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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend Verwendung des Notstandsfonds für Hilfsbedürftige.

(Vom 2. Februar 1915.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Seit dem Ausbruch des europäischen Krieges sind dem Bundesrat aus dem Inlande und dem Auslande zahlreiche Geldbeträge übermittelt worden zur Unterstützung der durch den Krieg und seine wirtschaftlichen Folgen in Not geratenen Schweizerbürger. Bei diesen Spenden haben sich namentlich die Schweizer in überseeischen Gebieten hervorgetan, indem sie dadurch der Heimat ein rührendes Zeichen ihrer treuen Anhänglichkeit gaben.

Es ist auf solche Weise ein Fonds gesammelt worden, der gegenwärtig den Betrag von 684.437 Fr. 40 Rp. erreicht hat.

Wir halten den Zeitpunkt für gekommen, um einen wesentlichen Teil dieser Summe ihrer Zweckbestimmung zuzuwenden, und haben in diesem Sinne heute den nachstehenden Beschluss gefasst : 1. Von dem aus freiwilligen Beiträgen gebildeten Notstandsfonds für Hilfsbedürftige in der Höhe von 684,437 Fr. 40 Rp.

wird jedem Kanton ein Betrag zur Verfügung gestellt, der sich auf zehn Rappen auf den Kopf der Bevölkerung (nach der Volkszählung von 19103 beläuft. Diese Beträge sollen Verwendung finden zur Unterstützung von schweizerischen Familien, welche durch die gegenwärtige wirtschaftliche Krisis in Not geraten sind, in der Regel von solchen, die nicht schon vorher Armenunter stützung genossen haben.

2. Für die Verteilung der Unterstützungsbeträge soll ausschliesslich das Wohnortsprinzip massgebend sein. Dabei wird den Kantonen der Wunsch ausgesprochen, sie möchten die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel in erster Linie solchen Familien

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zukommen lassen, deren Notlage zu einer Heimschaffung im Sinne von Art. 45, Absatz 5, der Bundesverfassung, oder zu einem Heimruf seitens des Heimatkantons Anlass geben könnte.

3. Die Unterstützungsbeträge dürfen nicht mit einem bestehenden Armenfonds vereinigt werden. Sie gelten nicht als Armenunterstützung und ziehen keinerlei Folgen nach sich, die mit dem Empfange von Armenunterstützung verbunden sind.

Eine Rückforderung der geleisteten Unterstützungen ist nicht statthaft.

4. Jeder Kanton hat binnen sechs Monaten nach Empfang der ihm zukommenden Summe dem schweizerischen Politischen Departement über deren Verwendung einen Bericht zu erstatten, aus dem ersichtlich sein soll, in welchem Verhältnis die kantonsfremde schweizerische Bevölkerung an der verfügbaren Summe Anteil hat.

Wir behalten uns vor, da wo infolge Arbeitslosigkeit ausnahmsweiser Notstand vorhanden ist, besondere Massregeln zu treffen.

Sie wollen gefl. unserm Politischen Departement, das mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt ist, die Mitteilung zukommen lassen, ob Sie bereit sind, den auf Ihren Kanton entfallenden Anteil dem Zwecke, wie er durch obige Bestimmungen festgestellt ist, zuzuführen und über die Verwendung Bericht zu erstatten.

Wir benützen den Anlass, um Sie, getreue liebe Eidgenossen, samt uns in den Machtschutz Gottes zu empfehlen, B e r n , den 2. Februar

1915.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schutzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend Verwendung des Notstandsfonds für Hilfsbedürftige. (Vom 2. Februar 1915.)

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Jahr

1915

Année Anno Band

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06

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10.02.1915

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142-143

Page Pagina Ref. No

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