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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Verweigerung der Konzession einer schmalspurigen Zahnradbahn von Leukerbad nach Kandersteg.

(Vom 29. März 1910.)

Tit.

I.

Ein aus den Herren M. S e i l e r , Regierungsstatthalter in Brig, S c h o t t , Architekt in Bern, und B u t t i c a z , Ingenieur in Lausanne, bestehendes Konsortium reichte mittelst Eingabe vom 3. Mai 1907 dem Eisenbahndepartement ein Konzessionsgesuch für den Bau und Betrieh einer Schmalspurbahn mit Zahnradgeleise von Leukerbad nach Kandersteg ein.

In dem allgemeinen Berichte gehen die Konzessionsbewerber davon aus, dass die Erstellung der Lötschbergbahn mit der Zeit den Verkehr zwischen den Kantonen Bern und Wallis bedeutend erleichtern und fördern werde. Die Zahnradbahn von Leukerbad nach Kandersteg solle erstellt werden, um die erstere Ortschaft vorn Norden her per Bahn erreichen zu können. Diese Linie werde sich in Leukerbad an die bereits konzessionierte Schmalspurbahn Leuk-Leukerbad (B. A. S. XVIII, 84) und in Kandersteg an die Lütschbergbahn anschliessen. Sie werde vorwiegend den Charakter einer Saisonbahn haben und in erster Linie dem Touristenverkehr dienen. Die Ortschaften Leukerbad und Kandersteg könnten sich jedenfalls bedeutende Vorteile von dieser Bahn versprechen.

Im technischen Berichte führen die Konzessionsbewerber aus, die Linie fahre quer dem Südabhang des Gemmipasses entlang und werde alsdann mittelst eines Tunnels von 1700 m Länge unter dem Pass geführt. Am Daubensee, an der Ausmündung des Tunnels, sei eine Haltstelle mit Ausweichgeleise vorgesehen,

590 um den Touristen die Besteigung der umliegenden Gipfel zu erleichtern. Das Tracé führe weiter dem linken Ufer des Schwareribachsees und am Fusse der Weissen Fluh entlang. Bei km 10 sei eine zweite Haltstelle mit Ausweichgeleise vorgesehen. Nachdem die Linie drei grössere Kurven beschrieben habe, überschreite sie die Kander, folge dem rechten Ufer derselben und erreiche sodann die Endstation Kandersteg.

Die technischen Hauptangaben sind folgende : Länge der Bahn: 18,000 m.

Spurweite : l m.

Höhencoten: Leukerbad L420 m, Kulminationspunkt 2240 m, Kandersteg 1169 m.

Minimalradius: 80 m.

Zwischenstationen : zwei Haltstellen.

Betriebssystem: Dampf, Elektrizität oder gemischtes System.

Der Kostenvoranschlag setzt- sich aus folgenden Posten zusammen : Offene Strecken Fr. 910,560 Tunnel ,, 1,360,000 Brücken ,, 40,000 Geleise-Ballast ,, 450,000 Hochbau ,, 370,000 Elektrische Einrichtungen ,, 99,000 Rollmaterial ,, 450,000 Bauzinse ,, 230,000 Unkosten u n d Unvorhergesehenes . . . . ,, 390,440 Total Fr. 4,300,000 oder zirka Fr. 239,000 per Kilometer der Bahnlänge.

In seiner Vernehmlassung vom 29. Juli 1907 erklärte sieh der Regierungsrat des Kantons Bern mit der Konzessionserteilung einverstanden, unter der Bedingung, dass die Endstation auf Bernerseite neben den Bahnhof der Lötschbergbahn in Kandersteg gelegt werde und dass keine Niveaukreuzung mit genannter Bahn stattfinde. Auch die Regierung des Kantons Wallis befürwortete die Erteilung der Konzession. Dabei machte sie die üblichen Vorbehalte betreffend Sitz der Gesellschaft usw. und empfahl die Überschienung des Gemmipasses mit Rücksicht auf das grossartige Landschaftsbild, das man von der Passhöhe aus geniesse.

Unterm 7. Mai 1909 erklärten sich die Konzessionsbewerber bereit, den Vorbehalten der Kantonsregierungen zu entsprechen.

Ferner ergänzten sie ihr Konzessionsgesuch mit Eingaben vom

591 17. Juni 1908 und vom 2. Oktober 1909 mit Bezug auf verschiedene technische Punkte und auf den Kostenvoranschlag, der vom Eisenbahndepartement als zu niedrig bezeichnet worden war.

Nach dem ergänzenden Bericht der Konzessionsbewerber vom 2. Oktober 1909 soll die Linie auf Fr. 5,000,000 oder auf zirka Fr. 277,780 per Kilometer der Bahnlänge zu stehen kommen.

II.

Inzwischen wurden sukzessive folgende Konzessionsgesuche für Aufzüge und Luftseilbahnen nach der Gemmi eingereicht: 1. Konzessionsgesuch der Herren Strub und Peter in Zürich,vom 17. Dezember 1908, für zwei Aufzüge nach der Gemmi; 2. Projekt einer Luftseilbahn von Leukerbad nach der Gemtnipasshöhe, vom 18. Februar 1909, eingereicht von den Herren Zumofen - Lagger, Hotelier in Montreux, und von Herrn Ingenieur A. Hurter in Oerlikon ; 3. Konzessionsgesuch des Herrn Ingenieur Hurter für eine Luftseilbahn von Kandersteg gegen die Gemmi bis zum sogenannten Stock, vom 16. Juni 1909.

Da der Entscheid über Konzessionsgesuche für Bergaufzüge und Luftseilbahnen gemäss der Verordnung betreffend die Konzessionierung und die Kontrolle der Automobilunternehrnungen, Aufzüge und Luftseilbahnen, vom 18. September 1906, dem Eisenbahndepartement und im Rekursfalle dem Bundesrat zusteht, nehmen wir von einer Beschreibung dieser Projekte, die bei den Akten liegen, Umgang und fuhren sie lediglich zur Erläuterung der Konkurrenzverhältnisse hier an. Die Konzessionsgesuche für Aufzüge und Luftseilbahnen wurden je nach ihrem Eintreffen vom Eisenbahndepartement wie üblich den interessierten Kantonsregierungen zur Kenntnis gebracht. Dabei wurden dieselben ersucht, sich darüber auszusprechen, ob nach ihrem Dafürhalten der schmalspurigen Zahnradbahn der Vorzug zu geben sei, und ob eventuell neben der letzteren noch eines der eingereichten Projekte für Aufzüge oder Luftseilbahnen konzessioniert werden könne.

Der Staatsrat des Kantons Wallis erklärte mittelst Schreibens vom 17. Juni 1909, dass er in erster Linie die Erteilung der Konzession für die Zahnradbahn befürworte, da durch die Erstellung einer Bahnverbindung den allgemeinen Interessen besser gedient sei, als durch den Bau von Aufzügen oder Luftseilbahnen.

Eventuell spreche er sich auch für das Luftseilbahnprojekt der Herren Zumofen-Lagger und Hurter aus, in Anbetracht der bereits gesicherten Finanzierung dieses Projektes.

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Der Regierungsrat des Kantons Bern sprach sich unterm 8. Dezember 1909 folgendermassen aus: ,,Nach unserm Dafürhalten entspricht eine Bahnverbindung zwischen Kandersteg und Leukerbad vorläufig keinem absoluten Bedürfnis. Sie würde lediglich zur Hebung des Touristenverkehrs beitragen. Was die Frage, welchem der beiden Projekte der Vorzug zu geben sei, anbelangt, so befürworten wir in erster Linie das vorliegende Projekt des Ingenieurs Hurter für eine Luftseilbahn, wodurch das Landschaftsbild weniger verunstaltet würde, als durch eine Spurbahn. Man muss übrigens bald einmal recht froh darüber sein, wenn in unsern Alpen noch Übergänge gefnnden werden, welche durch kein Überschienungsprojekt beglückt worden sind."1 Während somit der Staatsrat Wallis in erster Linie die Eisenbahn konzessionieren will, ist die Regierung des Kantons Bern der Ansicht, dass für die Erstellung der projektierten Zahnradbahn kein wirkliches Bedürfnis besteht und dass, wenn ein Projekt zustande kommen soll, die Luftseilbahn des Herrn Hurter das Landschaftsbild weniger verunstalten würde, als die Spurbahn.

Wir pflichten der Ansicht der Regierung des Kantons Bern in bezug auf die Zahnradbahn bei und beantragen Ihnen, die nachgesuchte Konzession für die schmalspurige Zahnradbahn n i c h t zu erteilen.

Wir gelangen zu diesem Antrage aus folgenden Gründen.

Das vorliegende Projekt kann keinen volkswirtschaftlichen Wert beanspruchen und kommt nur als reine Touristenbahn in Betracht, weil in nächster Zukunft die Lötschbergbahn, welcher als der kürzesten Verbindung vom Wallis nach dem Berner Oberland der gesamte Verkehr zwischen diesen Gegenden zufallen dürfte, eröffnet werden wird. Ferner ist bereits eine zweite Bahn vom Aare- nach dem Rhonetal konzessioniert, nämlich die Grimselbahn (E. A. S. XX, 271), die auch nur als sogenannte Saisonbahn gedacht ist. Wir halten nun entschieden dafür, dass eine weitere Überschienung der Berner Alpen keine erspriesslichen Resultate, weder für die darauf verwendeten Kapitalien, noch für die Entwicklung der anderen schon konzessionierten oder bereits in Betrieb stehenden Bahnen in diesem Teil des Alpengebietes haben würde. Die Erstellung der projektierten Zahnradbahn, die in Wirklichkeit wohl auf mehr als Fr. 300,000 per Kilometer zu stehen käme, wäre zu kostspielig, als dass eine einiger m assen befriedigende Rendite der darin investierten Summen erwartet werden könnte. Ferner mahnen die ungünstigen finan-

593 ziellen Ergebnisse der letzten Jahre für die meisten Neben- und Bergbahnen zur Vorsicht in der Konzessionierung von neuen Bahnen, besonders von solchen, die ausschliesslich auf den Touristenverkehr angewiesen sind. Wir sind daher der Ansicht, dass, wie die Verhältnisse heute liegen, weitere Touristenbahnen nicht konzessioniert werden sollten, sofern deren Erstellung nicht einem wirklichen Bedürfnis entspricht und die Rentabilität der Unternehmung trotz massiger Taxen nicht ausser Zweifel steht. Dass diese Voraussetzungen beim vorliegenden Projekt nicht vorhanden sind, geht aus Vorstehendem hervor.

Wir gestatten uns, noch beizufügen, dass wir schon in unserer Botschaft betreffend Verweigerung der Konzession für eine Drahtseilbahn von Weggis nach Rigi-Känzeli, vom 3. Dezember 1888 (Bundesb. 1888, IV, 928), ausgeführt haben, es sei Pflicht des Bundes, einer entschieden ungesunden Konkurrenz zwischen Bahnen, welche geeignet sei, die Rendite derselben ungünstig zu beeinflussen und damit indirekt dem Kredit des Landes schade, entgegenzutreten. Sie haben damals unserer Ansicht beigepflichtet.

Indem Sie seinerzeit von unserem Berichte vom 10. Dezember 1904 betreffend die Erteilung von Eisenbahnkonzessionen (Bundesbl. 1904, VI, 496) in zustimmendem Sinne Vormerk nahmen, haben Sie ferner bekundet, dass auch nach Ihrer Auffassung bei Konzessionierung von neuen Bahnen unter allen Umständen die Rücksicht auf das allgemeine Wohl vorbehalten werden solle und, soweit es das letztere erfordere, der Grundsatz der freien Konkurrenz im Eisenbahnwesen eine Beschränkung im einzelnen Falle erleiden müsse. Ein solcher Fall liegt unseres Erachtens heute vor. Wir empfehlen Ihnen daher den nachstehenden Besehlussentwurf, durch den das Konzessionsgesuch für eine schmalspurige Zahnradbahn von Leukerbad nach Kandersteg abgewiesen wird, zur Annahme.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 29. März 1910.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzinann.

594 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Verweigerung der Konzession einer schmalspurigen Zahnradbahn von Leukerbad nach Kandersteg.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. eines Konzessionsgesuches der Herren M. Seiler, Regierungsstatthalter in Brig, Schott, Architekt in Bern, und Butticaz, Ingenieur in Lausanne, für eine schmalspurige Zahnradbahn von Leukerbad nach Kandersteg, vom 3. Mai 1907 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 29. März 1910, beschliesst: 1. Auf das Konzessionsgesuch der Herren M. Seiler, Regierungsstatthalter in Brig, Schott, Architekt in Bern, und Butticaz, Ingenieur in Lausanne, für eine schmalspurige Zahnradbahn von Leukerbad nach Kandersteg, vom 3. Mai 1907, wird nicht eingetreten.

2. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Verweigerung der Konzession einer schmalspurigen Zahnradbahn von Leukerbad nach Kandersteg. (Vom 29. März 1910.)

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06.04.1910

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