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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde des Johann Irion in St. Gallen gegen den Entscheid des Bundesrates vom 11, März 1910, betreffend Verbot der Aufstellung von Schiessautomaten in Wirtschaften.

(Vom 4. Oktober 1910.)

Tit.

I.

Mit Entscheid vom 11. März 1910 wies der Bundesrat eine Beschwerde des Joh. Irion, Automatengeschäft in St. Gallen, ab, die sich gegen das vom Gemeinderat Straubenzell erlassene und in letzter Instanz von der Rekurskommission des · st. gallischen Kantonsgerichts mit Urteil vom 22. September 1909 geschützte Terbot der Aufstellung von Schiessautomaten in Wirtschaften richtete. Es geschah dies in Anlehnung an den Entscheid des Bundesrates in Sachen Schlaue gegen St. Gallen vom 13. Juni 1907 (vgl. Bundesbl. 1907, IV, 398), durch den eine ganz analoge Beschwerde abgewiesen worden war, weil die Schiessautomaten Glücksspiele seien, die das Publikum zu übermässigem Genuss alkoholischer Getränke verleiten, weshalb das Verbot mit Art. 31 der Bundesverfassung nicht im Widerspruche stehe.

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II.

Hiergegen beschwert sich Joh. Irion mit Eingabe vom 7. Mai 1910 bei der Bundesversammlung und verlangt Aufhebung unseres Entscheids und Freigabe der verbotenen Automaten. Irion begründet seine Beschwerde im wesentlichen mit der Behauptung, die Benutzung der verbotenen Schiessautomaten sei kein Glücksspiel, da der Gewinn nicht lediglich vom Zufall, sondern wesentlich auch von der Geschicklichkeit des Schützen abhänge; aber selbst wenn man annehme, es handle sich um ein Spiel, so müsse es doch bei der Geringfügigkeit der Einsätze und der Gewinne als ein erlaubtes Unterhaltungsspiel angesehen werden, so gut wie der Jass, das Kegeln, das Schiessen in Schiessbuden an Jahrmärkten.

Von einer Verleitung zu übermässigem Alkoholgenuss könne nicht die Rede sein ; denn die gewonnenen Wertmarken können nicht nur für Getränke -- unter anderm auch für alkoholfreie -- sondern beliebig auch für Esswaren an Zahlungsstatt gegeben werden ; ausserdem aber würde eine solche Verleitung nur dann eintreten, wenn eine Gewinnchance geboten wäre, die dem Wirt die Aufstellung des Apparats bald nicht mehr erwünscht erscheinen liesse. Der Rekurrent brachte nachträglich auch noch ein Urteil der Polizeikammer des bernischen Appellations- und Kassationshofs vom 31. März 1909 zu den Akten, wonach den Schiessautomaten nicht der Charakter eines eigentlichen Glücksspiels zukommen soll.

III.

In seiner die Abweisung der Beschwerde beantragenden Vernehmlassung vom 27. Mai 1910 hält der Regierungsrat daran fest, dass die Schiessautomaten als Glücksspiele zu betrachten seien, die, wenn sie auch vielleicht im Familienkreis wenig schaden können, doch von den Wirtschaften aus polizeilichen Gründen fernzuhalten seien, als eine verwerfliche, namentlich für den Unvermöglichen gefährliche Verlockung zu Spiel, Trunk und ändern Wirtshausgenüssen. Mit der angeblichen Harmlosigkeit des Apparates stehe es doch in bedenklichem Widerspruch, dass er den Wirten in frühern Reklamen als ,,Geldbringer ersten Rangesa angepriesen wurde.

IV.

Gegenüber der neuen Beschwerde Irions ist kurz folgendes zu bemerken:

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Die Anbringen des Rekurrenten sind nicht geeignet, die von ihm vertriebenen Schiessautoraaten in günstigerm Licht erscheinen zu lassen. Es ist klar, dass, wenn wirklich Geschicklichkeit eine wesentliche Rolle bei der Automatenbenutzung spielte, und die nötige Fertigkeit sich so leicht erwerben Hesse, wie der Rekurrent glauben machen will, die Wirte, die. bei dem Spiel interessiert sind, sehr bald nicht mehr auf ihre Kosten kämen und den ,,Geldbringer ersten Ranges10 abschaffen würden. In der Tat haben denn auch in Deutschland die Behörden sich veranlasst gesehen, solche Schiessautomaten technisch prüfen zu lassen.

Diese Prüfung hat ergeben, dass das Spielen auf den Automaten auch für den geübten Spieler im wesentlichen ein Glücksspiel 'ist, weil eine Reihe von Umständen, wie Verschiedenheit des Gewichts, der Dicke des Geldstücks, der Aufstellung und Abnutzung der Automaten, des Aufschlags auf die Trefferbacken etc., die Wurfbahn des abgeschossenen Geldstücks beeinflussen (vgl. Deutsche Juristenzeitung 1909, 1240 ff.). Diese Umstände entziehen sich der Berechnung und Berücksichtigung durch den Spieler und bedingen es, dass der Zufall bei der Benutzung der Automaten eine wesentliche Rolle spielt. Dazu kommt noch, dass bei den hier speziell in Frage stehenden ,,Triumph"1-Schiessautomaten die Gewinnaussichten jederzeit vorn Wirt oder vom Automateneigentümer durch Verstellung des Mechanismus verändert werden können. Weist doch die bei den Akten liegende Reklame ausdrücklich auf die Verstellbarkeit der Trefferbäcken hin. Dadurch, dass mit diesen Automaten um Lebens- und Genussmittel gespielt wird, und die Gewinnmarken nur in den mit Automaten versehenen Wirtschaften gegen solche Waren umgetauscht werden können, wird die Spielleidenschaft des Publikums im Interesse der Wirte an vermehrtem Besuch ihrer Lokale und gesteigertem Konsum auch an alkoholischen Getränken ausgenutzt. Dass die niedrigen Einsätze das Spiel mit den Automaten auch dem Minderbemittelten zugänglich machen, dürfte die Gefahren der Duldung dieser Schiessautomaten nicht geringer erscheinen lassen. Es genügt, auf diese Umstände hinzuweisen, um zu zeigen, dass sich das Spiel mit den Automaten des Rekurrenten wesentlich von den im Rekurs vergleichsweise herangezogenen Unterhaltungsspielen unterscheidet, und um darzutun, dass das Verbot dieser Automaten sich als eine im Rahmen des Art. 31 der Bundesverfassung zulässige wirtschaftspolieeiliche Beschränkung der Handelsund Gewerbefreiheit darstellt.

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Wir stellen Ihnen, Tit., daher den An t r a g :

Die Beschwerde sei abzuweisen.

B e r n , den 4. Oktober 1910.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde des Johann Irion in St. Gallen gegen den Entscheid des Bundesrates vom 11. März 1910, betreffend Verbot der Aufstellung von Schiessautomaten in Wirtschaften. (Vom 4. Oktober 1910.)

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12.10.1910

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