115 I. Die durch Bundesbeschluss vom 12. März 1912 (E. A. S.

XXVIII, 78) erteilte Konzession einer Schmalspurbahn von Langenthal (Station der Langenthal-Jura-Bahn) nach Melchnau wird dahin abgeändert, dass im Art. 8 als Absatz 2 folgende Bestimmung aufgenommen wird : ,,In bezug auf die Benützung der öffentlichen Strassen für die Anlage und den Betrieb der Bahn gelten die Vorschriften des Beschlusses des Grossen Rates des Kantons Bern vom 26. Mai 1913, soweit diese Vorschriften nicht mit der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung im Widerspruch stehen."

II. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge dieses Beschlusses, der am 1. Januar 1916 in Kraft tritt, beauftragt.

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II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1915).

(Vom 26. November 1915.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten Ihnen über nachfolgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen : 37. Adolf Reisser, von Sennheim (Elsass), geb. 28. Februar 1863, seit dem Jahre 1878 aus dem deutschen Staatsbürgerrecht entlassen, verheiratet, Vater von zwei Kindern, wohnhaft gewesen in Basel, zurzeit als Zuchthaussträfling in der kantonalen Strafanstalt in Basel verhaftet.

Am 2. August 1914 wurde Adolf Reisser bei Verfolgung eines Falles von Militärspionnage in Basel verhaftet. Die kantonale Polizei fand im Keller seiner Wohnung, Habsburgstrasse 15, in Basel, eine mit Pikrinsäure gefüllte Sprengbombe samt Zündschnur, Sprengkapseln und Klammern aus Eisen und Kupferblech.

Durch Sachverständige wurde festgestellt, dass diese Sprengbombe genüge, um Eisenbahnschienen, Weichen, leichtere Brückenträger usw. gründlich zu zerstören. Reisser gab auf Befragung zu, dass

116 er diese Materialien von einer auswärtigen Militärmacht erhalten und beabsichtigt habe, von denselben nach Ausbruch eines Krieges Gebrauch zu machen, um eine Eisenbahnlinie auf feindlichem Boden zu zerstören und dadurch die Mobilisation der Truppen zu erschweren.

Auf Grund dieser Tatsachen verurteilte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt am 26. August 1914 den Adolf Reisser wegen Übertretung des Art. 3 des Bundesgesetzes über Ergänzung des Bundesstrafrechtes vom 12. April 1894 durch verbotene Übernahme und Aufbewahrung von Sprengstoffen zu drei Jahren Zuchthaus, abzüglich zwei Monate Untersuchungshaft, zu zehnjähriger Einstellung im Aktiv-Bürgerrecht nach Erstehung der Strafzeit und ferner zu lebenslänglicher Verweisung aus dem Gebiete der Eidgenossenschaft und zur Tragung der Kosten unter Konfiskation der corpora delicti.

Dieses Urteil wurde von Reisser durch Appellation an das kantonale Obergericht und nachher durch Kassationsbeschwerde an das Bundesgericht gezogen, aber von beiden Instanzen in allen Teilen bestätigt, wobei besonders hervorgehoben wurde, dass auch das, wie das Bundesgericht sich ausdrückt, ziemlich strenge Strafmass den Verhältnissen des Falles entspreche.

Reisser hatte mit dem 30. Oktober 1915 ein Jahr und einen Monat, also einen Monat mehr als einen Dritteil seiner Strafe, abgesessen, und er ersucht um Erlass der noch restierenden Freiheitsstrafe durch Begnadigung, indem er geltend macht, dass ihm jedenfalls kein anarchistisches Verbrechen zur Last falle, aber auch sonst kein Verbrechen im gewöhnlichen Sinne, und dass mit der ausgestandenen Zuchthausstrafe offenbar das ihm zur Last gelegte Delikt hinreichend gesühnt sei.

Für alle Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen. Der Bundesrat glaubt, lediglich feststellen zu sollen, dass die von den kantonalen Gerichten ausgesprochene und auch vom Bundesgericht gebilligte Unterstellung der Handlungen des Adolf Reisser unter Art. 3 des Sprengstoffgesetzes vom 12. April 1894 in rechtlicher Beziehung unanfechtbar sei und dass auch kein genügender Grund vorliege, die innerhalb der gesetzlichen Schranken vom zuständigen Richter rechtskräftig ausgemessene Strafe im Wege der Begnadigung zu mildern, bevor die kriegerischen Wirren in den die Schweiz umgebenden Staaten ein Ende gefunden haben.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Adolf Reisser zurzeit abzuweisen.

117 38. Friedrich Bieri, Fuhrhalter in Belp (Kanton Bern).

39. Albrecht Gilgen, Landwirt in Rüthi (Kanton Bern).

40. Otto Müller, Schweinehändler, und Hermann Hauenstein, Fuhrhalter, beide in Tegerfelden.

(Übertretung des Art. 213 M. 0.)

Die Vorgenannten wurden wegen unbefugten Verkaufes von Pikettpferden verurteilt : a. Friedrich Bieri wegen Verkaufes des Pferdes Nr. 4104/31 an Werner Wermuth in Gwatt bei Thun vom korrektioneilen Richter von Seftigen in Belp am 17. September 1915 zu einer Busse von Fr. 100 und den Kosten ; b. Albrecht Gilgen wegen Verkaufes des Pferdes Nr. 6534/31 an Albrecht Zwahlen in Stein bei Schwarzenburg (Kanton Bern) vom korrektioneilen Richter von Seftigen in Belp am 27. August 1915 zu einer Busse von Fr. 100 und den Kosten ; y c. Otto Müller und Hermann Hauenstein wegen Verkaufes des Pferdes Nr. 3097/63 an Heinrich Rössling, Fuhrhalter in Zürich, vom Bezirksgericht Zurzach am 8. September 1915 je zu einer Busse von Fr. 100 und solidarisch zu den Kosten.

Die Genannten ersuchen um Brlass der ausgesprochenen Bussen und machen zur Begründung ihrer Gesuche folgendes geltend : B i e r i wie M ü l l e r und H a u e n s t e i n behaupten, im guten Glauben gehandelt zu haben, die Pferde seien dienstuntauglich und nicht auf Pikett gestellt ; ersterer, weil das Tier dienstuntauglich aus der Kuranstalt zurückgekehrt sei, letztere, weil ihr Verkäufer ihnen zugesichert hatte, dass es nicht mehr auf Pikett stehe. Diesen Behauptungen gegenüber ist festzustellen, dass in beiden Fällen das veräusserte Pferd mit Hufnummern gebrannt war. Der Verkäufer wusste somit, dass es zur Zeit der Mobilisation als diensttauglich befunden und auf Pikett gestellt worden war, was ihm, da die Vermutung für Fortdauer der Pikettstellung sprach, zur Pflicht machte, sich zuständigen Ortes darüber zu vergewissern, dass das Pferd wirklich aus der Pikettstellung entlassen und in den Pferdestellungskontrollen gestrichen worden war, wenn er es ohne Bewilligung verkaufen wollte. Sich wie Müller und Hauenstein ohne weiteres auf die Angaben des Vorbesitzers oder wie Bieri darauf zu verlassen, dass das Pferd von der Kuranstalt nicht in den Militärdienst zurück, sondern nach Hause geschickt wurde, charakterisiert sich als grobe Nachlässigkeit, die um so schwerwiegender ist, als die Pferdebesitzer

118

durch zahlreiche Publikationen und auch mündliche Belehrung über die Bedeutung der Pikettstellung und die beim Verkauf von Pikettpferden zu beobachtenden Formalitäten orientiert worden sind.

Ausser der Unkenntnis der Pikettstellung führt Bieri zu seiner Entlastung noch an, er habe sich bei dem Gemeindedelegierten erkundigt und dabei die Auskunft erhalten, er dürfe das Pferd verkaufen. Im Strafverfahren wurde über diese Behauptung nicht Beweis geführt, weshalb auf sie nicht abgestellt werden kann ; es kommt ihr übrigens wenig Bedeutung zu, da der Delegierte sein Urteil nur auf die Angaben Bieris fallen konnte und daher erst noch nachgewiesen sein müsste, dass diese vollständig waren.

A l b r e c h t G i l g e n macht geltend, er habe nicht in böser Absicht, sondern aus Unkenntnis der bestehenden Vorschriften es unterlassen, rechtzeitig um Verkaufsbewilligung nachzusuchen, und dies dann nachträglich, lange bevor eine Anzeige erfolgt sei, nachgeholt.

In der administrativen Voruntersuchung hat sich Gilgen damit entschuldigen wollen, dass das Pferd nicht in seinem Namen im Dienst gestanden sei ; vor dem Richter behauptete er dann zuerst, die Anzeige sei unrichtig, er habe eine Bewilligung eingeholt, und Hess sich erst in einer spätem Einvernahme herbei, beizufügen, dass dies erst zwei Monate später (offenbar nach der Einvernahme durch den Pferdestellungsoffizier) geschah.

Es ist anzunehmen, dass Gilgen, wenn er wirklich aus Unkenntnis gehandelt hätte, diesen Umstand von Anfang an, schon in der Einvernahme durch den Pferdestellungsoffizier, zu seiner Entschuldigung vorgebracht hätte ; wenn er diese Angabe nun erst nachträglich, nachdem ganz andere Gründe vorgebracht wurden, macht, so muss sie allein schon deshalb unglaubwürdig erscheinen, ganz abgesehen davon, dass nach sieben Monaten Mobilisation und den erfolgten Publikationen die allgemeine Kenntnis der Vorschriften vorausgesetzt werden darf.

Schliesslich ist hinsichtlich aller drei Gesuche darauf hinzuweisen, dass überall das Mindestmass der gesetzlich vorgesehenen Strafe zur Anwendung gelangte, womit den vorhandenen Milderungsgründen in genügender Weise Rechnung getragen wurde.

Ein besonderer Anlass, der die Herabsetzung der Bussen begründen würde, besteht nicht.

A n t r a g : Die Begnadigungsgesuche des Friedrich Bieri, Albrecht Gilgen, Otto Müller und Hermann Hauenstein seien abzuweisen.

119 41. Hans Behrens, geb. 1886, Schmied in BreitenmattDürnten (Kanton Zürich).

(Übertretung des Jagdgesetzes.)

Behrens hat zusammen mit Rudolf Oetiker, zurzeit in Baden, im Herbst 1912 hinter seiner Wohnung in Breitenmatt einen .Selbstschuss angebracht: Auf erstattete Anzeige hin legten die beiden Angeschuldigten vor dem Statthalteramt Hinwil ein umfassendes Geständnis ab und wurden am 22. Juli 1915 von dieser Behörde gemäss Art. 21, .Ziffer l, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz je mit ·einer Busse von Fr. 500 belegt.

Behrens hat, wie Oetiker, die Strafe anerkannt und auf gerichtliche Beurteilung der Sache verzichtet, ersucht nun aber um Erlass der Busse durch Begnadigung und beruft sich dabei auf vollständige Mittellosigkeit und ferner darauf, dass er zur Anbringung des Selbstschusses dadurch veranlasst worden sei, ·dass ihm mehrere Hühner von Füchsen gestohlen worden seien.

Das Statthalteramt Hinwil bezeichnet die Angaben des Gesuchstellers betreffend seine Vermögens- und Familienverhältnisse als richtig und beantragt Herabsetzung der Busse auf Fr. 50 bis 100.

Behrens war sich zugestandenermassen der Rechtswidrigkeit seines Handelns bewusst, wie auch der Gefahr, welcher seine Umgebung ausgesetzt wurde, was am besten daraus hervorgeht, dass er den Briefträger vor Begehung der gefährlichen Stelle ·warnte. Unter diesen Umständen kann die Vermögenslosigkeit .nicht als hinreichender Grund zu einer Herabsetzung der Busse anerkannt werden.

A n t r a g : Das Begnadigungsgesuch des Hans Behrens sei abzuweisen.

42. Gotthold Jaggi, geb. 1895, Landarbeiter im Pöschenried in Lenk.

[(Übertretung des Jagdgesetzes.)

Gotthold Jaggi schoss im Herbst 1914, während der offenen Jagdzeit, jedoch ohne im Besitze eines Patentes zu sein, einen Hasen in der Nähe seiner Wohnung in Lenk. Er wurde dabei von zwei Jägern ertappt, die den Hasen verfolgten und denen er dann, als er sich entdeckt sah, das erlegte Wild abliefern musste.

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Auf erstattete Anzeige hin verurteilte ihn der Polizeirichter von Obersimmental am 25. März 1915, in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit. a, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz zu Fr. 40 Busse und den Kosten.

Der Verurteilte reicht nun ein Begnadigungsgesuch ein und schildert den Vorgang so, als ob er lediglich den Jägern einen Dienst habe erweisen wollen und ihm jede Absicht zu wildern ferngelegen sei. Aus jugendlichem Übermut, und ohne sich der Widerrechtlichkeit seiner Tat bewusst zu sein, habe er den Schuss abgegeben.

Diese Darstellung ist recht unwahrscheinlich und widerspricht ausserdem direkt den Angaben, die Jaggi selbst in der Strafuntersuchung gemacht hat; sie kann daher bei der Behandlung seines Gesuches nicht berücksichtigt werden.

In zweiter Linie beruft sich Jaggi darauf, dass er als Landarbeiter bei seinem Vater keinen eigentlichen Lohn verdiene und es ihm infolgedessen ungemein schwer fallen würde, die Busse zu bezahlen. Es ist indessen nicht nachgewiesen und wird vom Gesuchsteller auch gar nicht behauptet, dass seine finanziellen Verhältnisse wirklich ganz ärmliche seien, sodass auch von diesem Standpunkte aus ein gänzlicher oder auch nur teilweiser Erlass der auf das gesetzliche Mindestmass festgesetzten Strafe, trotz der Empfehlung des Gemeinderates von Lenk und des Regierungsstatthalters von Obersimmental nicht gerechtfertigt erscheint.

A n t r a g : Gotthold 'Jaggi [sei mit seinem Begnadigungsgesuche abzuweisen, l Genehmigen Sie die Versicherung unserer ausgezeichneten, Hochachtung.

B e r n , den|26. November^l915.

Im Namen desfschweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der"Eidgenossenschaft^ Schatzmann.

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II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1915). (Vom 26. November 1915.)

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