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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde des Johann Irion in St. Gallen, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Schiessautomaten verbot).

(Vom 11. März 1910.)

Der schweizerische

Bundesrat

hat über die Beschwerde des Johann I r i o n in St. Gallen, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Schiessautomatenverbot) ; auf den Bericht und Antrag des Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e n Beschluss gefasst: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Johann I r i o n vertreibt von St. Gallen aus sogenannte Schiessautomaten ; es sind dies längliche, mit Glaswänden versehene Kasten, an deren einem Ende eine Pistole, an deren anderm Ende eine Art Scheibe angebracht ist ; die Pistole wird mit einem Zehnrappenstück geladen, welches nach der Scheibe abgeschossen wird. Für jeden Treffer erhält der Schiessende eine Wertmarke, die vom Wirt, in dessen Lokal der Automat aufgestellt ist, für 20 Rappen bei der Begleichung der Zeche in Zahlung genommen wird. In einem Kreisschreiben vom 22. September 1908 erinnerte das Polizei- und Militärdepartement des Kantons St. Gallen die Bezirksämter, Gemeinderäte und Landjägerposten daran, dass der Regierungsrat am 16. August 1907 die von Irion vertriebenen

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Schiessapparate für Spielautomaten erklärt habe, deren Aufstellung in öffentlichen Lokalen, gestützt auf Art. 169 des Polizeistrafgesetzes vom 10. Dezember 1808, verboten werden könne. Mit Schlussnahme vom 29. Januar 1909 verbot der Gemeinderat Straubenzell, in welcher Gemeinde Irion Schiessautomaten aufgestellt hatte, die Aufstellung der Schiessautomaten in öffentlichen Lokalen. Irion gab einem Wirt die Weisung, den Apparat nicht zu entfernen, wurde von der Gerichtskommission Gossau wegen Ungehorsam bestraft und beschwerte sich hierüber bei der Rekurskommission des Kantonsgerichts. Vor beiden Instanzen machte er geltend, das Verbot seiner Apparate widerspreche dem Art. 31 der Bundesverfassung. Mit Entscheid vom 22. September 1909 wurde die Beschwerde Irions abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, das Verbot der Schiessautomaten sei gerechtfertigt, weil die Apparate die Wirtshausbesucher zu übermässigem Spiel und Alkoholgenuss verleiten.

n.

Gegen diesen Entscheid beschwert sich Irion mit Eingabe vom 21. Oktober 1909 beim Bundesrat und verlangt Aufhebung des Verbots seiner Schiessautomaten. Er führt im wesentlichen aus, der Beweis sei nicht erbracht worden, dass polizeiliche Gründe, nämlich die Verhinderung von Vergehen und Übertretungen, das Verbot rechtfertigen, denn noch in keinem einzigen Falle habe das Aufstellen und Benutzen der Apparate zu einem strafbaren Tatbestand geführt. Auf eine blosse, übrigens im vorliegenden Fall völlig unbegründete Vermutung hin könne aber eine derartige Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit nicht verfügt werden. Die Schiessautomaten dienen lediglich unschuldiger Unterhaltung.

m.

In seiner Vernehmlassung vom 16. November 1909 stellt der Regierungsrat des Kantons St. Gallen den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen.

Aus der Begründung ist der Satz hervorzuheben, das Verbot der Schiessautomaten stehe mit Art. 31 der Bundesverfassung nicht im Widerspruch, da es sich im vorliegenden Fall um einen gemeinschädlichen Gewerbebetrieb handle, gegen welchen einzuschreiten die Kantone gemäss Art. 31, lit. e, der Bundesverfassung berechtigt und mit Rücksicht auf die Volkswirtschaft verpflichtet seien.

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B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Die Erwägungen des Bundesrates sind folgende : Mit Entscheid vom 13. Juni 1907 hat der Bundesrat in Sachen Schlaue gegen St. Gallen (vgl. Bundesblatt 1907, IV, 398) das vom Gemeinderat St. Gallen erlassene Verbot der Aufstellung der Schiessautomaten ,,Elektra" als eine mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbare wirtschaftspolizeiliche Massregel geschützt, weil diese Schiessautomaten Glücksspiele seien, die das Publikum zu übermässigem Genuss alkoholischer Getränke verleiten. Es liegt kein Anlass vor, die Apparate des Rekurrenten Irion anders zu behandeln, da sie im Prinzip und in der Art der Verwendung nicht von den Elektraschiessautomaten abweichen.

Demgemäss wird erkannt: Die Beschwerde wird abgewiesen.

B e r n , den 11. März 1910.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des Johann Irion in St. Gallen, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Schiessautomaten verbot). (Vom 11. März 1910.)

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12.10.1910

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