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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung.

67. Jahrgang.

Bern, den 30. Juni 1915.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis in Franken im Jahr, 5 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 15 Rappen die Zeile oder deren Raum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli & Cie. in Bern.

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Bundesgesetz betreffend

die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 13. Juni über die Kranken- und Unfallversicherung (Vom 18. Juni 1915.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 34bis der Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 6. April 1915, beschliesst:

Art. 1.

Verträge, die die Versicherung der Verantwortlichkeit des Betriebsinhabers für Unfälle und Berufskrankheiten seiner Angestellten und Arbeiter oder die Unfallversicherung von Angestellten und Arbeitern oder eine Verbindung dieser beiden Versicherungsarten zum Gegenstande haben, fallen, wenn die Zugehörigkeit des Betriebes zur obligatorischen Unfallversicherung ausgesprochen ist, auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des bezüglichen Entscheides, frühestens aber mit der Betriebseröffnung der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern (abgekürzt: Anstalt) dahin.

Bundesblatt.

67. Jahrg.

Bd. II.

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A. Versicherungsverträge und obligatorische Versicherung.

I. Grundsatz.

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Die Rechte aus Unfällen, die sich vor dem Zeitpunkt, des Hinfalles ereignet haben, bleiben vorbehalten.

Vertragsbestimmungen, die nicht obligatorisch versicherte Personen betreffen, werden durch die Vorschriften^ dieses Artikels nicht berührt.

II. Weitere Wirkungen.

Art. 2.

Der Hinfall der Verträge tritt ein, ohne dass der eine oder andere Teil Entschädigung zu leisten hätte.

Der Versicherungsnehmer hat die Prämien bis zum Hinfall des Vertrages zu leisten. Über diesen Zeitpunkt hinaus vorausbezahlte Prämien sind an den Betriebsinhaber und, soweit sie von Angestellten und Arbeitern getragen worden sind, durch ihn an diese zurückzuerstatten.

III. Zuteilungen mit Rückwirkung.

1. Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers.

Art. 3.

Wird nach der Betriebseröffnung der Anstalt die Zugehörigkeit eines Betriebes zur obligatorischen Versicherung mit Rückwirkung auf einen frühern Zeitpunkt ausgesprochen, so ist dessen Inhaber von der Anstalt zur Erklärung darüber zu verhalten, ob Versicherungsverträge der in Art. l bezeichneten Art bestehen und ob ihm darunter fallende,, noch nicht erledigte Unfälle bekannt sind.

Art. ' 4.

2. Ordnung von Hatte der Betriebsinhaber Angestellte und Arbeiter Doppeldes Betriebes gegen Unfall versichert, so erhebt die Anstalt versicherungen.

die Prämien für die Zeit bis zum Hinfall jener Versicherung a. Prämien der nur für den Mehrwert der Leistungen der obligatorischen.

obligatorischen Versicherung. Versicherung gegenüber den Leistungen der vertraglichen Versicherung.

Art. 5.

b. Anrechnung Erleidet ein nach Art. 4 versicherter Angestellter oder vertraglicher Arbeiter nach Eintritt der Wirkungen der obligatorischen Leistungen Versicherung einen Unfall, so wird das zufolge des Versicheund Übergang rungsvertrages ausbezahlte Krankengeld mit dem Krankenvertraglicher Ansprüche, lgeld der obligatorischen Versicherung und der Gesamtbetrag,

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der ausgerichteten vertraglichen Leistungen für dauernde Erwerbsunfähigkeit und Tod mit dem Gesamtbetrag der entsprechenden Leistungen der obligatorischen Versicherung verrechnet.

Sind für einen der im vorhergehenden Absätze bezeichneten Unfälle aus einem privaten Versicherungsvertrage noch Leistungen an obligatorisch Versicherte oder deren Hinterlassene zu machen, so tritt die Anstalt in die vertraglichen Rechte bis zur Höhe ihrer gesetzlichen Leistungen ein.

Art. 6.

Ist vor dem in Art. 5, Absatz 2, bestimmten Übergang der Ansprüche eine Vereinbarung zustande gekommen, nach der dem Versicherten oder seinen Hinterlassenen eine offenbar unzulängliche Entschädigung zugekommen ist oder zukommen soll, so kann diese Vereinbarung von der Anstalt binnen Jahresfrist angefochten und Ergänzung der Entschädigung verlangt werden.

c. Anfechtung von Vereinbarungen.

Art. 7.

d. UmBei Anwendung der Art. 4--6 sind für die Ermittlung des Wertes von Kapitalabfindungen im Verhältnis zum rechnungen.

Werte von Rentenleistungen die Rechnungsgrundlagen der Anstalt für die Bestimmung des Barwertes der Renten massgebend.

Art. 8.

Von den Bestimmungen der Art. l--7 werden die Versicherungsverträge nicht berührt, die zum Gegenstand haben, die Leistungen der obligatorischen Versicherung zu ergänzen.

IV. Ergänzung»!

Versicherungen.

Art. 9 Die Artikel Ì.--5 finden sinngemässe Anwendung, V. Vorher freiwillig wenn Personen, die bei der Anstalt freiwillig versichert versicherte waren, in die obligatorische Versicherung einbezogen werden.

Personen.

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Art. 10.

8. Prämienzahlungen.

I. Obligatorische Versicherung.

1. Vollstreck, barkeitsverfahren.

Der Präsident des eidgenössischen Versicherungsgerichtes erklärt auf Antrag der Anstalt eine auf Grund der Art. 101 bis und mit 112 und Art. 63 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung festgesetzte Prämienforderung gegenüber Betriebsinhabern ohne vorherige Anhörung des Schuldners als vollstreckbar, sofern a. die Zugehörigkeit des betreffenden Betriebes zur obligatorischen Versicherung von der zuständigen Stelle ausgesprochen ist oder von Beteiligten mit offensichtlich nicht triftigen Gründen angefochten wird ; b. die nach Art. 102, 103 und 106 getroffenen Entscheide und die nach den Art. 110 bis und mit 112 vorgenommenen Schätzungen, beziehungsweise Feststellungen dem Betriebsinhaber oder seinem Stellvertreter durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt, bei unbekanntem schweizerischem Wohnsitz im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht worden sind.

Art. 11.

c

Z. Wirkung desselben.

Die Erklärung der Vollstreckbarkeit wird als ein rechtskräftiges Urteil einer Behörde des Bundes im Sinne von Art. 81 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs angesehen.

Art. 12.

'"·3. Endgültige · Abrechnung; Rückforderung.

Sowohl für die zufolge Betreibung und Rechtsöffnung als für die freiwillig vor oder nach Erklärung der Vollstreckbarkeit bezahlten Prämien bleibt die endgültige Abrechnung, sowie die Rückforderung zu viel bezahlter Beträge vorbehalten. Streitigkeiten darüber werden nach Art. 120--122 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung erledigt.

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Art. 13.

Art. 219 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs erhält folgenden Zusatz :

4. Privilegierung der Prämien-

Zweite Klasse:

forderungen.

c. Die Prämienforderungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern in der obligatorischen Versicherung.

Art. 14.

Die Bundesversammlung bestimmt über die Anwendung der Art. 10 bis und mit 13 auf die freiwillige Versicherung und auf die freiwillige Versicherung von Drittpersonen nach den Art. 115 bis und mit 119 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung.

II. Freiwillige Versicherungen.

Art. 15.

Art. 60, Absatz l, Ziffer 4, des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung erhält folgende Fassung:

C. Abänderung von Art. 60.

,,4. der Unternehmungen, in denen gewerbsmässig Sprengstoffe erzeugt, verwendet oder gelagert werden."

Art. 60, letzter Absatz, ist aufgehoben.

Art. 16.

Nach Art. 60 des Bundesgesetzes über die Krankenund Unfallversicherung 'werden folgende Artikel eingeschaltet : ,,Art. 60bis. Der Bundesrat ist ermächtigt: D. Vollmachten an den 1. die obligatorische Versicherung anwendbar zu erklären Bundesrat.

a. auf Unternehmungen, die gewerbsmässig elektrische Energie erzeugen, umformen oder abgeben j b. auf Unternehmungen, in denen explodierbare oder gesundheitsgefährliche Stoffe (Art. 68 des Bundes-

676 gesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung) gewerbsmässig erzeugt, im grossen verwendet oder im grossen gelagert werden, oder in denen solche Stoffe auftreten ; c. auf industrielle und Handelsunternehmungen, die mit betriebsgefährlichen Maschinen oder Einrichtungen oder in unmittelbarem Anschluss an das Transportgewerbe arbeiten ; d. auf Bestandteile gemischter Unternehmungen und auf Hülfs- oder Nebenbetriebe der in Art. 60 und lit. a--c hiervor bezeichneten Unternehmungen.

Ist der Hauptbetrieb nicht versicherungspflichtig, so soll die Versicherung auf Nebenbetriebe, auf die Art. 60 oder lit. a--c hiervor zutreffen, nur ausnahmsweise und unter vom Bundesrat zu bestimmenden Voraussetzungen zur Anwendung gelangen; ·e. auf Regiearbeiten öffentlicher Verwaltungen und ähnlicher Anstalten ; ./. auf Arbeiten erheblichen Umfanges, die ihrer Art nach unter Art. 60, Ziffer 3 oder 4, fallen und die von Personen für eigene Rechnung ausgeführt werden, ohne dass die Merkmale einer Unternehmung vorliegen ; "2. Vorschriften zu erlassen über die Versicherung von Angestellten und Arbeitern, die .in nichtständigen Betrieben beschäftigt sind oder deren Arbeit im versicherten Betriebe nur einen Teil ihrer regelmässigen Erwerbstätigkeit ausmacht. Dabei kann die Versicherung auf Betriebsunfälle beschränkt werden; ·3. zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange eine Rückwirkung von Entscheiden über die Zugehörigkeit zur Versicherung ·eintritt. Die Rückwirkung der Versicherung kann auch für Fabrikbetriebe ausgesprochen werden ;

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·4. zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Art ein Betriebsinhaber, der einem ändern Arbeiten überträgt, für die von diesem geschuldeten Prämien haftet; -5. für die Geltendmachung von Versicheruhgsansprüchen besondere Verjährutigs- und Verwirkungsbestimmungen aufzustellen ; ·G. in den Vollziehungsverordnungen auf Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung, dieses Gesetzes und der Vollziehungsverordnungen Bussen bis zu 500 Fr. anzudrohen. Die Strafbestimmungen des vorerwähnten Gesetzes bleiben vorbehalten.tl ,, Art. 60ter. Der Bundesrat wird in den Ausführungs·vorschriften zu Art. 60 und 60bis die Arten von Unternehmungen und Betrieben, deren Angestellte und Arbeiter ·obligatorisch versichert sind, des nähern bezeichnen. Er wird dabei die Abgrenzung zwischen versicherten und nicht versicherten Betrieben und Betriebsteilen bestimmen.

Der Bundesrat wird das Verfahren und den Instanzenweg festsetzen, nach denen über die Zugehörigkeit zur 'obligatorischen Versicherung entschieden wird. Er ent.-scheidet selbst in letzter Instanz.

Die vom Bundesrat erlassenen allgemeinen Vorschriften mnd die rechtskräftigen Einzelentscheide über die Zugehörigkeit zur Versicherung sind für den Richter verbindlich."

Art. 17.

Art. 128 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung erhält folgende Fassung:

E. Ausführung der Art. 60

und 60bis.

F. Aufhebung von

Gesetzen.

,,Art. 128. Alle mit diesem Gesetze in Widerspruch «tehenden Bestimmungen von eidgenössischen oder kantonalen «Gesetzen und Verordnungen sind aufgehoben, insbesondere:

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1. das Bundesgesetz vom 25. Brachmonat 1881 betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb und das Bundesgesetz vom 26. April 1887 betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht; 2. die Vorschriften des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen, über die Haftung des Betriebsinhabers, soweit sie dessen Verhältnis zu seinen obligatorisch versicherten Angestellten und Arbeitern betreffen; 3. die Vorschriften des Bundesgesetzes vom 28. März 1905 betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen und der Post, sowie Art. 95 des Bundesgesetzes vom 5. April 1910 betreffend das schweizerische Postwesen, soweit sie die Haftpflicht dieser Unternehmungen für Unfälle im Dienst gegenüber ihren eigenen obligatorisch versicherten Angestellten und Arbeitern und den bei dem Eisenbahnbau beschäftigten obligatorisch versicherten Angestellten und Arbeitern anderer Unternehmungen betreffen; 4. die Vorschriften des Art. 13 des Bundesgesetzes vom 19. Christmonat 1874 über die Rechtsverhältnisse der Verbindungsgeleise z wischen dem schweizerischen Eisenbahnnetz und gewerblichen Anstalten, soweit sie dieHaftpflicht der gewerblichen Anstalten gegenüber ihren obligatorisch versicherten Angestellten und Arbeitern betreffen."

Art, 18.

G. Vollziehung.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Gesetzesbeauftragt und erlässt die erforderlichen Verordnungen.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 18. Juni 1915.

Der Präsident: Geel.

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Also beschlossen vom Nationaliste, B e r n , den 18. Juni 1915.

Der Präsident: Félix Bonjour.

Der Protokollführer: Schatzmann.

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetze» vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 18. Juni 1915.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Schatzmann.

N o t e . Datum der Veröffentlichung: 30. Juni 1915.

Ablauf der Referendumsfrist: 28. September 1915.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung. (Vom 18. Juni 1915.)

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1915

Année Anno Band

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26

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

30.06.1915

Date Data Seite

671-679

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