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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung zweier Verfassungsgesetze des Kantons Genf, vom 26. Januar 1910.

(Vom 9. April 1910.)

Tit.

Mit Schreiben vom 1., 8. und 18. März 1910 teilt uns der Regierungsrat des Kantons Genf mit, dass in der Volksabstimmung vom 26. und 27. Februar 1910 der Verfassungsgesetzentwurf vom 26. Januar 1910 betreffend die Aufhebung und Ersetzung der Art. 96 und 101 der Verfassung des Kantons Genf vom 24. Mai 1847 mit 4548 gegen 306 Stimmen, und der Verfassungsgesetzentwurf vom 26. Januar 1910 betreffend die Abänderung des Art. 4 des Verfassungsgesetzes vom 29. Oktober 1882 zur Einführung gewerblicher Schiedsgerichte mit 2460 gegen 1871 Stimmen angenommen worden sei. Der Regierungsrat sucht um die Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung für diese Verfassungsgesetze nach.

1. Die Art. 96 und 101 der Genfer Verfassung vom 24. Mai 1847 lauten: ,,Art. 96. L'institution du jury en matière criminelle est garantie par la présente constitution.

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Les attributions du jury pourront être étendues par la loi.

Art. 101.

Les audiences des tribunnaux sont publiques.

Toutefois la loi pourra restreindre cette publicité: 1° En matière civile.

2° En matière criminelle, à l'égard des femmes et des enfants seulement."

Um die Einführung einer besonderen Strafgerichtsbarkeit für jugendliche Verbrecher zu ermöglichen, mussten diese Verfassungsbestimmungen abgeändert werden, da besondere Jugendgerichtshöfe über die von Personen jugendlichen Alters begangenen Verbrechen aburteilen und die Öffentlichkeit des Verfahrens im Interesse der Angeklagten eingeschränkt werden sollte. Der Zweck wurde dadurch erreicht, dass dem ersten Alinea des Art. 96 der Verfassung die Worte ,,sauf en ce qui concerne les tribunaux chargés de connaître des infractions commises par des mineurs" beigefügt, und Art. 101 durch ein neues Alinea lautend : ,,La loi peut restreindre et même supprimer cette publicité aux audiences des tribunaux chargés de connaître des infractions commises par des mineurs", erweitert wurde.

2. Art. 4 des Verfassungsgesetzes zur Einführung gewerblicher Schiedsgerichte vom 29. Oktober 1882 lautete bisher: ,,Art. 4. Sont électeurs et éligibles les patrons, ouvriers et employés suisses jouissant de leurs droits politiques."

Es hatte sich nun als wünschenswert erwiesen, auch den Frauen das aktive und passive Wahlrecht zu den gewerblichen Schiedsgerichten einzuräumen. Dies geschah durch eine Erweiterung des Textes, der oben zitierten Bestimmung, welche nunmehr lautet: ,,Sont électeurs et éligibles, les patrons, ouvriers et employés de Tun et l'autre sexe, de nationalité suisse, âgés de vingt ans révolus et domiciliés dans le canton.

,,Les dispositions de la loi électorale sur la privation du droit de vote et sur l'éligibilité sont applicables aux Prud'hommes."

Da die beiden vorliegenden Verfassungsgesetze des Kantons Genf in der Volksabstimmung angenommen worden sind und nichts Bundesrechtswidriges enthalten, stellen wir Ihnen, Tit., den Antrag, es sei diesen Verfassungsgesetzen durch Annahme

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des hier beigefügten Entwurfes eines Bundesbeschlusses eidgenössische Gewährleistung zu erteilen.

die

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 9. April 1910.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Gewährleistung zweier Verfassungsgesetze des Kantons Genf, vom 26. 27. Februar 1910.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 9. April 1910 über die in der Volksabstimmung vom 22./27. Februar 1910 angenommenen Verfassungsgesetze des Kantons Genf, betreffend die Aufhebung und Ersetzung der Art. 96 und 101 der genferischen Verfassung vom 24. Mai 1847, und betreffend die Abänderung des Art. 4 des Verfassungsgesetzes vom 29. Oktober 1882 zur Einführung gewerblicher Schiedsgerichte ; in Erwägung : dass diese Verfassungsgesetze' nichts enthalten, was den Vorschriften der Bundesverfassung widerspräche ; in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, beschliesst: 1. Den am 26./27. Februar 1910 vom Volke angenommenen beiden Verfassungsgeseteen des Kantons Genf ·wird die eidgenössische Gewährleistung erteilt; 2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

^£3.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung zweier Verfassungsgesetze des Kantons Genf, vom 26. Januar 1910. (Vom 9. April 1910.)

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