, (Vollziehung rechtskräftig e r Zivilurteile) . . .

2 ,, 2 der Übergangsbestimmungen zur BV (derogatorische Kraft des Bundesrechts) l das Bundesgesetz betreffend den Erwerb und den Verzicht auf das Schweizerbürgerrecht l die Haftpflichtgesetze (Verweig. des Armenrechts, Art. ISO6 OG) l das Bundesgesetz über die Auslieferung von Verbrechern oder Angeschuldigten unter den Kantonen l Verletzung von Kantonsverfassungen (Wahlen und Abstimmungen [2], Eigentumsgarantie [3]) 5 Verletzung des Gerichtsstandsvertrages mit Frankreich . .

l ,, der Haager Übereinkunft betr. Zivilprozessrecht l

^49 Ad 4. Die 3 erledigten S t e u e r s t r e i t i g k e i t e n betrafen Anstände zwischen : Bundesblatt. 67. Jahrg. Bd. I.

32

440

a. dem Kanton Waadt und den schweizerischen Bundesbahnen, b. den schweizerischen Bundesbahnen und dem Kanton Aargau, c. dem Kanton Solothurn und der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Ad 5. A u s l i e f e r u n g e n an das A u s l a n d . Begehren um Auslieferung lagen vor : 2. In beiden Fällen wurde die Auslieferung, die vom Deutschen Reiche aus nachgesucht worden war, bewilligt, und zwar : im ersten Falle wegen Betrugs und Urkundenfälschung, im zweiten Falle wegen Anstiftung zur Kuppelei, mit dem Vorbehalt, dass die Auslieferung wegen des weiter geltend gemachten Vergehens der widernatürlichen Unzucht verweigert werde, da dieses Vergehen unter keinen der im Auslieferungs-vertrag mit Deutschland erwähnten Tatbestände fällt.

Ad 6. R e v i s i o n s - , E r l ä u t e r u n g s- und M o d e r a t i o n s b e g e h r e n . Zwei Revisionsbegehren wurden als unbegründet abgewiesen; auf das Erläuterungsgesuch wurde, mangels Geltendmachung gesetzlicher Gründe, nicht eingetreten. Moderationsbegehren wurden keine gestellt.

In 107 Fällen, in denen entweder die Anhebung oder Veranlassung des Streites,-die Art der Prozessführung oder die rechtliche Natur der Streitsache es rechtfertigten (Art. 221, Abs. 2 und 5, OG)T wurde eine G e r i c h t s g e b ü h r bezogen, in einem Falle wurde wegen Verletzung des durch die gute Sitte gebotenen Anstandes eine O r d n u n g s b u s s e ausgesprochen (Art. 39, Abs. l, OG), und in 2 Fällen wurde aus dem nämlichen Grunde ein V e r w e i s erteilt.

Gesuche um Erlass von provisorischen V e r f ü g u u g e i r im Sinne von Art. 185 OG waren vom Präsidenten der staatsrechtlichen Abteilung 106 zu behandeln. Davon wurden 60 bewilligt, 19 abgewiesen, auf 9 Begehren wurde nicht eingetreten, und 18 wurden als gegenstandslos abgeschrieben.

5 Fälle gaben Anlass zu einem M e i n u n g s a u s t a u s c h m i t dem B u n d e s rat hinsichtlieh der Kompetenzfrage geinäsa Art. 194 OG.

IT. Schuldbetreibung und Konkurs.

Im Anschluss an den Beschluss des Bundesrates vom 5. August 1914 und an einen Rekursentscheid haben wir zwei K r e i s s c h r e i b e n über die Wirkungen des durch jenen Beschluss verfügten allgemeinen Rechtsstillstandes und die Behand-

441 lung gegen schweizerische Wehrmänner gerichteter Betreibungsbegehren durch die Betreibungsämter erlassen. Beide sind im Bundesblatt 1914, Bd. IV, S. 44 S. und S. 877 ff., abgedruckt.

Durch ein weiteres Kreisschreiben vom 30. April 1914 (Bundesbl.

1914, Bd. III, S. 377 ff.) sind die Aufsichtsbehörden, im Interesse einer einheitlichen Anwendung der Art. 283/4 SchKG und der in dem früheren Kreisschreiben vom 23. Oktober 1913 aufgestellten Grundsätze, angewiesen worden, dafür zu sorgen, dass die Betreibungsämter für die Anzeigen an die Mieter und Pächter einer verpfändeten Liegenschaft nach Art. 152, Abs. 2 SchKG, die Klageaufforderungen an den betreibenden Grundpfandgläubiger nach erfolgtem Rechts Vorschlag, die Begehren um Aufnahme einer Retentionsurkunde und die Retentionsurkunden selbst in Zukunft die von der Betreibungskammer aufgestellten neuen eidgenössischen Formulare verwenden.

Ferner hat die Betreibungskammer auch in diesem Jahre wiederum zahlreiche Anfragen kantonaler Aufsichtsbehörden beantwortet und diesen Behörden im Anschluss an Rekursentscheide und auf Grund der eingereichten Jahresberichte verschiedene Weisungen erteilt.

Auch sah sie sich mit Rücksicht auf die ausserordentliche Bedeutung, welche die im Berichtsjahre ausgebrochenen K o n kurse des Credito Ticinese und der Banca Cant o n a l e T i c i n e s e für die Bevölkerung des betroffenen Kantons besitzen, und die Tatsache, dass in beiden Konkursen von der ersten Gläubigerversammlung an Stelle des Konkursamts eine ausseramtliche Konkursverwaltung von sieben und ein Gläubigerausschuss von fünfzehn Mitgliedern mit der Durchführung der Liquidation betraut worden waren, veranlasst, bei diesen Verwaltungen unter Zuzug eines Vertreters der kantonalen Aufsichtsbehörde eine I n s p e k t i o n vorzunehmen. Da sich dabei ergab, dass das Vorgehen der Verwaltung und insbesondere die Art der Festsetzung der deren Mitgliedern zukommenden Entschädigungen an beiden Orten in mehrfacher Richtung dem Gesetze nicht entsprach, wurde der kantonalen Aufsichtsbehörde in einem einlässlichen Bericht von den gemachten Beobachtungen Kenntnis gegeben und der Wunsch ausgesprochen, dass dieselbe zur Behebung der gerügten Übelstände und Sicherung einer dem Gesetze, konformen Liquidation der Konkurse von dem ihr zustehenden Aufsichtsrechte einen ausgiebigen und wirksamen Gebrauch machen möge. Ferner wurde ihr nahegelegt, zu prüfen, ob nicht der auf die Einsetzung einer siebengliedrigen Verwaltung bezüg-

442

liehe Beschluss der Gläubigerversammlung mit Rücksicht auf die daraus für die Besorgung der Geschäfte resultierenden Komplikationen und die dadurch verursachten ausserordentlich hohen Kosten als unangemessen kassiert und die Zahl der Mitglieder der Verwaltung zweckentsprechend reduziert werden sollte (was dann inzwischen in beiden Konkursen tatsächlich auch geschehen ist). Die Vornahme der im Vorjahre beschlossenen Inspektionen in weiteren Kantonen wurde im Hinblick auf die Zeitunistände nochmals verschoben : sie soll soweit möglich in diesem .lahre nachgeholt werden.

Zuhanden des schweizerischen Eisenbahndepartementes haben wir über die Frage einer zeitweisen Modifikation der gesetzlichen Vorschriften über die Zwangsliquidation von Eisenbahnen zum Zwecke des Schutzes von Bahngesellschaften, welche sich infolge der Kriegsereignisse vorübergehend in Zahlungsschwierigkeiten befinden, ein Gutachten erstattet.

Endlich ist zu erwähnen, dass das Justizdepartement der Betreibungskammer als Ergebnis der vom Bundesrat mit der deutschen Reichsregierung über die Frage der Z u s t e l l u n g von Mitteilungen im Betreibungs- und Konkursverfahren an in Deutschland wohnhafte Personen geführten Verhandlungen (vgl. S. 20 unseres letztjährigen Berichtes) eine Note des Deutschen Auswärtigen Amtes übermittelt hat, worin dieses für die Mitteilungen an den in Deutschland wohnhaften Betreibungsschuldner an dem Prinzip der Zustellung durch Vermittlung der dortigen Behörden festhält, dagegen sich bereit erklärt, für die Mitteilungen an deutsche Gläubiger die direkte Zustellung durch die Post zuzulassen, sofern die Schweiz anderseits die Verpflichtung übernehme, die Bestimmung des Art. 67, Ziff. l SchKG, wonach mangels Bezeichnung eines Zustellungsdomizils in der Schweiz die für den ausländischen Gläubiger bestimmten Urkunden einfach zu seinen Händen im Lokal des Betreibungsamtes niedergelegt werden können, gegenüber deutschen Gläubigern nicht zur Anwendung zu bringen. Wir haben dem Departement darauf erwidert, dass dieser Vorschlag u. E. nicht annehmbar sei, da, wenn die erwähnte Bestimmung des SchKG die Zustellung in bezug auf ausländische Betreibuvgsgläubiger in dieser Weise ordne, damit klar ausgesprochen sei, dass eine Übermittlung der Urkunden an dieselben ins Ausland grundsätzlich nicht stattfinden solle und sich daher das Bundesgericht durch Erlass einer Weisung des von der deutschen Regierung postulierten Inhalts mit dem Gesetze in Widerspruch

443

setzen würde. Sollte die deutsche Regierung auf ihrem Standpunkte beharren, so müsste sich daher umgekekrt die Frage aufdrängen, ob nicht Art. 67, Ziff. l SchKG analog auch auf das Konkursverfahren angewendet werden könnte, in dem Sinne, dass der Gläubiger auf die Bekanntgabe der Konkurseröffnung ein Spezialdomizil in der Schweiz bzw. einen hier wohnhaften Zustellungsbevollmächtigen zu bezeichnen hätte, widrigenfalls an Stelle der Zustellung der für ihn bestimmten Urkunden deren Niederlegung im Lokal dès Konkursamtes treten wurde. Eine dahingehende Anregung ist bereits im Vorjahre seitens der st. gallischen Aufsichtsbehörde an uns gestellt worden ; wir haben es aber damals abgelehnt, ihr Folge zu geben, in der Meinung, dass die kantonale Aufsichtsbehörde von sich aus das ihr richtig Scheinende vorkehren möge und dass wir uns die definitive Stellungnahme zu der Frage bis zu einem konkreten Rekursfalle vorbehalten. Das von der deutschen Regierung postulierte Verfahren, so fassten wir unsere Ausführungen gegenüber dem Justizdepartement zusammen, würde für die Schweiz keine wesentliche Erleichterung, gegenteils lediglich eine- dem Gesetze widersprechende Begünstigung der deutschen Gläubiger mit sich bringen, so dass ihm der gegenwärtige Rechtszustand noch immer bei weitem vorzuziehen sei. Über die weitere Folge, welche das Departement dieser Vernehmlassung gegeben hat, ist uns nichts bekannt.

Die Gesamtzahl der im Berichtsjahre anhängigen Rekurse betrug 360 (d. h. 53 mehr als im Vorjahr) ; davon waren aus dem Vorjahr übernommen 3, im Laufe des Jahres eingegangen 357. Erledigt wurden 351, so dass auf das Jahr 1915 übertragen wurden 9 Fälle.

19 3 11 2 7 7 3

Von den erledigten Beschwerden betrafen : Anwendung der organisatorischen Bestimmungen des SchKG (Art. 1--37), Arten der Schuldbetreibung, Ort der Betreibung, Betreibungsferien und Rechtsstillstand, Anhebung der Betreibung, Zustellung der Betreibungsurkunden, Zwangsvollstreckung unter Ehegatten,

52 Übertrag

444

52 12 115 6 21 23 10 5 1 2 l l 4 18 9 41 14 8 5 3

Übertrag Zahlungsbefehl und Rechtsvorschlag, Pfändung, Verwertungsbegehren, Verwertung von beweglichen Sachen und von Forderungen, Verwertung von Liegenschaften, Verteilung im Pfändungsverfahren, Betreibung auf Pfandverwertung, Betreibung für Miet- und Pachtzinsforderungen, ordentliche Konkursbetreibung, Wechselbetreibung, Wirkungen des Konkurses auf das Vermögen des Schuldners, Peststellung der Konkursmasse, Verwaltung der Konkursmasse, Kollokation der Gläubiger im Konkurs, Verwertung und Verteilung im Konkurs, Arrest, Retentionsrecht, Gebührentarif, Revision bzw. Erläuterung,

isT Die Dauer der Erledigung, d. h. vom Eingang der Beschwerden bis zum Spruch, betrug: l bis 7 Tage in 175 Fällen 8 ,, 14 ,, ,, HO ,, 15 ,, 2 1 ,, ,, 31 ,, 22 und mehr ,, ^ 35 ,, Die kürzeste Dauer betrug l Tag; die längste Dauer betrug 2 Monate 3 Tage; die Durchschnittsdauer betrug 10 Tage.

Über die Verteilung der Geschäfte nach Kantoneu und über das Schicksal der Beschwerden gibt folgende Tabelle Auskunft:

Aarffau Appenzell A.-Rh Appenzell I.-Rh Baselland Baselstadt Bern Freiburg Genf Glarus Graubünden . .

Luzern Neuenburg Nidwaiden Obwalden Schaffhausen Sehwyz Solothurn St. Gallen Tessin Thurgau Uri Waadt Wallis Z»g Zürich

1 1 1 1 3

7 3 .

.·.

l 2 1

1 1 4

--

-s ·o

e

1

4

5

2 3 4 3

15 19

4 9,

11 15

1 8 1 1 1

2 7 5

2 3 6 5

1 1

2 1

i 1

1 12 Total

53

10

2 11

2 6 16 35

?,S 1 5 9

8 1 15 3

3 6

31

92 196

Auf 1915 Übertragen

I

.tt O

Abgewiesen

Kantone

Rückzug oder Gegenstandslosigkeit

Nichteintreten

4-15

1

1

1

I 11 1 3 4 23 30 22 18 4 17 8 1 1

4 6 2 23 1 54 1 43 2 23 7 4 2 51 9

360

1 Die Gründe, aus denen die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer in 53 Fällen auf die Beschwerde nicht eintrat, waren: in 10 Fällen Inkompetenz der. Oberaufsichtsbehörde, in

446

16 Fällen Verspätung der Beschwerde, in 21 Fällen direkte Einreichung der Beschwerde beim Bundesgericht, in je 2 Fällen fehlende Legitimation zur Beschwerde, mangelnde Substantiierung der Beschwerde und Nichterschöpfung des kantonalen Instanzenzuges.

Gesuche um provisorische V e r f ü g u n g wurden gestellt 45 davon bewilligt 14 l O E ,7 ,,..

, ?

ni Jf 35 Verfügungen abgewiesen 21 a o wegen Erledigung der Sache keine Verfügung erlassen . . . .

10 Auf dem K o r r e s p o n d e u z w e g e r l e d i g t e Geschäfte: (im Vorjahr)

Kammer . . . .

73 Präsidium . . . .

50 Kanzlei 46 Total JL69

72 33 48 TS3

Das Protokoll über die A d m i n i s t r a t i v g e s c h ä f t e verzeichnet 78 von der Kammer behandelte Gegenstände.

Y. Freiwillige

Gerichtsbarkeit.

Der Masseverwalter der l i n k su f r i g e n V i e r w a l d s t ä t t e r s e e b a h n hat im Berichtsjahr den Verteilungsplan aufgelegt. Gegen diesen ist eine Einsprache erfolgt, die vom Masseverwalter abgewiesen worden ist. Der Einsprecher hat sich gegen -diesen Entscheid beim Bundesgerichte beschwert; diese Beschwerde ist aber noch pendent, so dass die Liquidation noch nicht abgeschlossen werden konnte.

Am 7. April musste auf Verlangen der Gesellschaft selbst .die Zwangsliquidation über die M o n t e - G e n e r o s o - G e s e l l s c h a f t ausgesprochen werden. Die Liquidation konnte im Berichtsjahre nicht zu Ende geführt werden.

In vier schiedsgerichtlich zu erledigenden Streitigkeiten wurde der Präsident des Bundesgerichts von den Parteien laut Kompromiss um Bezeichnung der Mitglieder bzw. des Obmanns des Schiedsgerichts ersucht.

Auf ein Gesuch um Übernahme und Beurteilung einer Streitsache als Schiedsgericht trat das Bundesgericht nicht ein.

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Grb'sste Dauer

h

14 446 30 8 359

2 199 13 5 93

210 14 3 24

31 3 -- 54

18

2

12

4

424

99

188

106

IV. Beschwerden betr. Schuldbetreibungs- und KonkursWesen

351

342

9

Total

1650

755

461

II. Strafsachen Streitig-

1

1

199

4 4 -- --

146

23

177

3 2 -- -- 34

7

46

M S

1 Ï-Ë

!=£= S -22 .g Jahre Monate Tage

1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse . . .

2 . Berufungen . . . .

3. Zivilrechtl. Beschwerden 4. Andere Zivilsachen . .

5. Expropriationen . . .

Mittlere Dauer

Î

/. Zivilsachen :

III. Staatsrechtliche keilen

i

u: = v,

\ Dauer von der ; bis zur Zustell ils bzw. Besohlt

w W

-'S-

als 2 Jahre

Jfatnr der Streitsachen

Gesamtzahl ir erledigten Geschäfte

Dauer der Geschäfte

3 -- -- -- 8

1

Monate Tage

Tage

13 1 1 --

15 11 23 25

6

21

28 27 13

26

2

15

49

2

29

2

22

47

2

3

--

10

28

2 -- --

8 15 5

24 12 10

-- 2

1 7

20 16

--

5

2

--

32 32

12 ** *-q

Nach den N a t i o n a l s p r a c h e n verteilen sich die e r l e d i g t e n Geschäfte wie folgt:

*.

*.

00

Deutsche Schweiz

7. Zivilsachen: 1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse 2 . Berufungen . . . .

3. Zivilrechtl. Beschwerden 4. Andere Zivilsachen 5. Expropriationen .

II. Strafsachen

1

11 298 24 5 323

= = = = =

78% 67% 80% 63% 90%

12 = 67%

Französische Schweiz

3 127 6 3 36

== = = = =

22 % 28 % 20 % 37 % 10 %

6 = 33 %

Italienische Schweiz

21 =

5 %

Total

14 = 100% 446 = 100 % 30 = 100 % 8 = 100 % 359 = 100 % 18 = 100 %

--

777. Staatsrechtliche Streitigkeiten

303 =

72%

94 = 22 %

27 = 6 %

424 = 100 %

IV. Beschwerden der ScJmldbetreibungs- u. Konkurskammer

222 = 63%

76 = 22 %

53 = 15 %

351 = 100 %

Total

1198 = 72%

351 = 21 %

101 =

7%

1650 = 100 %

·

449

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

L a u s a n n e , den 27. Februar 1915.

Im Namen des Schweiz. Bundesgerichtes, Der Präsident:

Honegger.

Der Gerichtsschreiber : Nicola.

~>&<--

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Bericht des schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1914. (Vom 27. Februar 1915.)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1915

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

13

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.03.1915

Date Data Seite

423-449

Page Pagina Ref. No

10 025 680

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