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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung, 67. Jahrgang.

Bern, den 29. Dezember 1915.

Band IV.

Erscheint wöchentlich. Preis 10 Franken im Jahr, B Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 15 Rappen die Zelle oder deren Kaum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu dem Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Organisation und das Verfahren des eidgenössischen Versicherungsgerichtes.

(Vom 18. Dezember 1915.)

Gemäss Art. 120 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 hat jeder Kanton ein einziges Gericht als erste Instanz zur Behandlung der in Art. 120 umschriebenen Streitigkeiten zu bezeichnen. Als Berufungsinstanz errichtet der Bund, gemäss Art. 122 des erwähnten Gesetzes, ein eidgenössisches Versicherungsgericht. Die Organisation und das Verfahren dieses Gerichtes werden von der Bundesversammlung festgesetzt, die auch die Richter jeweilen für eine Amtsdauer von sechs Jahren wählt.

Mit Kreisschreiben vom 15. April 1913 haben wir die Kantonsregierungen eingeladen, uns unter anderem die Bezeichnung des kantonalen Versicherungsgerichtes und die Ordnung des Verfahrens, dessen Genehmigung dem Bundesrate vorbehalten ist, bekanntzugeben. Mit Zirkular vom 18. Oktober 1913 hat das Bundesamt für Sozialversicherung die Kantonsregierungen auf verschiedene, die Bezeichnung des Gerichtes und die Festsetzung des Verfahrens bezügliche Punkte aufmerksam gemacht, um, soweit Bundesblatt. 67. Jahrg. Bd. IV.

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möglich, eine gewisse Gleichförmigkeit der kantonalen Erlasse unter sich und insbesondere deren Anpassung an die Organisation und das Verfahren der zu schaffenden eidgenössischen Berufungsinstanz herbeizuführen.

Die grosse Mehrzahl der Kantone haben ihr Versicherungsgericht bezeichnet und das Verfahren festgesetzt. Damit ist auch für den Bund der Zeitpunkt gekommen, die eidgenössische Berufungsinstanz zu schaffen. Zwar ist vor Anfang des Jahres 1917 an eine Betriebseröffnung der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern wohl nicht zu denken. Der Behandlung der Vorlage in den Räten soll aber die hinlängliche Zeit eingeräumt werden; überdies ist es nicht ausgeschlossen, dass das Gericht schon vor der Betriebseröffnung der Anstalt in Funktion zu treten haben wird, da ausser dem bereits seit 1. Januar 1914 in Kraft stehenden Abschnitt Krankenversicherung des Bundesgesetzes auch der Abschnitt Unfallversicherung insoweit in Kraft gesetzt worden ist, als es die Vorbereitung des Vollzuges des Gesetzes erheischt.

Übrigens handelt es sich bei dem Erlasse der Bundesversammlung vorerst um ein Bereitstellen der Instanz und des Verfahrens ; die Wahl der Richter und die Festsetzung des Beginnes der Tätigkeit des Gerichtes werden im gegebenen Zeitpunkte späterhin vorgenommen werden können.

Das revidierte Bundesgesetz über die Militärversicherung vom 23. Dezember 1914 überträgt zu den in Art. 120 des Versicherungsgesetzes bezeichneten Streitigkeiten auch solche aus der Militärversicherung dem Eidgenössischen Versicherungsgericht zur Entscheidung und beauftragt die Bundesversammlung mit der Festsetzung des bezüglichen Verfahrens. Wir hatten deshalb zu prüfen, ob diese Festsetzung einem besonderen Beschlüsse vorzubehalten oder ob es möglich sei, die zum Teil verschiedenartigen Verfahren gleichzeitig in einem einzigen Erlasse zu ordnen. Wir sind zur Bejahung der letzteren Frage gelangt, immerhin in dem Sinne, dass der eigenartigen Natur der Streitigkeiten aus dem Militärversicherungsgesetz durch einen Anhang Rechnung getragen werden soll, der einige besondere Bestimmungen für deren Behandlung enthält.

Bei der Ausarbeitung der Vorlage haben wir uns den Rat und die Erfahrung sachkundiger Personen zunutze gemacht.

Eine Kommission, bestehend aus den Herren Prof. Grenier, juge cantonal in Lausanne, Bundesrichter Dr. Perrier und Bundesrichter Dr. Schurter, Nationalrat Dr. Studer in Winterthur und Ständerat Dr. Usteri in Zürich, begutachtete unter dem Vorsitze

235 des Chefs des Volkswirtschaftsdepartements und unter Beiziehung des Direktors des Bundesamtes für Sozialversicherung und des Chefs der Justizabteilung die Vorlage. Dabei sind wir in der Weise vorgegangen, dass wir dieser Kommission vorerst eine Anzahl grundsätzlicher Fragen unterbreiteten und nach deren Abklärung den Entwurf auch artikelweise durch sie beraten Hessen.

Es war naheliegend und durch das Interesse möglichster Einheitlichkeit der bundesrechtlichen Normen auf dem Gebiete der Gerichtsorganisation und des Verfahrens geradezu geboten, dem Entwurf, soweit tunlich, das revidierte Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege zugrunde zu legen. Viele Bestimmungen dieses Gesetzes sind denn auch zum Teil sinngemäss, zum Teil sogar wörtlich in den Entwurf hinübergenommen worden. Abweichungen erfolgten nur da, wo die besondere Natur des Versicherungsgerichtes sie erheischten, oder wo gemachte Erfahrungen sie als wünschenswert erscheinen Hessen.

Bei dieser Sachlage glauben wir auf eine Begründung der einzelnen Artikel der Vorlage verzichten und uns auf einige allgemeine Bemerkungen beschränken zu dürfen.

I. Die rechtliche Natur des Erlasses.

Der Erlass stellt wohl die Vollziehung eines Bundesgesetzes, nicht aber ein Bundesgesetz selbst dar. Er ist auch kein Bundesbeschluss im verfassungsmässigen Sinne, da er, obschon allgemein verbindlich und nicht dringlich, dem Referendum doch nicht unterliegt. Er ist vielmehr die Ausführung eines durch das Gesetz den Räten erteilten Auftrages. Gleichwohl schlagen wir vor, da er von diesen ausgeht, ihn als Bundesbeschluss zu bezeichnen.

II. Die Organisation des Gerichtes.

Das verworfene Gesetz von 1899 [hatte ein Bundesversicherungsgericht vorgesehen, das erst- und letztinstanzlich über die in Art. 315 des Gesetzes erwähnten Streitigkeiten, und zweitund letztinstanzlich über die Beschwerden gegen Endentscheide der Versicherungsschiedsgerichte hätte entscheiden sollen. Die Stellen der Richter waren nicht als Beamtungen gedacht.

Der Entwurf des Bundesrates von 1906 zum neuen Gesetz sah ein einziges erst- und letztinstanzliches Versicherungsgericht vor, das aus drei Richtern und fünf Ersatzmännern bestehen

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sollte und dessen Organisation der Bundesversammlung vorbehalten war. Der Entwurf machte in den Kommissionen und in den Räten verschiedene Wandlungen durch. Am Platze des einzigen Versicherungsgerichtes wurden verschiedene eidgenössische, erstinstanzliche Versicherungsgerichte, gegen deren Entscheide an das Bundesgericht hätte rekurriert werden können, vorgeschlagen ; später sah man ein eidgenössisches Versicherungsgericht als Berufungsinstanz bei einem bestimmten Streitwert vor, bis schliesslich der jetzt zum Gesetz gewordene Antrag siegte, nach dem die Kantone eine einzige Instanz bezeichnen, und der Bund ein eidgenössisches Versicherungsgericht als Berufungsinstanz ohne Rücksicht auf den Streitwert einsetzt.

1. Für die Art der Organisation dieses eidgenössischen Versicherungsgerichtes kommt u. a. wesentlich dessen voraussichtliche Belastung in Betracht. Dabei kann es sich aber nur um Mutmassungen handeln. In der nationalrätlichen Kommission war man diesbezüglich geteilter Ansicht. Während von einer Seite die Meinung vertreten wurde, es werden jährlich zirka 1500 Unfälle die Gerichte in Anspruch nehmen, da die Anstalt des Grundsatzes wegen sich nicht so wie die Privatgesellschaften auf Vergleiche einlassen könne, wurde von anderer Seite geltend gemacht, eine einheitliche gleichmässige Praxis werde bald eine feste Rechtsauffassung in den grundsätzlichen Fragen schaffen und die Prozesse deshalb zu den Ausnahmen werden lassen.

Nach dem Bericht des Bundesgerichtes über die Geschäftsführung im Jahre 1914 kamen im Berichtsjahr 27 Prozesse aus dem Gebiete der Eisenbahn- und Dampfschiffhaftpflicht, der Fabrikhaftpflicht und dem Bundesgesetz betreffend die elektrischen Stromleitungen zur Beurteilung. Diese Zahl gibt aber für die Belastung des Versicherungsgerichts keinen Anhaltspunkt, da die Berufung an dasselbe an keinen Streitwert gebunden und auch mit verhältnismässig geringen Kosten verbunden sein wird, so dass die Zahl der den bisherigen Haftpflichtprozessen entsprechenden Prozesse gegen die Anstalt eine ganz erheblich höhere sein wird. Dazu kommt noch, dass der Kreis der Versicherten gegenüber demjenigen der bisherigen Haftpflichtberechtigten um etwas erweitert sein wird. Das Versicherungsgericht wird aber ausser den Streitigkeiten um die Versicherungsleistungen noch solche um Ansprüche der Anstalt
oder einer Kasse auf Prämien, Rückerstattungen u. dgl., sowie Streitigkeiten zwischen der Anstalt und Kassen zu entscheiden haben. In den Streitigkeiten um die Versicherungsleistungen werden auch inbegriffen sein diejenigen

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aus der freiwilligen Versicherung und aus der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen. Dazu kommen noch die Streitigkeiten aus der Militärversicherung, und schliesslich ist es denkbar, dass später auch andere Gebiete dem Versicherungsgericht zur Rechtsprechung werden zugewiesen werden. Auch für die mutmassliche Zahl der Streitigkeiten aus den Gebieten, die über die Ansprüche auf Versicherungsleistungen hinausgehen, bestehen einigermassen zuverlässige Anhaltspunkte nicht. Ist es^ deshalb unmöglich, auch nur annähernd die voraussichtliche Belastung des Gerichtes zu bestimmen, so rechtfertigt dies, für den Anfang in der Zahl der ständigen Richter zurückzuhalten und Richter im Nebenamt beizuziehen. Damit ist dem Gerichte eine Elastizität gegeben, die es ihm erlaubt, seine Kräfte der jeweiligen Belastung anzupassen. Der Entwurf sieht deshalb nur den Präsidenten und den Vizepräsidenten als ständige Mitglieder, und ausser ihnen fünf Richter im Nebenamt vor. Der Versuch einer derartigen Organisation darf um so eher gewagt werden, als es ja nur eines Beschlusses der Bundesversammlung bedarf, die Zusammensetzung des Gerichtes nach Art und Zahl der Richter zu verändern, wenn sich ein Bedürfnis hierzu fühlbar machen wird.

2. Wir haben die Frage geprüft, ob der Grundsatz aufgestellt werden soll, dass die Richter oder ein Teil derselben aus einem bestimmten Beruf oder einer bestimmten Interessengruppe zu wählen seien.

a. Das deutsche Reichsversicherungsamt hat unter seinen ständigen Beamten technisch gebildete Mitglieder, wie Baumeister, Chemiker, Elektriker, die als Richter beigezogen werden, wenn vorwiegend in ihr Gebiet fallende Fragen zu entscheiden sind.

Für die Schweiz empfiehlt sich dieses System nicht, da die verhältnismässig geringe Zahl der Fälle es nicht rechtfertigt, bei einem Richter zugunsten von Spezialkenntnissen von vornherein auf die juristische Befähigung zu verzichten. Auch würde ein Richter mit technischen Fachkenntnissen leicht in denjenigen Fällen, in denen technische Fragen mitspielen, ein ungebührliches Übergewicht erhalten und es den übrigen Richtern unter Umständen praktisch verunmöglichen, auf Gutachten anderer, vielleicht bedeutenderer, Fachleute abzustellen.

b. Ähnliche Erwägungen sprechen gegen den Gedanken, die Wahl eines Arztes in das Gericht vorzuschreiben. Allerdings werden in den meisten Fällen Fragen der Erwerbsfähigkeit zu beurteilen sein. Die körperlichen Folgen der Unfälle- betreffen

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aber so verschiedene Teile und Organe des menschlichen Körpers, dass ein einziger, noch so hervorragender Arzt unmöglich in jedem einzelnen Falle über die nötigen Spezialkenntnisse und Erfahrungen verfügt. Die Einholung von Gutachten bei nach dem einzelnen Falle verschiedenen Spezialisten ist deshalb vorzuziehen.

c. Ausländische Versicherungsgerichtsorganisationen schreiben die Beiziehung von Interessenvertretern in das Gericht vor. In Betracht fallen hauptsächlich Vertreter der Arbeitgeber und solche der Arbeitnehmer. In Deutschland rühmt man diesem System gute Erfolge nach. Es erziehe die Interessenvertreter zur Objektivität, fördere die Arbeit des Gerichtes und erhalte dessen praktische Beziehungen zu der Aussenwelt.

Aber was vielleicht für die zahlreichen einzelnen, im Reichsversicherungsgebäude Berlin urteilenden Spruchsenate zutreffen mag, kann nicht von vornherein Gültigkeit für unser einziges Versicherungsgericht beanspruchen, dem ja nach dem Entwürfe auch nichtständige, in Fühlung mit dem praktischen Leben stehende Richter angehören werden und das auch in seiner Tätigkeit nicht an seinen Sitz gebunden ist. Dazu kommt ferner, dass das Versicherungsgericht neben den Invaliditätsentschädigungen auch andere, vorwiegend juristische Fragen zu behandeln haben wird, und dass eine schmiegsame Organisation geschaffen werden soll, die nicht für alle Fälle die Berücksichtigung einer genügenden Zahl von Interessenvertretern erlauben würde. Als solche müssten übrigens gerechterweise auch Vertreter der Anstalt, der Kassen, der freiwillig Versicherten usw. beigezogen werden, was neben der Berücksichtigung der Landessprachen und der Parteien viel zu weit führen -würde.

Wir empfehlen deshalb, davon abzusehen, die' Wahl von Interessenvertretern in der Organisation bindend vorzuschreiben.

Die Bundesversammlung ist ja immer noch frei, in der Wahlpraxis eine solche Vertretung einzuführen, wenn sie ihr mit der Zeit als geboten erscheinen sollte.

Dagegen soll vorgeschrieben werden, dass auf die Vertretung aller drei Nationalsprachen Rücksicht zu nehmen ist.

3. Da sich Aas Gericht nach dem Entwurfe aus ständigen Richtern und aus solchen im Nebenamt zusammensetzen soll, so sind für diese Kategorien zum Teil getrennte Bestimmungen über die Wahlfähigkeit erforderlich. Gemeinsam für beide ist das Erfordernis der Eigenschaft eines stimmfähigen Schweizerbürgers, und gemeinsam für beide muss sein die Unvereinbarkeit mit der

239 Eigenschaft eines Mitgliedes der Bundesversammlung, eines Beamten oder Angestellten des Bundes und eines Organes der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern. Man könnte sich allerdings fragen, oh ein Mitglied der Bundesversammlung nicht wenigstens als Richter im Nebenamt wählbar sein sollte. Da aber das Gericht unter der Aufsicht der Bundesversammlung stehen wird, so halten wir die gleichzeitige Mitgliedschaft zum Gericht und zur Bundesversammlung als unvereinbar. Denn es ist nicht zu übersehen, dass die Richter im Nebenamt Mitglieder, und nicht bloss Ersatzmänner des Gerichtes sein werden. Selbstverständlich kann ein Mitglied des eidgenössischen Versicherungsgerichtes nicht auch gleichzeitig Mitglied des Bundesrates oder des Bundesgerichtes sein. Dies noch ausdrücklich zu erwähnen, erscheint jedoch im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Organisation dieser beiden Behörden als überflüssig.

Im übrigen bedürfen die gemeinsamen Bestimmungen betreffend Wählbarkeit keiner näheren Begründung. Was sodann die besonderen Bestimmungen für die beiden Arten von Richtern betrifft, so lehnt sich die Vorschrift hinsichtlich der ständigen Richter der für die Mitglieder des Bundesgerichtes geltenden an.

Beigefügt ist dem Verbot der Zugehörigkeit zur Verwaltung einer Erwerbsgesellschaft das Verbot, einer Anstalt vorzustehen, deren Angehörige allgemein bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt versichert sind. Diese Bestimmung entspringt der Erwägung, dass in der Mehrzahl der vom Gericht zu beurteilenden Streitigkeiten die Anstalt Partei sein wird. Den Richtern im Nebenamt muss naturgemäss eine grössere Freiheit als den ständigen Richtern gelassen werden. Für sie kommen die Gründe, die dem Gerichte die ungeschmälerte Arbeitskraft und das ungeteilte Interesse des Richters sichern wollen, nicht in Betracht.

Es ist vielmehr nur dafür zu sorgen, dass ihre richterliche Sachlichkeit und Unabhängigkeit gewahrt und dass die Möglichkeit unpassender Doppelstellungen vermieden wird. Diesem Bedürfnis entspringt die Bestimmung, dass die Richter im Nebenamt weder vor den kantonalen Versicherungsgerichten noch vor dem eidgenössischen Versicherungsgericht als Anwälte tätig sein dürfen.

Dafür, dass als Richter im eidgenössischen Versicherungsgericht nicht ein Anwalt amtet, der in
der gleichen Sache bereits vor kantonalem Veraicherungsgericht aufgetreten ist, sorgt zwar schon die Bestimmung des Entwurfes über die Gründe der Unfähigkeit zur Ausübung der richterlichen Tätigkeit. Wir glauben aber, noch einen Schritt weitergehen und dem Mitgliede des Gerichts,

240 auch dem nichtständigen, den Verzicht auf die Ausübung des Anwaltsberufes vor den kantonalen Versicherungsgerichten überhaupt zumuten zu sollen. Nur so wird der Richter sich selbst die nötige Sachlichkeit bewahren und bei den Parteien das Vertrauen gemessen, das ihn in seiner richterlichen Tätigkeit tragen muss. Dass das Mitglied des eidgenössischen Versicherungsgerichtes nicht als Anwalt vor diesem Gericht, dem es selbst angehört, auftreten soll, bedarf keiner besonderen Begründung.

Eine solche Doppelstellung ist schon bei Gerichten, in denen Anwälte nur ausnahmsweise als Ersatzmänner amten, unangenehm empfunden worden. Geradezu als unzulässig muss sie bezeichnet werden, wo es sich nicht um eine gelegentliche Aushülfe, sondern um Richter handelt, die, wenn auch nur im Nebenamt, so doch dem Gerichte in dessen regelmässiger Besetzung angehören.

4. Die Berufung an das eidgenössische Versicherungsgericht ist an keinen Streitwert gebunden. Dies macht die Schaffung einer Einzelkompetenz in Streitigkeiten um geringe Beträge unvermeidlich, wie ja in fast jeder Gerichtsorganisation eine Einzelkompetenz in Bagatellsachen besteht. Damit aber tunlichst vermieden wird, dass der Einzelrichter Urteile kantonaler Kollegien zu überprüfen haben wird, sind die Kantone rechtzeitig auf die beabsichtigte Schaffung der Einzelkompetenz hingewiesen worden, und sie haben deshalb, soweit uns bis heute bekannt, fast alle auch bei der Bezeichnung des kantonalen Versicherungsgerichtes dem Präsidenten desselben Kompetenzen eines Einzelrichters übertragen.

Die Anzahl der Streitigkeiten mit kleinem Streitwert kann möglicherweise eine sehr bedeutende werden. Dazu kommen in der Militärversicherung die Berufungen gegen Verfügungen des Oberfeldarztes, die ihrer Natur nach eine sofortige Erledigung erheischen und infolgedessen die Behandlung im schwerfälligeren Apparat eines Kollegialgerichtes nicht ertragen. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass der Vizepräsident nicht nur als Stellvertreter des Präsidenten, sondern auch regelmässig neben demselben als Einzelrichter amtet. Die näheren Anordnungen hierüber müssen beim Mangel von Erfahrungen und von jeglicher zuverlässigen Voraussicht den leicht revidierbaren Bestimmungen eines durch das Gericht aufzustellenden Reglements vorbehalten werden.

Für alle Fälle, die nicht der
Einzelkompetenz unterliegen, sieht der Entwurf eine Verteilung der Geschäftslast auf Gerichtsabteilungen vor; Auch hier wird nur der Grundsatz ausgesprochen, die Durchführung derselben dem Réglemente überlassen. Die

241 Bestimmung, dass über grundsätzliche Fragen oder über ein beabsichtigtes Abweichen von einem früheren Entscheide das Plenum zu entscheiden hat, sorgt für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

5. Die Verhandlungen vor dem Versicherungsgericht sollen selbstverständlich öffentlich sein. Dagegen sieht der Entwurf, in Abweichung von den für das Bundesgericht und für verschiedene kantonale Zivilgerichte geltenden Bestimmungen die geheime Beratung vor, und zwar aus folgenden Erwägungen: a. Allgemein wird die Autorität des Urteils gehoben, wenn die bei seiner Ausfällung zutage tretenden Meinungsverschiedenheiten der Richter nicht öffentlich vorgetragen werden, sondern wenn das Urteil nach aussen als geschlossenes Ergebnis der Beratung des Kollegiums erscheint. Wenn die Zuhörer in der öffentlichen Beratung Zeugen einer gelegentlichen Zufallsmehrheit, der Ansichtsänderung eines Richters während der Beratung, eines Irrtums in einem Zitat aus den Akten, einer diskutierbaren Beweiswürdigung, eines Stichentscheides usw. sind, so trägt dies a les dazu bei, zum Nachteil des Respektes vor dem Urteil das Menschliche im Richter erkennen zu lassen.

b. Dieser Nachteil kann gegenüber dem Vorteil der öffentlichen Kontrolle der richterlichen Tätigkeit in den Kauf genommen werden, wo es sich vorwiegend um die Erörterung rein juristischer Fragen handelt. Hier wird der zuhörende Jurist eine von der seinigen abweichende Rechtsüberzeugung achten, der Laie aber in der Regel überhaupt nicht folgen können.

Bei den dem Versicherungsgericht unterbreiteten Fragen handelt es sich aber neben dem juristischen auch um ein soziales Gebiet, um die Schaffung eines gerechten Interessenausgleiches, für den die Berufung auf G-esetzesparagraphen nicht immer ausreicht. Hier werden oft zum Zwecke der gerechten Urteilsfindung Erwägungen Platz greifen, die, wenn öffentlich vorgetragen, bei der einen oder ändern Seite Anlass zu Bemängelungen bieten.

c. Diese Erwägungen werden zudem in der Regel höchst persönliche Gebiete einer Prozesspartei berühren. Krankheitsanlagen, Gebrechen, Vererbung, Lebensweise, Selbstverschulden, Simulation, irrtümliche Diagnose, unrichtige Behandlung usw.

werden Gegenstand der Urteilsberatung bilden. Man kann ja wohl sagen, dass derartige Momente schon in den Akten erwähnt sind und öffentlich plädiert' werden können. Aber abgesehen davon, dass taktvolle Parteivertreter sich -auf die Andeutung des

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Standpunktes und auf den Hinweis auf die Akten beschränken werden, haben die Parteianbringen doch weniger Bedeutung als die Feststellungen des Gerichts.

d. Wenn sodann noch einzelne Richter Vertreter einer Interessengruppe sein oder sich doch als solche betrachten sollten, so wird durch die in der öffentlichen Beratung liegende Kontrolle ihrer Stimmabgabe ihre Objektivität noch mehr gefährdet als dies ohnehin der Fall ist.

6. Die Bestimmungen über die Unfähigkeitsgründe und die Ablehnungsgründe sind denjenigen des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege nachgebildet. Obschon sie praktisch selten zur Anwendung gelangen, müssen sie doch so eingehend aufgestellt und auf alle Möglichkeiten zugeschnitten sein, dass sie im gegebenen Falle auch wirklich eine Garantie gegen die Begünstigung einer Partei bilden.

Auch die Vorschriften betreffend die Ordnung des Geschäftsganges und die Prozesspolizei entsprechen denjenigen der Bundesgerichtsorganisation. Was die Stellvertretung betrifft, so ist diejenige des Präsidenten des Plenums und der beiden Einzelrichter geordnet. Die Stellvertretung im Vorsitz in den Abteilungen wird, weil die Bedürfnisse heute noch nicht klar zu überblicken sind, am besten der Ordnung durch das vom Gericht zu erlassende Reglement vorbehalten. Zur Vermeidung einer, namentlich hinsichtlich der dringenden Geschäfte, unerwünschten Unterbrechung der Tätigkeit des Gerichtes sieht der Entwurf von allgemeinen Gerichtsferien ab, gewährt jedoch Einzelurlaub, was mit dem System der doppelten Besetzung des Präsidentenstuhles und der Einsetzung von Richtern im Nebenamt gut vereinbar ist.

III. Das Verfahren.

1. Die Natur der hauptsächlichsten, vom eidgenössischen Versicherungsgericht zu beurteilenden Streitigkeiten und die Stellung dieses Gerichtes als letzte Berufungsinstanz gegenüber einer einzigen Vorinstanz rechtfertigen die Möglichkeit einer Berufung im weitesten Sinne. Insbesondere soll sich die Überprüfung durch das eidgenössische Versicherungsgericht nicht auf die Rechtsfragen beschränken, sondern auch auf die Beweisfragen erstrecken.

2. Dies hat wiederum zur Folge, dass vor dem eidgenössischen Versicherungsgericht wenigstens solche neue Tatsachen noch vorgebracht werden dürfen, die im erstinstanzlichen Ver-

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fahren nicht mehr verwendet werden konnten, und dass solche neue Beweismittel angerufen werden dürfen, die erst seit dem Erlasse des erstinstanzlichen Urteils bekannt geworden sind, oder die sich auf neue, zum Beweise zugelassene Tatsachen beziehen.

In den Rechten der Parteien noch weiter zu gehen, hiesse einer liederlichen Prozessführung Vorschub leisten.

3. Dagegen sieht der Entwurf eine weitergehende Befugnis des Gerichtes selbst vor. Schon wo es sich um rein zivilrechtliche Streitigkeiten handelt, beginnen moderne Prozessgesetze, sieh von der strengen Verhandlungsmaxime der Offizialmaxime zuzuwenden, die besser als jene eine Erforschung des materiellen Rechtes ermöglicht. Um so mehr rechtfertigt sich dieser Schritt hier, auf einem sozialen Gebiete, bei einem Gerichte, das in der Hauptsache nicht reine Streitigkeiten um mein und dein zu beurteilen, sondern namentlich dafür zu sorgen hat, dass der vom Gesetz gewollte Ausgleich der Schädigungen aus dem unselbständigen Erwerbsleben ein gerechter sei. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass das Gericht befugt ist, von Amtes wegen Tatsachen zu berücksichtigen und nötigenfalls unter Beweis zu stellen, die von den Parteien nicht vorgebracht worden sind und von Amtes wegen solche Beweisverfügungen zu treffen, zu deren Beantragung die Parteien nicht berechtigt sind. Wo die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt in Luzern Partei ist, wird die Ausübung dieser Befugnisse durch das Gericht in der Regel den Versicherten bezw. deren Hinterlassenen zugute kommen. Denn es steht zu erwarten, dass die Anstalt mit ihren Erfahrungen und ihrem auch auf die Prozessführung eingeschulten Personal dieser Hülfe des Gerichts wohl entraten könnte, während Versicherte und deren Vertreter, die nur gelegentlich Ansprüche aus der Unfallversicherung geltend machen, den Kern der Sache eher verkennen und die Rechtsprechung des Gerichtes weniger zu verfolgen in der Lage sind. Aber gerade diese Überlegenheit der Anstalt ist ein Grund mehr, dem Gerichte einen ausgleichenden Einfluss auf die Geltendmachung der Parteistandpunkte einzuräumen. Immerhin soll mit dem Verhandlungsverfahren nicht auch dessen Satz preisgegeben werden, dass das Gericht im Zuspruch der Rechtsbegehren an die Anträge der Parteien gebunden sein soll. Um hiervon abzugehen, bedürfte es überwiegender Interessen der
Öffentlichkeit, die trotz der sozialen Natur der Unfallversicherung denn doch nicht vorhanden sind.

4. Dass bei der vorgeschlagenen Stellung des Gerichtes ihm auch die freie Beweiswürdigung zustehen soll, bedarf einer

244 weiteren Begründung nicht. Die Kantone sind denn auch eingeladen worden, ihr Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgerichte derart zu gestalten, dass die freie Beweiswürdigung des eidgenössischen Gerichtes mit gesetzlichen Beweistheorien des kantonalen Rechtes nicht in Konflikt kommt.

5. Zur Vermeidung allzu grosser Prozesskosten und einer übermässigen Beanspruchung der Zeit des Gerichtes soll eine mündliche Verhandlung in der Regel nur stattfinden, wenn der Streitwert eine bestimmte Summe übersteigt. Als solche sieht der Entwurf in Anlehnung an das Verfahren vor dem Bundesgericht den Betrag von Fr. 4000 vor. Immerhin soll das Gericht befugt sein, auch bei niedrigerem Streitwert eine mündliche Verhandlung anzuordnen, wie andererseits die Parteien auch bei einem höheren Streitwert das schriftliche Verfahren sollen vereinbaren können. Damit dürfte dem Bedürfnis der Parteien wie des Gerichtes Rechnung getragen sein.

6. Da nach dem Entwurfe die Urteilsberatung nicht öffentlich sein soll, so dass die erschienenen Parteien aus der Verkündung des blossen Urteilsdispositives die Gründe nicht erfahren, sondern hierfür auf die spätere Zustellung der schriftlichen Ausfertigung angewiesen sein würden, so empfiehlt es sich, wenigstens die Möglichkeit der mit der Urteilsverkündung verbundenen mündlichen Mitteilung der Gründe vorzusehen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Urteile des Präsidenten als Einzelrichter..

IV. Besoldungen, Prozesskosten, Entschädigungen.

1. Aus den für die vorgeschlagene Organisation des Gerichtes erwähnten Gründen, insbesondere weil dessen juristische Bedeutung und Geschäftslast heute noch nicht abschliessend beurteilt werden kann, sieht der Entwurf für die ständigen Richter und die ständigen Beamten des Gerichtes Besoldungen vor, die den für das Bundesgericht gültigen etwas nachstehen. Diese Ordnung dürfte um so unbedenklicher erscheinen, als sie jederzeit durch einen Beschluss der Bundesversammlung abgeändert werden kann.

Was sodann die Entschädigungen der Richter im Nebenamt betrifft, so empfiehlt es sich, dem vorläufigen Mangel an jeglicher Erfahrung hinsichtlich der, Inanspruchnahme dadurch Rechnung zu tragen, dass die Festsetzung einem Beschlüsse des Bundesrates vorbehalten wird.

2. Die Bestimmung der Prozesskosten und der Anwalts-

245 gebühren ist nach dem Entwurf innerhalb eines festen Rahmens dem Gerichte überlassen. Diese Befugnis des Gerichtes soll erlauben, den Verhältnissen des einzelnen Falles Rechnung zu tragen. Der Rahmen gibt eine allgemeine Richtlinie und einen Schutz vor Willkür.

3. Was schliesslich die Parteientschädigung betrifft, so sieht der Entwurf eine Abschwächung des Grundsatzes vor, nach dem regelmässig die unterliegende Partei die obsiegende zu entschädigen hat. Denn trotzdem vor dem Versicherungsgericht naturgemäss ein förmliches Gerichtsverfahren stattfindet, wohnt dem letzteren doch auch ein Teil amtlichen Gesetzesvollzuges inné, zu dem im einzelnen Falle die Parteien wohl den Anstoss geben, ohne dass aber der Ausgang des Streites ausschliesslich ihr eigenes Interesse darstellen würde. Auch der Staat selbst, als Schöpfer und Förderer der Sozialversicherung, ist an einer gerechten Durchführung derselben beteiligt. Das Versicherungsgericht ist nicht nur das vom Staate den Parteien zur Verfügung gestellte Rechtsprechungsinstrument, sondern auch ein oberstes Organ des gesamten staatlichen Versicherungsapparates. Von diesem Gesichtspunkte aus wäre es sogar nicht ungerechtfertigt, wenn der Bund, bezw. die Gerichtskasse, in gewissen Fällen eine Parteientschädigung gewähren würde. Eine Eingabe zum Gesetzesentwurf hat denn seinerzeit auch ein bezügliches Postulat aufgestellt. Dasselbe ist aber nicht Gesetz geworden. Dem Gedanken wird nach dem Entwurf immerhin durch die bescheidene Höhe der Gerichtsgebühren und auch dadurch Rechnung getragen, dass das Unterliegen im Streit nicht ohne weiteres die Pflicht zur Entschädigung der Gegenpartei nach sich zieht, sondern dass das Gericht im einzelnen Falle hierüber bestimmt. Was insbesondere die Ansprüche aus der obligatorischen Versicherung betrifft, so sind die Verunfallten oder ihre Hinterlassenen nicht immer in der Lage, sich über die Begründetheit und das Mass ihrer 'Ansprüche Klarheit zu verschaffen. Sie sollen deshalb das Gericht ohne grosse Kostengefahr anrufen können. Der Entwurf sieht vor, dass sie der Anstalt gegenüber zu Kosten nur sollen verurteilt werden können, wenn die Berufung aussichtslos war, also nur bei mutwilliger Prozessführung.

V. Die Militärversicherung.

Wie erwähnt, bestimmt das Bundesgesetz über die Militärversicherung vom 23. Dezember 1914, dass einige aus ihm ent-

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stehende Streitigkeiten durch das eidgenössische Versicherungsgericht zu beurteilen sind. Es betrifft dies die Verfügungen des Oberfeldarztes über die Hauspflege und das Krankengeld, und die Entscheidungen der Pensionskommission (Art. 55 Mil Vers G), sowie Streitigkeiten zwischen der Militärversicherung und der bürgerlichen Versicherung über die Verteilung der Anteile beim Tragen von Versicherungsfällen durch beide Versicherungen (Art. 57 Mil Vers G). Da die Behandlung der Streitigkeiten aus diesem Gebiete eine von der übrigen mehr oder weniger unabhängige Tätigkeit des Gerichtes bilden und eine besondere Rechtsprechung herbeiführen wird, so sieht der Entwurf in seinem allgemeinen Teil zum Zwecke der Spezialisierung vor, dass die Streitigkeiten aus der Militärversicherung grundsätzlich dem gleichen Einzelrichter, bezw. den gleichen Gerichtsabteilungen überwiesen werden sollen.

A. Die Fälle des Art. 55 des Militärversicherungsgesetzes.

Art. 55, letzter Absatz, überträgt der Bundesversammlung die Festsetzung des Verfahrens vor dem eidgenössischen Versicherungsgericht. Damit ist schon vom Gesetzgeber ausgesprochen, dass das für die Behandlung der Streitigkeiten aus dem Unfallversicherungsgesetz aufzustellende Verfahren sich nicht ohne weiteres auch eigne für die Beurteilung der Fälle aus Art. 55 des Militärversicherungsgesetzes. In der Tat bestehen einige, zum Teil wesentliche, Unterschiede, die in verschiedenen Punkten ein Abweichen vom ordentlichen Verfahren erheischen.

1. Wohnt schon den Streitigkeiten über Leistungen aus der bürgerlichen Unfallversicherung infolge der vorwiegend öffentlichrechtlichen Natur der Ansprüche der Charakter von Verwaltungsstreitigkeiten inné, so lassen sie sich doch zwanglos in einem dem Zivilprozesse nachgebildeten Verfahren behandeln, weil den Versicherten die von. der Bundesverwaltung im wesentlichen losgelöste, autonome Unfallversicherungsanstalt als Partei gegenübersteht. Anders bei der Militärversicherung. Hier ist der Bund selbst der Versicherer, seine Organe sind es, die über die Hauspflege und das Krankengeld entscheiden, und eine zwar unabhängige, aber vom Bund ernannte Kommission entscheidet nach Antrag von Bundesorganen über die zu gewährenden Pensionen. Räumt auch in letzterem Falle das Gesetz dem Schweiz. Militärdepartement die Rolle einer Partei gegenüber dem Versicherten ein, so fehlt doch eine solche Gegenpartei, wo

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es sich um Verfügungen des Oberfeldarztes handelt. An Stelle des kontradiktorischen Parteiverfahrens muss also in diesem Falle die Vernehmlassung des Oberfeldarztes zur Rechtfertigung seiner angefochtenen Verfügung treten, ohne dass er damit zur Prozesspartei gestempelt werden dürfte.

2. Gehört zum prozessrechtlichen Begriffe der Berufung das Vorhandensein eines nach kontradiktorischem Verfahren gefällten Gerichtsurteiles, so fehlt diese Voraussetzung dem durch Art. 55 Mil Vers G. geschaffenen Rechtsmittel.

Dasselbe stellt denn auch nicht sowohl eine Berufung im zivilprozessualen Sinne dar, als vielmehr die Weiterziehung einer administrativen Verfügung an ein Gericht. Damit ist gesagt, dass mehr als im eigentlichen Berufungsverfahren das Gericht sich mit Beweisanträgen des Versicherten wird zu befassen haben, da diesem erst im Stadium der Weitemehung die Möglichkeit der Ausübung förmlicher Parteirechte geboten wird. Diesem Umstände war in der Vorlage Rechnung zu tragen.

3. Was wir hinsichtlich der Stellung der bei der Unfallversicherungsanstalt Versicherten ausgeführt haben, gilt in erhöhtem Masse von den auf Leistungen der Militärversicherung berechtigten Personen. Wenn der Bund die ökonomischen Folgen der in Ausübung der allgemeinen Wehrpflicht erlittenen körperlichen Schädigungen übernimmt, so steht dem erkrankten oder verunfallten Wehrmann daraus ein öffentlich-rechtlicher Anspruch zu, dessen gerechte Befriedigung auch ohne wesentliches Dazutun des Ansprechers Pflicht des Bundes ist. Deshalb muss ein Verfahren geschaffen werden, das in erster Linie einfach ist. Nur das Mindestmass der prozessualen Formalitäten soll dem Versicherten oder seinen Hinterlassenen zugemutet werden, damit er nicht in jedem Falle gezwungen ist, einen rechtskundigen Vertreter schon nur zur Wahrung der Formen beizuziehen. Das Verfahren muss ferner die Interessen des Versicherten schützen, auch wenn er selbst dieselben nicht mit der nötigen Gründlichkeit zu vertreten versteht. Deshalb ist die Offizialmaxime in weitgehendem Masse anzuwenden. Schliesslich soll dem Versicherten die Geltend machung seiner Ansprüche nicht durch ein kostspieliges Verfahren erschwert werden. Darum sieht die Vorlage dem Grundsatze nach die Kostenlosigkeit vor.

4. Wie schon bei der Beratung des Militärversicherungsgesetzes betont wurde, erheischt die Berufung gegen viele Anordnungen des Oberfeldarztes eine rasche Erledigung, wenn sie

248 überhaupt für den Versicherten noch einen Wert haben soll.

Der Entwurf sieht deshalb in seinem allgemeinen Teile für die Behandlung aller Berufungen aus Art. 55, Abs. l, Ziff. l, Mil Vers G eine Einzelkompetenz vor, um so mehr, als es sich, wie im Ständerate gesagt wurde, oft um kleine Dinge handelt, die den Rekurs an das eidgenössische Versicherungsgericht fast nicht ertragen.

B. Der Fall des Art. 57 des Militärversicherungsgesetzes.

Es kann vorkommen, dass ein bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern obligatorisch Versicherter an Unfallfolgen oder an einer versicherten Berufskrankheit leidet, und dass der Militärdienst den Verlauf der Erkrankung in ungünstigem Sinne beeinflusst. Trifft dies zu, so haben die bürgerliche und die Militärversicherung miteinander für die Deckung der versicherten Nachteile aufzukommen. Für das Verhältnis in der Verteilung stellt das Militärversicherungsgesetz die Grundsätze auf. Können sich die beiden Versicherungen nicht verständigen, so entscheidet das eidgenössische Versicherungsgericht.

Dass auch für diesen Fall die Bundesversammlung das Verfahren zu ordnen habe, ist in Art. 57 Mil Vers G nicht ausdrücklich gesagt, lässt sich aber zwanglos aus Art. 55 ableiten. Jedenfalls ist die Aufstellung besonderer Bestimmungen unumgänglich, da sich das ordentliche Berufungsverfahren nicht ohne weiteres auf die Erledigung bezüglicher Streitigkeiten anwenden lässt. Dabei sind folgende Erwägungen zu berücksichtigen: 1. Das eidgenössische Versicherungsgericht hat zu entscheiden, wenn die beiden Versicherungen sich nicht verständigen. Es liegt also kein' erstinstanzlicher Entscheid, auch keine behördliche Verfügung, und damit auch keine Berufung gegen eine solche vor, sondern das Gericht entscheidet in erster und einziger Instanz.

Deshalb ist ein regelrechter Schriftenwechsel von Klage und Antwort vorgesehen.

2. Der Streit besteht zwischen der öffentlich-rechtlichen Anstalt und einer Abteilung der Bundesverwaltung; er ist also ein rein verwaltungsrechtlicher. Dabei wird die grundsätzliche Frage in der Regel die grössere Rolle spielen als der Streitwert, weshalb die Vorlage hier die Einzelkompetenz des Präsidenten ausschaltet.

3. Als Parteien sind in Art. 57 Mil Vers G ,,die beiden Versicherungen" gedacht. Da Träger der Militärversicherung der

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Bund ist, müsste er mangels einer besonderen Bestimmung die Parteirolle übernehmen. Um Übereinstimmung mit Art. 55 Mil Vers G herbeizuführen, will die Vorlage das schweizerische Militärdepartement als Partei anerkannt wissen.

4. Die Organe beider Parteien verfügen über eingehende Kenntnisse auf dem Gebiete ihrer Versicherung. Es ist ihnen deshalb wohl zuzumuten, die Streitpunkte dem Gerichte erschöpfend zu unterbreiten. Deshalb sieht die Vorlage hier von der Offizialmaxime ab und beschränkt die Tätigkeit des Gerichtes auf den von den Parteien selbst gezogenen Rahmen.

5. Der einen der beiden Versicherungen zugunsten der ändern Prozesskosten aufzuerlegen, ist bei der Natur des Verwaltungsstreites nicht gerechtfertigt. Dagegen liegt kein Grund vor, die Gerichtskasse mit den Gerichtskosten zu belasten. Nach dieser Richtung hin soll also immerhin die unterliegende Partei kostenpflichtig werden.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss zur Annahme empfehlen, benutzen wir auch diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 18. Dezember

1915.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

Bundesblatt. 67. Jahrg. Bd. IV.

19

250 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Organisation und das Verfahren des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 122 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung, sowie Art. 55 und 57 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1914 über die Militärversicherung ; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 18. Dezember 1915, beschliesst: I. Organisation.

Art. 1. Das Eidgenössische Versicherungsgericht besteht aus einem ständigen Präsidenten, einem ständigen Vizepräsidenten und aus fünf Richtern im Nebenamt.

Die Richter werden von der Bundesversammlung gewählt.

Bei der Wahl soll darauf Bedacht genommen werden, dass alle drei Nationalsprachen vertreten sind.

Art. 2. In das Gericht kann jeder stimmberechtigte Schweizerbürger gewählt werden. Jedoch können die Mitglieder der Bundesversammlung, die Beamten und Angestellten des Bundes, sowie die Mitglieder des Verwaltungsrates der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern und deren Beamte und Angestellte nicht auch gleichzeitig Mitglieder des Gerichtes sein.

Art. 3. Die ständigen Mitglieder des Gerichtes dürfen überdies (Art. 2) weder eine Beamtung in einem Kanton bekleiden, noch irgend einen ändern Beruf oder ein Gewerbe betreiben.

Sie dürfen auch nicht bei Vereinigungen oder Anstalten, die

251 einen Erwerb bezwecken, oder deren Angehörige von Gesetzes wegen oder kraft einer allgemeinen Anordnung bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt versichert sind, die Stellung von Direktoren oder von Mitgliedern der Verwaltung, des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder von Revisoren einnehmen.

Art. 4. Die Richter im Nebenamt dürfen überdies (Art. 2) nicht Mitglieder des Verwaltungsrates, Beamte oder Angestellte von Unfallversicherungsanstalten sein. Sie dürfen weder vor den kantonalen Versicherungsgerichten, noch vor dem eidgenössischen Versicherungsgericht als Anwälte tätig sein.

Art. 5. Die Amtsdauer der Mitglieder des Gerichtes beträgt sechs Jahre. Ledig gewordene Stellen werden bei der nächsten Session der Bundesversammlung für den Rest der Amtsdauer wieder besetzt.

Art. 6, Dei Präsident und der Vizepräsident des Gerichtes werden als solche von der Bundesversammlung gewählt.

Art. 7. Die Kanzlei des Gerichtes besteht aus einem Gerichtsschreiber, einem Sekretär und dem sonst erforderlichen Personal. Das Gericht ist zur Vermehrung der Sekretäre und des ändern Kanzleipersonals befugt unter Vorbehalt der betreffenden Budgetbewilligung durch die Bundesversammlung.

Überdies werden Weibel zur Bedienung des Gerichtes und das Personal für den Hausdienst angestellt.

Art. 8. Der Gerichtsschreiber und der Sekretär werden vom Gericht jeweilen nach seiner Gesamterneuerung in geheimer Abstimmung auf sechs Jahre gewählt. Das übrige Personal wird von ihm auf eine dreijährige Amtsdauer, die mit der Wahlperiode der Beamten der Bundeszentralverwaltung übereinstimmen soll, gewählt.

Ist während der Amtsdauer eine ledige Stelle zu besetzen, oder muss die Zahl der Sekretäre oder des ändern Personals vermehrt werdea, so erfolgt die Wahl für den Rest der laufenden Amtsdauer.

Art. 9. Der Gerichtssehreiber und der Sekretär führen beim Gericht das Protokoll. Die Obliegenheiten der einzelnen Beamten und Angestellten des Gerichtes werden durch ein von diesem zu erlassendes Reglement festgesetzt.

Art. 10. Dem Gericht steht gegenüber den von ihm gewählten Beamten und Angestellten die gleiche Disziplinargewalt

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zu, die der Bundesrat über die von ihm ernannten Beamten und Angestellten auszuüben berechtigt ist.

Der Artikel 7 des Bundesgesetzes betreffend die Besoldungen der eidgenössischen Beamten und Angestellten vom 2. Juli 1897 und die Verordnung des Bundesrates vom 21. Februar 1899 über die Unvereinbarkeit anderweitiger Stellen und Berufe mit eidgenössischen Anstellungen finden auch auf die Beamten und Angestellten des Gerichtes Anwendung in dem Sinne, dass die dem Bundesrate eingeräumten Kompetenzen vom Gericht ausgeübt werden.

Art. 11. Blutsverwandte und Verschwägerte, in gerader Linie unbeschränkt und in der Seitenlinie bis und mit dem vierten Grade, Ehemänner von Schwestern, sowie durch Adoption verbundene Personen können nicht gleichzeitig das Amt eines Mitgliedes oder Kanzleibeamten des Gerichtes bekleiden. Wer durch Eingehung einer Ehe in ein solches Verhältnis tritt', verzichtet damit auf seine Stelle.

Art. 12. Der Sitz des Gerichtes ist die Stadt Luzern. Das Gericht kann auch an ändern Orten Sitzung halten.

Art. 13. Die ständigen Mitglieder des Gerichtes und die Kanzleibeamten sind verpflichtet, am Amtssitze oder in dessen nächster Umgebung zu wohnen.

Art. 14. Die Obliegenheiten des Gerichtes stehen zu: a. dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten als Einzelrichter ; b. Gerichtsabteilungen von je fünf und drei Mitgliedern, unter dem Vorsitze des Präsidenten, bezw. des Vizepräsidenten; c. dem Gesamtgericht.

Art. 15. Wo das Gesetz oder dieser Bundesbeschluss vom Gericht spricht, sind darunter im Rahmen ihrer Befugnisse auch der Präsident und der Vizepräsident, sowie die Gerichtsabteilungen verstanden. Wo dieser Bundesbeschluss vom Präsidenten spricht, ist darunter auch der Vizepräsident verstanden, soweit er als Einzelrichter oder als Vorsitzender einer Gerichtsabteilung handelt.

Art. 16. Der Präsident und der Vizepräsident beurteilen als Einzelrichter die an das Gericht gezogenen Streitigkeiten : 1. wenn die Parteien sich darauf einigen ; 2. auch ohne die Einigung der Parteien, wenn der nach ihren Anträgen noch streitige Wert Fr. 300 nicht übersteigt.

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Ist der Streitwert nicht in Geld schätzbar, so urteilt stets das Gericht, vorbehaltlich Ziffer 3 hiernach; 3.' im Falle des Art. 55, Absatz l, Ziffer l, des Militärversicherungsgesetzes.

Art. 17. Ein vom Gericht zu erlassendes Reglement ordnet: a. die Zuteilung der in die Kompetenz des Einzelrichters fallenden Streitigkeiten an den Präsidenten und den Vizepräsidenten ; b. die Bildung der Gerichtsabteilungen ; e. àie Zuteilung der Streitigkeiten an die Gerichtsabteilungen.

Dabei sind die Streitfälle aus dem Militärversicherungsgesetz grundsätzlich dem gleichen Einzelrichter, bezw. den gleichen Gerichtsabteilungen zuzuweisen.

Art. 18. Das Gericht tritt unter dem Vorsitze des Präsidenten in folgenden Fällen zu Plenarsitzungen zusammen: 1. zur Vornahme von Wahlen; 2. zur Erledigung von Angelegenheiten, welche die innere Organisation des Gerichtes und die Verwaltung betreffen; 3. zum Erlasse von Verordnungen, Reglementen und Kreisschreiben für kantonale Behörden und Beamtungen; 4. zur Aussprache über Rechtsfragen, wenn eine Abteilung oder wenn der Präsident als Einzelrichter einen grundsätzlichen Entscheid nicht selbst treffen oder eine Rechtsfrage abweichend von einem früheren Entscheide beurteilen will. In einem solchen Falle setzt die Abteilung, beziehungsweise der Präsident als Einzelrichter die Erledigung der Sache aus und legt sie dem Gesamtgerichte vor, das ohne Parteiverhandlung sich über die Rechtsfrage ausspricht. Die Abteilung, beziehungsweise der Präsident als Einzelrichter hat hierauf den Streitfall auf Grundlage des Plenarbeschlusses endgültig zu entscheiden.

Art. 19. Damit das Gericht in einer Plenarsitzung gültig verhandeln kann, müssen alle sieben Richter eingeladen und von denselben wenigstens fünf anwesend sein. Sind sechs Richter anwesend, so ist für die Beurteilung von Rechtsfragen das dienstälteste Mitglied von der Teilnahme zu dispensieren.

Art. 20. Bei den. Verhandlungen sollen die Abteilungen voll besetzt sein.

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Art. 21. Wo dieser Bundesbeschluss keine besonderen Bestimmungen über das Verfahren enthält, finden die Vorschriften des Bundesgesetzes über das Verfahren bei dem Bundesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten entsprechend Anwendung. Der Parteieid ist jedoch als Beweismittel ausgeschlossen, und die Bestimmungen betreffend die Beweiskraft von Beweismitteln sind nicht anwendbar.

Art. 22. Das Gericht entscheidet in den bei ihm anhängig gemachten Streitigkeiten selbst und von Amtes wegen über seine Kompetenz.

Art. 23. Ein Mitglied oder der Gerichtsschreiber oder der Sekretär des Gerichtes darf sein Amt nicht ausüben: 1. in einer Angelegenheit, in der er, seine Frau, seine Verlobte, seine Verwandten oder Verschwägerten bis zu dem in Art. 11 bezeichneten Grade, oder in welcher der Ehemann der Schwester oder die Ehefrau des Bruders seiner Frau oder einer Person, deren Vormund oder Beistand er ist, oder mit welcher er durch Adoption verbunden ist, am Ausgange des Streites beteiligt ist ; 2. in einer Angelegenheit, in bezug auf die er bereits in anderer Stellung als Mitglied einer administrativen oder richterlichen Behörde, als Justizbeamter, als Bevollmächtigter oder Anwalt einer Partei, als Sachverständiger oder Zeuge gehandelt hat; 3. in einer Angelegenheit, in welcher der Bevollmächtigte oder Anwalt einer Partei mit ihm in auf- oder absteigender Linie verwandt oder verschwägert ist.

Art. 24. Ein Mitglied des Gerichtes kann von den Parteien abgelehnt werden: 1. wenn es oder ihm nahestehende Personen ein Interesse am Ausgang des Streites haben, das es als befangen erscheinen lässt; 2. wenn es in bezug auf den zu beurteilenden Fall sich durch sein Benehmen oder seine Äusserungen befangen gezeigt hat.

In dem bei Ziffer l genannten Falle kann das Mitglied selbst seinen Ausstand verlangen.

Art. 25. Trifft bei einem Mitgliede eine der Bestimmungen des Art. 23 oder des Art. 24, Ziffer l, zu, so hat es dies rechtzeitig dem Präsidenten des Gerichtes anzuzeigen, im Falle des

255

Art. 24, Zifîer 1, mit der Erklärung, ob es selbst seinen Ausstand verlange oder die Ablehnung den Parteien anheimstelle.

Im letzteren Falle ist den Parteien zur Geltendmachung der Ablehnung eine kurze Frist anzusetzen.

Trifft eine der erwähnten Bestimmungen beim Präsidenten des Gerichtes zu, so hat er die Anzeige beim Vizepräsidenten zu machen.

Art. 26. Die Partei, die vom Rechte der Ablehnung Gebrauch machen will, hat ihre Erklärung bei Beginn des Prozesses oder, falls der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder ihr zur Kenntnis gekommen ist, sofort nach dessen Entstehung oder Bekanntwerden dem Gericht schriftlich einzureichen.

In der Erklärung sind die Gründe der Ablehnung anzuführen und urkundlich zu bescheinigen. Soweit die urkundliche Bescheinigung nicht möglich ist, hat sich der abgelehnte Richter über die angebrachten Ablehnungsgründe zu erklären. Ein weiteres Beweisverfahren ist nicht^zulässig.

Art. 27. Ist das Vorhandensein eines Ausstands- oder Ablehnungsgrundes streitig, so entscheidet darüber das Gericht mit Ausschluss aller abgelehnten Richter. Der Entscheid kann ohne Anhörung der Gegenpartei erfolgen» Art. 28. Sollten so viele Mitglieder abgelehnt werden, dass keine gültige Verhandlung stattfinden kann, so bezeichnet der Präsident des Gerichtes durch das Los aus der Zahl der in der Sache nicht beteiligten Präsidenten der kantonalen Versicherungsgerichte so viele Ersatzmänner, als erforderlich sind, um die Ausstandsfrage und nötigenfalls die Hauptsache selbst, beurteilen zu können.

Art. 29. Das Verfahren und die Entscheidungen oder Verfügungen, an denen eine nach Art. 23 ausgeschlossene Gerichtsperson teilgenommen hat, können wegen Nichtigkeit von jeder Partei angefochten werden.

Art. 30. Die Entscheidungen, Beschlussfassungen und Wahlen des Gerichtes erfolgen mit der absoluten Mehrheit der Stimmen.

Bei Wahlen hat, wenn sich die abgegebenen Stimmen gleichmassig verteilen, vorerst ein weiterer Wahlgang stattzufinden.

Bleiben die Stimmen gleich, so wird durch den Präsidenten das Los gezogen. Die Richter sind verpflichtet, an allen Beratungen und Abstimmungen bis zum Schlüsse der Sitzungen teilzunehmen.

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In der Ausfertigung der Entscheidungen sind im Eingange die Namen der Richter, die mitgewirkt haben, anzugeben.

Art. 31. Die Verhandlungen vor dem Gericht und dem Präsidenten als Einzelrichter sind öffentlich, die Beratungen sind geheim.

Wenn Rücksichten auf die Sittlichkeit oder auf wesentliche Interessen der Parteien es rechtfertigen, kann die Öffentlichkeit durch Gerichtsbeschluss, bei Verhandlungen vor dem Einzelrichter durch Verfügung desselben, auch für die Verhandlungen ganz oder teilweise ausgeschlossen werden.

Das Gericht kann auf Antrag eines Richters die Beratung abbrechen und die Fortsetzung derselben, sowie die Abstimmung auf einen ändern Sitzungstag verschieben.

Auch der Präsident als Einzelrichter kann die Urteilseröffnung aussetzen.

Art. 32. Bei Entscheidungen auf Grund einer Verhandlung vor dem Gerichte dürfen nur Mitglieder mitwirken, die an der Verhandlung teilgenommen haben, es sei denn, dass infolge Austrittes oder Todes eines Mitgliedes ein Wechsel in der Besetzung des Gerichts eingetreten ist. In diesem Falle kann das Gericht eine Wiederholung der Verhandlung anordnen.

Art. 33. Die Kanzlei des Gerichtes nimmt die Akten in Empfang und führt über deren Eingang, sowie über die getroffenen Verfügungen ein Protokoll.

Der Präsident sorgt für beförderliche Erledigung der Geschäfte und überwacht die Tätigkeit der Beamten und Angestellten des Gerichts. Er ordnet die Sitzungen an; er leitet die Verhandlungen und sorgt für Aufrechterhaltung der Ordnung. Er kann Personen, die sich- seinen Verfügungen nicht unterziehen, aus dem Sitzungssaale wegweisen, mit einer Ordnungsbusse bis auf 100 Franken bestrafen und nötigenfalls bis auf 24 Stunden in Haft setzen lassen.

Art. 34. Im Falle der Verhinderung des Präsidenten als Vorsitzender des Gesamtgerichtes wird derselbe durch den Vizepräsidenten und, wenn auch dieser verhindert ist, durch dasjenige Mitglied des Gerichtes vertreten, das nach der Reihenfolge des Eintrittes in das Gericht und unter gleichzeitig Gewählten der Geburt nach das älteste ist.

Der Präsident und der Vizepräsident vertreten sich gegenseitig in ihrer Eigenschaft als Einzelrichter.

Im übrigen wird die Vertretung durch das Reglement geordnet.

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Art. 35. Wer im mündlichen oder schriftlichen Geschäftsverkehr den durch die gute Sitte gebotenen Anstand verletzt oder den ordnungsmässigen Geschäftsgang · stört, ist mit einem Verweis oder mit Ordnungshusse bis auf Fr. 100 zu belegen.

Wegen böswilliger oder mutwilliger Prozessführung kann sowohl die Partei als deren Vertreter mit einer Ordnungsbusse bis auf Fr. 200 belegt werden.

Unleserliche Eingaben, sowie solche von ungebührlichem Inhalt sind an die Partei mit Ansetzung einer Notfrist zur Umänderung zurückzuweisen.

Art. 36. Die für das Gericht bestimmten Rechtsschriften sind in doppelter Ausfertigung einzureichen.

Wenn eine Partei nur eine Ausfertigung einreicht, so kann die zweite auf ihre Kosten durch die Gerichtskanzlei des Gerichtes erstellt und überdies im Wiederholungsfalle die Partei mit einer Ordnungsbusse belegt werden.

Art. 37. Bei Berechnung der Fristen wird der Tag, von welchem an die Frist zu laufen beginnt, nicht mitgezählt.

Ist der letzte Tag einer Frist ein Sonntag oder ein staatlich anerkannter Feiertag, so endigt dieselbe am nächstfolgenden Werktag.

Eine Frist gilt nur dann als eingehalten, wenn die Handlung innerhalb derselben vorgenommen wird. Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tage der Frist an das Gericht oder dessen Kanzlei gelangt oder am letzten Tage der Frist der schweizerischen Post übergeben sein.

Art. 38. Die in diesem Bundesbeschlusse bestimmten Fristen können nicht erstreckt werden.

Richterlich bestimmte Fristen können aus zureichenden und gehörig bescheinigten Gründen erstreckt werden, wenn das Gesuch vor Ablauf der Frist gestellt wird.

Art. 39. Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist kann nur dann erteilt werden, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass er oder sein Vertreter durch unverschuldete Hindernisse abgehalten worden ist, innerhalb der Frist zu handeln, und die Wiederherstellung binnen zehn Tagen, von dem Tage an, an welchem das ^Hindernis gehoben ist, verlangt wird.

' t '

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Art. 40. Die für die Rechtspflege des Gerichtes bestellten Behörden und Beamten können alle Amtshandlungen, für welche sie zuständig sind, in jedem Kanton vornehmen, ohne vorher die Einwilligung der Kantonsbehörden nachsuchen zu müssen.

Die Kantonsbehörden haben ihnen die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderliche Unterstützung zu gewähren.

Die kantonalen Gerichtsbehörden haben dem Gerichte Rechtshülfe zu gewähren und dürfen ihm für dieselbe, ausser den Auslagen, Gerichtsgebühren oder Sportein nicht in Rechnung bringen.

Art. 41. Die Kantone sind verpflichtet, die Entscheidungen des Gerichtes in gleicher Weise zu vollziehen, wie die rechtskräftigen Urteile ihrer Gerichte.

Wegen mangelhafter Vollziehung kann beim Bundesrate Beschwerde erhoben werden. Der Bundesrat trifft die erforderlichen Verfügungen.

Art. 42. Das Gericht hat keine allgemeinen Gerichtsferien, dagegen haben der Präsident und der Vizepräsident Anspruch auf einen Urlaub von fünf Wochen, die Kanzleibeamten von vier Wochen, die Angestellten von drei Wochen per Jahr. Die Festsetzung der einzelnen Urlaubszeiten erfolgt durch das Gericht unter möglichster Vermeidung einer Unterbrechung im Geschäftsgange. Die Richter im Nebenamt haben das Recht, jedes Jahr für eine vom Gericht zu bestimmende Zeit von jeder Amtshandlung befreit zu sein.

Art. 43. Das Gericht steht unter der Aufsicht der Bundesversammlung.

Es erstattet derselben alljährlich Bericht über seine gesamte Amtstätigkeit. Innerhalb seiner richterlichen Tätigkeit ist das Gericht unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen. Eine Entscheidung des Gerichtes kann nur von ihm selbst nach Massgabe der Bestimmungen dieses BuBdesbeschlusses aufgehoben oder abgeändert werden.

Der Verkehr mit dem Bundesrat geschieht durch dasjenige Departement, zu welchem das Bundesamt für Sozialversicherung gehört.

II. Verfahren.

A. Berufung.

Art. 44. Das Gericht beurteilt als Berufungsinstanz:

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1. die in Art. 120 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 erwähnten Streitigkeiten ; 2. die in Art. 55 des Bundesgesetzes über die Militärversicherung vom 23. Dezember 1914 erwähnten Streitigkeiten.

Art. 45. Mit der Berufung können alle Mängel, sowohl des angefochtenen Entscheides als auch des Verfahrens gerügt werden.

Art. 46. Die Berufung ist ohne Rücksicht auf den Streitwert zulässig und zwar bei Streitigkeiten aus dem Kranken- und Unfallversicherungsgesetz sowohl gegen die von der kantonalen Instanz erlassenen Haupturteile als auch gegen die dem Haupturteile vorausgegangenen Entscheidungen. Gegen Entscheidungen über die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ist die selbständige Berufung zulässig und unter Folge der Verwirkung erforderlich.

Art. 47. Das Verfahren vor den kantonalen Gerichten und die Abfassung der Urteile richtet sich nach den Vorschriften der kantonalen Gesetzgebung. Jedoch sind folgende Bestimmungen zu beachten : 1. Wenn der Anspruch nicht in Ziffern ausgedrückt ist, so ist in der Klage anzugeben, ob er Fr. 300, und wenn ja, ob er Fr. 4000 übersteigt.

2. Wenn das Verfahren vor,den kantonalen Gerichten mündlich ist und über die Parteiverhandlungen, soweit dieselben für die Urteilsfallung massgebend sind, nicht ein genaues Sitzungsprotokoll geführt, sondern das Parteivorbringen nur im Urteile festgestellt wird, sind die Gerichte verpflichtet, in dem Urteile die Anträge der Parteien, die zu deren Begründung angeführten Tatsachen, die Erklärungen (Anerkennungen, Bestreitungen) der Parteien, sowie die von denselben angerufenen Haupt- und Gegenbeweismittel vollständig anzuführen.

Überdies steht in diesem Falle jeder Partei das Recht zu, vor Schluss der kantonalen Gerichtsverhandlung eine Zusammenfassung ihrer mündlichen Vorträge zu den Akten zu legen, in welcher die von ihr gestellten Anträge, die zu deren Begründung angeführten Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte, sowie die von ihr angerufenen Beweismittel und abgegebenen Erklärungen zu erwähnen sind.

260

Machen die Parteien von dieser Berechtigung Gebrauch, so kann in der Sachdarstellung des Urteils auf die Eingaben der Parteien Bezug genommen werden. Steht die Sachdarstellung in einem Punkte mit den übereinstimmenden Eingaben der Parteien im Widerspruche, so ist auf die letzteren abzustellen.

3. Die Urteile sind den Parteien von Amtes wegen schriftlich mitzuteilen. Als schriftliche Mitteilung gilt auch die schriftliche Eröffnung an die Parteien, dass das Urteil beim Gerichte zu ihrer Einsicht aufliege.

Das erstinstanzliche Verfahren bei Streitigkeiten aus dem Militärversicherungsgesetz richtet sich nach den einschlägigen bundesrechtlichen Bestimmungen.

Art. 48. Weisen die Akten oder das Urteil in den im vorhergehenden Artikel bezeichneten Punkten Mängel auf, so kann das kantonale Gericht zur Verbesserung derselben angehalten werden. Sofern die Hebung der Mängel auf andere Weise nicht tunlich ist, hat das Gericht das Urteil von Amtes wegen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.

Art. 49. Die Berufung ist binnen 20 Tagen von der schriftlichen Mitteilung des Urteils (Art. 47, Ziffer 3) an gerechnet, zu erklären. Vor Ablauf dieser Frist tritt die Rechtskraft des Urteils nicht ein. Der Eintritt der Rechtskraft wird durch die Berufung gehemmt.

Art. 50. Zur Berufung sind auch die Nebenparteien, welche die Teilnahme am Prozesse nicht abgelehnt haben, berechtigt, sofern ihnen nach dem kantonalen Gesetze Parteirechte zukommen.

Art.' 51. Die Berufung erfolgt durch Einreichung einer schriftlichen Erklärung bei dem Gerichte, welches das Urteil erlassen hat. In der Erklärung ist anzugeben, welche Abänderungen beantragt werden.

Wenn der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von Fr. 4000 nicht übersteigt, so kann der Berufungskläger innert der Berufungsfrist bei der in Absatz l genannten Gerichtsstelle eine Rechtsschrift einlegen, welche die Berufung begründet. Als Streitwert kommt in Frage, was gemäss den Abänderungsanträgen noch streitig ist.

Art. 52. Die kantonale Gerichtsstelle hat der Gegenpartei sofort von der Berufung schriftlich Kenntnis zu geben und in

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beiden Fällen innerhalb 10 Tagen seit der Berufung eine Abschrift des Urteils samt den Akten dem Gerichte einzusenden.

Dies geschieht auch dann, wenn die Berufung verspätet eingelangt ist.

Art. 53. Wenn beide Parteien die Berufung selbständig erklären, finden die Art. 51 und 52 entsprechende Anwendung.

Art. 54. Der Berufungsbeklagte kann sich innerhalb zehn Tagen vom Empfange der in Art. 52, Absatz l, vorgeschriebenen Anzeige an durch Einreichung von Abänderungsanträgen beim Gericht der Berufungserklärung des Berufungsklägers anschliessen.

Innert der nämlichen Frist kann er eine die Anschlussberufung begründende Rechtsschrift beilegen.

Die Anschlussberufung fällt dahin, wenn die Berufung zurückgezogen, oder wenn auf die Berufung vom Gericht nicht eingetreten wird.

Art. 55. Der Präsident des Gerichtes prüft vor allem die Zulässigkeit, Rechtsförmigkeit und Rechtzeitigkeit der Berufung.

Stellt sich die Berufung sofort als unzulässig oder als formwidrig oder als verspätet dar, so legt er die Akten dem Gerichte vor mit dem Antrage, auf dieselbe nicht einzutreten.

Weist die Berufung Formmängel untergeordneter Natur auf, so macht der Präsident die Parteien auf diese aufmerksam, unter Einräumung einer Frist für deren Hebung.

Art. 56. Das Gericht ist verpflichtet, irrtümlicherweise bei ihm eingereichte Schriften an die richtige Stelle zu leiten. Die Einhaltung der Frist bei der Einreichung an die unrichtige Stelle gilt als Einhaltung der Frist auch gegenüber der richtigen Stelle.

Art. 57. Stellt sich die Berufung nicht sofort als unzulässig oder als formwidrig oder als verspätet dar, und liegt eine Streitsache vor, deren Hauptwert den Betrag von Fr. 4000 übersteigt, oder die ihrer Natur nach einer vermögensrechtlichen Schätzung nicht unterliegt, so setzt der Präsident den Tag der Beurteilungfest, bezeichnet einen Richter als Referenten und erlässt an die Parteien die Ladung zur Verhandlung.

Das Gericht ist berechtigt, von einer Partei die Abgabe einer schriftlichen Erklärung zu verlangen. Dieselbe ist der Gegenpartei zuzustellen.

Übersteigt der Streitwert den Betrag von Fr. 4000 nicht, so verfügt der Präsident die Zustellung einer allfällig mit der

262 Berufung eingereichten Rechtsschrift des Berufungsklägers an den Berufungsbeklagten. Dieser ist befugt, innerhalb einer Frist von 10 Tagen eine Antwort einzureichen. Ein weiterer Schriftenwechsel ist nur im Falle der Anschlussberufung gestattet.

Art. 58. Eine mündliche Verhandlung findet, wenn die Streitsache den Wert von Fr. 4000 nicht übersteigt, in der Regel nicht statt; den Parteien wird keine Ladung zugestellt. Das Gericht kann indessen von Amtes wegen verfügen, dass die Parteien vor Gericht zu laden seien, um die Streitsache mündlich vorzutragen.

Art. 59. Liegt ein Fall vor, in dem eine mündliche Verhandlung anzuordnen ist, so können die Parteien, unter Vorbehalt von Art. 58, Satz 2, das schriftliche Verfahren vereinbaren. Der Berufungskläger hat eine bezügliche Erklärung der Parteien innert acht Tagen nach der Berufungserklärung dem Gericht mit einer Rechtsschrift einzureichen. In diesem Falle findet das in Art. 57, Absatz 2, geordnete Verfahren Anwendung.

Art. 60. Den geladenen Parteien steht das Recht zu, an dem festgesetzten Tage vor Gericht das Streitverhältnis mündlich entweder selbst vorzutragen oder durch Bevollmächtigte vortragen zu lassen. Die Parteien haben in der Regel Anspruch auf nur einen Vortrag; das Gericht kann einen zweiten anordnen.

Das Ausbleiben der Parteien hat für dieselben keinen Rechtsnachteil zur Folge.

Art. 61. Parteivertreter haben zu ihrem Ausweise eine Vollmacht zu den Akten zu legen.

Handelt es sich um die Vertretung von handlungsunfähigen oder von juristischen Personen, deren Verhältnisse vom kantonalen Rechte geordnet werden, so hat das kantonale Gericht auf Verlangen des Gerichtes zu bescheinigen, dass die Vollmacht nach den kantonalen Gesetzen genüge, oder dass der Vertreter zur Prozessführung ohne besondere Vollmacht berechtigt ist.

Art. 62. Ist bezüglich eines Urteils, gegen das beim Gericht Berufung eingelegt ist, bei der zuständigen kantonalen Behörde ein Gesuch um Revision oder um Erläuterung anhängig, so wird die Entscheidung durch das Gericht bis zur Erledigung der Sache vor der kantonalen Behörde ausgesetzt.

Die Einsendung der Akten an das Gericht kann inzwischen unterbleiben.

263 Art. 63. Zum Erlass einstweiliger Verfügungen in bezug auf den Streitgegenstand bleiben auch während der Anhängigkeit der Streitsache beim Gericht die kantonalen Behörden nach Massgabe der kantonalen Gesetzgebung ausschliesslich zuständig.

Art. 64. Das Gericht hat von Amtes wegen zu prüfen, ob die Berufung statthaft und ob sie in der gesetzlichen -Fócm und Frist eingelegt sei.

Im übrigen unterliegen der Prüfung des Gerichtes nur die von den Parteien gestellten Anträge.

Art. 65. Von den Parteien dürfen nur solche neue Tatsachen vorgebracht werden, die im erstinstanzlichen Verfahren nicht mehr verwendet werden konnten. Das Gericht ist befugt, von Amtes wegen auch solche Tatsachen zu berücksichtigen und nötigenfalls unter Beweis zu stellen, die von den Parteien nicht vorgebracht worden sind, und zwar gleichviel, ob diese Tatsachen vor oder seit dem Erlasse des erstinstanzlichen Urteiles eingetreten sind.

Art. 66. Von den Parteien dürfen nur solche neuen Beweismittel angerufen werden, die erst seit dem Erlasse des erstinstanzlichen Urteiles bekannt geworden sind, oder die sich auf neue, zum Beweise zugelassene Tatsachen beziehen, oder von denen die Parteien glaubhaft machen können, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht mehr verwendet werden konnten.

Das Gerieht ist befugt, von Amtes wegen auch solche Beweisverfügungen zu treffen, zu deren Beantragung die Parteien nicht berechtigt sind.

Art. 67. Neue Begehren, Einreden und Bestreitungen sind nur zulässig, soweit sie sich auf nachträglich vorgebrachte Tatsachen (Art. 65) und zugelassene Beweismittel (Art. 66) beziehen.

Art. 68. Wenn eine Partei von dem Rechte Gebrauch machen will, im Rahmen der Art. 65 und 66 neue Tatsachen vorzubringen, oder neue Beweismittel anzurufen, so hat sie ihr Begehren vor der Tagfahrt beim Gericht schriftlich einzureichen.

In dem Begehren sind die neuen Tatsachen und die neuen Beweismittel anzugeben. Das Doppel desselben ist durch das Gericht unverzüglich der Gegenpartei zuzustellen, die hierdurch das Recht erwirbt, auf .das Begehren zu antworten und ihrerseits allfällige Gegenbeweise anzutreten.

264: Art. 69. Wenn das Gericht von Amtes wegen Beweisergänzüngen vorzunehmen beabsichtigt, so hat es dies den Parteien unter Ansetzung einer Vernehmlassungsfrist mitzuteilen.

Das Gericht kann einen Beweisbeschluss schon vor der Tagfahrt oder erst an derselben, auch erst nach Anhörung der Parteien in der Hauptsache, fällen.

Art. 70. Das Gericht kann eine Ergänzung auch in der Form der Wiederholung bereits in erster Instanz vorgenommener Beweismassnahmen (nochmalige Einvernahme der Parteien oder von abgehörten Zeugen, Ergänzung eines erstinstanzlichen Augenscheins, Erläuterungsfragen an erstinstanzlich einvernommene Sachverständige) oder in der Form neuer Beweismassnahmen mit Inbegriff von Augenschein und Expertise anordnen.

Art. 71. Wenn das Gericht eine Beweisergänzung besehliesst, so kann es dieselbe selbst vornehmen, oder, sofern es sich nicht um einen Augenschein oder eine Expertise handelt, das erstinstanzliche Gericht mit deren Vornahme beauftragen. In beiden Fällen ist den Parteien Gelegenheit zu geben, der Beweisführung, soweit dieselbe vor einem Gerichte vorgenommen wird, beizuwohnen und von dem Ergebnis der Beweisergänzung vor der Verhandlungstagfahrt Kenntnis zu nehmen.

Art. 72. Wenn das Gericht neue Tatsachen zugelassen hat, so sind die Parteien bis zur Schlussverhandlung berechtigt, ihre Berufungsanträge abzuändern.

Art. 73.

Das Gericht ist in der Beweiswürdigung frei.

Art. 74. Im mündlichen Berufungsverfahren sind nur die Anträge der Parteien, sowie allfällige neue Behauptungen und Beweisanerbieten, die nicht in schriftlichen Eingaben vorgelegt worden sind (Art. 68) zu Protokoll zu nehmen.

Art. 75. Bundesrecht und kantonales Recht muss, ausländisches und örtliches Recht kann durch das Gericht von Amtes wegen angewendet werden.

Art. 76. Weist das Verfahren Formfehler auf, oder kommen für die Entscheidung neben eidgenössischen Gesetzesbestimmungen auch kantonale oder ausländische Gesetze zur Anwendung, ohne dass das angefochtene Urteil sie beachtet hat, so kann das Gericht die Sache an das kantonale Gericht zurückweisen.

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B. Revision und Erläuterung.

Art. 77. Die Revision eines vom Gericht ausgefällten Urteiles ist zulässig: 1. In Fällen von Nichtigkeit. Diese ist vorhanden: a. wenn die Vorschriften dieses Bundesbeschlusses betreffend die Besetzung des Gerichtes verletzt wurden ; b. im Falle des Art. 29 dieses Bundesbeschlusses; c. wenn das Gericht einer Partei ein mehreres oder ein anderes zugesprochen hat, als sie selbst verlangt hat, oder weniger als die Gegenpartei anerkannt hat; d. wenn die Bestimmungen der Artikel 31 oder 32 nicht beobachtet worden sind ; e. wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen gar nicht, oder auf irrtümliche Weise festgestellt hat ; f. wenn einzelne Punkte der Klage oder Widerklage unbeurteilt geblieben sind.

2. Wenn der Revisionskläger entscheidende Beweismittel auffindet, deren Beibringung ihm. im früheren Verfahren unmöglich gewesen war.

3. Wenn auf dem Wege des Strafprozesses erwiesen wird, dass durch ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Nachteil des Revisionsklägers auf das Urteil eingewirkt worden ist.

Art. 78. Das Revisionsgesuch muss jedoch in den Fällen des Art. 77, Ziffer l, innerhalb eines Monates, vom Empfange der schriftlichen Ausfertigung des Urteiles, und in den übrigen Fällen innerhalb dreier Monate von der Entdeckung des Revisionsgrundes an gerechnet, bei Strafe des Ausschlusses, bei dem Gerichte anhängig gemacht werden.

Art. 79. Nach Ablauf von fünf Jahren kann die Revision eines Urteiles bloss noch in den im Art. 77, Ziffer 3, vorgesehenen Fällen nachgesucht werden.

Art. 80. Stellt sich das Revisionsgesuch nicht sofort als unbegründet dar, so ist es unter Ansetzung einer Frist der Gegenpartei zur Beantwortung mitzuteilen.

Das Gericht kann Replik und Duplik oder eine mündliche Schlussverhandlung anordnen.

Art. 81. Hängt die Zulässigkeit der Revision von der Feststellung bestrittener Tatsachen ab, so sorgt 'das Gericht für die Beweiserhebung.

Bundesblatt. 67. Jahrg. Bd. IV.

20

266 Soweit für die Beweiserhebung 'o nach der Natur des Revisionsgrundes das kantonale Recht massgebend ist, kann das Gericht das kantonale Gericht mit der Beweisaufnahme betrauen.

Art. 82. Findet das Gericht, dass der Revisionsgrund zu^ treffe und der Revisionskläger durch die frühere Entscheidung einen Nachteil erlitten habe, so hebt es dieselbe auf und entscheidet aufs neue.

Die Aufhebung eines Rückweisungsentscheides bewirkt auch die Aufhebung des auf Grund desselben vom kantonalen Richter erlassenen Endurteiles. Eine neue Rückweisung der Sache an das kantonale Gericht findet jedoch nicht statt, sondern das Gericht entscheidet in der Sache selbst.

Art. 83. Begehren um Revision der Rente gemäss Art. 80 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 werden nicht im Revisionsverfahren der Art. 77 ff. hiervor beurteilt. Dasselbe findet auch für diese Begehren nur Anwendung gegenüber einem letztinstanzlichen Urteil beim Vorhandensein der besonderen Revisionsgründe des Art. 77 hiervor.

Art. 84. Für die Erläuterung von Urteilen gelten die Vorschriften des Bundesgesetzes über das Verfahren bei dem Bundesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.

III. Yerkimdung, Rechtskraft und Mitteilung der Urteile.

Art. 85. Die Urteile werden durch den Präsidenten unmittelbar nach der Abstimmung, diejenigen des Präsidenten als Einzelrichter unmittelbar nach der Ausfällung verkündet.

Wird die Verkündung der Gründe für angemessen gehalten, so geschieht sie durch mündliche Mitteilung ihres wesentlichen Inhaltes.

Art. 86. Die Rechtskraft eines Urteils tritt mit der Verkündung ein.

Art. 87. Sind die Parteien bei der Verkündung nicht anwesend, so teilt die Kanzlei ihnen ohne Verzug das Urteilsdispositiv mit.

1

Art. 88. Die Urteile^ mit Inbegriff der Entscheidungen und Verfügungen sind in der Folge: den Parteien in vollständiger, die Begründung enthaltender Ausfertigung mitzuteilen.

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Die Ausfertigung erfolgt in derjenigen Sprache, in der die Instruktion des Prozesses stattgefunden hat.

Art. 89. Der Bundesrat kann die Zustellung von Urteilsausfertigungen auch an andere Personen, beziehungsweise Amtsstellen als an die Parteien verfügen.

Art. 90. Die Prozessakten werden mit einer Abschrift des Urteils an die kantonale Instanz zurückgesandt.

IV. Besoldungen, Entschädigungen nnd Gebühren.

1. Besoldungen und Entschädigungen.

Art. 91. Es beziehen: der Präsident des G-erichtes einen Jahresgehalt von Fr. 12,000, der Vizepräsident einen solchen von Fr. 11,000, der Gerichtsschreiber eine Besoldung von Fr. 6000 bis Fr. 8000, die Sekretäre eine solche von Fr. 4000 bis Fr. 6000.

Art. 92. Wenn ständige Mitglieder, Beamte oder Angestellte des Gerichtes sich in Amtsgeschäften von Luzern entfernen, so beziehen sie ausser der Vergütung der effektiven Transportauslagen ein durch den Bundesrat zu bestimmendes Taggeld.

Art. 93. Die Entschädigungen der Richter im Nebenamt werden'durch Bescbluss des Bundesrates festgesetzt.

Art. 94. Für die Besoldung der Kanzlisten, der Weibel und des übrigen Personals wird dem Gericht' alljährlich der notwendige Kredit ausgesetzt.

Art. 95. Dem Gericht stehen mit Bezug auf die Besoldung der Beamten und Angestellten der Kanzlei die gleichen Kompetenzen zu, welche dem Bundesrate in Art. 3 bis 6 und 10 des Bundesgesetzes betreffend die Besoldungen der eidgenössischen Beamten und Angestellten vom 2. Juli 1897 eingeräumt sind.

Art. 96. Die Entschädigung des armenrechtlichen Anwaltes wird im Rahmen der Ansätze des Art. 105 vom Gericht festgesetzt.

Art. 97. Experten erhalten eine vom Gerichte festzusetzende Entschädigung.

Art. 98. Die Entschädigungen der Zeugen werden durch Beschluss des Bundesrates festgesetzt.

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Art. 99. Die in den vorstehenden Artikeln erwähnten Besoldungen und Entschädigungen werden von der Bundeskasse bezahlt oder im Sinne der nachfolgenden Bestimmungen vorgeschossen.

Die Kanzlei des Gerichtes führt über alle Einnahmen und Ausgaben Rechnung.

2. Prozesskosten.

Art. 100. Jede Partei hat die durch ihre Vorkehrungen entstehenden Kosten vorzuschiessen, beide Parteien zusammen diejenigen, die durch gemeinschaftliche Anträge oder durch das Gericht von Amtes wegen veranlasst werden.

Art. 101. Das Gericht kann einer bedürftigen Partei vor seiner Instanz das Armenrecht bewilligen und einen Rechtsanwalt beigeben.

Die Partei, welcher das Armenrecht bewilligt wird, ist von der Kautionspflicht (Art. 102) und von der Bezahlung der Gerichtskosten befreit. Das Honorar des ihr vom Gerichte beigegebenen Anwaltes ist von der Gerichtskasse zu entrichten.

Art. 102. Wenn eine Partei in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat, so ist sie gehalten, für die Prozesskosten und eine allfällige Prozessentschädigung binnen einer vom Gericht anzusetzenden Frist Sicherheit za leisten. Bevor diese Sicherheit geleistet ist, werden keine Prozesshandlungen vorgenommen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist fällt die Rechtsvorkehr der Partei als wirkungslos dahin.

Vorbehalten bleiben staatsvertragliche Vereinbarungen betreffend Befreiung von der Kautionspflicht.

Art. 103. Die Prozesskosten, die von den Parteien an das Gericht zu bezahlen sind, bestehen: 1. in den Barauslagen des Gerichtes für Augenschein, Zeugen, Experten, jedoch mit Ausnahme der an das Gerichtspersonal zu verabfolgenden Taggelder und Reiseentschädigungen ; 2. in einer Gerichtsgebühr von Fr. 5 bis Fr. 50 in Sachen, die vom Präsidenten als Einzelrichter, in einer solchen von Fr. 10 bis Fr. 200 in Sachen, die durch ein Kollegium beurteilt werden ; 3. in den Kanzleigebühren für jede Ausfertigung eines Urteiles oder Beschlusses, sowie für Kopiaturen, die Folioseite zu 50 Rp.

269 Art. 104. Bei Abstandserklärungen und Vergleichen ist nebst den Auslagen und Kanzleigebühren eine Gerichtsgebühr bis auf die Hälfte der im Artikel 103 festgestellten Ansätze zu entrichten.

3. Anwaltsgebühren.

Art. 105. Wenn die Entschädigung des Rechtsanwaltes einer Partei der Gegenpartei auferlegt wird, so hat das Gericht dieselbe nach folgendem Tarif festzusetzen : 1. für einen Vorstand in der Prozessinstruktion Fr. 10 bis 30 2. für einen Vorstand an der Schlussverhandlung ,, 20 ,, 100 3. für jeden Tag wegen dieser Vorstände notwendiger Zeitversäumnis Fr. 20 4. Reisegeld pro Kilometer 15 Rappen, sowohl für die Hin- als für die Rückreise.

Tn Sachen, die der Einzelkompetenz des Präsidenten unterliegen, reduzieren sich die Ansätze l--3 um die Hälfte.

Die Entschädigung für Aktenstudium und Abfassung von Rechtsschriften usw. bestimmt das Gericht nach billigem Ermessen.

Hat eine Prozesspartei ihren Anwalt selbst zu entschädigen, und wird dessen Honorarforderung streitig, so setzt das Gericht den Betrag nach schriftlicher Vernehmlassung des Anwaltes und seines Auftraggebers ohne weitere Parteiverhandlung fest. In Bezug auf die Entschädigung eines Rechtsanwaltes für das Verfahren vor den kantonalen Behörden hat es bei der von der kantonalen Instanz getroffenen Verfügung sein Bewenden.

4. Parteientschädigung.

Art. 106. Mit dem Urteil über die Streitsache selbst hat das Gericht zu bestimmen, ob und in welchem Masse die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.

Der einen Anspruch auf Leistungen aus der obligatorischen Unfallversicherung erhebenden unterliegenden Partei sollen die Kosten der obsiegenden Anstalt nur auferlegt werden, wenn die Berufung aussichtslos war.

Die Verfügung der kantonalen Instanz, durch welche einer Partei die Ausrichtung einer Prozessentschädigung an die Gegenpartei auferlegt worden ist, wird vom Gerichte je nach dem Entscheide über die Hauptsache bestätigt, aufgehoben oder ab-

270 geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der zuständigen kantonalen Behörde übertragen.

Art. 107. Die Entschädigung an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Gerichte umfasst 1. eia vom Gericht festzusetzendes Taggeld für jedes Erscheinen vor Gericht und ein Keisegeld ; 2. den Betrag der nach Art. 105 festgesetzten Rechnung des Anwaltes ; 3. die Gebühr für die Urteilsausfertigung gemäss Art. 103, Ziffer 3.

Art. 108. Wenn die im Genüsse des Armenrechts stehende Partei obsiegt, und wenn es sich rechtfertigt, der unterliegenden Partei Kosten aufzuerlegen, so erfolgt die Verurteilung der letzteren zu Kosten nur hinsichtlich eines allfälligen Taggeldes mit Reiseentschädigung gegenüber der obsiegenden Partei, im übrigen gegenüber der Gerichtskasse.

Y. Besondere Bestimmungen betreffend die Berufung in Streitigkeiten aus Art. 55 und betreffend die Behandlung von Streitigkeiten aus Art. 57 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1914 über die Jlilitärversicherung.

A. Streitigkeiten aus Art. 55 des Militärversicherungsgesetzes.

Art. 109. In den. Fällen, in denen der Präsident nicht als Einzelrichter amtet, bezeichnet er einen Instruktionsrichter. Wo im nachfolgenden vom Gericht die Rede ist, ist unter demselben auch der Instruktionsrichter verstanden.

Art. 110. Partei im Sinne dieses Beschlusses sind der Versicherte und seine Hinterlassenen, im Falle von Art. 55, Absatz l, Ziffer 3, des Militärversicherungsgesetzes auch das Schweizerische Militärdepartement.

Art. 111.

Die Berufungsfrist läuft von der Mitteilung des Erlasses an (Art. 55, Absatz 2, des Militärversicherungsgesetzes).

Art. 112. Die Berufung erfolgt durch Einreichung einer schriftlichen Erklärung in einfacher Ausfertigung beim Gericht.

271 Enthält dieselbe keine bestimmten Anträge, so fordert das Gericht den Berufungskläger unter Fristansetzung auf, solche zu stellen. Kommt er dieser Aufforderung innert der angesetzten Frist nicht nach, so gilt die Berufung als zurückgezogen.

Art. 113. Stellt sich die Berufung oder gegebenen Falles der eingeforderte Antrag ohne weiteres als verspätet dar, so legt der Präsident die Akten dem Gerichte mit dem Antrage vor, auf die Berufung nicht einzutreten.

Art. 114. Ist die Berufungserklärung und gegebenen Falles der einverlangte Antrag rechtzeitig eingelangt, so wird nach den folgenden Bestimmungen verfahren: "Art. 115. Richtet sich die Berufung gegen eine Verfügung des Oberfeldarztes, so stellt das Gericht demselben die Berufungserklärung zu, unter Ansetzung einer angemessenen Frist zur Einreichung der Akten und zur Vernehmlassung. Die letztere wird dem Berufungskläger mitgeteilt.

D.ie Akten werden ihm auf sein Verlangen bei der Gerichtsoder Gemeindebehörde seines Aufenthaltsortes zur Einsichtnahme gehalten.

Das Gericht setzt ihm eine angemessene Frist zur Einreichung von Gegenbemerkungen an. Ein weiterer Schriftenwechsel findet in der Regel nicht statt; das Gericht kann jedoch einen solchen anordnen.

Art. 116. Richtet sich die Berufung gegen eine Entscheidung der Pensionskommission, so hat das Militärdepartement, wenn es die Berufung erklärt, innert der Berufungsfrist eine Begründung und die Akten dem Gericht einzureichen. Das Gericht gibt der Gegenpartei von der Berufung Kenntnis und stellt ihr die Begründung zu unter Fristansetzung zur Vernehmlassung und unter Einsichtgabe in die Akten.

Sind der Versicherte oder seine Hinterlassenen die Berufungskläger, so fordert das Gericht den Oberfeldarzt unter Mitteilung der Berufung zur Einsendung der Akten auf, stellt dem Berufungskläger dieselben zur Verfügung und setzt ihm eine Frist zur Begründung der Berufung. Dieselbe wird .dem Militärdepartement unter Fristansetzung zur Vernehmlassung zugestellt.

Im übrigen findet ein, weiterer Schriftenwechsel nur auf Verfügung des Gerichtes hin statt.

Die Akten werden den Parteien nach den Vorschriften des Art. 115 zur Einsichtnahme gehalten.

272

Art. 117. Eine Anschlussberufung findet nur in den Fällen des Art. 55, Absatz l, Ziffer 3, des Militärversicherungsgesetzes statt. Sie ist binnen 10 Tagen seit Mitteilung der Berufung zu erklären. Art. 116 findet sinngemässe Anwendung.

Art. 118. Die Folgen der Versäumung der gemäss Art. Ilo bis 117 angesetzten Fristen bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen ; sie sind gleichzeitig mit der Fristansetzung anzudrohen, dürfen jedoch nicht darin bestehen, dass eine rechtzeitig erfolgte Berufung als verwirkt erklärt wird.

Art. 119. Nach Beendigung des Schriftenwechsels trifft das G-ericht die erforderlichen Beweisverfügungen, ohne dabei an die Beweisanträge der Parteien gebunden zu sein. Es kann auch einen Beweis über Tatsachen anordnen, die von den Parteien nicht behauptet sind. Eine Mitteilung der Beweisverfügung an die Parteien findet in der Regel nicht statt.

Art. 120. Das Gericht nimmt die Beweisführung selbst vor, oder es beauftragt mit derselben das Versicherungsgericht des Kantons des Wohnortes des Versicherten oder seiner Hinterlassenen. In beiden Fällen ist den Parteien Gelegenheit zu geben, der Beweisführung, soweit dieselbe vor einem Gerichte vorgenommen wird, beizuwohnen.

Art. 121. Eine mündliche Schlussverhandlung findet nur statt, wenn sie vom Gericht verfügt wird.

Art. 122. Das Urteil wird den Parteien und dem Oberfeldarzt für sich und in den Fällen des Art. 55, Absatz l, Ziffer 3, zuhanden der Pensionskommission zugestellt.

Art. 123. Die vom Versicherten oder seinen Hinterlassenen eingelegten Urkunden werden ihnen, im übrigen werden die Akten dem Oberfeldarzt zurückgesandt.

Art. 124. Die Entschädigungen an Zeugen und Sachverständige werden aus der Gerichtskasse bestritten, die für diese Auslagen besondere Rechnung führt.

Siegen der Versicherte oder seine Hinterlassenen mit ihrer Berufung oder gegen die Berufung des Militärdepartements ob, so haben sie in den Fällen des Art. 55, Absatz l, Ziffer 3, des Militärversicherungsgesetzes Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Unterliegen sie mit einer aussichtslosen Berufung, so erfolgt ihre Verurteilung zu den Gerichtskosten. In allen ändern Fällen ist

273 das Verfahren für die Parteien kostenlos und werden Parteientschädigungen nicht zugesprochen.

B. Streitigkeiten aus Art. 57 des Militärversicherungsgesetzes.

Art. 125. Für Streitigkeiten aus Art. 57 des Militärversicherungsgesetzes ist die Behandlung durch den Einzelrichter ausgeschlossen. Art. 109 ist anwendbar.

Art. 126. Parteien sind die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt in Luzern und das Schweizerische Militärdepartement.

Art. 127. Die klagende Partei hat dem Gericht ihre Klageschrift in dreifacher Ausfertigung einzureichen. Die Klageschr ft enthält die Rechtsbegehren, eine Darstellung der begründenden Tatsachen, sowie die Angabe der angerufenen Beweismittel. Beweisurkunden, die sich in Händen des Klägers befinden, sind im Original oder in beglaubigter Abschrift beizulegen.

Durch Einreichung der Klageschrift wird die Streitsache beim Gericht rechtshängig.

Art. 128. Die Klageschrift wird der beklagten Partei zugestellt unter Ansetzung einer angemessenen Frist zur Einreichung der Antwort.

Die Abfassung und Einreichung der Antwort geschieht nach den für die Klageschrift aufgestellten Bestimmungen. Einen weiteren Schriftenwechsel kann das Gericht nach Bedarf anordnen.

Art. 129. Dem Versicherten oder seinen Hinterlassenen ist durch Zustellung je einer Ausfertigung der Rechtsschriften Gelegenheit zu geben, sieh als Nebenintervenient am Prozess zu beteiligen.

Art. 130. Nach Beendigung des Schriftenwechsels trifft das Gericht die Beweisverfügung im Rahmen der Beweisanträge der Parteien. Die Verfügung ist den Parteien mitzuteilen.

Art. 131. Das Gericht nimmt die Beweisführung selbst vor, oder es beauftragt mit derselben die Versicherungsgerichte der Kantone, in denen die Beweismassnahmen zu treffen sind. In beiden Fällen ist den Parteien Gelegenheit zu geben, der Beweisführung, soweit dieselbe vor einem Gerichte stattfindet, beizuwohnen.

Art. 132.

Art. 121 ist anwendbar.

274 Art. 133. Ausser an die Parteien erfolgt die Mitteilung des Urteiles auch an den Versicherten oder seine Hinterlassenen.

Art. 134. Die von den Parteien eingelegten Urkunden .und die Aktenhefte der Parteien werden denselben zurückgestellt.

Art. 135. Die unterliegende Partei hat die Gerichtskosten zu bezahlen. Parteientschädigungen werden nicht zugesprochen.

Tl. Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Art. 136. Der Bundesrat setzt den Zeitpunkt fest, auf welchen dieser Bundesbeschluss in Kraft tritt und erlässt die zu dessen Vollzug erforderlichen Verordnungen.

Art. 137. Die Bundesversammlung bestimmt bei der ersten Wahl der Richter deren erste Amtsdauer.

Art. 138. Hinsichtlich der Verfügungen des Oberfeldarztes und der Entscheidungen der Pensionskommission, die yor dem Inkrafttreten dieses Bundesbeschlusses erlassen worden sind, gelten die Bestimmungen des Art. 67 des Militärversicherungsgesetzes auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten dieses Bundesbeschlusses weiter.

-igxxs--

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu dem Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Organisation und das Verfahren des eidgenössischen Versicherungsgerichtes. (Vom 18. Dezember 1915.)

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