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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Ausführung von Art. 32ter der Bundesverfassung.

(Erlass eines Bundesgesetzes betreffend das Absinthverbot.)

(Vom 10. Mai 1910.)

Tit.

Am 5. Juli 1908 ist sowohl von der Mehrheit der stimmenden/ Bürger, als von der Mehrheit der Kantone, unter Einstellung eines entsprechenden Vorbehaltes in Art. 31, die nachfolgende Ergänzung: der Bundesverfassung beschlossen worden : Art. 32ter.

,,Fabrikation, Einfuhr, Transport, Verkauf und Aufbewahrung zum Zwecke des Verkaufes des unter den Namen Absinth bekannten Likörs sind im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft verboten. Dieses Verbot bezieht sich auch auf alle Getränke, die unter irgendwelcner Bezeichnung eine Nachahmung dieses Likörs darstellen. Vorbehalten bleiben der Durchgangstransport und die Verwendung zu pharmazeutischen Zwecken.

,,Das Verbot tritt zwei Jahre nach seiner Annahme in Kraft.

Die .Bundesgesetzgebung wird die infolge des Verbotes notwendigwerdenden Bestimmungen treffen.

,,Der Bund hat das Recht, dasselbe Verbot auf dem Weg©' der Gesetzgebung in bezug auf alle andern absinthhaltigen Getränke zu erlassen, welche eine öffentliche Gefahr bilden."

·o28 Zur Durchführung dieser Bestimmungen unterbreiten wir Ihnen hierdurch den Entwurf eines

Gesetzes betreffend das Absinthverbot.

Wir haben Ihnen seinerzeit mit Botschaft vom 9. Dezember 1907 und bei Ihren Verhandlungen die Ablehnung des Initiativiegehrens beantragt, aus dem Art. 32ter der Verfassung hervor.gegangen ist.' Die Vorarbeiten zur Durchführung des Absinthverbotes und die dabei gewonnene erweiterte Einsicht in die Schwierigkeiten, welche die mannigfachen und zahlreichen Störungen und Eingriffe mit sich bringen werden, konnten uns nur in der Ihnen vorgetragenen Auffassung bestärken. Wir haben uns bemüht, dem in der Abstimmung vom 5. Juli 1908 zum Ausdrucke gelangten Volkswillen Rechnung zu tragen, können und wollen aber nicht den Anspruch erheben, in unserer heutigen Vorlage alle aus dem Verbote zu gewärtigenden Schwierigkeiten beseitigt zu haben.

Wir begleiten unsern Entwurf mit folgenden Erläuterungen und Bemerkungen.

Vorausgeschickt sei, dass der Gesetzesentwurf den Verfassungstext, wenn immer möglich, wörtlich reproduziert, und zwar auch da, wo damit sprachlich Unschönes oder Überflüssiges wiederholt wird. Hierin bestehender Übung zu folgen, rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass erfahrungsgemäss jede Abweichung den Zweifel an der sachlichen Übereinstimmung des "Willens von Verfassung und Ausführungsgesetz weckt. Das gegenteilige Verfahren ist da ·eingesehlagen worden, wo der Verfassungstext entweder unklar oder unvollständig war oder Widersprüche enthielt.

I. Inhalt des Verbotes.

Einer Erörterung bedarf es hier nur für die nacherwähnten besonderen Anwendungsgebiete des Verbotes.

a. Durchgangstransport.

Die Verfassung macht gegenüber dein Verbote des Transports einen Vorbehalt zugunsten des Durchgangstransports. Dieser Vorbehalt, den auch der Gesetzesentwurf aufgenommen hat, bedarf, wenn er nicht toter Buchstabe bleiben soll, der Ausführungsbestimmungen, zu denen der Entwurf den Bundesrat verpflichtet.

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Die Kontrolle der transitierenden Sendungen findet derzeit nach Massgabe der Artikel 28 und 29 des Zollgesetzes vom 28. Juni 1893 in der Weise statt, dass jede Sendung beim Eintrittszollamte unter Sicherstellung des Zolles und der Monopolgebühr mit einem Zollgeleitscheine abgefertigt wird, dessen Löschung durch das Austrittszollamt nur vorgenommen werden darf, wenn bahnamtlich bescheinigt ist, dass die Ware nie aus den Händen der Bahn gekommen ist und während der Durchfahrt keinerlei Veränderung erlitten hat. Die sichergestellte Hinterlage verfällt, wenn der G-eleitschein nicht binnen der darin bestimmten Frist dem Eingangszollamte gelöscht wieder zugestellt wird.

Dieses Verfahren kann auf die hier in Betracht kommenden Waren nicht ohne weiteres angewandt werden. Für den Absinth und dessen Nachahmungen gibt es nach dem Inkrafttreten des Verbotes einen Zoll und eine Monopolgebühr nicht mehr, und auch deren Ersetzung durch eine ebenso hohe oder noch höhere Geldhinterlage würde für sich allein dem gewollten Zwecke nicht unbedingt genügen, weil das Verbot der Einfuhr durch das Verfallenlassen der Hinterlage immer noch umgangen werden könnte. Deshalb ist durch spezielle, im Verordnungswege festzustellende Vorkehren dafür zu sorgen, dass die Transitsendungen wieder aus der Schweiz gehen.

b. Pharmazeutische Verwendung.

Der in der Verfassung stehende Vorbehalt hat angesichts der Prohibition der Herstellung, der Einfuhr, des Transports, des Feilhaltens und des Verkaufes kein Anwendungsgebiet; wollten die Verfassungsinitianten etwas Anwendbares vorbehalten, so hätten sie nicht nur die Verwendung, sondern auch die Beschaffung des Absinthes und seiner Nachahmungen vom Verbote ausnehmen müssen, da ohne die letztere der Vorbehalt der erstem wirkungslos ist.

Freilich ist die Unzulänglichkeit des Verfassungstextes praktisch nicht von Belang. Weder der Absinthlikör, noch dessen Nachahmungen werden zurzeit als Heilmittel im technischen Sinne des Wortes .benützt. Zu medizinischen und zwar überwiegend zu veterinärmedizinischen Zwecken werden vielmehr verwendet das gepflanzte oder das wildgewachsene Absinthkraut und die daraus gewonnenen Tinkturen und Extrakte. Hinsichtlich dieser Verwendungsweisen wäre es an und für sich überflüssig, im Gesetze eine Ausnahme vorzusehen, da die Verfassung weder das Pflanzen noch den Gebrauch gepflanzten oder wilden Absinthkrautes zu pharmazeutischen Zwecken unter Verbot stellt. Um indessen möglichen

530 Missbräuchen vorzubeugen, haben wir in Art. l unseres Entwurfes eine dem Sinne der Verfassung Rechnung tragende Klausel aufgenommen.

c. Andere absinthhaltige Getränke.

Alinea 3 von Art. 32ter der Verfassung ermächtigt den Bund> die über den Absinth und die Absinthnaehahmungen verhängte Prohibition im Wege der Gesetzgebung auf alle ,,andern absinthhaltigentt Getränke auszudehnen, sofern sie eine öffentliche Gefahr bilden. Im Gesetzesentwurfe wird davon abgesehen, von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen.

Die Aufgabe des Gesetzgebers ist schon bei Beschränkung auf Absinth und Absinthnachahmungen schwierig genug und sollte daher durch Ausdehnung auf die in der Verfassung nur fakultativ dem Verbote unterworfenen Produkte nicht noch kompliziert werden. Zum mindesten erscheint es als geboten, die letztern nicht von allem Anfange an in die gesetzgeberische Aktion einzubeziehen. Der Verzicht auf ein weiter ausgreifendes Vorgehen wird übrigens bereite dadurch nahegelegt, dass eine Untersuchungsmethode, die mit Sicherheit festzustellen erlaubt, ob ein Getränk Absinth enthält oder nicht, zur Stunde nicht bekannt ist.

Neben dem Absinthe selbst kommen bei uns von Spirituosen, die unter Verwendung von Absinthkraut oder von absinthhaltigen Essenzen hergestellt werden, in der Hauptsache in Betracht : Wermut (Wermutwein und Wermutlikör), Arquebuse (Eau vulnéraire) und gewisse Bitterschnäpse.

Für keines dieser Erzeugnisse ist seiner Beschaffenheit nach eine spezifische Schädlichkeit ausreichend nachgewiesen; abgesehen etwa vom Wermute, werden sie zudem in so beschränkter Menge konsumiert, dass von einer öffentlichen Gefahr auch nach dieser Richtung hin kaum die Rede sein kann (Arquebuse wird, ausser zum Trinken, auch zum äusserlichen Gehrauche benützt).

Was endlich im besondern den Wermut betrifft, so ist es auch im Interesse der Vermeidung jedes internationalen Streitfalles ratsam, Prohibitivmassnahmen so lange zu verschieben, als der Wermutzoll handelsvertraglich gebunden ist.

II. Definition der verbotenen Getraute.11!

Es ist vorerst zu bemerken, dass, welche Definition auch gewählt wird, in letzter Linie immer die über die Strafbarkeit

531 erkennende Behörde darüber zu urteilen haben wird, ob im konkreten Falle ein Getränk verboten ist oder nicht; ferner: dass, je mehr Erkennungszeichen in eine Definition aufgenommen werden, um so mehr der definierte Begriff eingeschränkt wird, also im vorliegenden Falle um so weniger Getränke unter das Verbot fallen. Auch ist nicht zu verkennen, dass die Vermehrung der Merkmale, insofern als jedes zu Anfechtungen Anlass und Vorwand geben kann, die Aufgabe der zur strafrechtlichen Beurteilung berufenen Behörden erschwert und ihre Lösung verlangsamt.

a. Absinth.

Unsere Verfassung redet von Absinthlikör. Da der Absinthschnaps unverzuckert ist, entspricht das Wort Likör weder dem technischen Sprachgebrauche, noch der durch die eidgenössische Alkoholverwaltung bei Einführung des Monopols aufgestellten Terminologie. Der Absinth gehört vielmehr zu den Branntweinen.

Auch die in Frankreich geltenden Gesetze gebrauchen den zutreffenden Ausdruck Teau-de-vie aromatisée, dite absinthe.

Das Verbot in Art. 32ter trifft den unter dem Namen Absinth ,,bekannten" Likör. Demgemäss muss das Gesetz das heute bei uns im Gebrauche stehende Getränk definieren ; bei der Definition darf weder jede in der Zukunft mögliche Absinthkomposition berücksichtigt, noch vom Merkmale der aromatischen Bestandteile des Absinthkrautes abgesehen werden. In die Zukunft .greift der Entwurf nur insofern, als er den behufs Umgehung des Verbotes denkbaren, gegenüber den kantonalen Prohibitionsgesetzen bereits versuchten Vertrieb verdünnten oder versüssten Absinthes schon jetzt verbietet. Dieses Verbot ist nicht eine Anwendung des Alineas 3, sondern direkt aus Alinea l von Art. 32ter -der Bundesverfassung abzuleiten, weil Verdünnungen und Versüssungen des Absinthes sinngemäss Unterbegriffe des Begriffes Absinth sind.

Der zurzeit als Absinth in den Verkehr gebrachte Branntwein stellt eine nach Art und Menge der unmittelbar oder mittelbar verwendeten Pflanzen wechselnde alkoholische Lösung vegetabilischer Extraktivstoffe dar, mit einem nur ganz ausnahmsweise unter 45 Volumenprozente fallenden Alkoholgehalte. Die Fabrikation erfolgt auf warmem oder auf kaltem Wege, d. h. bei «iner wesentlich höheren als der gewöhnlichen oder bei gewöhnlicher Temperatur.

532 Die Herstellung auf warmem Wege geschieht in unsern Fabriken nach verschiedenen, mehr oder weniger geheim gehaltenen Verfahren, in der Regel jedoch in der Weise, dass man das getrocknete Kraut von artemisia absinthium (grande absinthe) mit Anis, Fenchel und ein wenig Melissenkraut einige Zeit in.

Sprit digeriert und das Ergebnis der Digestion alsdann unter Zusatz von Wasser destilliert. Für die Gewinnung von Spezialitäten werden ausser den genannten Pflanzenstoffen auch noch Sternanis, Rainfarn, Pfeffermünze, Koriander, Salbei etc. verwertet. Die grüne Farbe wird dem erhaltenen Destillat mittelst einer Mischung des getrockneten Krautes von artemisia absinthium alpina (petite absinthe) mit Ysopkraut gegeben.

Auf kaltem Wege wird Absinthbranntwein dadurch gewonnen, dass die aus den erwähnten Pflanzen ausgezogenen ätherischen Öle oder alkoholische Lösungen dieser Öle mit verdünntem Sprit gemischt werden.

Zur Erbringung des Beweises, dass ein Getränk nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung als Absinth anzusprechen ist, dienen, abgesehen von Geständnissen, Zeugenaussagen oder schriftlichen Aufzeichnungen über die bei der Fabrikation benützten Rohstoffe, in der Hauptsache: 1. die Sinnenprobe, 2. die chemische Untersuchung.

Die Sinnenprobe bezieht sich einerseits auf das Aussehenr anderseits auf den Geruch und den Geschmack des Getränkes.

In erster Hinsicht kommt neben der Farbe des unverdünnten Produkts dessen Trübung bei Wasserzusatz, in zweiter Hinsicht besonders Geruch und Geschmack nach Anis und Fenchel als charakteristisches Merkmal in Betracht. Die Trübung ist ein unsicherer Faktor der Beurteilung; selbst die Hülfsmittel physikalischer Methoden ergeben ungenaue Resultate.

Die chemische Untersuchung, der in solchen Fragen sonst am ehesten Objektivität zukommt, bietet bei dem heutigen Stande der Wissenschaft auf dem vorliegenden Gebiete manche Schwierigkeit.

Die im Absinthe vorkommenden Extraktivstoffe verschiedener Art sind in chemischer Hinsicht noch nicht allseitig untersucht worden. Im besonderen ist die chemische Natur der wichtigsten Bestandteile, der ätherischen Öle, erst teilweise festgestellt. Die Ermittlung des Gesamtgehaltes eines Absinthes an ätherischen Ölen ist mit zureichender Genauigkeit möglich, nicht dagegen die quantitative Bestimmung jedes einzelnen dieser Stoffe.

Bei dieser Sachlage ist es begreiflich, dass die Chemie zur Identifizierung des Absinthes nach einem jederzeit sicher bestimm-

533 baren, für jedes absinthhaltige Produkt und nur für dieses allein charakteristischen Einzelstoffe gesucht hat. Ein solcher ist aber noch nicht gefunden. In Frage kommen könnte bis jetzt einzig das Thujon, auch Tannaceton oder Absinthol genannt.

Die ätherischen Öle im Absinthe lassen sich nach folgenden zwei Hauptgruppen ausscheiden: 1. Öle, die vorwiegend das Keton T h u j o n enthalten: Absinthol, Rainfarnöl, Salbeiöl.

2. Öle, die vorwiegend das Phenol A n e t h o l enthalten: Anisöl, Fenchelöl, Sternanisöl.

Das Thujon ist im Absinthöle mit über 50 °/o enthalten. Es; gibt allein oder in einer ausreichend starken Zumischung zu andern Steifen, nach dem von Legal gefundenen, von Rocques,.

Duparc und andern Chemikern verbesserten Verfahren behandelt, eine nach dem Masse seines Vorhandenseins abgestufte, himbeerrote Farbenreaktion. Diese ist nach vorausgegangener langsamer Rektifikation der zu untersuchenden Flüssigkeit noch bei einer Verdünnung von l Teile Thujon in 55,000 Teilen Flüssigkeit erkennbar.

Aber trotz dieser Empfindlichkeit ist das Thujon als Erkennungszeichen nicht derart verlässlich, dass man für die Erkennung des Absinthbranntweines auf die Thujonreaktion allein abstellen dürfte. Abgesehen davon, dass die charakteristische Farbe in grösserer Verdünnung oder bei Gegenwart gewisser anderer Stoffe,, und zwar gerade solcher, wie sie sich im Absinthe zu finden pflegen, eine mehr oder minder bedeutende, bis zur praktischen Entwertung der Methode gehende Abschwächung erleidet, geben andere Stoffe, z. B. dasKarvon, das Calamus-, Verbena- und Sabinaöl, in geringerem Masse auch das Ysopöl, unter den nämlichen Versuchsbedingungen ähnliche oder gar gleiche Farbenreaktionen wie das Thujon.

Die chemisch-physikalische Prüfung des Absinthes kann deit Komplex folgender Merkmale umfassen : 1. Spezifisches Gewicht; 2. Alkoholgehalt; 3. Trockenrückstand ; 4. Gehalt an Mineralstoffen ; 5. Gesamtgehalt an ätherischen Ölen; 6. Thujonreaktion; 7. Trübungskoeffizient bei Wasserzusatz.

.534 Als genügend sichere kommen indessen unter diesen Merkmalen vorläufig nur die unter Ziffer l bis 4 genannten, unter .gewissen Vorbehalten auch noch der Gesamtgehalt an ätherischen Ölen in Betracht.

Gegenüber Verdünnungen und Versüssungen des Absinthes .sind die Gesichtspunkte der Untersuchung der teilweise veränderten -Sachlage entsprechend zu modifizieren.

b. Absinthnachahmungen.

Unter Nachahmungen versteht die Verfassung offenbar die .'Surrogate im weitesten Sinne des Wortes, d. h. alle Getränke, die, gleichgültig ob sie aromatische Bestandteile des Absinthkrautes enthalten oder nicht, bei der Sinnenprobe annähernd die gleichen äus.sern Eigenschaften zeigen, die dem Absinthbranntweine zukommen.

Für das Verbot darf aber offenbar dieses Kriterium allein nicht massgebend sein. Denn sonst würden nicht nur harmlose, ^durchaus absinthfreio Getränke oder doch Getränke, denen die dem Absinthe zur Last gelegte spezifische Schädlichkeit abginge, entgegen dem Verfassungswillen, unter die Prohibition fallen, son-dern es würde, solange der Gesetzgeber auf die Ausführung von Alinea 3 des Artikels 32ter verzichtet, das widersinnige Verhältnis entstehen, dass, während solche Getränke verboten wären, gleichzeitig für absinthhaltige Getränke, Wermut, Arquebuse etc., ·noch die Freiheit des Verkehres bestände.

Wenn die Bundesverfassung in Alinea 3 des Art. 32ter als Kennzeichen der dort genannten ,,andern absinthhaltigen Getränke" die öffentliche Gefahr nennt, so stellt diese offenbar das dar, was überhaupt den Anstoss zu den Prohibitionen des Art. 32tcr gegeben hat, muss also als ein Element aller durch die Bundesverfassung verbotenen Getränke angesprochen werden. Aus diesem Grunde macht der Entwurf das Verbot der Nachahmungen auch noch von der Bedingung abhängig, dass die Nachahmungen «ine öffentliche Gefahr bilden. Es mag hier erwähnt sein, dass Frankreich in der Ausführung seines Absinthgesetzes dem gleichen Gedanken Rechnung trägt. (On doit considérer comme similaires ·de l'absinthe les liquides, quelle qu'en soit la composition et sous quelque nom qu'ils soient vendus, préparés en vue de jouer dans la consommation le môme rôle que l'eau-de-vie aromatisée, dite .,,absinthe".) Bine öffentliche Gefahr ist da zu erblicken, wo in Getränk, das, in kleinen Mengen oder selten genossen, viel-

535 leicht unschädlich ist, in grössern Dosen oder oft genommen, ebenso schädlich wirkt, wie der Absinth. Mit der Aufnahme dieses Elements in die Definition der Nachahmungen wird über jeden Zweifel sichergestellt, dass das im Entwurfe vorgelegte AusfühniBgsgesetz eine Einschränkung gegenüber der Bundesverfassung nicht macht, auf der andern Seite aber auch dem vorgebeugt, dass Getränke als Nachahmungen verboten werden, für die ein Verbotsmerkrnal der Bundesverfassung schlechterdings fehlen würde.

Der Entscheid darüber, ob in einem Getränke die beiden Merkmale der äusseren Eigenschaften des Absinthes und der öffentlichen Gefahr vorhanden sind, steht nach dem Entwürfe dem Bundesrate zu. Selbstverständlich kann der Bundesrat erst einschreiten, wenn die öffentliche Gefahr erkannt ist. Seine schwierige Aufgabe wird sich jedoch aller Voraussicht nach dadurch einschränken, dass die Herstellung und im besondern die grossindustrielle Herstellung von Nachahmungen durch das Risiko des Verbotes wird hintangehalten werden.

Die Definition der Nachahmungen bedeutet, im Gegensatze zu der des Absinthes, bloss eine Anweisung an den Bundesrat, da diesem die Pflicht der Subsumtion der im Verkehre auftauchenden Getränke unter die gesetzliche Definition übertragen ist.

Dadurch, dass der Bundesrat in einer für die Gerichts- und Verwaltungsbehörden verbindlichen Weise feststellt, welche Getränke als Nachahmungen gelten sollen, wird die Aufgabe des Richters bedeutend erleichtert; sie würde ohne diese Anordnung derart kompliziert, dass die Rechtsanwendung beeinträchtigt würde.

Untergeordnete Organe erscheinen zu den im Entwurfe dem Bundesrate übertragenen Obliegenheiten nicht geeignet. Nur die Konzentration der Aufgabe in der Hand der höchsten Verwaltungsbehörde des Landes bietet Gewähr für eine'einheitliche Regelung; durch sie allein wird der Spruchpraxis der Gerichte und der Tätigkeit der Verwaltungsorgane eine sichere Grundlage gegeben.

Die vorgeschlagene, auf die künftige Entwicklung der Dinge abstellende Lösung empfiehlt sich auch darum, weil zum vornherein weder eine nie versagende Definition der in unbegrenzter Zahl möglichen Nachahmungen, noch ein generelles Merkmal ihrer spezifischen Schädlichkeit aufgestellt werden kann. Auch bietet die chemisch-physikalische Untersuchung bezüglich der Nachahmungen noch weniger
Garantien, als bezüglich des Absinthes ; denn andere Prilfungsmethoden, als die für den Absinth selbst bekannten, gibt es für die Nachahmungen nicht ; für diese versagen sie zudem Bundesblatt. 62. Jahrg. Bd. HI.

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536 in mehr als einer Hinsicht ganz. So haben z. B die meisten deibis heute dem Studium unterworfenen Nachahmungen sich als thujonfrei erwiesen.

III. Strafbestimmungen.

Die Verfassung stellt die Übertretung des Verbotes nicht ausdrücklich unter Strafe. Sie begnügt sich damit, ganz allgemein vorzuschreiben, dass die Bundesgesetzgebung die infolge des Verbotes notwendig werdenden Bestimmungen zu treffen habe. Als solche notwendige Bestimmungen stehen aber strafrechtliche gewiss in erster Reihe. Ein Verbot, das der Strafsanktion entbehrte, dessen Beobachtung daher einzig vom Respekt vor dem Gesetze abhinge, bliebe ohne Wirkung, im besondern hier, wo es so tief in bestehende Lebensgewohnheiten und Inter* essen eingreift.

"Ö* Was das Strafmass und das Strafverfahren angeht, so schreibt der Entwurf die Anwendung der sachgernäss zutreffenden Artikel 38 bis 40 und 42 bis 52 des eidgenössischen Lebensmittelpolizeigesetzes vor. Die strafrechtliche Verfolgung und Beurteilung der Übertretungen ist danach Sache der zuständigen kantonalen Behörden.

Auf die ebenfalls in Erwägung gezogene Aufnahme von Art. 53 des Lebensmittelpolizeigesetzes ist verzichtet worden, weil dadurch sowohl für das Strafmass, als für das Verfahren eine gegenüber einem verfassungsmässigen Verbote nicht zu rechtfertigende Abschwächung der Strafsanktion herbeigeführt würde.

Die durch die Bundesverfassung verbotenen Tatbestände hätten am einfachsten in der Weise unter die Strafsanktion des Lebensmittelpolizeigesetzes gestellt werden können, dass das Absinthgesçtz den Absinth und dessen Nachahmungen als gesundheitsschädliche oder lebensgefährliche G-etränke erklärt hätte, die nach dem genannten Gesetze verboten sind. Nun hat es aber die verschiedene Entstehungsart des Lebensmittelpolizeigesetzes und des Art. 32ter der Bundesverfassung mit sich gebracht, dass das erstere die Gesundheitsschädlichkeit und Lebensgefährlichkeit, der letztere die öffentliche Gefahr als Grund des Verbotes bezeichnet. Deshalb ist die etwas weitläufigere Fassung des Entwurf es vorgezogen worden.

Die gewählte Form gestattet auch zwanglos die einzige im EntAvurfe vorgesehene Abweichung vom Lebensmittelpolizeigesetze : der

537 ·absoluten Natur des Absinthverbotes entsprechend sollen die prohibierten Getränke auch im Falle der Freisprechung eines Beklagten oder bei Einstellung des Verfahrens konfisziert und vernichtet werden.

IV. Schadloshaltung der durch das Verbot geschädigten Personen.

a. Entschädigungspflicht.

Der Bundesrat hat sich über die Entschädigungspflicht bereits in seiner Botschaft über das Volksbegehren betreffend das Verbot des Absinthes vom 9. Dezember 1907 (Bundesbl. 1907, VI, 341 ff.)

geäussert, und zwar in dem Sinne, dass er die Ansprüche der durch das Absinthverbot um ihren Erwerb gebrachten Absinthfabrikanten nicht für berechtigt halte (S. 350).

Die erneute Prüfung der Angelegenheit hat den Bundesrat in der Auffassung bestärkt, dass vom Standpunkte der heutigen Rechtswissenschaft, wie von dem der Praxis des schweizerischen Bundesgerichtes aus die Frage, ob die durch das Verbot des Absinthes geschädigten Personen (nicht nur die Absinthfabrikanten J einen Rechtsanspruch auf Ausgleich ihres Schadens haben, zu verneinen ist.

b. Entschädigung aus Billigkeit.

Wohl aber sprechen Gründe der Billigkeit für die Gewährung teilweiser Entschädigung an die durch das Absinthverbot geschädigten Personen. Als triftigsten dieser Gründe betrachten wir den Umstand, dass sich der Schaden in der Hauptsache auf einen einzelnen Landesteil, das Traverstal, konzentriert. Wenn, wie hier, ein ganzes Gebiet, auch wenn es ein kleines ist, fast ausschliesslich von einer bestimmten Industrie lebt, so soll unseres Erachtens die Mehrheit, welche diese Industrie zum Wohle des Ganzen glaubt unterdrücken zu müssen, auch die Hand und die Mittel dazu reichen, dass in der gewissermassen katastrophal geschädigten Gegend ein Neues an Stelle des Zerstörten treten kann.

Man darf nicht einwenden, weil das Verbot erst 2 Jahre nach seinem Erlasse wirksam werde, sei den Geschädigten genügend Gelegenheit geboten worden, sich auf die veränderte Lage einzurichten. Wenn im Kanton Waadt seinerzeit eine wesentlich

538 kürzere Frist für die Wirksamkeit des Verbotes des Kleinhandels vorgesehen und trotzdem eine Entschädigung nicht gegeben wurde, so handelte es sich dort eben bloss um die Unterdrückung des Handels, der seiner Natur nach anpassungsfähig ist und sich um so schneller anzupassen vermag, je beschränkter die Betriebe sind. Die Bundesverfassung dagegen verbietet nicht bloss den Handel, und zwar in allen seinen Formen, sondern auch die Produktion, wie überhaupt jede Art der Beschaffung von Absinth. Um aber alle in einer bestimmten Industrie und in deren Hillfsindustrien und -gewerben im Laufe von Jahrzehnten festgelegten Einrichtungen, Kapitalien, Erfahrungen, überhaupt Investierungen jeder Art in anderer, nur annähernd gleich nutzbringender Art verwerten zu können, und den Arbeitskräften der Unternehmer und Arbeiter einen neuen Wirkungskreis zu schaffen, ist der Zeitraum von 2 Jahren ganz offenbar ungenügend.

Aus Erwägungen der Billigkeit hat übrigens die Eidgenossenschaft zu den verschiedensten Zeiten durch ihre gesetzgebenden Behörden, wie auch, in deren beschränktem Kompetenzkreise, durch die verwaltenden und richterlichen Behörden, Entschädigungen gewährt, so bei Einführung des Alkoholmonopols (Fr.4,121,193.61).

Das Monopol war keineswegs als Finanzmonopol gedacht; entsprang es doch dem Gedanken der Einschränkung des Verbrauches gebrannter Wasser, einem Gedanken, der mit solcher Energie durchgeführt wurde, dass der Konsum um volle 40 % gesunken ist. Die entschädigten Kartoffel- und Getreidebrenner aber befanden sich zum allergeringsten Teile in der Lage der Personen, die vom Absinthverbote betroffen werden. Mehr als 99 % betrieben die Brennerei als Nebengewerbe zur Landwirtschaft, während von den durch das Absinthverbot geschädigten Industriellen die Hälfte die Absinthfabrikation als Hauptgewerbe betreibt.

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c. Art der Regelung.

Zur formellen Regelung der Frage ist zu bemerken, dass der vorliegende Gesetzesentwurf bloss den Grundsatz der Entschädigung aus Billigkeitsgründen statuiert; die 'Personen, die entschädigungsberechtigt sein sollen, den Schaden, für den Ersatz gegeben wird, die Art der Entschädigung, das Ermittlungsverfahren au bestimmen, alles das musste bei der Kürze der zur Beratung und zum Erlasse des Gesetzes zur Verfügung stehenden Zeit im Interesse der raschen Durchführung des Verbotes ausgeschieden werden.

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Dagegen muss das Gesetz die Richtlinien festlegen, die der Gesetzgeber für die Regelung der Entschädigungsfrage im Auge hat.

Als solche Richtlinien nennt der Entwurf zwei Requisite zur Bestimmung der zu entschädigenden Personen: es sollen die bloss mittelbar Beteiligten gar nicht, von den unmittelbar beteiligten Unternehmern, Angestellten und Arbeitern nur diejenigen berücksichtigt werden, die in einer für die Verhältnisse der Berufskreise, denen sie angehören, empfindlichen Weise geschädigt sind. Die in Art. 4 des Entwurfes verbunden aufgestellten Kriterien ,,unmittelbar u n d empfindlich* sind als Anleitung für den Erlass des Bundesbeschlusses verstanden. Sie sollen in ihrer Kombination den Begriff des ,,wesentlichen 8chadensa umschreiben.

Y. Beschaffung der zur Bezahlung der Entschädigungen erforderlichen Geldmittel.

Der Entwurf geht von der Ansicht aus, dass es mit Rücksicht auf den Stand der eidgenössischen Finanzen geboten sei, die nötigen Geldmittel aus einer neuen Einnahmequelle zu schöpfen.

Als solche nimmt er die Erhöhung des durch Art. 32biB der Verfassung und Art. 21 des eidgenössischen Alkoholgesetzes vom 29. Juni 1900 in die Hand des Bundes gelegten Zolles auf der Einfuhr von Trinksprit in Fässern und Kesselwagen (ex Zolltarif Nr. 125) in Aussicht.

Da die Einfuhr von Trinksprit ausschliesslich der eidgenössischen Alkoholverwaltung zusteht, hätte die Zollerhöhung für sich allein nur die Wirkung, den Reinertrag des Monopols zu schmälern. Um eine solche für die kantonalen Finanzen unleidliche Folge zu verhindern, schreibt der Entwurf die gleichzeitige Steigerung des Monopolverkaufspreises und der Monopolgebühr vor. Durch diese Anordnung wird die Last auf die Branntweinkonsumenten abgewälzt, und damit in einfacherer Weise als durch eine selbständige Revision des Alkoholgesetzes erreicht, was die bekannte Motion Gobat anstrebt: die weitere Verminderung des Branntweinverbrauches im Wege der Verteuerung des Getränkes.

Die Erhöhung des Zolles nach dem Entwurfe soll nicht der dauernden Vermehrung der Zolleinnahmen des Bundes, sondern der Beschaffung von Geld zur Bezahlung der Absinthentschädigungen dienen. Daher ist sie nur so lange aufrecht zu erhalten, bis sie ihren vorübergehenden Zweck erfüllt, d. h. bis ihr Ertrag

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die Mittel zur Verzinsung und Amortisation des Entschädigungskapitals geliefert hat. Wie lange das dauert, hängt in der Hauptsache vom Betrage der Absinth-Entschädigungssumme, vom Masse der Zollerhöhung und vom Umfange des Konsumrückganges ab.

Im Gegensatze zur Zollerhöhung muss der beantragten Steigerung der Monopolverkaufspreise und Monopolgebühren bleibender Charakter verliehen werden, soll sie ihren Zweck, die Verminderung des Konsums und die ganze oder teilweise Deckung des aus dieser Verminderung für die kantonalen Fisci sich ergebenden Verlustes, erfüllen können. Darum soll nach dem Entwurfe die Erhöhung der Verkaufspreise und Gebühren der Alkobolverwaltung In dem festgesetzten Masse auch nach dem Wegfalle der Zoll erhöhung in Wirksamkeit bleiben.

Der Zoll unter Tarif Nr. 125 beträgt nach dem Zolltarifgesetze 10 Cts. pro Grad und Meterzentner ; er ist handelsvertraglich nicht gebunden und kann daher an und für sich auf dem vorgeschlagenen Wege einer Revision des Tarifgesetz.es beliebig erhöht werden.

Die Gefahr vermehrten Grenzschmuggels ist nicht zu befürchten, da die Nachbarstaaten den Alkohol fiskalisch stärker in Anspruch nehmen, als die Schweiz. Dagegen findet die Erhöhung in der Monopolfreiheit der inländischen Obstbrennerei eine Schranke.

Würde der Spritzoll ins Ungemessene erhöht und infolge hiervon zur Abwendung eines Schadens für die Kantonsfinanzen eine übermässige Erhöhung der Monopolverkaufspreise und Monopolgebühren herbeigeführt, so würde die Herstellung von monopolfreiem Branntwein derart gewinnbringend, dass sie zum Schaden der Volksgesundheit und des Fiskus in erlaubter und in unerlaubter Form weit über den jetzigen Umfang hinauswüchse.

Der Entwurf trägt dieser Situation sowohl in der Bemessung des Höchstzolles, als in der Festsetzung der Verkaufspreisgrenzen und Gebührenzuschlage Rechnung.

Wird der Zoll von Anfang an auf das Maximum voa 40 Cts.

gebracht, so beläuft sich das Erträgnis der Erhöhung bei Annahme eines (angesichts der gesetzlichen Kontingentierung der Inlandsproduktion einzig auf die Einfuhr entfallenden) Konsumrückganges von zirka 20°/o nach den darüber angestellten Berechnungen auf jährlich Fr. 432^000. Das den Kantonen zu verteilende Monopolerträgnis wird unter der Voraussetzung einer annähernd der maximalen Zollerhöhung entsprechenden Steigerung der Verkaufspreise und Gebührenansätze und bei Berücksichtigung der daraus Zu gewärtigenden Konsumabnahme während der Herrschaft der

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Zollerhöhung etwa 6 Millionen Franken betragen, nach Durchführung der Tilgung der Entschädigungen aber ceteris paribus gegen 6J/2 Millionen ansteigen.

VI. Beginn der Wirksamkeit des Verbotes.

Art. 32lor der Verfassung bestimmt : Das Verbot tritt zwei Jahre nach seiner Annahme in Kraft.

Über den Zeitpunkt der Annahme bestehen zwei Auffassungen.

Einmal wird als solcher geltend gemacht der Tag, an dem Volk und Stände über das Verbot abgestimmt haben, also der 5. Juli 1908 ; sodann aber auch der Tag, an welchem die Bundesversammlung die Annahme des Verbotes durch die Mehrheit der Bürger und der Stände erwahrt und die Verfassungsrevision in Kraft erklärt hat, also der 7. Oktober 1908. Wenn der Entwurf sich auf den Boden der zweiten dieser Auffassungen stellt, so stützt er sich auf einen Vorgang im Gebiete des Alkoholwesens.

Nach Art. 32bu der Verfassung ist der Reinertrag des Alkoholmonopols im Verhältnisse der durch die jeweilige letzte eidgenössische Volkszählung ermittelten Bevölkerung unter die Kan tone zu verteilen. Da die Volkszählungen am 1. Dezember stattfinden, aber bis zu dem für die Ermittlung des Reinertrages massgebenden 31. Dezember nicht erwahrt werden können, entstand die Frage, ob die Verteilung in den Volkszählungsjahren nach der neuen Zählung vom vorausgegangenen 1. Dezember oder aber nach der um 10 Jahre zurückliegenden alten Zählung zu geschehen habe. Es wurde entschieden, dass die neue Zählung für die Répartition erst in dem Jahre massgebend sein solle, in dem sie durch die Bundesversammlung erwahrt worden ist.

VII. Vollzug des Gesetzes.

Die Vollziehung des Gesetzes wird ia Art. 6 des Entwurfes dem Bundesrate übertragen. Diese Bestimmung ist von Bedeutung trotz der im Gesetze noch speziell festgelegten Kompetenzen des Bundesrates. Er ist dadurch nicht nur zur Ordnung aller der Eidgenossenschaft anfallenden Durchführungs- und Kontrollfunktionen, sondern auch zum Entscheide aller streitigen Verwaltungsfragen berufen. Insbesondere wird der Bundesrat zu veranlassen haben, dass die in Betracht kommenden eidgenös-

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sischen Behörden und Beamten zur administrativen Durchführung des Verbotes ausdrücklich verhalten werden ; es wird sich dabei vornehmlich um die mit dem Vollzuge des Lebensmittelpolizeigesetzes betrauten Organe handeln.

Wir erlauben uns, Ihnen den nachfolgenden Gesetzesentwurf zur Genehmigung zu empfehlen, und ergreifen den Anlass, um Sie, Tit., aufs neue unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 10. Mai 1910.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

(Entwurf.)

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Bundesgesetz betreffend

das .AJbsiirtliverbot.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Art. 32ter der Bundesverfassung ; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 10. Mai 1910, beschliesst: Art. 1. Fabrikation, Einfuhr, Transport, Verkauf und Aufbewahrung zum Zwecke des Verkaufes des unter dem Namen Absinth bekannten Getränkes, sowie aller Getränke, die unter irgendwelcher Bezeichnung eine Nachahmung des Absiathes darstellen, sind im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft verboten. Das Verbot bezieht sich auch auf Absinth und Absinthnachahmungen in verdünntem oder versüsstem Zustande.

Der Durchgangstransport der verbotenen Getränke ist gestattet. Der Bundesrat hat Massnahmen zu treffen, damit die Transitsendungen nicht im Lande bleiben.

Die Verwendung des Absinthkrautes als Heilmittel ist gestattet; ebenso die Verwendung der aus dem Absinthkraute gewonnenen pharmazeutischen Produkte. Es ist

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Sache der Kantone, dafür zu sorgen, dass diese Verwendungen über den Heilzweck nicht hinausgehen.

Art. 2. Als Absinth gilt, ohne Rücksicht auf die Art der Herstellung, jeder Branntwein, der aromatische Bestandteile des Absinthkrautes in Verbindung mit andern aromatischen Stoffen, wie Anis, Fenchel u. dgl., enthält.

Als Nachahmungen gelten, gleichgültig, ob sie aromatische Bestandteile des Absinthkrautes enthalten oder nicht, alle eine öffentliche Gefahr bildenden Getränke, welche die äussern Eigenschaften aufweisen, die für die in Alinea l angegebene Zusammensetzung des Absinthes charakteristisch sind. Nach Massgabe dieser Umschreibung wird der ßundesrat in einer für die Gerichte und Verwaltungsbehörden verbindlichen Weise feststellen, welche Getränke unter den Begriff der Nachahmungen fallen.

Art. 3. Übertretungen des Verbotes in Art. Ï hiervor werden nach Massgabe der Art. 38 bis 40 und 42 bis 52 des Bundesgesetzes vom 8. Dezember 1905 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen bestraft, mit der Ergänzung, dass die verbotenen Getränke auch im Falle der Freisprechung des Beldagten oder der Einstellung des Verfahrens gegen ihn konfisziert und vernichtet werden müssen.

Art. 4. Unternehmern, Angestellten und Arbeitern der Berufskreise, die durch das Verbot unmittelbar und empfindlich geschädigt sind, wird aus Billigkeitsgründen teilweise Entschädigung gewährt. Die Ausdehnung und die Art der Entschädigung, sowie das Verfahren für deren Ermittlung werden durch die Bundesversammlung festgesetzt.

Art. 5. Die Mittel zur Bezahlung der Entschädigungen aus Art. 4 sind gemäss Alinea 2 hiernach durch den Bund

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zu beschaffen. Über Eingang und Verwendung der aufgebrachten Gelder ist in der eidgenössischen Staatsrechnung gesondert Buch zu führen.

Der Bundesrat wird ermächtigt, den Zoll auf Sprit, Spiritus und Weingeist (ex Nr. 125 des Zolltarifs) von 10 bis auf 40 Cts. pro Grad und Meterzentner zu erhöhen. Der Feststellung des Ertrages der Zollerhöhung ist die unter diesem Gesetze sich ergebende Binfuhrmenge zugrunde zu legen.

Mit dem Beginne der Zollerhöhung nach Alinea 2 werdeff die gemäss den Art. 7 und 8 des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser vom 29. Juni 1900 zu erhebenden Monopolgebühren von 80 Franken pro Meterzentner und von 80 Rappen pro Grad und Meterzentner auf Fr. 110, bezw. Fr. 1. 10, und, .entgegenstehende Handelsverträge vorbehalten, die in Art. 10 desselben Gesetzes und im Bundesgesetze betreffend den schweizerischen Zolltarif vom 10. Oktober 1902 festgesetzte Gebühr von Fr. 1.30 pro Grad und Meterzentner auf Fr. 1. 75 erhöht. Gleichzeitig wird der Höchstbetrag des in Art. 12 des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser vom 29. Juni 1900 vorgesehenen Monopolverkaufspreises pro Hektoliter absoluten Alkohols von Fr. 150 auf Fr. 200 erhöht.

Ist der Gesamtbetrag der Entschädigungen, mit Einschluss der Kosten des Ermittlungsverfahrens und der Zinsen, durch das Ergebnis der Zollerhöhung gedeckt, so fällt diese auf den Beginn des der Deckung folgenden Quartals dahin. Dagegen bleibt Alinea 3 hiervor auch nach dem Wegfalle der Zollerhöhung in Kraft.

Art. 6. Dieses Gesetz tritt am 7. Oktober 1910 in Wirksamkeit. Soweit Bestimmungen des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser vom 29. Juni 1900 mit ihm in "Wider-

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spruch stehen, sind sie auf den gleichen Zeitpunkt aufgehoben.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Gesetzes beauftragt.

Art. 7. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und das Inkrafttreten desselben festzusetzen.

-~SS~-

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# S T #

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über nachstehende, auf die Sommersession 1910 eingereichte Begnadigungsgesuche. · (Vom 17. Mai 1910.)

Tit.

l, Ernst Stalder, Velo- und NähmasoMnenhandlung in Hasle bei Burgdorf, betreffend Übertretung des Bundesgesetzes über die Patenttaxen der Handelsreisenden.

Der Polizeirichter des Amtsbezirkes Burgdorf verurteilte den Ernst Stalder zu einer Busse von Fr. 100 unter Kosten- .

folge, weil er, ohne ein Handelspatent zu besitzen, im Juni 1909 einem Privaten in der Gemeinde Oberburg ein Velo zum Kaufe angetragen. Stalder hat die Kosten bezahlt, ersucht nun aber um Nachlass, beziehungsweise Ermässigung der Busse mit der Behauptung, er habe eigentlich sich einer Übertretung des Patenttaxengesetzes nicht schuldig gemacht, da er nicht von sich aus die Bestellung gesucht, sondern nur zu einer Person gegangen sei, von deren Absicht, ein Velo zu kaufen, er durch einen Dritten Kenntnis erhalten. Im weiteren macht der Petent geltend, die ihm auferlegte Busse stehe in keinem richtigen Verhältnis zu der ihm zur Last fallenden Übertretung, und sie sollte um so eher ermässigt werden, als er zwar nicht

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Ausführung von Art.

32ter der Bundesverfassung. (Erlass eines Bundesgesetzes betreffend das Absinthverbot.)

(Vom 10. Mai 1910.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1910

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

21

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

25.05.1910

Date Data Seite

527-547

Page Pagina Ref. No

10 023 774

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