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Schweizerisches Bundesblatt.

49. Jahrgang. I.

Nr. 3.

20. Januar 1897.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Postulat Nr. 517 (Lohnzahlung, Arbeitszeit an Samstagen, internationaler Arbeiterschutz).

(Vorn 16. Januar 1897.)

Tit.

Der ,,Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Motion Comtesse (Lohnzahlung) vom 9. April 1891, die Motion Vogelsanger (Vereinsfreiheit) vom 17. Dezember 1891 und die Maifeierpetitionen 1890--1893", vom 16. Juni 1894, wurde vom Nationalrat am 14., vom Ständerat am 21. Juni 1895 durch folgenden B e s c h l u ß erledigt : ,,Der Bundesrat wird eingeladen : 1. zu untersuchen, ob nicht für diejenigen Gewerbebetriebe, welche den erweiterten Haftpflichtbestimmungen unterstellt sind, mit Bezug auf L o h n z a h l u n g und L o h n a b z ü g e Bestimmungen, wie die im Gesetze betreffend die Arbeit in den Fabriken enthaltenen, aufzustellen seien ; 2. zu untersuchen, ob und in welchem Umfange für die Arbeiterinnen die Arbeitszeit in den Fabriken an Samstagen eingeschränkt werden könne ;' O

3. die Verhandlungen bezüglich einer i n t e r n a t i o n a l ean Regelung der Arbeiterschutzfragen wieder aufzunehmen.

Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. 1.

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Das Departement gab am 29. Juni 1895 dem Fabrikinspektorat die Weisung, die Fragen l und 2 eingehend zu prüfen und über deren Inhalt und die Art des Vorgehens Bericht und Antrag einzubringen. Das Inspektorat berichtete am 2. September im wesentlichen : Ad 1. Die Situation ist im gegenwärtigen Moment zu wenig abgeklärt, das verfügbare Material zu gering, um jetzt schon eine bestimmte Meinungsäußerung über die Notwendigkeit der Maßregel abgeben zu können; es erscheint unerläßlich, die Angelegenheit noch gründlicher zu untersuchen. Am besten glauben die Inspektoren sich Klarheit verschaffen zu können, wenn sie sich auch an Vertrauenspersonen aller Stände (Beamte, Geistliche, Arbeitervereinsvorstände, Kaufleute, Wirte etc.), welche mit den betreffenden Arbeiterkategorien in Beziehung stehen, um Mitteilungen wenden.

Das Departement wird deshalb ersucht, das Inspektorat mit einer solchen Enquete zu beauftragen.

Ad 2. Auch diese Frage ist keineswegs spruchreif. Es bedarf noch eingehender Erhebungen bei den zunächst interessierten Arbeiterinnen und Prinzipalen, um sich über die Möglichkeit der vorgeschlagenen Reduktion Klarheit zu verschaffen. Der Antrag geht daher dahin, das Fabrikinspektorat sei zu ermächtigen, mittelst Fragebogen an Prinzipale, Arbeiterinnen und eventuell Vertrauensleute und durch mündliche Anfragen die Ansichtsäußerungen der beteiligten Kreise einzuholen.

Das Departement beauftragte das Fabrikinspektorat am 4. September mit der Durchführung dieser Vorschläge und bemerkte : ,,Wenn es möglich würde, Ihre Berichte und Anträge vor Ablauf der gewünschten Frist eines Jahres zu formulieren, so wäre uns dies angenehm ; immerhin aber liegt uns vor allem daran, daß die Untersuchungen in der in Aussicht genommenen gründlichen Weise geführt und weitere Erhebungen erspart werden." Hierauf wurden die ,,Fragen b e t r e f f e n d L o h n z a h l u n g und Lohnabzüge i n B e t r i e b e n , d i e u n t e r d e m e r w e i t e r t e n Haftpflichtgesetz, nicht aber unter dem Fabrikgesetz stehen^ und die ,,F r a g e n b e t r e ff e nd E i n s c h r ä n k u n g der A r b e i t s z e i t der A r b e i t e r i n n e n am S a m s t a g a , letztere in zwei Ausgaben (für Arbeitgeber und für Arbeiterinnen), redigiert und vom Departement am 5. November genehmigt.

Nachdem wir in dem erwähnten Bericht vom 16. Juni 1894 konstatiert, ,,daß das bisher mehrfach in Anwendung gebrachte S y s t e m der Befragung der kantonalen Regierungen und der be-

71 teiligten Interessenvertretungen große Nachteile in sich birgt", haben wir also diesmal einen ändern Weg, denjenigen der Enquete durch das eidgenössische Fabrikinspektorat, versucht, obschon dessen Beamte dadurch für einige Zeit in ihrer Hauptaufgabe nachteilig gehindert wurden. Die auf diesem Wege gemachten Erfahrungen sind aber auch nicht aufmunternder Art; die Erhebungen leiden sehr unter der Teilnahmslosigkeit und Nachlässigkeit gerade solcher Personen, deren Besserstellung angestrebt wird. Allfälliges Mißtrauen sollte um so weniger vorhanden sein, als gerade die Fabrikinspektoren zufolge ihrer Stellung als eigentliche Vertrauensmänner gölten dürfen.

Nichtsdestoweniger bildet der uns zugegangene B e r i c h t der F a b r i k i n s p e k t o r e n , datiert vom 8. Juli 1896, einen wertvollen Beitrag zur Kenntnis der in Frage kommenden Verhältnisse, so daß wir uns veranlaßt sehen, ihn in der Beilage 2 zu gegenwärtigem Bericht Ihnen unverkürzt mitzuteilen. Wir werden, indem wir auf die darin enthaltenen ausführlichen Mitteilungen verweisen, uns um so kürzer halten können.

Wir. behandeln nachstehend die drei im Postulat Nr. 517 enthaltenen Punkte gesondert.

1. Lohnzahlung und Lohnabzüge.

Vorab bemerken wir, daß wir stets noch gegen den Erlaß eines Specialgesetzes über diesen Gegenstand eingenommen sind und diesen in unserem Bericht vom 16. Juni 1894 begründeten Standpunkt nicht verlassen. Wenn wir darauf verzichten, ihn hier zur Geltung zu bringen, so geschieht es im Hinblick auf den Wortlaut des uns im Postulat Nr. 517 gegebenen Auftrages. Im übrigen sei hier auf die eingehenden Ausführungen jenes Berichtes über Lohnverhältnisse (Bundesbl. 1894, III, 9--26) verwiesen.

Soll nun also im Sinne des Postulates vorgegangen werden, so muß zunächst die Frage entschieden sein, ob der Bund die K o m p e t e n z besitze, auf dem Wege der Gesetzgebung die auf die Lohnzahlung und die Lohnabzüge bezüglichen Bestimmungen des Fabrikgesetzes auf diejenigen Betriebe auszudehnen, welche dem erweiterten Haftpflichtgesetze vom 26. April 1887 unterstellt sind. Hierüber schreibt unser Justiz- und Polizeidepartement am 17. November 1896 dem Industriedepartement: ,,Das Bundesgesetz über die Arbeit in den Fabriken vom 23. März 1877 fußt auf Art. 34 der Bundesverfassung, es enthält

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aber auch Bestimmungen, die in Art. 34 der Bundesverfassung durchaus nicht vorgesehen sind und also nicht in diesem Artikel ihre konstitutionelle Grundlage haben. Das gilt namentlich von den Art. 7 und 10, die in einigen Punkten den zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abzuschließenden Dienstvertrag regeln.

Die Kompetenz zu solcher Regelung hat der Bundesgesetzgeber aus Art. 64 der Bundesverfassung geschöpft.

Wenn der Gesetzgeber nun die Bestimmungen des Fabrikgesetzes über Lohnzahlung, Lohnabzüge und das Bußenwesen auf sämtliche dem Bundesgesetz über die erweiterte Haftpflicht unterstellten Betriebe, gleichviel ob sie eine ,,Fabrik" oder eine andere industrielle Anstalt darstellen, ausdehnen will, so kann er dies thun, aber nicht gestützt auf Art. 34, sondern auf Art. 64 der Bundesverfassung.

Im XL Titel des Obligationenrechts ist das für den Dienstvertrag geltende gemeine Recht enthalten ; unzweifelhaft steht dem Bunde, und ihm allein, auch die Befugnis zu, über besondere Arten des Dienstvertrages Specialbestimmungen zu erlassen; er hätte auch die erwähnten Vorschriften des Fabrikgesetzes in das Obligationenrecht aufnehmen können, wie schon Art. 341, Absatz 2, und 344 O.-R. eigenartige Dienstverhältnisse besondern Regeln unterstellen.

Es steht daher nichts im Wege, daß der Bund noch andere Dienstverhältnisse in gewissen Beziehungen vom gemeinen Recht ausnehme, um sie den Specialbestimmungen dos Fabrikgesetzes zu unterwerfen. Art. 64 der Bundesverfassung giebt ihm dazu zweifelsohne die Kompetenz."1 Wir denken, daß diese Frage hiermit als erledigt betrachtet werden könne.

Dem Abschnitt I des beiliegenden Berichts der Fabrikinspektoren wollen Sie die Begründung entnehmen, welche diese veranlaßt, die Ziffer l des Postulats zu bejahen. Wir haben ihr nichts beizufügen, und wir unterbreiten Ihnen demnach in Nachachtung des erhaltenen Auftrages einen bezüglichen Gesetzesentwurf, indem ohne allen Zweifel die Verwirklichung des angestrebten Zweckes nur auf gesetzgeberischem Weg erfolgen kann.

Das F a b r i k g e s c t z kommt über 200,000 Arbeitern zu gut (die ,,schweizerische Fabrikstatistik nach den Erhebungen des eidgenössischen Fabrikinspektorates vom 5. Juni 1895a weist 4933 Etablissemente mit 200,199 Arbeitern auf). Das ,, B u n d e s g e s e t z betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht uud die

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E r g ä n z u n g d e s B u n d e s g e s e t z e s v o m 25. J u n i 1881a, vom 26. April 1887, umfaßt gemäß Art. l, 3 und 4: 1. alle Gewerbe, in welchen explodierbare Stoffe gewerbsmäßig erzeugt oder verwendet ·werden ; 2. die nachstehend verzeichneten Gewerbe, Unternehmungen und Arbeiten, soweit sie nicht schon unter vorstehende Ziffer l fallen, wenn die betreffenden Arbeitgeber während der Betriebszeit durchschnittlich mehr als 5 Arbeiter beschäftigen : a. das Baugewerbe ; Inbegriffen sind hierbei alle mit dem Baugewerbe in Zusammenhang stehenden Arbeiten und Verrichtungen, gleichviel ob dieselben in Werkstätten, auf Werkplätzen, am Bauwerke selbst, oder beim bezüglichen Transport vorgenommen werden ; b. die Fuhrhalterei, den Schiffsverkehr und die Flößerei ; auf die Dampfschiffahrt findet das Gesetz mit Vorbehalt von Art. 4, 6 und 7 desselben keine Anwendung; e. die Aufstellung und Reparatur von Telephon- und Telegraphenleitungen, die Aufstellung und den Abbruch von Maschinen und die Ausführung von Installationen technischer Natur; d. den Eisenbahn-, Tunnel-, Straßen-, Brücken-, Wasser- und Brunnenbau, die Erstellung von Leitungen, sowie die Ausbeutung von Bergwerken, Steinbrüchen und Gruben ; 3. die mittelbar mit dem Fabrikbetriebe in Zusammenhang stehenden Dienstverrichtungen, auch wenn dieselben nicht in den geschlossenen Räumen der Fabrik vorgenommen werden ; 4. die in Art. 2 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1875 und in Art. 2 desjenigen vom 25. Juni 1881 unter dem Ausdruck ,,Betrieb"1 nicht inbegriffenen, aber mit letzterem in einem Zusammenhang stehenden Hülfsarbeiten.

Diese mannigfachen Begriffe umschreiben den Kreis der Arbeiterkategorien, welche der Bestimmungen des Fabrikgesetzes über Lohnzahlung und Lohnabzüge teilhaftig werden sollen. Die Zahl dieser Arbeiter in unserm Lande ist nicht bekannt ; sie mag auf etwa 100,000 geschätzt werden, so daß also die Gesetzesnovelle immerhin von ziemlicher Bedeutung ist. Um die Vollziehung der neuen Bestimmungen wirksam kontrollieren zu können, wäre es allerdings wünschenswert, ein V e r z e i c h n i s der dem erweiterten Haftpflichtgesetz unterstellten Betriebe zu besitzen, wie ein solches

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für die Fabriken besteht. Wir haben aber schon in unserm Kreisschreiben au die Kantone vom 25. Oktober 1887 (Bundesbl. IV, 200) dargethan, daß die Führung eines solchen Verzeichnisses nicht möglich ist. Würde indes auch ein Verzeichnis als Grundlage einer Aufsichtsthätigkeit bestehen, so ergäbe sich die weitere Schwierigkeit, daß eigentlich die Organe für die Ausübung einer konstanten und nachdrücklichen Aufsicht fehlen. Den Beamten des Fabrikinspektorats kann sie nicht übertragen werden, weil die Art ihrer Aufgabe grundsätzlich eine andere ist (sie üben gemäß Art. 18 nur ,,die Kontrolle über die Durchführung01 des Fabrikgesetzes seitens der Kantone aus) und weil sie ohnedies durch ihre sonstige amtliche Thätigkeit schon hinreichend in Anspruch genommen sind. Die Schaffung besonderer Aufsichtsorgane empfiehlt sich für den Bund nicht, da ein solcher Apparat doch nicht im Verhältnis zu der vorhandenen Aufgabe stände. Man wird sich also über diesen etwas schwachen Punkt vorläufig hinwegsetzen und damit trösten müssen, daß, wie der Bericht der Fabrikinspektoren zeigt, die Übelstände nicht so zahlreich und schlimm sind, wie man anzunehmen geneigt gewesen war. Vielleicht -- und es hängt dies auch teilweise vom Schicksal der Gesetzgebung über Kranken- und Unfallversicherung ab -- ergiebt sich später ein Anlaß, auf diese Frage zurückzukommen, wenn nämlich von Bundes wegen eine intensivere Beaufsichtigung über die Vollziehung von Art. 5 des erweiterten Haftpflichtgesetzes, wonach die Betriebsunternehmer zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit gegen Verletzungen die nötigen Vorkehren zu troffen haben, als notwendig befunden werden sollte. Wir weisen also in unserm Entwurf die Vollziehung, wie es im Fabrikgesetze der Fall ist, den Kantonen zu und behalten uns die Kontrolle vor ; die Erfahrung wird zeigen, was in letzterer Hinsicht geschehen muß. Von den kantonalen und lokalen Behörden aber erwarten wir, daß sie nicht so langer Zeit bedürfen, um den neuen Vorschriften Nachachtung zu verschaffen, wie es beim Fabrikgesetz der Fall war.

Nach diesen allgemeinen Erörterungen haben wir über einzelne Punkte unseres G e s e t z e s e n t w u r f e s b e t r e f f e n d Lohnzahlung und Bußenwesen bei den nach dem Bundesg e s e t z v o m 2 6 . A p r i l 1887 h a f t p f l i c h t i g e n U n t e r n e h m u n g e n
(s. Beilage 1) folgendes zu bemerken: Ein Blick auf die in Frage kommenden Bestimmungen des Fabrikgesetzes zeigt sofort, daß ihnen nicht einfach gerufen werden kann, sondern daß sie mutatis mutandis in den Entwurf hinübergenommen werden müssen, wodurch auch eine bessere Orientierung

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geboten wird. Dabei sind wir über das Postulat Nr. 517, welches nur von den Bestimmungen über Lohnzahlung und Lohnabzüge spricht, hinausgegangen, indem wir auch diejenigen über die B u ß e n berücksichtigt haben, gestützt auf den Antrag der Fabrikinspektoren, auf dessen Begründung wir verweisen. Es handelte sich somit um die Ausdehnung der Art. 10 und 7 des Fabrikgesetzes. Die wesentlichern Abweichungen, welche gegenüber letzterm unser Entwurf enthält, sind folgende.

l. Die Fabrikinspektoren legen großen Wert darauf, ,,daß Bußen nur verhängt werden dürfen, wenn und insoweit sie in einem von der kantonalen Regierung genehmigten R e g l e m e n t vorgesehen sind14. Es entspricht dieser Vorschlag einer in Art. 7, Absatz l, des Fabrikgesetzes enthaltenen Bestimmung. Es wäre unstreitig sehr angezeigt, eine solche Vorschrift auch für die unter dem Bundesgesetz vom 26. April 1887 stehenden Betriebe zu acceptieren, wenn sie sich durchführen ließe. Letzteres ist aber keineswegs der Fall, und wir müssen daher auf die Vorschrift verzichten, wenn auch dadurch der Wert der neuen Bestimmungen erheblich geschmälert wird. Der Grund, warum von einem Reglement abgesehen werden muß, liegt in der Natur vieler der Unternehmungen, die wir oben aufgezählt haben. Manche haben eben einen ganz vorübergehenden Charakter oder treten bald da, bald dort, sogar in verschiedenen Kantonen auf. So kommen von Jahr zu Jahr Bauten zur Ausführung, die von Vereinen, Hotelbesitzern etc. in Regie betrieben werden und wenige Wochen zur Vollendung in Anspruch nehmen, wie z. B. Festhütten, Hotelerweiterungen. Andere Unternehmungen werden in ganz kurzer Zeit durch Leute ausgeführt, die keinen stabilen Wohnsitz haben, sondern mit der Arbeitsgelegenheit kommen und gehen, so bei der Erstellung von Wasserleitungen, Brunnenbauten, im Schiffs- und Floßverkehr. Die Haftpflichtgesetzgebung macht keinen Unterschied zwischen ständigen Unternehmern und solchen, die nur vorübergehend als Arbeitgeber auftreten; sobald die vorgeschriebene Arbeiterzahl vorhanden ist, tritt auch die Unterstellung unter die Haftpflicht ein. Nur zwei Beispiele aus unserer jüngsten Praxis seien erwähnt: ein Mann war das eine Mal 14 Tage lang, das andere Mal 2 Monate lang selbständiger und haftpflichtiger Unternehmer von Bauarbeiten, während des übrigen Teils der mildern Saison
jedoch Vorarbeiter und im Winter Kastanienbrater und Hühnerhändler ; ein Betrieb für Eisgewinnung wurde als haftpflichtig erklärt, obschon die eigentliche Betriebszeit nur 12 Tage betrug. Die Forderung nach Aufstellung eines Bußenreglements hätte also in vielen Fällen keinen Sinn und es käme oft vor, daß die

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behördliche Genehmigung eines solchen erst erfolgen würde, wenn der betreffende Betrieb schon aufgehört hätte.

2. Art. 10, Absatz l, des Fabrikgesetzes schreibt vor, daß die Arbeiter ,,in der Fabrik selbst" auszuzahlen seien. So wünschenswert es wäre, durch eine ähnliche Bestimmung für die dem erweiterten Haftpflichtgesetz unterstellten Betriebe das Auszahlen des Lohnes in Wirtshäusern zu verhindern, so wenig läßt sich für jene eine allgemein anzuweisende Örtlichkeit finden. Weitaus die meisten dieser Betriebe werden ja nicht in geschlossenen Räumen unternommen, Geschäftslokale fehlen oft entweder ganz oder sind zu weit entlegen 5 es könnte nicht einmal das Auszahlen in Wirtschafton allgemein verboten werden, da Unternehmer manchmal in unbewohnten Gegenden für ihre Arbeiter Kantinen zu errichten gezwungen sind, und es unvernünftig wäre, die Lohnzahlung in solchen zu untersagen. Wir müssen daher, wenn auch ungern, darauf verzichten, eine dem Fabrikgesetz analoge Bestimmung aufzustellen.

3. Aus den unter Ziffer l angegebenen Gründen muß davon Umgang genommen werden, die Festsetzung monatlicher Lohnzahlung durch ein Reglement (,,oder durch die Fabrikordnung a j Art. 10, Absatz 2, des Fabrikgesetzes) zuzulassen. Die Gleichbehandlung der Arbeitgeber verlangt, daß nicht den einen, welche ein Reglement aufzustellen im Falle waren, jene Fakultät gestattet wäre, den ändern, die sich im gegenteiligen Falle befinden, aber nicht. Außerdem wird durch die Weglassung reglementarischer Verlängerung der Zahlungsfrist der Vorteil erreicht, daß die monatliche Zahlung seltener wird, indem sie sich viel leichter durch ein Reglement als ,,durch besondere Verständigung" bewerkstelligen ließe. Wird also die 14tägige Lohnzahlung mit Recht wesentlich begünstigt, so kann um so eher, wie im Fabrikgesetz, für besondere Verhältnisse die ,,durch besondere Verständigung" festzusetzende monatliche Auszahlung angenommen werden, und wäre es nur deshalb, damit nicht in dieser Hinsicht für die beiderlei Arbeiterkategorien ungleiches Recht geschaffen würde.

4. Mit Beschluß vom 20. April 1880 (Kommentar S. 68) haben wir den in Art. 10, Absatz 3, des Fabrikgesetzes enthaltenen Begriff ,,letzter Wochenlohn" als den ,,Lohn für 6 Tage" definiert.

Wegen der Deutlichkeit und zur Verhinderung neuer Mißverständnisse haben wir in unserm Entwurf die letztere Ausdrucksweise gewählt.

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5. Den letzten Absatz des Art. 10 leg. cit. (,,ohne gegenseitiges Einverständnis dürfen keine Lohnbetreffnisse zu Speeialzwecken zurückbehalten werden"1} haben wir im Entwurfe nicht aufgenommen, weil er eigentlich mit Art. 9 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1881 betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb kollidiert und auch durch eine kommende Gesetzgebung betreffend Kranken- und Unfallversicherung unhaltbar würde.

Die Art. 2--4 des Entwurfes entsprechen dem durch das Gesetz vom 23. März 1877 für die Fabriken vorgesehenen Regime.

Mit Rücksicht auf die relative Kleinheit der vorzusehenden Vergehen haben wir in Art. 4 die Gefängnisstrafe (Art. 19, Absatz 2, des Fabrikgesetzes) nicht aufgenommen und das Bußenminimum nicht erhöht, letzteres auch aus dem Grunde, um nicht ungleiches Recht zu schaffen.

Es können sich noch über die Frage, welche Unternehmungen unter das erweiterte Haftpflichtgesetz und somit auch unter das neue Gesetz fallen, Anstände ergeben ; über diese wird nach Maßgabe von Art. 10 des erstgenannten vom Bundesrate zu entscheiden sein.

Wir empfehlen den Gesetzesentwurf zur Annahme.

2. Arbeitszeit der Arbeiterinnen an Samstagen.

Wir verweisen bezüglich dieser Frage auf den Abschnitt II des beiliegenden Berichtes der Fabrikinspektoren. Es geht daraus hervor, daß die Ausführung der in Ziffer 2 des Postulats Nr. 517 enthaltenen Anregung überall auf außerordentliche Schwierigkeiten stößt. Aus den von den Inspektoren mitgeteilten Gründen ist nicht daran zu denken, daß ihr in ihrer vorliegenden Form Folge gegeben werden könne.

Für den Fall, daß ,,durchaus jetzt etwas geschehen"· solle, schlagen die Berichterstatter als ^Provisorium11 vor, daß allen weiblichen Personen, die einen Haushalt zu besorgen haben, das Recht eingeräumt würde, auf bloße Anzeige hin Samstag nachmittags um 4 Uhr die Arbeit zu verlassen. Wir können uns mit diesem Ausweg nicht befreunden, denn der erreichte Zweck wäre im Vergleich zum aufzuwendenden Mittel entschieden zu geringfügig. Dieses Mittel wäre, da ein anderer Weg nicht offen steht, die Revision des Fabrikgesetzes. Diese wird seiner Zeit eine ganz andere Tragweite haben und sich nicht nur mit ein paar Stunden Samstagsarbeit befassen. Der Moment ist aber noch nicht gekommen, diese

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Revision vorzunehmen; wir haben in unscrm oben erwähnten Bericht vom 16. Juni 1894 uns hierüber einläßlich ausgesprochen und demselben gegenwärtig nichts beizufügen.

3. Internationale Regelung der Arbeiterschutzfragen.

Durch Ziffer 3 des Postulates Nr. 517 werden wir eingeladen, die Verhandlungen bezüglich dieses Gegenstandes wieder aufzunehmen. Wir hatten uns mit demselben seit dem Erlaß unseres Berichtes an die Bundesversammlung vom 9. Juni 1890, ,,betreffend die Frage internationaler Regelung des Arbeiterschutzes und die . Berliner Konferenz"1 (Bundesbl. III, 685), in besonderer Weise nicht befaßt. In unserem mehrfach erwähnten Berichte vom 16. Juni 1894 sprachen wir uns hinsichtlich der Verkürzung des Maximalarbeitstages in folgender Weise aus : ,,So wie die Sache jetzt liegt, kann die Schweiz nicht isoliert weiter gehen, sondern muß immer wieder hoffen, daß doch noch eine Aktion auf internationalem Wege zu stände komme; zum mindesten muß sie abwarten, bis ihr die großen tonangebenden Industriestaaten nachgekommen sein werden."

In unserem Geschäftsberichte für das Jahr 1895 haben wir sodann mitgeteilt: ,,Betreffend Frage 3 ist hier zu bemerken, daß eingezogene Erkundigungen deren Anhandnahme zur Zeit nicht als erfolgreich erseheinen ließen, daß aber inzwischen das (berichterstattende) Departement Herrn Nationalrat Dr. Decurtins mit der Ausarbeitung einer Übersicht über den gegenwärtigen Stand der Arbeiterschutzgesetzgebung im Ausland beauftragte.a Wir fügen bei, daß jene Erkundigungen anläßlich der jährlichen Konferenz der schweizerischen Gesandten in Bern mündlich stattfanden und daß die Arbeit des Herrn Decurtins noch nicht vorliegt. In der Folge unternahm unser Industriedepartement einen weitern Schritt, indem es am 1. Juni 1896 an die schweizerischen Vertretungen in Amsterdam, Berlin, Brüssel, Kopenhagen, London, Madrid, Paris, Rom, Stockholm, St. Petersburg und Wien folgendes Schreiben richtete : ,,Wie Ihnen vielleicht erinnerlich ist, wurde der Bundesrat durch Bundesbeschluß vom 21. Juni 1895 eingeladen, ,,die Verhandlungen bezüglich einer internationalen Regelung der Arbeiterschutzfragen wieder aufzunehmen"1. Wir haben nun den Eindruck, daß die Zeit noch nicht gekommen sei, um Verhandlungen solcher Natur mit einiger Aussicht auf Erfolg anzubahnen, abgesehen von dem Umstände, daß im Hinblick auf die von Deutschland im Jahre

79 1890 (Berliner Arbeiterschutzkonferenz) bekundete Initiative offenbar in erster Linie eine Verständigung mit diesem Staate angestrebt werden müßte. Den Auftrag der Bundesversammlung berühren wir also hier nicht weiter, jedoch fügen wir bei, daß wir Ihre eventuelle Ansichtsäußerung darüber sehr gern entgegennehmen werden.

Nicht von so großer Tragweite, wie die Frage internationaler Arbeiterschutzgesetzgebung, aber mit ihr zusammenhängend ist diejenige, ob zunächst ein internationales Bureau für Arbeiterschutz eingerichtet werden könnte und sollte, welches die Aufgabe hätte, die einschlägige Gesetzgebung und Statistik aller Länder zu sammeln und herauszugeben, jährliche Berichte über den Fortgang der Socialgesetzgebung zu veröffentlichen und als Informationsstelle zu dienen. Dieser Punkt wurde im Zusammenhang mit ändern auch schon am Berliner Kongreß berührt, aber er läßt sich sehr wohl für sich allein behandeln : immerhin wäre, wenn man ernsthaft an diesen Gegenstand herantreten könnte, auch hierbei eine vorherige Verständigung mit der deutschen Regierung geboten. Soweit ist aber die Sache nicht gediehen, vielmehr handelt es sich zuerst darum, Erkundigungen darüber einzuziehen, wie in den beteiligten Staaten die Dispositionen für Gründung eines solchen internationalen Bureaus beschaffen sein mögen, und wir beehren uns daher, Sie zu ersuchen, in vertraulicher Weise sich jene Information verschaffen und uns sodann berichten zu wollen.a Den eingegangenen Antworten (aus Kopenhagen und Madrid liegen noch keine vor) ist in Kürze folgendes zu entnehmen : Von keiner Seite liegt die Erklärung vor, es. bestehe irgend welche Aussicht, daß die internationale Regelung von Arbeiterschutzfragen gegenwärtig mit Aussicht auf Erfolg wieder an die Hand genommen werden könnte. Es wird im Gegenteil betont, daß die Inangriffnahme dieser Frage zur Zeit inopportun sei, daß man sich nicht durch internationale Abmachungen binden wolle etc.

Was speciell die Errichtung eines internationalen Bureaus betrifft, erklärt ein Großstaat, daß er diese Anregung beifällig aufnehme, ein kleinerer ist geneigt, an deren Studium sich zu beteiligen ; zwei Großstaaten sind grundsätzlich nicht gegen das Projekt, halten aber dafür, der Zeitpunkt für dessen Erörterung sei noch nicht gekommen; die übrigen Staaten sind ihm aus prinzipiellen oder innerpolitischen Gründen, oder weil sie einem internationalen Bureau keinen großen Wert beilegen etc., abgeneigt

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oder sprechen sich unbestimmt aus. Detaillierte Auskunft können wir in diesem öffentlichen Bericht nicht bieten, weil die erhaltenen Antworten konfldentieller Natur sind.

Aus dieser Sachlage geht hervor, daß zur Zeit die Schweiz; nicht an die offizielle Vollziehung von Ziffer 3 des Postulates gehen darf, wenn sie sich nicht einem eklatanten Mißerfolg aussetzen will. Es wäre töricht, diesen zu provozieren, und der Sache auch keineswegs gedient. Übrigens wundern wir uns über das negative Resultat keineswegs, sind doch die den gleichen Gegenstand beschlagenden Anträge der schweizerischen Delegation in der Berliner Arbeiterschutzkonfereuz (siehe unsern Bericht vom 9. Juni 1890) gänzlich erfolglos geblieben, namentlich auch derjenige, welcher lautete : ,,II y a aussi lieu de prévoir la création d'un organe spécial pour la centralisation des renseignements à fournir, la publication régulière de données statistiques, et l'exécution des mesures préparatoires pour les conférences prévues au paragraphe 2 du programme."

Wir schließen, indem wir Ihnen beantragen, einstweilen das Postulat Nr. 517 als mit gegenwärtigem Berichte erledigt zu betrachten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 16. Januar 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

81 (Entwurf.)

Beilage 1.

Bundesgesetz betreffend

Lohnzahlung und Bußenwesen bei den nach dem Bundesgesetze vom 26. April 1887 haftpflichtigen Unternehmungen.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 16. Januar 1897, beschließt: Art. 1. Auf die dem Bundesgesetze vom 26. April 1887, betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht und die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1881, unterstellten Unternehmungen finden die Vorschriften von Art. 10 und 7 des Bundesgesetzes vom 23. März 1877, betreffend die Arbeit in den Fabriken, in folgender Weise Anwendung : a. Die Inhaber der genannten Unternehmungen sind verpflichtet, die Arbeiter spätestens alle zwei Wochen in bar und in gesetzlichen Münzsorten auszuzahlen.

Durch besondere Verständigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann auch monatliche Auszahlung festgesetzt werden.

Am Zahltage darf nicht mehr als der Lohn für 6 Tage ausstehen bleiben.

Bei Arbeiten auf Stück werden die Zahlungsverhältnisse gegenseitiger Vereinbarung überlassen, jedoch hat die Zahlung

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spätestens am Tage nach Vollendung des Stückes zu erfolgen, sofern nicht vorher etwas anderes vereinbart worden ist.

b. Bußen dürfen die Hälfte des Taglohnes des Gebüßten nicht übersteigen.

Die Bußen sind im Interesse der Arbeiter, namentlich für Unterstützungskassen, zu verwenden.

Lohnabzüge für mangelhafte Arbeit oder verdorbene Stoffe fallen nicht unter den Begriff ,,Bußen".

Art. 2. Streitigkeiten über die Art der Lohnzahlung, über Lohnabzüge und über die Erhebung und Verwendung von Bußen entscheidet der zuständige Richter.

Art. 3. Die Durchführung dieses Gesetzes liegt den Regierungen der Kantone ob; dieselben haben der ßundesbehörde jede wünschenswerte Auskunft zu geben.

Der Bundesrat übt die Oberaufsicht über die Durchführung dieses Gesetzes aus und entscheidet über Beschwerden gegen die Verordnungen und Verfügungen der Kantonsregierungeu.

Art. 4. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes oder gegen die schriftlich zu erteilenden Weisungen der zuständigen Aufsichtsbehörden sind, abgesehen von den civilrechtlichen Folgen, durch die Gerichte mit Bußen von Fr. 5--500 zu belegen.

Art. 5. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

83 Beilage 2.

Mollis, i Schaff hausen, \ den 8. Juli 1896.

Lausanne, }

An das schweizerische Industriedepartement.

Herr Sundesrat !

Sie haben die Unterzeichneten beauftragt, sowohl bei Arbeitern, als Arbeitgebern eine Enquete zu veranstalten I. betreffend Lohnzahlung und Lohnabzüge in Betrieben, die unter dem erweiterten Haftpflichtgesetze, nicht aber unter dem Fabrikgesetz stehen ; II. betreffend Einschränkung der Arbeitszeit der Fabrikarbeiterinnen an Samstagen.

Wir haben zu diesem Zweck Fragebogen ausgearbeitet und Ihnen zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt, die wir hier beilegen, indem wir Ihnen eine Zusammenstellung der eingegangenen Antworten unterbreiten. Im Anschluß daran werden wir über unsere eigenen Erfahrungen und Ansichten uns äußern und Vorschläge zu machen uns erlauben.

I. Lohnzahlung und Lohnabzüge.

Die Verteilung der Fragebogen stieß auf unerwartet große Schwierigkeiten. Einerseits war die Jahreszeit so weit vorgerückt, daß eine Menge ausländischer Arbeiter bereits das Land verlassen hatten. Damit war die Auswahl passender Beantworter eine beschränktere geworden, besonders soweit es sich um Erdarbeiter und einen Teil der Bauarbeiter handelte. Anderseits befinden sich unter den in Frage kommenden Arbeitern nur wenige schriftgewandte und fast noch weniger schreiblustige. Dazu kam, daß wir die Arbeitgeber größtenteils nicht oder im besten Fall aus den Unfallanzeigen kannten, die Arbeiter und ihre Adresse kennen zu

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lernen aber gar keine Gelegenheit hatten. Wir mußten uns unter diesen Umständen um den Beistand Anderer umsehen und wandten uns an Bezirks- und Gemeindebeamte, an Geistliche und Lehrer, an die Vorstände einer größern Anzahl von Arbeitervereinen und endlich an sonstige Vertrauensleute, die uns oder unsern Assistenten persönlich bekannt waren. Wir baten sie, unsere Bogen nur an Leute zu verteilen, die mit genügender Gewandtheit zu antworten vermögen und von denen zugleich ein unbefangenes Urteil zu erwarten sei. Meist unterzogen sich die Angefragten willig der ihnen zugedachten Aufgabe, was wir hier dankbar anerkennen.

Nebst Arbeitern und Arbeitgebern wurden auch eine Anzahl Beamter, vornehmlich Friedensrichter und ähnliche Funktionäre, um Ausfüllung der Fragebogen ersucht.

Im ganzen wurden ungefähr 1400 Bogen verteilt, wovon etwa 1100 an Arbeiter, 250 an Arbeitgeber. Die Rücksendung erfolgte sehr langsam ; die letzten kamen erst im April. Wir trieben auch nicht zur Eile, da wir gerne die Möglichkeit schaffen wollten, daß auch die im Winter weggezogenen Arbeiter sich aussprechen können.

Trotz allen unsern Bemühungen war das Resultat nicht sehr erfreulich. Viele antworteten gar nicht oder schickten die Fragebogen unausgefüllt zurück, andere begnügten sich mit allgemeinen Redensarten, wie z. B. ,,ich bin zufrieden ·'-, ,,ich habe keine Beschwerden", und noch andere äußerten sich über Verhältnisse in Fabriken. Nicht selten waren die Antworten auch ganz konfus und unverständlich oder sie behandelten nur eine einzelne Frage.

So blieben von den eingegangenen Antworten der Arbeiter nur 138 brauchbare übrig, wenn man die antwortenden Vereine mitzählt; 78 gingen von den Arbeitgebern ein und 38 von Beamten.

Nur eine sehr bescheidene Zahl dieser ausgefüllten Formulare weist Antworten auf alle Fragen auf.

Wir versuchen nun, Ihnen die Ergebnisse der Enquete für jede einzelne Frage gesondert vorzuführen, uns vorbehaltend, dieselben am Schluß in Kürze zusammenzufassen.

Frage I.

Sind Klagen über die jetzigen Lohnzahlung sverìiàltnisse häufig ?

Worüber klagt man am meisten ?

Die beantwortenden Arbeiter haben sich zum Teil gar nicht an die Frage gehalten. Sie bringen Klagen über alles mögliche vor: über zu lange Arbeitszeit (2), ..schroffe Behandlung'' (2),

85 über hohe Unfallversicherimgsprämien .(5)) eul Ruderer auf einem Lastschiff klagt über die Motoren (?!). Andere reden doch wenigstens vom Lohn, indem sie ihn zu niedrig finden (19), worunter zwei Fachvereine ; eine kleine Anzahl anderer spricht wirklich von dem, was gefragt wurde. Einige klagen über unregelmäßigen oder 4- statt 2-wöchentlichen Zahltag, andere über Zahlung am Sonntag, Zahlung bloß auf specielles Verlangen des Arbeiters, Nichtbezahlung der Überstunden, Fixierung der Akkordlöhne erst nach verrichteter Akkordarbeit, undeutliche Zahltagszettel.

Ohne in irgend welches Detail einzutreten, antworten auf die Frage, ob Klagen über die jetzigen Lohnzahlungsverhältnisse häufig seien, von 173 Beantwortern, die sich in deutlicher Weise aussprechen, 122 mit ,,Nein"1, 4 einzige mit einem kurzen ,,Jaa, 20 geben an, daß hie und da Grund zu Klagen vorhanden sei, aber selten, während der Rest der Beantworter auf die oben erwähnte Gruppe derjenigen entfallt, welche die angeführten detaillierten, zum Teil gar nicht auf unsere Frage Bezug habenden Aussetzungen gemacht haben.

Von den 102 Arbeitgebern, die sich über Frage I geäußert haben, bestritton 92 das Vorkommen von Klagen, 10 gaben solche zu. Als Grund derselben nennen einzelne dieser letztern das Streben nach höherm Lohn; einer findet, daß es vorzugsweise ,,geringe Arbeiter" seien, die beständig Klagen zu führen haben.

Unter den 38 angefragten Amtspersonen stellen 32 die Häutigkeit von Klagen in Abrede, 3 geben ausdrücklich an, daß selten solche erhoben werden und nur 3 bezeichnen sie als häufig.

Frage II.

Kommen oft Streitigkeiten wegen Lohn, Lohnreduldionen, Art der Auszahlung, Abzügen u. dgl. vor die ordentlichen oder vor Schiedsgerichte ?

Diese schon mehr ins Detail gehende Frage wird von 172 Arbeitern und 103 Prinzipalen beantwortet. Von den erstem haben 137 ,,Nein" geschrieben, 17 ,,Selten", 18 ,,Ja". Am öftesten werden Differenzen wegen dem Décompte als Ursache angeführt, dann aber wird auch über zu langsame und teure Justiz geklagt, ferner über Streit wegen Entlassungen, Haftpflicht etc., also Dingen, welche nicht in den 'Rahmen dieser Untersuchung fallen.

Von den Antworten der Arbeitgeber enthalten 92 ein Nein, 9 melden von selten vorkommenden Fällen (z. B. eines der größten Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. I.

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schweizerischen Baugeschäfte hatte zwei Fälle in 10 Jahren). Auch hier werden der Rückhalt des Décompte, Accord berechnungen, Lebensmittelbons als gewöhnlichste Veranlassung zum Streit bezeichnet.

Nur eine von den 38 Amtspersonen bejaht die Frage schlechtweg und nennt verschiedene Bauten (Bahnbauten, Straßenbauten im Hochgebirge, Kanalbauten etc.), bei denen häufig Klagen über Abzüge verlauteten und sogar zu einer förmlichen Revolte führten. Unser Gewährsmann fügt bei, der Richter sei verhältnismäßig wenig in Anspruch genommen worden, weil die Leute die erforderliche Hinterlage an Geld nicht erlegen konnten -- eine Beobachtung, welche die Inspektoren auch schon bei großen Bauunternehmungen zu machen Gelegenheit hatten. Von 9 Beamten werden diese Anstände als selten vorkommende bezeichnet; doch giebt ein Friedensrichter an, daß 3--5 % der bei ihm anhängig gemachten Fälle derartige Lohnstreitigkeiten betreifen. 27 Beamte verneinen die Frage ; einer hat nicht geantwortet.

Frage HT.

Werden die Zahlungen, Abzüge, Décompte und andere Lohnrückhalte durch Réglemente geregelt ?

Unterliegen letztere der Genehmigung durch die Behörden ?

Über die Frage, ob Zahlungen, Abzüge, Décompte und andere Lohnrückhalte durch Réglemente geregelt werden und ob diese der Genehmigung durch die Behörden unterliegen, wird sehr verschieden geantwortet. Wir haben von 133 Arbeitern brauchbare Auskunft erhalten. Davon geben 56 an, es seien Réglemente vorhanden, aber nur 7 derselben sollen genehmigt sein, 77 behaupten, daß sie fehlen. Die Prinzipale wissen von einer verhältnismäßig noch kleinern Zahl von Reglementen zu melden ; in 92 Angaben finden sich 31 Mal solche erwähnt, 61 Mal als nicht vorhanden bezeichnet ; nur 5 Mal ist von Genehmigung derselben die Rede. Damit stimmen die Beamten überein, die sogar nur einen Vierteil der Betriebe als mit Reglementen versehen kennen.

Vermutlich gelangten die Arbeiter zu einem günstigem Zahlenverhältnis, weil sie angeschlagene Tarife, specielle Vorschriften und dergleichen auch als Réglemente betrachteten. Auffallend ist, wie jedermann so stillschweigend über diesen Gegenstand hinweggeht und auch gar keine darauf bezüglichen Wünsche geäußert werden.

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Frage IV.

Kommen Abzüge für schlechte Arbeit, verdorbenes Material, oder solche für Arbeitsmaterial, oder endlich für Beleuchtung, Heieung, Reinigung u. dgl. vor und in welchen Beträgen?

Über das Vorkommen von Abzügen sind von Seiten der Arbeiter 158 brauchbare Berichte eingelaufen. Dasselbe wird von 95 ganz in Abrede gestellt; 63 sagen, daß Abzüge gemacht werden, aber davon fügen 11 bei, daß sie nur selten oder, wie ein Berichterstatter sich ausdrückt, ,,möglicherweise"1 vorkommen. Unter den 91 Prinzipalen, die sich darüber aussprechen, finden sich 24, welche Abzüge zugeben. Mehrere bezeichnen sie aber ausdrücklich als selten und 70 behaupten, daß sie bei ihnen gar nie vorkommen. Von 25 Beamten haben 10 von Abzügen vernommen, 15 aber nicht.

Was die Gründe anbetrifft, werden folgende angeführt : Wegbleiben von der Arbeit, Beschädigung des Materials und Arbeitsgerätes, Lieferung unbrauchbarer Arbeit, absichtliche Schädigung, in der Westschweiz auch Beleuchtung. In einem Fall wird von einem Steinhauerfachverein bemerkt, daß oft das mangelhafte Material an der schlechten Arbeit und dem daherigen Abzug schuld sei, während ein Maurerfachverein im Gegensatz hierzu hervorhebt, daß der Abzug zurückbezahlt werde, wenn das Material daran schuld sei.

Der Maximalbetrag der Abzüge, den Arbeiter und Prinzipale übereinstimmend nennen, beträgt Fr. 20. In einem Fall wird ein voller Wochenlohn genannt. Als gewöhnliche Beträge werden Summen von Fr. 2--5 angeführt. Da und dort soll dem Arbeiter die Hälfte des angerichteten Schadens überbunden werden, oder es soll ihm, wo eine Reparatur nötig geworden ist, für diese Rechnung gestellt werden. Von einer Seite wird berichtet, daß die Arbeiter zwar keine Abzüge, aber sofortige Entlassung zu gewärtigen haben.

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Frage V.

Werden Bussen verhängt?

In welchen Beträf/en ?

Wozu werten diese verwendet?

Stützen sich die Bussen auf ein Ki'.rßement oder sind sie ivillMrlich ?

Bußen scheinen nur in der großen Minderzahl der Betriebe vorzukommen. Von 156 Arbeitern wissen nur 35 davon zu berichten, bemerken aber in mehreren Fällen, daß sie selten vorkommen oder daß sie angedroht seien, abor nie verhängt werden.

Auf Reglementcn scheinen sie nach diesen Angaben selten ·--· bloß in 10 Betrieben -- zu beruhen ; in 4 Fragebogen wird ausdrücklich über Willkür im Bußenwesen geklagt.

Nach den Aussagen der Arbeitgeber ist das Vorkommen von Bußen noch seltener, als die Arbeiter annehmen lassen. Unter 65 Fragebogen finden sich nur 7, welche von Bußen Erwähnung thun und auch von den 22 berichtenden Amtspersonen sind nur zweien Bußen bekannt. Der Widerspruch löst sich vielleicht dadurch, daß manche Abzüge, welche für versäumte Arbeitsstunden gemacht und von den Arbeitgebern als keine Bußen taxiert wurden, von den Arbeitern als solche aufgefaßt worden sind. Dafür spricht auch, daß von Arbeitern Bußen bis zu Fr. 5 angeführt werden, wo der Prinzipal nur solche bis auf Fr. i zugiobt.

Allerdings kommen auch wirkliche Bußen bis zu diesem Betrag vor, die meisten aber bewegen sich zwischen 20 Cts. und Fr. 1. In manchen Geschäften scheint man sich an das vom Fabrikgesetz zugestandene Maximum (^/t Tagesverdienst) zu halten.

Durchschnittlich scheinen die Eußenbctrüge nicht hoch zu sein, denn die Amtspersonen reden von keinen hohem als 30 Cts.

Als Grund der Bußen wird namentlich Zuspätkommen, unentschuldigtes Wegbleiben, verbotenes Holen von Getränken angegeben. Aus einzelnen Grundangaben wußten wir gar nichts zu machen, so, wenn ein Fuhrmann ,,wegen schlechtem Wetter" gebüßt zu sein behauptet.

Über die Verwendung der Bußen bestehen wenig Differenzen.

Bloß zweimal wird behauptet, dieselbe erfolge im Interesse des Arbeitgebers; meist wird, wenn überhaupt Angaben gemacht werden, von Verwendung für Krankenkassen, seltener für Unfallversicherungsprämien gesprochen.

89 frage

VI.

Erfolgt die Zahlung durch Naturalleistungen ?

Wohnung ?

Kost ?

Einseine Arten von Lebensrnitteln?

Kleider ?

Andere Waren oder Leistungen?

Welche Preise werden dem Arbeiter hierfür berechnet ?

Macht der Arbeitgeber Gewinn daran ?

Über die Löhnung durch Naturalleistungen erfährt man weit weniger, als wohl allgemein erwartet wurde. Von 142 Arbeitern, die sich darüber aussprechen, wissen nur 26 von solcher überhaupt zu melden. Am häufigsten handelt es sich um Wohnung und Kost, weniger häufig nur um erstere. Zuweilen werden nur die Zwischenessen Vor- und Nachmittag geliefert oder es werden den Arbeitern Getränke verkauft. In einem Fall ist von Spezereien die Rede und in einem ändern von Nahrung, Kleidung und allen möglichen Gebrauchsgegenständen. Hätte die Untersuchung im Sommer stattgefunden, würde sich wohl die Zahl dieser letztgenannten Fälle noch vermehrt haben, denn es sind namentlich Italiener Arbeiter, welche über derartige Vorkommnisse zu klagen haben, indem sie behaupten, ungebührlich ausgebeutet zu werden.

Es mag hier erwähnt werden, daß auch über eine andere Art von Ausbeutung geklagt wird, über die Nötigung, bei den vom Prinzipal bezeichneten Händlern, Wirten und Pensionshaltern alle seine Bedürfnisse an Nahrung, Kleidung und ändern Erfordernissen zu befriedigen.

Die Arbeitgeber reden in weit seltenern Fällen von Zahlung durch Naturalien, und wenn sie es thun, bestreiten sie die Absicht, Gewinn zu machen. Das mag auch in sehr vielen Fällen zutreffen. Der Grund liegt, wie wiederholt hervorgehoben wird, in der Art und den Anforderungen des Betriebes. Der Fuhrhalter z. B. muß seine Knechte Tag und Nacht bei der Hand haben ; der Baumeister in einer kleinen Ortschaft wüßte oft für vorübergehend zahlreiche Arbeiter gar keine Unterkunft aufzutreiben und noch weniger der Eisenbahn- oder Straßenbauer, der oft eine Gegend für kurze Zeit mit ganzen Heerscharen von Arbeitern überschwemmt.

Leider sind wenig Preisangaben eingegangen, die ein eigenes.

Urteil über die Höhe der Preise gestatten. Der Betrag, der für

90 volle Verpflegung berechnet wird, ist irait Fr. 1. 15 bis Fr. 2 in der deutschen, Fr. 2 bis Fr. 2. 80 in der französischen Schweiz angegeben. Für die beiden Zwischenessen werden. 50 Cts. gefordert, für Logis 10 Cts. per Nacht, selten bis 50 Cts. Sehr häufig finden sich mit festen Tarifen versehene Kantinen, deren Benutzung nur ausnahmsweise obligatorisch au sein scheint. Als Preis eines Mittagessens mit Suppe, Gemüse, Fleisch und Brot wurde uns 45 Cts. genannt, ein Liter Most wurde zu 12 Cts. berechnet. Über allzuhohe Forderungen klagte nur ein Arbeiter, ein Maler in einer Stadt, der Fr. 2 für Pension bezahlte. Wahrscheinlich wären mehr Beschwerden erhoben worden, wenn Arbeiter, die bald da, bald dort bei großen Bauten beschäftigt sind, in größerer Zahl geantwortet hätten.

Frage Vïl.

Sind einzelne oder alle dieser Naturalleistungen im. Interesse der Arbeiter gelegen oder gar notwendig und warum ?

Kaum eine Frage wurde sparsamer beantwortet, als diese.

Sie scheint vielfach mißverstanden zu sein. Die wenigen Arbeiter, die sich gegen die Naturalleistungen aussprechen, geben keine Gründe für ihre Behauptung an, sie bemühen sich nicht, einen Gewinn der Prinzipale an den Naturalleistungen wahrscheinlich zu machen. Die Arbeitgeber stellen die Behauptung auf, daß die Naturalleistungen im Interesse des Arbeiters gemacht werden. Sie machen nicht nur ökonomische Vorteile geltend, sondern heben namentlich auch hervor, wie die Aufnahme des Lehrlings ins Haus und die damit verbundene Aufsicht über denselben ein Glück für den jungen Mann sei. Nur einer spricht sich dagegen aus. Die Beamten, welche von Erfahrungen zu berichten wissen, erklären bei großen Unternehmungen die teilweise Leistung des Lohns in Form von Naturalien als im Interesse der Arbeiterschaft gelegen.

Frage Vili.

Welche Massregeln zum Schütze der Arbeiter sind in solchen und allen ändern Fällen, wo nicht bar ausbezahlt wird, notwendig oder wirklich vorhanden?

Auch hierüber sind sehr wenige Antworten eingegangen. Ein großes Sehnen nach gesetzlichem Schutz scheint nicht vorhanden zu sein. Ein Arbeiterverein antwortet selbstbewußt auf die Frage,

9l wer Schutz gewähren soll: ,,Der Verein, wenn es nötig ist.0'" Von Schiedsgerichten erwartet ein Arbeiter den Schutz; kaum ein halbes Dutzend andere wollen ein Gesetz. In dieses möchten einzelne die Bestimmungen des Fabrikgesetzes über Lohnzahlung und den 14tägigen Zahltag aufnehmen.

Die meisten Unternehmer äußern sich auch nicht; einige wenige sprechen sich für ein Gesetz aus, das strenge amtliche Kontrolle über die Art der Zahlung, Beschränkung der Preise der gelieferten Naturalien unter diejenigen der Händler, nach ändern Barzahlung und nach noch ändern allgemein ,,schützende Maßregeln"1 vorschreiben soll.

Frage IX.

Kommt es vor, dass ganz oder teilweise Lohnzahlung mittelst Marken oder Anweisungen stattfindet, und welche Nachteile haben sich dabei ergeben?

Die Auszahlung in Wertzeichen scheint viel seltener zu sein, als man sich dachte. Im I. Kreis sind 81 Antworten eingegangen und eine einzige berichtete von einer teilweisen Lohnzahlung in Marken. Im H. Kreise wurde von zwei Betrieben berichtet, wo Marken ausgegeben und nur vom Prinzipal, der ein Café und eine Pension hat, an Zahlungsstatt genommen werden. Im III. Kreise endlich erfährt man gai- nichts derartiges, denn daß Arbeiter mit Anweisungen an die Staatskasse gelöhnt werden, darf man doch kaum hierher rechnen.

Eine andere Klage taucht dagegen öfter auf: die Zahlung in deutschem Geld. Es sollen daran Verluste gemacht werden, die bedeutender sein sollen, als die an den Marken, welche auf nur l °/o angegeben werden.

Fraye X.

Wird der Lohn regelmässig gezahlt?

In welchen Terminen ?

Wo?

An welchen Wochentagen ?

Werden zwischen hinein Acontozahlungen gemacht (s. B. bei langen Accorden) ?

Unter 169 Arbeitern, die auf diese Frage Bescheid gaben, befinden sich nur 10, die unregelmäßig bezahlt werden, die ändern

92 159 erhalten den Lohn in folgenden Terminen: 18 jede Woche, 103 zweiwöchentlich oder halbmonatlich, 38 alle 3 Wochen bis l Monat. Einzelne der namhaft gemachten Unregelmäßigkeiten bestehen in einer aus Nachlässigkeit entstandenen Verspätung um l--3 Tage. Solche werden sogar bei Eisenbahnarbeitern gemeldet.

Bei regelmäßiger wie ungeregelter Zahlung werden Acontozahlungen in den meisten Geschäften, auch nach der Aussage der Beamten, gewährt. Die Arbeiter führen dies in 78 Fällen ausdrücklich an und die Prinzipale noch etwas öfter.

Als Ort der Auszahlung wird in ungefähr 7 °/o der Fragebogen das Wirtshaus, sonst aber Bureau oder Wohnung des Prinzipals oder der Arbeitsplatz bezeichnet. Nach den Arbeitgebern soll dies nicht so häufig vorkommen. Thatsache ist aber, daß die Arbeiter aus verschiedenen Orten Klage über diesen Unfug führen.

Ebenso wird von einem Ort her darüber geklagt, daß die Arbeiter so weite Distanzen zurückzulegen haben, um an die Zahlstelle zu gelangen.

Als Tag der Zahlung ist in der Regel der Samstag bestimmt, nur in wenigen Fällen andere Wochentage. Der Sonntag wird dagegen immer noch ziemlich häufig dazu benutzt, besonders da, wo die Zahlung im Wirtshaus stattfindet, nicht nur eine Versuchung, sondern fast ein Zwang für den Arbeiter, einen Teil seines Lohnes dem Wirte zurückzulassen.

Frage XI.

Wie verhält es sich mit der Zahlung nicht direkt vom Arbeitgeber angestellter Arbeiter, wie g. B. von Unteraceordanten, jugendlicher Hülfsarbeiter ?

Wird hier irgend welche Kontrolle geübt oder ist'sie überhaupt möglich ?

Die Antworten sind auch hier wenig zahlreich. Manche Arbeiter scheinen ganz im Unklaren über diese Verhältnisse zu sein.

Selbst ein Berichterstatter, der von mißlichen Zuständen und schlechter Kontrolle spricht, weiß nichts mitzuteilen, das einen bestimmten Anhaltspunkt gewähren könnte. Die meisten sehen sich zu keiner Klage veranlaßt. In der großen Mehrzahl der Fälle scheint die Zahlung direkt von den Unternehmern oder ihren Bureaux zu erfolgen. Nach den Angaben der Arbeiter sollen die meisten Unteraceordanten, die selbst auszahlen, durch die Prinzipale kontrolliert werden.

93 Der Bericht dieser letztern lautet viel weniger günstig. Vor allem aus behauptet ein großer Teil derselben, daß eine Kontrolle schwer, zuweilen ganz unmöglich sei. Sie gestehen auch ein, daß teilweise gar nicht kontrolliert werde. Die Beamten stimmen mit ihren Äußerungen überein. Es ist also unzweifelhaft, daß ungeachtet des Schweigens der Arbeiter, hier ein wunder Punkt vorliegt.

Frage XII.

Wird Arbeitslohn zu gimsten von Kreditoren sur iiclcb ehalten ?

Bis m ivelcliem Betrag ?

Es ist 81 der antwortenden Arbeiter kein Fall bekannt, daß ein Lohnrückhalt zu gunsten von Kreditoren gemacht worden sei.

Dies schließt aber nicht aus, daß ein solcher bei ihren Arbeitsgenossen gemacht worden sei, ohne daß sie Kenntnis davon hatten.

In der That geben denn auch 56 an, daß Lohnrückhalte vorkommen ; jedoch fügen 46 derselben bei, daß sie stets entweder auf Einverständnis mit dem Arbeiter oder aber auf amtlicher Verfügung beruhen. Nur 8 wissen von willkürlichem Lohnrückhalt zu erzählen ; einer sagt ganz bestimmt, daß er für einen Kostgeber gemacht worden sei. Zwei Fachvereine klagen über willkürliche Rückhalte ohne irgend welche nähere Angabe ; ja sie geben nicht einmal an, innerhalb welcher Zeit die von ihnen genannten Beträge, Fr. 5--25, zurückbehalten worden seien.

Von den Arbeitgebern antworten auf diese Frage die große Mehrzahl mit Nein, cirka V8 mit Ja, fügen aber bei, daß schriftliche Einwilligung des Arbeiters oder richterliche Weisung sie jeweilen dazu ermächtige. Die Beamten (18) glauben, daß derartige Abzüge nur im Einverständnis der Betroffenen oder auf amtlichen Befehl hin stattfinden. Die Höhe der zurückbehaltenen Beträge richtet sich nach der Aussage dieser Gewährsmänner nach den Verhältnissen der Arbeiter, und sie sind als bescheiden zu bezeichnen.

Von den Arbeitern wird der Betrag auf 5--20 % des Lohnes beziffert, was durch die Aussagen der Prinzipale bestätigt wird.

Fraye

XIII.

Werden auch Vorschüsse abgezogen, die auf noch nicht verdienten Lohn gemacht sind?

Sind solche Abzüge gerechtfertigt ?

Die Vorschüsse, die auf noch nicht verdienten Lohn hin gemacht werden, zerfallen hauptsächlich in zwei Gruppen : solche an

94 Arbeiter, die noch nicht einmal in Dienst getreten sind und die dafür bestimmt sind, den Arbeiter herbeizuziehen und an das Geschäft, in das er eingetreten, durch das Schuldverhältnis zu fesseln und in solche, wo der Arbeitgeber dem Arbeiter zur Ermöglichung einer Anschaffung, eines Land- oder Hauskaufs und ähnliches mehr einen Vorschuß macht und so scinti Verhältnisse zu verbessern sucht. Welche Art von Vorschüssen vorzugsweise vorkomme, ist den Fragebogen nicht zu entnehmen. Sie dürften überhaupt nicht gerade häufig sein, denn von den wenigen Arbeitern, die auf diese Frage Bescheid gaben, haben ungefähr 2/s verneinend geantwortet.

Auch von den Prinzipalen giebt nur ein kleiner Teil das Vorkommen solcher Abzüge zu und ebenso nennen sie die wenigen Beamten, die überhaupt Kenntnis von solchen haben, selten.

Diese letztern bezeugen zugleich, daß sie meist durch die Umstände gerechtfertigt seien. Die Vorschüsse werden gewöhnlich in kleinen Beträgen successive abgezogen.

Frage XIV.

Würde vorerwähnten Übelständen durch Anwendung von Art. 10 des Fabrikgesetzes abgeholfen ?

Dieser Artikel lautet: u. s. l'.

Die Zahl der Arbeiter, welche auf diese Frage sich einlassen, ist eine auffallend geringe. Im ganzen liegen nur 25 verwertbare Antworten vor. Von diesen drücken 20 den Wunsch aus, daß Art. 10 des Fabrikgesetzes auch für alle 'unter dem Haftpflichtgesetz stehenden Arbeiter zur Anwendung komme ; 3 halten dies für unnötig, da ihm bereits nachgelebt werde ; l hält den Artikel für ungenügend, um allen Übelständen abzuhelfen, und l erwartet alles Heil nur von der Arbeiterunion.

Mit aller Entschiedenheit sprechen sich dagegen mehrere Prinzipale für die Anwendung des Art. 10 aus. So erklärt ein großes Baugeschäft in Zürich : ,,derselbe wäre ein Glück für die Arbeiter, die so oft ausgesogen werden". Ein anderes hofft, ,,er würde verschiedenen überlebten Bräuchen abhelfen". Andere sind dafür, obwohl sie an das Vorkommen von schweren Mißständen nicht glauben.

Unter den Beamten äußern sich 11 zu gunsten der Anwendung des Art. 10, 5 meinen, daß ihm schon nachgelebt werde und halten deshalb jede Verordnung für überflüssig und 2 andere erklären ihn ohne weiteres, aber wahrscheinlich aus dem gleichen

% Grund, für unnötig. 3 andere sind entschieden, aber ohne Grundangabe, dagegen, und l endlich empfiehlt statt dessen die allgemeine Einführung von Fachgerichten.

Wir haben schon früher bemerkt, daß die Zahl der zu vorstehendem Résumé benutzbaren Antworten eine bedauerlich kleine ist. Sie scheint von geringem Interesse der beteiligten Arbeiter an den gestellten Fragen zu zeugen. Es darf nicht etwa angenommen werden, die Fragen seien nicht verstanden worden, denn die Vertrauensmänner, welche unsere Bogen verteilten, wären sowohl bereit als geeignet gewesen, alle erforderlichen Erläuterungen zu denselben zu erteilen. Die kleine Beteiligung hat aber auch ihr Tröstliches, da sie auf ein seltenes Vorkommen der Übelstände zu schließen erlaubt, welche dem Motionssteller vorgeschwebt haben mögen. Fatal ist nur, daß die aus einer so bescheidenen Zahl von Fragebogen gewonnenen Angaben nicht so beweiskräftig erscheinen, wie wenn sie sich aufrecht große Zahlen stützen könnten. Immerhin stimmt das von den Arbeitern beigebrachte mit den Angaben der Prinzipale, den Mitteilungen einer erheblichen Zahl von Beamten und meist auch mit u n s e r n e i g e n e n B e o b a c h t u n g e n so gut, daß wir hoffen dürfen, ein richtiges Bild der Verhältnisse gewonnen zu haben.

Schon die Antworten auf die erste Frage beweisen, daß Klagen über die Lohnzahlungsverhältnisse nicht so häufig sind, wie man sich vorstellen mochte. Wohl giebt das Quantitative des Lohns sehr oft, und vielfach auch mit Recht, zu bittern Klagen Anlaß.

Aber darum handelt es sich bei der vorliegenden Motion ja nicht.

Was die ändern Beschwerden anbetrifft, darf eines nicht außer Betracht gelassen werden, daß nämlich bei vielen Arbeitern der hier in Berücksichtigung fallenden Kategorien noch das althergebrachte patriarchalische Verhältnis früherer Zeiten besteht, daß wir es mit dem früher üblichen Verhältnis zwischen Meister und Gesellen oder Knecht zu thun haben. Dieses schwindet allerdings von Jahr zu Jahr mehr, aber in manchen Berufsarten ist es doch noch recht verbreitet und die Beteiligten hätten da und dort noch keine Lust, darauf zu verzichten. Dadurch wurden viele Arbeiter abgehalten, sich über Dinge zu beklagen, welche dem Fabrikarbeiter oder dem Berufsgenossen in der Stadt als ein unerträglicher Zustand, als ein wahrer Gräuel vorkommen. Wir erinnern z. B. an die noch immer auf dem Land vielfach vorkommende Sitte von

96 Fuhrleuten, Schiftleuten, Grubenarbeitern, ihre Lohnbeträge erst in langen Terminen einzuziehen und den Arbeitgeber gewissermaßen als ihren Schatzmeister zu betrachten, bei dem ihr Geld am besten aufgehoben sei. Der Beobachter, der nur städtische oder Fabrikverhältnisse kennt, würde dies sehr bedenklieh und der Abhülfe höchst bedürftig finden, während es dem Arbeiter nicht einfällt, eine Änderung des Verhältnisses zu wünschen. So mag manches, was wir als Übelstand taxieren, von den Nächstbeteiligten nicht beanstandet und noch weniger in diesen Fragebogen erwähnt worden sein. Diese Blätter lassen uns keine besondere Häufigkeit gewisser Klagen erkennen. Auch wenn wir die Frage präziser stellen und speciell den Lohnstreitigkeiten nachfragen, erweist sich deren Zahl als eine geringe. Es wird weit mehr über die langsame und mit großen Kosten verbundene Erledigung solcher Streitigkeiten geklagt, die für manchen, namentlich fremden Arbeiter gleichbedeutend ist mit der Nötigung zur Preisgabe seiner Ansprüche. Auch unsere Erfahrungen, die wir bei Haftpflichtstreitigkeiten au machen Gelegenheit hatten, stimmen mit diesen Klagen überein. Der fremde oder auch der arme einheimische Arbeiter kann nicht große Hinterlagen an Gerichte und Advokaten erlegen, Wochen lang ohne Erwerb warten und sein Geld verzehren. Er meidet lieber den Prozeß und fügt sich grollend darein, auf sein wirkliches oder vermeintliches Recht zu verzichten. Wir halten es für ein dringendes Bedürfnis, daß hier Wandel geschaffen werde.

Den Arbeiter muß um so mehr das Gefühl der Unsicherheit in seinen Lohnverhältnissen besehleichen, als er so selten die Kompetenzen der Prinzipale zu Bußen und Abzügen von seinem Lohn durch Réglemente geregelt sieht und da auch in den Fällen, wo dies geschehen, meist keine Behörde Einsicht davon erlangt, sie geprüft und Ungesetzliches oder Unbilliges ausgemerzt hat.

Allerdings kommen die Bußen relativ selten vor, sie überschreiten nur in sehr ausnahmsweisen Fällen ein gerechtes Maß. Sogar ihre Verwendung scheint meist eine den Vorschriften des Fabrikgesetzes entsprechende zu sein. Ebenso ist in Bezug auf Lohnabzüge das Ergebnis der Enquete kein unerfreuliches. Aber dessen ungeachtet haben sich manche und darunter ganz hervorragende Arbeitgeber veranlaßt gesehen, auch ohne alle äußere Nötigung hierzu, den
Wünschen der Arbeiter nach gesetzlicher Regelung des gegenseitigen Verhältnisses entgegen zu kommen, indem sie Réglemente nicht nur aufstellten, sondern auch der behördlichen Sanktion unterstellten. Es scheint uns dies ein Fingerzeig zu sein, daß auf die Betriebe, um die es sich hier handelt, Art. 7 des-Fabrikgesetzes

97 ebensogut seine Anwendung finden sollte, als Art. 10, wenn überhaupt ein Teil des Fabrikgesetzes eine auf weitere Arbeiterkreise ausgedehnte Anwendung finden soll.

Erfreulich ist, daß die Zahlung der Arbeiter durch Naturalleistungen zu so wenigen Beschwerden Anlaß giebt. Diese Wahrnehmung ist um so wertvoller, als diese Naturalleistungen in manchen Fällen als sehr wünschbar anerkannt werden müssen. Die Ausbeutung der Arbeiter durch Wirte, Kostgeber, Händler würde oft alles Maß übersteigen, wenn nicht der Arbeitgeber Vorsorge träfe, daß sie das Nötige zu bescheidenen Preisen erhalten. Auch andere Gründe sprechen nicht selten dafür und nicht zum mindesten solche sanitarischer Natur, wie z. B. bei Beschaffung der Unterkunftslokale.

Dagegen muß zugestanden werden, daß nicht selten, und zwar nach unsern Erfahrungen öfter, als aus den Fragebogen entnommen werden kann, auch schwöre Mißstände damit verbunden sind. Vor allem aus leiden darunter die fremden Arbeiter, die viel wehrloser dastehen, als die einheimischen. Daß gesetzlicher Schutz, amtliche Aufsicht höchst wünschbar wäre, unterliegt nach unserer Ansicht keinem Zweifel. Ob ein besonderes Gesetz über diese Materie zu erlassen, ob Art. 10 des Fabrikgesetzes auf alle dem Haftpüichtgesetz unterstellten Arbeiter seine schützende Anwendung finden solle oder ob es genüge, wenn der Bund in Zukunft gewisse Verpflichtungen an die Bahnbaukonzessionen, an Subventionen für Straßen-, Wasser- und andere Bauten knüpft, darüber kann man ungleicher Meinung sein. Der letztgenannte Weg hätte den Vorzug, daß die Vorschriften den Bedürfnissen und den gemachten Erfahrungen sich anpassen könnten, aber den schweren Nachteil, daß nur ein Teil der Arbeiter des Schutzes sich zu erfreuen hätte und gerade derjenige in der Regel nicht, der ihn am häufigsten bedürfte, die Arbeiter der kleinen Unternehmer. Allerdings würde auch bei Anwendung des Art. 10 auf alle haftpflichtigen Betriebe manche Lücke bestehen bleiben, die durch ein Specialgesetz vollständiger ausgefüllt würde. Sicher ist, daß der Schutz der sämtlichen unter dem Haftpflichtgesetz stehenden Arbeiter namentlich auch in der eben besprochenen Richtung not thut, denn die Zuversicht eines Fragebogen-Beantworters, der allen Schutz nur von den Vereinen erwartet, teilen wohl die wenigsten der Arbeiter, wie ihrer Freunde,
und auch die Schiedsgerichte, die so wiederholt als Panacee für alle Übel empfohlen werden, bedürfen doch einer gesetzlichen Basis.

Mit großer Befriedigung konstatieren wir die augenscheinlich große Seltenheit der Zahlung in Wertzeichen, die freilich nur durch gesetzliche Vorschriften ganz zu unterdrücken sein wird, d. h. wenn

98 bei deren Ausführung nicht dieselbe Gleichgültigkeit herrscht, wie jetzt bei der Unterdrückung der Ablehnung in fremden, verlustbringenden Münzsorten, über die Arbeiter aller Art so oft und schwer klagen.

Beschwerden wegen Unregelmäßigkeit, ungeeigneten Orten und Tagen der Auszahlung sind zwar nicht häutig, kommen doch aber oft genug vor, daß die Anwendbarkeit des oft erwähnten Art. 10 als eine Wohlthat empfunden werden müßte. Ob es nötig und besonders, ob es ausführbar sei, die zuweilen mit bedenklichen Übelständen verbundene Auszahlung durch die Unteraccordanten, die doch nur ausnahmsweise vorkommt, durch eine besondere Gesetzesbestimmung zu unterdrücken, vermögen wir nicht sicher genug zu beurteilen, da weder das gesammelte Material, noch unsere eigenen Erfahrungen uns eine genügende Grundlage dafür gewähren. Jedenfalls würden bloße Kontrollvorschriften so wenig genügen, daß man schließlich bloß vor der Alternative steht, die Sache im Alten zu belassen oder aber die Überlassung der Auszahlung an die Unteraccordanten ganz zu untersagen.

Der Rückhalt von Lohnbeträgen zu gunsten von Kreditoren scheint auch bei den Arbeitgebern, nicht nur bei ihren Arbeitern, nicht sehr beliebt zu sein. Und auch die, welche solche machen, scheinen sich in der ungeheuren Mehrzahl strenge daran zu halten, solche nur mit Einwilligung der Arbeiter oder auf amtliche Verfügung hin vorzunehmen. Immerhin kommen auch noch Fälle willkürlichen Rückhalts vor und rechtfertigen auch in dieser Richtung den Wunsch nach Anwendung von Art. 10 des Fabrikgesetzes.

Die Frage wegen Vorschüssen auf nicht verdienten Lohn ist allem Anschein nach auf Mangel an Verständnis gestoßen. Wir dürfen daraus wohl den Schluß ziehen, daß auch in diesem Punkt selten schlimme Zustände bestehen. Doch ist unläugbar und unsere Jahresberichte haben schon darauf hingewiesen, daß zuweilen Arbeiter in einer Weise absichtlich ans Geschäft gefesselt werden, indem man ihnen schon vor dem Eintritt in dasselbe starke Vorschüsse macht, daß sie dasselbe nicht mehr verlassen können, es sei denn, daß sie sich bei Nacht und Nebel davon machen oder sonst ihren Schuldverpflichtungen auf unehrenhafte Weise entziehen.

Es wird schwer sein, hier den rechten Weg zu finden, um solche fatale Verhältnisse zu verunmöglichen und doch den Rechten und der Handlungsfreiheit des Einzelnen nicht zu nahe zu treten.

Die Arbeiterschaft scheint überhaupt, nach der Gleichgültigkeit zu schließen, mit der sie die Frage nach der Wünschbarkeit

99 einer Anwendung des Art. 10 auf alle haftpflichtigen Arbeitgeber unbeantwortet ließ, nicht gerade mit großem Eifer eine Einmischung des Gesetzgebers in ihre Lohnzahlungsverhältnisse zu wünschen.

Ob dies in der Befürchtung seinen Grund hat, daß der dadurch gebotene Schutz doch kein genügender sein werde, ob sie die Tragweite, die eiae solche Erweiterung des Anwendungsgebietes von Art. 10 auch für sie hätte, nicht zu übersehen vermögen, wissen wir nicht. Wenn aber eine Reihe der einsichtigsten und als wohlmeinend allgemein anerkannten Arbeitgeber sich mit solchem Nachdruck für die ausgedehntere Anwendung des Paragraphen aussprechen, wenn auch die angefragten Beamten in ihrer Mehrzahl dafür sind, so müssen doch ernste Gründe für die Annahme der Motion, wenn auch mit allfälligen Abänderungen, vorliegen. Ein selbstsüchtiges Interesse kann diese Männer nicht leiten, denn sie legen sich damit nur Pflichten auf, ohne neue Rechte zu erlangen.

Von ihren wenigen gegenteilig votierenden Kollegen sind keine Gründe von irgend welchem Belang angeführt, ja, im ganzen ersten Kreis hat sich nicht ein einziger anders als zustimmend geäußert Was nun endlich uns selbst anbetrifft, erlauben wir uns, gestützt auf alles bisher angeführte, folgende Wünsche auszusprechen : I. ,,Es möchten die Vorschriften des Art. 10 des eidgenössischen Pabrikgesetzes auch auf alle ändern, dem Haftpflichtgesetz vom 25. Juni 1881 und vom 26. April 1887 unterstellten Betriebe ihre Anwendung finden.a H. ,,Dasselbe möge in Bezug auf die Anwendung von Art. 7 des Fabrikgesetzes beschlossen werden, insoweit derselbe auf die Auszahlung des Lohnes, die Lohnabzüge und das Bußenwesen sich bezieht, letzteres mit dem ausdrücklichen Beifügen, daß Bußen nur verhängt werden dürfen, wenn und insoweit sie in einem von der kantonalen Regierung genehmigten Reglement vorgesehen sind."1

II. Einschränkung der Samstagsarbeit.

Die Verteilung der Fragebogen an die Arbeitgeber machte uns selbstverständlich nicht die mindesten Schwierigkeiten. Dagegen bestand in den verschiedenen Kreisen nicht die gleiche Auffassung, an welche Arbeitgeber die Anfragen zu richten seieu.

Während der eine Inspektor, längst schon mit den Ansichten der Prinzipale über die vorwürfige Frage vertraut, nur noch die Begründung dieser Meinungen zu vernehmen wünschte und sich mehr

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nur an diejenigen Herren wandte, von denen er genaue Auskunft zu erhalten hoffte, legte sein Kollege Gewicht auf eine möglichst große Zahl von Antworten. Beide dürften mit der Vollständigkeit des erzielten Ergebnisses zufrieden gewesen sein.

An die Arbeiterinnen wandten M'ir uns so ziemlich durch die gleichen Mittelpersonen, wie bei der ändern Enquete. Ein Unterschied bestand hauptsächlich darin, daß in einem Kreise mit Vorliebe die Vorstände der von den Prinzipalen unabhängig verwalteten Krankenkassen beansprucht wurden, nicht aber andere Vereinsvorstände. Da es sich um die Ermittelung der Ansichten und Erfahrungen einer möglichst großen Zahl von Einzelpersonen handelte, nicht aber um die Ansichten von Vereinen, die sonst noch Gelegenheit zur Geltendmachung derselben erhalten werden, schien dies der sicherere Weg, ganz unbeeinflußte Ansichtsäußerungen zu bekommen. In einem ändern Kreis wurde dieser Unterschied nicht gemacht.

Von den Prinzipalen hat der größte Teil geantwortet; einzelne Industriezweige haben auch Kollektivbeantwortungen eingesandt. Von den mehr als 1400 Fragebogen, die an Arbeiterinnen, zu einem kleinen Teil auch an Arbeiter gelangten, kamen bloß 446 zurück. Dies war für uns um so unangenehmer, als wir eben auf die Antworten der Arbeiterinnen den Hauptwert gelegt hatten.

Noch schlimmer war, daß die Beantwortung der Fragen auch gar zu viel zu wünschen übrig ließ. Die Ausfüllung der Bogen geschah oft in ganz sinnloser Weise. Eine Antwort widersprach der ändern oder hob sie auf; oder die Antwort handelte von Dingen, die gar nicht gefragt wurden. Das war uns um so unerwarteter, als wir die Verteiler ausdrücklich darum gebeten hatten, die Bogen möglichst intelligenten Personen zukommen zu lassen.

Das hatte freilich ein volksschmeichlerischer Redner in der Westschweiz scharf getadelt, indem er den Arbeiterinnen zurief: seht, man hält Euch für Geschöpfe ohne Verstand ! Unsere Erfahrungen sprechen aber doch dafür, daß eine Auswahl unter den Berichterstattern sehr not thut.

Manche Bogen enthielten weder Unterschrift, noch Berufs-, noch Ortsangabe. Andere, an Frauen adressierte, waren von Männern ausgefüllt, über deren Kompetenz zur Beantwortung uns nichts bekannt war, von Aufsehern, von Vereinsvorständen, kurz von Leuten, die sehr wohl die Angefragten beeinflußt haben konnten. Wieder
andere Bogen waren unterschrieben : ,,im Namen aller Arbeiterinnena einer bestimmten Fabrik und aus dem gleichen Geschäft langte ein zweiter mit derselben Bemerkung an, der geradezu das

101

Gegenteil behauptete. Ganze Reihen von Antworten enthielten buchstäblich den gleichen Inhalt. So langten 16 Fragebogen auf einmal aus einer ostschweizerischen Stadt an, die sogar die gleichen Schreibfehler und samt und sonders die ,,Anmerkung"1 enthielten : ,,Wir wünschen, daß diese Änderung angenommen werde im Zusammenhang mit einer Revision des gesamten Fabrikgesetzes, bei welcher insbesondere auch der Zehnstundentag einzuführen wäre.

Des weitern wünschen wir, daß bei Einführung der Neuerung für uns kein Lohnausfall entstehe, da wir während der verkürzten Arbeitszeit nur um so leistungsfähiger sind." Als Gegenstück hierzu haben 30 Arbeiterinnen einer Uhrenfabrik folgende Erklärung unterzeichnet: ,,Die Arbeiterinnen der Fabrik , Samstag den 8. II, 96, vom Chef des Hauses zusammenberufen, haben mit allen gegen eine Stimme beschlossen, die Reduktion der Arbeitszeit nicht anzunehmen."

Man wird uns nicht verübeln können, wenn wir große Vorsicht in der Verwertung derartiger Kundgebungen geboten erachten und uns für eine Vornahme ähnlicher Enqueten nicht sehr erwärmen können. Wir gestehen aufrichtig, nach dem erfreulichen Resultat, das mündliche Einvernahmen von Arbeitern und Arbeitgebern hatten, erwarteten wir ein weit besseres Ergebnis.

Frage I.

Wünschen Sie und Ihre Nebenarbeiterinnen am Samstag eine kürzere Arbeitszeit, vornehmlich einen frühem Feierabend, und warum ?

Die Frage, ob eine Verkürzung der Samstagsarbeitszeit gewünscht werde, wurde von 418 Personen (nicht Fragebogen!)

beantwortet. Davon schrieben 227 ein Ja und 191 ein Nein.

In den verschiedenen Industriegruppen fiel diese Stimmgebung sehr verschieden aus. Es lieferte z. B. die Seidenindustrie 55 Ja 26 Nein Färberei, Appretur und Zeugdruck . . 11 n 8 ,, Konfektion und übrige Textilindustrie . 13 ,, 8 ,, Papierindustrie 33 ,, 2 r Schuhfabrikation 4 ,, 6 ,, Baurnwoll-, Woll- und Leinen-Industrie 44 ,, 58 ,, Stickerei 9 ,, 12 ,, Industrie der Lebens- und Genußmittel 12 ,, 54 ,, Uhrenindustrie 13 ,, 9 ,, Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. I.

8

102

Diese Zahlea beweisen allerdings sehr wenig, denn sie sind nicht so sehr von den Bedürfnissen und Verhältnissen der Industrie, als durch allerlei Zufälligkeiten bedingt, welche die Stimmabgabe der Arbeiterinnen bestimmten. Weit wichtiger erscheinen uns die Gründe, welche für und gegen die Verkürzung der Samstagsarbeit angeführt werden.

Daß jede ordentliche Hausfrau oder sonstige Besorgerin eines Hauswesens den Wunsch hegen muß, am Samstag mehr Zeit hierfür zu gewinnen und den Sonntag voll und ganz als Tag der Ruhe und körperlicher wie geistiger Erholung, gemütlicher Erquickung zu gewinnen, versteht sich eigentlich von selbst, und es ist schwer verständlich, wie Hausmütter antworten konnten : wir haben schon jetzt Zeit genug zur Besorgung des Hausos.

Ebenso ist klar, daß auch Männer, denen es an einem innigen Familienleben liegt, ungern genug ihre Frauen den halben Sonntag an häusliche Geschäfte gefesselt sehen. Aber auch ein anderer Grund veranlaßt viele, namentlich unter den organisierten Arbeiterinnen, für die Verkürzung der Samstagsarbeit eifrig einzutreten : das Bestreben, dadurch überhaupt wieder einen Schritt auf dem Wege der Verkürzung der Arbeitszeit zu thun.

Die Gegnerinnen der Verkürzung führen folgendes zur Begründung an : Sie haben keinen Haushalt zu besorgen, sei es, daß sie überhaupt kein selbständiges Hauswesen führen, sei es, daß sie jemand anders zu Hause haben, der ihnen dasselbe besorgt.

Oder aber, sie haben jetzt schon, regelmäßig oder ausnahmsweise, eine so kurze Samstagsarbeit, daß der Rest des Tages für ihre Bedürfnisse genügt. Hierher gehören viele Zeugdruckerinnen, die um 2 oder 3 Uhr Feierabend haben ; ebenso die ziemlich zahlreichen Frauen, welche angeben, daß ihr Prinzipal ihnen frühes Verlassen der Arbeit ohne weiteres gestatte, wenn ihr Wunsch mit Besorgung des Hauswesens motiviert sei. Wieder ändern paßt der Samstag aus irgend einem Grunde schlechter, als irgend ein anderer Tag; sie würden ihre Hausgeschäfte lieber auf einen Tag verlegen, wo sich die Berufsarbeiten nicht so sehr zusammendrängen , wie z. B. bei Wäscherinnen und Glätterinnen. Noch andere zögen vor, jeden Tag dem Hauswesen mehr Zeit widmen zu können und dringen auf Verkürzung der Arbeitszeit der ändern Tage auf 10 Stunden, unter Verzicht auf die Einschränkung der Samstagsarbeit. In einzelnen wenigen
Fragebogen wird endlich darauf hingewiesen, daß der Prinzipal schon jetzt den lOstündigen Arbeitstag so hoch wie den llstündigen bezahle und daß es ungerecht wäre, dies auch für den 5--Gstündigen zu verlangen.

103 Wenn sie sich nicht der Hoffnung hingäben, es werde ihnen der halho Samstag gleich dem ganzen bezahlt, es falle also jede ökonomische Einbuße außer Betracht, würden vielleicht noch viele Arbeiterinnen gegen die Verkürzung votiert haben. Sie ist nämlich das am allgemeinsten angeführte Motiv zur Ablehnung der angeregten Arbeitszeitverkürzung. Daran glauben wenige, daß der Gesetzgeber den Prinzipal zwingen werde und zwingen könne, für den halben Tag den ganzen Tageslohn zu zahlen.

Frage II.

Wünschen Sie dies für alle Arbeiterinnen, oder nur für die verheirateten oder einen eigenen Haushalt führenden ?

Die Freigabe des Samstagnachmittags wird von zwei Dritteln der Arbeiterinnen auch für die Unverheirateten, von manchen auch für die Männer verlangt.

Es sind namentlich die den verschiedenen Organisationen angehörigen Arbeiterinnen. Ihr Beweggrund wurde schon angeführt; er wird aber so wenig als irgend ein anderer Grund in den Fragebogen angegeben. Doch liegt auf der Hand, warum wenigstens für die Ledigen das Gleiche gelten soll, wie für die Verheirateten : letztere befürchten ·-- und nicht ohne Grund -- daß sonst die Ledigen von den Arbeitgebern bevorzugt werden, ja sie von manchen Stellen ganz verdrängen.

Frage III.

Glauben Sie, dass auch die männlichen Arbeiter oder doch ein Teil derselben Awrcli den Weggang der weiblichen sum früheren Arbeitsschluss genötigt ivürden ?

Ganz widersprechend lauten die Aussagen mit Bezug auf diese Frage, obschon man denken sollte, man könnte nur in wenigen Fällen verschiedener Ansicht sein. Von 272 Antworten lauten 170 dahin, daß auch die Männer zu früherem Arbeitsschluß genötigt werden; 102 stellen dies in Abrede. Diese Verneinung wird aber vielfach abgeschwächt, indem beigefügt wird: wenn nur die Verheirateten weggehen. Andere gestehen zu, daß nur ein Teil der Männer fortarbeiten könnte; noch andere bemerken, daß fast gar keine Männer in ihren Betrieben beschäftigt seien und heben damit jede Bedeutung ihrer Aussage auf. Noch andere endlich versichern, man könne sich bei gutem Willen schon so

104 einrichten, daß die Männer doch zu thun hätten, aber sie unterlassen jede Andeutung, wie, es wäre denn, daß man den Rat, die Männer sollen am Freitag vorarbeiten (Überstunden??), dafür nähme. Einzelne wenige Industrien weisen nach, warum die Männer außer Thätigkeit gesetzt würden. So sagen die Zusammenlegerinnen in Papierfabriken, wenn sie aufhören, haben die Packer auch nichts einzupacken ; die Seidenspinnerinnen verweisen darauf, wie bei ihrer Fabrikation eine Arbeit in die andere eingreife und die eine vorangehen müsse, ehe die andere begonnen werden könne.

Leider sind von den Arbeiterinnen allzuwenig Gründe angeführt worden, während doch gerade dies ein Hauptgewinn gewesen wäre, den man aus der Enquete hätte ziehen können. Erheblich ist nur eine Bemerkung einer Stickerin. Diese äußert sich, die Männer werden nur dann geschädigt, wenn nicht minderjährige, d. h. weniger als 14jährige, Kinder jeweilen an die Stelle der Frauen treten. Sie eröffnet damit die schlimme Aussicht, daß die Verkürzung der Samstagsarbeit der Frauen für die Sticker ein neuer Anreiz werde, zu junge Kinder zur Aushülfe zu verwenden.

Frage IV.

Um. welche Zeit sollte nach Ihrer Meinung am Samstag Feierabend gemacht werden ?

Mit großem Erstaunen haben wir gesehen, wie diese Frage beantwortet ist. Kaum konnten wir uns des Ausrufs erwehren : der Berg hat eine Maus geboren ! In den gleichen Fragebogen, wo man ganz radikal vorgehen zu wollen schien, begnügt man sich mit einem lächerlich kleinen Minimum. Wir stellen zusammen, um welche Zeit Samstagsschluß gewünscht wird und von wie viel Personen.

1

/2l2--12 Uhr.

103 5'/2 Uhr.

12

3 Uhr. S'/j Uhr.

2 5 6 Uhr und später.

17

4 Uhr. 472 Uhr. 5 Uhr.

82 10 28 Total 4 Uhr und später.

143 von 253

Von den übrigen 110 protestiert der größte Teil gegen jede Änderung am bisherigen.

Von denen, die um Mittag schließen wollen, begründet dies ein Teil damit, daß es sich für entferntere Arbeiterinnen nicht lohne, wegen einer oder zwei Stunden nochmals den Wego zur Fabrik Ö zurückzulegen.

105 Frage V.

Würden Sie es vorziehen, den ganzen oder auch nur einen Teil des Nachmittags frei zu, haben, dafür aber einige Zeit durch früheren Beginn am Samstag morgen oder verlängerte Vormittagsarbeü (z. B. bis l Wir) einzubringen?

Die englische Sitte, dio Verkürzung oder vielmehr Aufhebung der Samstagnachmittagsarbeit wenigstens teilweise durch eine Verlängerung der Vormittagsarbeit einzubringen, hat nicht den mindesten Anklang gefunden. Nur zwei möchten sie adoptieren, aber auch sie sind nicht einig; die eine möchte früher anfangen, die andere später aufhören. Noch andere wünschten die Einbuße einzubringen durch Beschränkung der Pausen, andere durch Verlängerung der Arbeitszeit an ändern Tagen.

Frage VI.

Sind die männlichen Arbeiter mit dem frühern Samstag-Feiet abend einverstanden, sofern derselbe nur für die iveibliclien gilt?

Die Frage nach dem Einverständnis der männlichen Arbeiter mit dem frühern Samstagsschluß der Frauen findet sehr verschiedenartige Beantwortung. Doch bilden die Ja die Mehrheit ; aber viele davon sind sehr verklausuliert. Hier wird gesagt : aber nur, wenn es sich bloß um verheiratete Frauen handelt, dort wird der Vorbehalt gemacht : nur von 4 Uhr an. Manche wissen nur von einem ,,teilweisena Einverständnis zu melden und noch andere fügen sehr naiv bei, daß eben in ihrem Geschäft keine Männer beschäftigt seien und daß sich so der Mangel eines Widerspruchs, wenigstens bei unverheirateten Arbeiterinnen, erkläre. Man erfährt also nichts bestimmtes. Wahrscheinlich würden die Männer ihr Verhalten nach der 7eit richten, zu welcher die Frauen entlassen werden sollten.

Frage

VII.

Glauben Sie, dass die bisher von Arbeiterinnen am Samstag besorgten Reinigungsarbeiten von den Männern ebenso befriedigend ausgeführt würden, oder dass man besser thun würde, sie auf einen anderen Wochentag mit normaler Arbeitszeit eu verlegen ?

Der Samstag ist in der Regel der Tag der Reinigungsarbeiton.

Diese werden in weit überwiegendem Maß von den Frauen ausgeführt. Könnten nun die Männer diese Verrichtung übernehmen

106 und in den Fällen, wo der Weggang der Frauen auch ihre Arbeit verunmöglicht, den Rest der normalen Arbeitszeit damit ausfüllen ?

Kaum 30 °/o der Arbeiterinnen erklären dies für möglich. Im ganzen ersten Kreis sind es gar nur vier Stimmen. Die Begründung dieser Ansicht ist folgende : die einen führen an, daß die Männer sich überhaupt damit nicht befassen wollen oder daß es ihnen an der erforderlichen Anstelligkeit und namentlich an der nötigen Exaktität mangle ; die ändern erklären, daß sie die Verantwortlichkeit für eine Maschine nicht mehr übernehmen möchten, die sie einem ändern anvertrauen müßten : noch andere, wie die Fädlerinnen, weisen darauf hin, daß es zum Putzen zwei Personen bedürfe, der Sticker allein also niehts ausrichten könne. Ferner wird hervorgehoben, daß besonders eingeübte Putzercorps bestehen, welche die Arbeit weit besser verrichten, oder auch, daß das Putzen so bald abgethan sei, daß es die anderweitig nicht verwertbaren Stunden der Männer bei weitem nicht ausfüllen könnte.

Mehrere wollen den Schwierigkeiten dadurch begegnen, daß den ledigen Mädchen das Putzen übertragen wird. Die vielen gleichlautenden Bogen einer großen Seidenweberei enthalten die sonderbare Bemerkung, daß das Putzen, wie gewohnt, ,,nach Schluss des Geschäfts" vorgenommen werden könnte. Sie sagen aber die Hauptsache nicht, wer es besorgen soll, wenn die weibliche Arbeiterschaft, 92 °/o des gesamten Personals, die Fabrik um Mittag verlassen hat. Vielleicht ist dem Schreiber dieser Antworten vorgeschwebt, was auch viele andere Beantworter zu verkehrten Antworten voranlaßte, er daehte nur an das Reinigen der Lokale, das allerdings sehr gewöhnlich von besondern Taglöhnerinnen besorgt wird.

Es wurde früher schon erwähnt, daß die Arbeitgeber auf unsere Fragen sehr eifrig geantwortet haben. Nicht wenige, die keinen Fragebogen erhielten, ersuchton ausdrücklich darum. Von den Angehörigen einzelner Industrien gingen Kollektivantworten ein, so von Baumwollindustriellen, Seidenbandfabrikanten, Uhrenindustriellen. Die Gesamtzahl der verwendbaren Fragebogen beträgt 639.

Die Antworten sind durchschnittlich vollständig, die einzelnen Fragen in sachlicher, ruhiger Art behandelt, öl)wohl eine gewisse Bitterkeit wegen der beabsichtigten neuen Beschränkung der Arbeitszeit sich in einem großen Teil derselben unschwer durchfühlen läßt. Einzelne freilich haben in gereizter, leidenschaftlicher und

107 höhnischer Weise geantwortet und damit ihrer Sache einen schlechten Dienst geleistet. Daß zuweilen eine ziemliche Einseitigkeit au Tage trete, war zu erwarten ; aber die zu einem großen Teil einläßlich und klar gehaltenen und motivierten Äußerungen sind nichtsdestoweniger für die Behörden von hohem Wert. Es sind namentlich die technischen Schwierigkeiten, welche der Verkürzung der Sanistagsarbeit hindernd in den Weg treten, erörtert worden. Eine Nachprüfung der Begründetheit und des Werts dieser Einwendungen sollte den Fabrikinspektoren leicht möglich sein.

Fraye I.

Wie stellen Sie sich zu dem Vorschlag, am Samutag die Arbeitszeit der Arbeiterinnen su beschränken?

Kachstehende Übersicht zeigt die Stellung, welche die Arbeitgeberschaft der zu besprechenden Motion gegenüber einnimmt. Wir ordnen diese Voten nach Hauptgruppen der in Betracht kommenden Industrien. Es lauten für die Motion g;iüistig ungünstig unbestimmt 116 10 Bauinwoll-, Woll- und Leinenindustrie 12 18 67 51 1 41 6 Stickerei Bleicherei , Färberei , Zeugdruckerei, Appretur 1 35 4 9 6 55 Übrige Textilindustrie Verarbeitung von Häuten, Leder, Haaren, Hörn 3 15 2 Lebens- und Genußmittelindustrie 2 64 10 Papierindustrie , polygraphische Ge5 30 5 werbe 51 Bijouterie, Uhrmacherei 12 11 1 31 7 Übrige Industrien

97 505 79 Wir rechnen bei dieser Zusammenstellung als Stimmende alle 681 Firmen, die ihrer Meinung auf den 639 eingegangenen Fragebogen mit ihrer Unterschrift Ausdruck gegeben haben. Von dieser Zahl sprechen sich nur 97 zu gunsten einer Verkürzung dor Samstagsarbeit aus, 79 sind unter allerlei Vorbehalten und mit vielen Wenn und Aber dafür, 505 sind erklärte Gegner. Der Widerspruch geht vor allem aus von der Textilindustrie aus. Mehrere Stimmen erblicken in dieser Neuerung geradezu den Ruin ihrer Industrie. Es

108 sind solche, die mit der ausländischen Industrie einen schweren Kampf zu kämpfen haben. Hierher gehört namentlich die Baumwollindustrie, welche geschlossen gegen den Vorschlag auftritt, obwohl die wenigsten so weitgehende Befürchtungen teilen. Weniger pessimistisch sieht die Seidenindustrie die Folgen an. Bei dieser kommt weit mehr, als bei der Baumwollindustrie, die persönliche Leistungsfähigkeit des Arbeiters und nicht nur die der Maschine in Betracht 5 Einbußen lassen sich leichter durch vermehrte Thätigkeit ausgleichen. Die Sticker, Färber, Drucker, Bleicher und Appreteure sprechen sich mit großer Einmütigkeit gegen die Verkürzung aus, und auffallend einstimmig auch die Genußmittelfabrikanten, in deren Reihen selbstverständlich die Cigarrenfabrikanten vorherrschen.

Unter den zustimmenden Firmen befinden sich ganz auffallend viele ohne Motorbetrieb oder solche, die leicht abstellbare, z. B.

Gas-, Petrol-, Benzinmotoren besitzen, was zwar leicht zu begreifen ist, da bei den Dampfbetrieben weit eher Heizmaterial und Bedienungsarbeit ungenützt verloren geht, wenn schon mittags geschlossen wird, als bei den ändern Motoren. Und auch die Besitzer der oft so kostspieligen Wasserkräfte berechnen eben deren Kosten auf jeden Arbeitstag und betrachten jedes Feiern als einen entsprechenden Barverlust.

Einige Befürworter der Motion haben bereits praktische Erfahrungen mit der verkürzten Samstagsarbeit gemacht und empfehlen sie auf Grund derselben. So ein Chokoladcfabrikant, der es mit den Frauen seit 1891 und mit dem gesamten Personal seit 1894 versuchte ; er behält sich aber bei pressanter Arbeit längere Arbeitsdauer vor und zieht jeweilen für die versäumte Zeit l/± Taglohn ab. Eine Uhrenfabrik hat seit zwei Jahren dasselbe gethan ; die Frauen seien trotz Lohnabzug mit dieser Einrichtung zufrieden.

Die Gegner führen sowohl allgemeine als speciell den Verhältnissen ihres Betriebes entnommene Gründe an. Dabei wird zugegeben, daß manche derselben hinfällig würden, wenn eine internationale Vereinbarung die Sanistagsarbeit, wie die Arbeitszeit überhaupt, regeln würde, oder auch, daß die Sache viel annehmbarer würde, wenn man nur eine fakultative Freigebung des Samstagnachmittags für Frauen verlangen wollte.

Einzelne Eingaben weisen darauf hin, daß der Vorschlag eine Nachahmung der englischen Gesetzgebung
sei, die aber bei der ganz ändern Art der Sonntagsfeier bei uns, bei der durch die englische Sitte hervorgerufenen Verlegung vieler Dinge auf den Samstag, die bei uns doch dem Sonntag vorbehalten blieben, durchaus ungerechtfertigt sei.

109 Viele Firmen betonen nachdrücklich, daß unser Fabrikgesetz schon jetzt eine große Ungleichheit in der Behandlung der Angehörigen des gleichen Berufs je nach der Größe des Etablissements, in "welchem sie arbeiten, geschaffen habe. Es würde, wie besonders die Sticker hervorheben, diese Ungleichheit noch größer und notwendigerweise dazu führen, daß man die Industrie immer mehr in Zwergbetriebe verlege, die unter wenig oder keiner Aufsicht stehen, durch ihre durch übermäßig lange Arbeitszeit ermöglichte Konkurrenz die Löhne herunterdrücken und von jedem Freund des Arbeiterschutzes als etwas für die Arbeiterschaft sehr Unerwünschtes betrachtet werden müssen.

Vov allem aus stellen die Gegner der Verkürzung die ökonomische Einbuße für Arbeiter und Arbeitgeber in den Vordergrund.

Sie habe eine Verteuerung der Fabrikate wegen Verminderung der Produktion bei gleichbleibenden allgemeinen Unkosten zur Folge.

Es seien direkte Verluste zu verzeichnen, z. B. da, wo der Fabrikant den Zins für gemietete Kraft auch für die Zeit des Stillstandes bezahlen müsse ; der Kessel müsse doch angeheizt, das Lokal doch warmgehalten werden. Die Arbeiterinnen für den Minderverdienst schadlos zu halten, könne den Arbeitgebern nicht zugemutet und meist auch nicht von ihnen geleistet werden, da sie sonst konkurrenzunfähig werden müßten. Dazu komme, daß diese Einbuße nicht nur dio Frauen treffe, sondern auch die Männer und die Kinder, von denen ein sehr großer Bruchteil auch nicht weiter arbeiten könnte.

Sodann wird darauf hingewiesen, wie in manchen Industriezweigen die Arbeiten der einzelnen Arbeitergruppen so ineinander übergreifen, daß das Feiern der einen sofort auch das der ändern herbeiführen müsse.

Die Vertreter der verschiedenen Industrien haben sich bemüht, im Detail den Beweis für ihre Behauptungen zu leisten.

Manche derselben suchen zugleich den Nachweis zu erbringen, wie die angestrebte Neuerung da und dort zu einem Aufgeben der Frauenbeschäftigung führen würde, was freilich nicht überall ein Unglück wäre, namentlich bei solchen, die für Frauen überhaupt nicht passen, und wie entweder die Frauenarbeit noch in hüherm Grad als bisher minderwertiger als die Männerarbeit würde oder aber immer mehr in die Hausindustrie oder die Kleingewerbe sich verkriechen würde. Wir führen eine Anzahl dieser Details an.
Als Repräsentanten der Saisonindustrien treten die Strohhutindustrie und die der Lebensmittelkonserven auf. Erstere führt aus, wie ihre Beschäftigung sonst nur eine periodische sei, die

110 schon jetzt nur schwer mit den gesetzlichen Beschränkungen sich zurecht finde ; sie würde eine neue Einschränkung fast nicht ertragen. Sie wird von der Strohhutausrüsterei unterstützt, deren Arbeit sich auf wenige Monate im Jahr zusammendrängt. Die Konservenfabriken müssen am Samstag die eingelieferten Früchte durchaus aufarbeiten, da sie bis am Montag zu einem großen Teil zu Grunde gehen müßten. Auch die Fabriken kondensierter Milch können der Natur der Sache nach das Vorbringen des Fabrikats in die Büchsen nicht verschieben.

Den Reigen der Industrien, welche die Reduktion der Samstagsarbeit als überflüssig erklären, eröffnen dio Buchdrucker, die ani ihre nur 9stündige Arbeitszeit verweisen, welche der Hausfrau dio Besorgung ihrer Hausgeschäfte gar wohl ermöglicht. Verschiedene Betriebe, die nur unregelmäßig ihre Frauen beschäftigen, meinen, dieselben hätten meist nur allzuviel Zeit für ihren Haushalt.

Zahlreiche Antworten bestätigen, was die Arbeiterinnen bereits öfters augeführt, daß jede Arbeiterin, die um SamstagnachmittagsUrlaub zur Besorgung ihrer Hausgeschäfte einkommt, denselben unweigerlich erhält, ja nicht einmal darum zu bitten, sondern nur sich zu melden braucht.

Mehrere wenden sich gegen die Wahl des freien Nachmittags und erwähnen, wie gerade der Samstag am meisten und die dringlichste Arbeit bringe. Hierher gehören die Nähereien, die Wäschereien, die bisher schon besonders berücksichtigt werden mußten, die Appreturen.

Noch andere, besonders der Gruppe der chemischen Industrien angehörend, stützen sich auf die allbekannte technische Unmöglichkeit, gewisse Prozeduren vor ihrer Vollendung zu unterbrechen, eine Thatsache, die allerdings fast in allen Gewerbegesetzen ihre Berücksichtigung gefunden hat.

Endlich folgt die nicht geringe Zahl der Arbeiterinnen, die mit Männern zusammen ihre Arbeit verrichten, wie in den Zeugdruckereien wo beim sogenannten Reihendruck je vier Personen zusammen arbeiten. Die Bijouterie weist darauf hin, wie gewisse von Frauen besorgte Vollendungsarbeiten unmittelbar der Arbeit der Männer folgen müssen, und eine Gartonnagefabrik teilt mit, daß je drei Personen, ledige und verheiratete in bunter Mischung, Gruppen bilden, die zusammen eine bestimmte Operation ausführen und von denen keine wegbleiben dürfe, wenn die ändern weiter arbeiten sollen.

So die mannigfaltigen Gründe, von denen viele unbedingt als stichhaltig anerkannt werden müssen,7 einige aber etwas zweifeiO hafter Natur zu sein scheinen.

Ili Frof/e

II.

Wie viele Personen würden in IJirem Geschäft davon betroffen : a. wenn sich die Beschränkung auf alle weiblichen Personen erstreckte ?

b. wenn sie nwr auf die verheirateten oder einen eigenen Hamhalt führenden Personen ausgedehnt würde ?

Der erste Teil dieser Frage kann insoweit als überflüssig betrachtet werden, als die Zahl der weiblichen Arbeiterinnen aus der inzwischen erschienenen Fabrikstatistik entnommen werden kann. Dann hätten wir aber die Zahl der verheirateten oder sonst einen eigenen Haushalt führenden Arbeiterinnen doch nicht erfahren. Und doch ist dies wünschbar, um die Frage richtig lösen zu können, auf welche Personen die geplante Verordnung sieh erstrecken soll. Obwohl die verlaugten Angaben nicht von allen Firmen gemacht wurden, ist doch aus den beigebrachten Zahlen, wo Genaueres fehlt, zu entnehmen, in welchem Verhältnis die Verheirateten vertreten sind, und es konnte daraus approximativ deren Anzahl berechnet werden.

ludustriegruppe.

Ai-beiterinuen. Verheiratete.

Baumwoll-, Woll- und Leinen-Industrie . 14,991 5510 Scidenindustrie 17,431 4626 Stickerei 3,848 1019 Bleicherei, Färberei, Druckerei, Appretur 2,202 676 Übrige Textilindustrie und Industrie der Häute, Haare etc 8,750 2208 Papierindustrie und polygraphische Gewerbe 2,435 589 Lebens- und Genußmittelindustrie . . .

6,521 2390 Bijouterie, Uhrenindustric 5,503 213(5 Verschiedene Industrien 1,924 616 Wie bereits bemerkt, sind dies nicht die wirklich vorhandenen Personen, sondern die Zahlen sind nur bestimmt, das Verhältnis anzugeben, in welchem sich in den verschiedenen Industrien die verheirateten Frauen vertreten finden.

112 Fraye III.

Würde dadurch auch männlichen Arbeitern die Arbeitszeit verkürzt ?

Welche Arbeäerkategorien und welche ungefähre Zahl von Arbeitern ivürde dies betreffen ?

Wie vorauszusehen, wird sehr allgemein hervorgehoben, daß in den meisten Betrieben auch die Arbeitszeit der Männer verkürzt werden müßte. Wenn die Vorwerke einer Spinnerei stille stehen, erhält der Spinner kein Vorgespinst, und vorrätiges Material kann er nicht verspinnen, weil ihm die Auf'steckerin und die Ansetzerin nicht helfen. Wenn niemand Garn spult oder zwirnt, hat der Schlichter keine Arbeit, und auch dem Weber gebricht es an Material. Der Sticker leistet ohne Fädlerin kaum die halbe Arbeit5 der Cigarrenmacher kann ohne die Wickelmacherin nichts ausrichten. In den Webereien ist das Abstellen der einzelnen Stühle wohl möglich, aber nicht überall sind die Einrichtungen so, daß bei massenhafter Abstellung ein regelmäßiger Gang doch gesichert bliebe. Und selbst die Seidenweber versichern, daß es gar nicht lohnen würde, beim Weggang der 90 % weiblichen Arbeiter noch die wenigen Stühle der Männer im Gang zu erhalten.' Selbstverständlich ist, daß eine Menge männlicher Angestellter, deren Thätigkeit direkt durch die Frauenarbeit bedingt ist, Aufseher, Heizer u. dgl., am Samstag auch nichts mehr zu thun hätten.

In Teigwarenfabriken verrichten die Männer die vorbereitenden Arbeiten an Knetmaschinen, Teigwalzen etc. Frauen besorgen das Weitere, das ohne Aufschub folgen muß. Sie müßten Samstags ihre Arbeit einstellen, wenn die Frauen nicht mehr die weitere Verarbeitung übernehmen würden. So hat eine lange Reihe von Industrien die Notwendigkeit nachgewiesen, daß bei Freigabe des Samstagnachmittags auch die Männer feiern müßten.

Allerdings wird da und dort ausdrücklich hervorgehoben, daß die Frauen nur für einen Teil dieser Zeit unentbehrlich seien, wenn auch der Mann seine Arbeit fortsetzen soll. Ein Appreteur z. B. meint, es würde keine Schwierigkeit eintreten, wenn die Frauen wenigstens bis 3 Uhr arbeiten wollten. In ändern Fabriken wird gesagt, die Männer könnten leicht in Vorrat arbeiten. Da aber die Fabrikarbeit gewöhnlich so geregelt ist, daß jede Arbeiterkategorie in ihrer normalen Arbeitszeit gerade so viel fertig stellt, als die nächstfolgende Gruppe zur weitern Verarbeitung bedarf,

113 muß die Frage aufgeworfen werden: wann soll diese vorsorgliche Arbeit gemacht werden? Hierauf antworten Uhrenfabriken ganz einfach : bei Hause. Der Arbeiter soll also infolge dieser Erleichterung für die Frauen gezwungen und gewöhnt werden, bei Hause Überzeit zu arbeiten. Ein Vorschlag, der kaum auf Zustimmung der Männer wird Anspruch machen können ! Ein zweiter Vorschlag, die Freigabe des Samstags zu ermöglichen, geht dahin, daß Männer und Kinder (! !) an die Stelle der Frauen treten.

Fra»e IV.

Könnten die Männer nicht in den für die Frauenarbeit versagten Stunden Reparaturen, Reimyungsarbeiten u. dyl. besorgen ?

Diese Frage ist von vielen insoweit falsch verstanden worden, als sie meinten, es handle sich um die Arbeiten zur Reinhaltung der Lokale. Das wollte niemand den Männern zuschieben. Aber auch sonst fanden sich relativ wenige Stimmen, welche den Männern das Reinigen der Maschinen, zur allfälligen Ausfüllung der Zeit, die sie durch den frühern Schluß am Samstag am Arbeiten verhindert waren, übertragen wollten. Von 598 hielten dies nur 39 für thunlich. Vor allem aus wurde betont, daß die Männer zu stolz zur Übernahme solcher Arbeit wären oder daß sie sich nicht dazu eignen. Andere wendeten ein, daß kein Arbeiter die Reinigung einer Maschine, für die er verantwortlich sein müsse, von deren Zustand auch oft seine Leistungsfähigkeit abhänge, einer beliebigen ändern Person überlassen möge. In einzelnen Geschäften wurde hervorgehoben, daß die Putzarbeiten doch bei weitem nicht die verlorenen Stunden auszufüllen vermöchten, oder umgekehrt, daß so wenige Männer in der Fabrik angestellt seien, daß ihre Putzarbeit nicht genügen würde. Vereinzelte Stimmen führten auch an, daß das Putzen zu Männerlöhnen zu teuer zu stehen käme und daß sie lieber im Lauf der Woche besondere weibliche Putzer anstellen würden.

Frage V.

Würden Sie lieber den ganzen Samstag nachmittag frei geben oder nur ein paar Stundeti früher als jetzt die Arbeit einstellen ?

Welche Stunden würden Sie eventuell vorschlagen?

Die Zahl der Arbeitgeber, welche für Freigebung des ganzen Nachmittags sind, ist über Erwarten groß; sie beträgt 38. Sie erklärt sich, wenn wir den Motiven nachgehen und die gemachten

Ili Vorbehalte ins Auge fassen. Der eine will es, wenn es im Ausland auch eingeführt wird ; der andere setzt voraus, daß der Nachmittag nur auf Wunsch freigegeben werde. Wieder andere sind dafür, da sie eine angefangene Arbeit doch nicht mehr fertig /,u bringen vermöchten (gewisse chemische Industrien) oder weil die Arbeiter so weit weg wohnen, daß eine Reduktion um 2--3 Stunden die Wiederaufnahme der Arbeit nicht lohnend erscheinen ließe.

Sticker meinen, sie lassen doch im Accord arbeiten ; es trete also für sie keine Verteuerung der Arbeit ein. So bleiben wenige aufrichtige Anhänger eines freien Samstagnachmittasrs.

o o o O Sogar die partielle Freigabe wird zwar von 192 Firmen zugestanden, ,,wenn es sein mußa, oder, als das kleinere Übel, aber ,,lieber nichta. Es scheint, es wurde sich im Notfall eine Mehrheit für den Schluß um 4 Uhr zusammenfinden, doch zersplittern sich die Stimmen auf die Stunden von 3--5, ja sogar 6 Uhr.

Im ganzen wird man auf starkes Widerstreben der Arbeitgebor stoßen. Manche möchten lieber eine Reduktion der täglichen Arbeitszeit um lfa Stunde, wenigstens im Winter, zugestehen oder beantragen gruppenweise Entlassung der Hausfrauen an verschiedenen halben Tagen der Woche, um den Betrieb nicht so sehr zu stören.

Eine Firma, die jetzt 10 Stunden arbeiten läßt, schlägt Rückkehr zu den 11 Stunden und Freigabe des ganzen Samstagnachmittags vor.

Manche suchen die Verkürzung abzuwenden, indem sie Ersatz der Frauen durch ,,Lehrlinge und Maschinen11 in Aussicht stellen.

Andere rechnen den Verlust der Arbeiter aus. Eine mittelgroße Spinnerei rechnet bei Einbuße eines Vierteltages per Woche einen Minderverdienst per Jahr von Fr. 6300 heraus.

Als Beweis, wie sehr die Arbeiter gegen diese Neuerung seien, führt ein Zündholzfabrikant an, daß er den Samstag von 3 Uhr an freigegeben habe, auf Wunsch der Arbeiter aber zur alten Ordnung habe zurückkehren müssen.

Frage VI.

Würde es angehen, Samstags die Vormittagsarbeü um l bis 2 Stunden zu verlängern, um den Nachmittag eher freigeben su können ?

Volle Übereinstimmung zwischen Arbeitern und Arbeitgebern herrseht in Bezug auf die sechste Frage. Mit seltenen Ausnahmen halten alle die Verlängerung der Vormittagsarbeit an Samstagen für unthunlich, weder im Wunsch, noch im Interesse der Arbeiter

115 liegend. Störung der gewohnten Ordnungen den Familien, die Notwendigkeit der Einführung von Zwischenpausen und Zwischoncssen,7 wo sie bisanhin nicht gebräuchlich waren,' wären die notö wendigen Folgen.

Frage

VII.

Um welche Zeit wird jetât am Samstag die Arbeit eingestellt ?

Um sich ein Urteil bilden zu können, ob wirklieh die Frauen nach Feierabend noch Zeit genug zur Verfügung haben, um ihren Haushalt zu besorgen, wurde nach der Zeit gefragt, zu welcher Samstags die Frauen aus der Fabrik entlassen werden. Die meisten Antworten beziehen sich auf die Wintersaison, in welcher die Erhebung vorgenommen wurde ; aber eine kleinere Zahl gilt vermutlich für den Sommer, wo der Arbeitsschluß früher stattfindet.

In diesen Geschäften würde der Schluß 1/2 bis l Stunde später fallen.

Nach den eingegangenen Angaben findet der Samstagsschluß zu folgenden Zeiten statt: Um 12 4 4. 30 ö 5. 30 6 6. 30 7 8 Uhr in 2 7 3 93 150 250 60 38 2 Fällen.

Es giebt also eine ganz bedeutende Zahl Fabriken, wo die Samstagsarbeit so lange dauert, daß die Hausfrau unmöglich noch Zeit für die Besorgung ihres Haushalts, und wäre er noch so klein, finden kann.

Fraye

VIII.

Glauben Sie, dass in Ihrem Industriezweig auch durch freie Vereinbarung der Arbeitgeber die angestrebte Verkürzung der SamMagsarbeit erreicht tuerden könnte, oder würden Sie einer bezüglichen Revision des Fabrikgesetzes den Vorzug geben ?

Diese letzte Frage wurde von einer Anzahl Arbeitgeber höchst sonderbar aufgefaßt. Sie wollten unter der freien Vereinbarung eine Verständigung zwischen Arbeitgeber und Arbeiter verstehen.

Selbstverständlich hätte eine solche gar keine Bedeutung. Von den 281 Prinzipalen, welche richtig auf die gestellte Frage antworteten, sprachen sich 94 für freie Vereinbarung der Arbeitgeber aus. Unter ihnen befand sich eine ganze Schar von solchen, die sich als eifrige Gegner der Motion zu erkennen gegeben hatten.

Eines Kommentars hierzu bedarf es nicht. Die Zahl derjenigen.

116 die von einem Übereinkommen wirklich etwas erwarten, scheint sehr gering zu sein und es wird ihnen mit Recht von den 187 Votanten, die eine gesetzliche Festsetzung einer allfälligcn Arbeitszeitverkürzung verlangen, entgegengehalten, daß eine solche Vereinbarung doch nicht beachtet würde. Sie betonen, daß nur ein gleiches Verhalten aller Berufsgenossen die gewünschte Neuerungerträglich machen könnte, das nur durch ein Gesetz erzielt würde; daß sie es aber noch lieber sehen würden, wenn sie durch internationale Vereinbarung eingeführt würde. Daraus machen aber alle, mit wenigen Ausnahmen, kein Hehl, daß sie der Verkürzung der Samstagsarbeit, sofern solche nicht nur eine fakultative sein soll, abhold sind.

Wir fassen auch hier die Ergebnisse unserer Erhebungen nochmals kurz zusammen, um anknüpfend an dieselben unsere Gedanken über dieses Thema Ihnen mitzuteilen.

Die Zahl derjenigen, die das Bedürfnis nach einem ganz oder teilweise freien Samstagnachmittag, wenigstens für einen Teil der weiblichen Arbeiter, läugnen, ist eine kleine; auch unter den Arbeitgebern giebt es nicht viele, die es in Abrede stellen. Bei einem kleinen Teil der Frauen wird es schon befriedigt durch sehr frühen Samstagsschluß, bei einer größern Zahl durch Gestattung früheren Verlassens der Arbeit durch die Arbeitgeber.

Viele Arbeiterinnen empfinden das Bedürfnis nicht, entweder weil sie keinen Haushalt zu besorgen haben, oder weil andere Personen diese Sorge für sie übernehmen. Nach unsern Zahlenzusammenstellungen sind nur etwa 31 °/o der weiblichen Arbeiter Verheiratete ; kaum 1/s hat für einen Haushalt zu sorgen. Trotzdem hat die Mehrheit f ü r Freigebung des Samstagnachmittags -- ganz oder teilweise -- gestimmt. Nicht wenige haben es, wie wir an anderer Stelle nachgewiesen, nicht aus dem Grunde gethan, der den Motionssteiler wahrscheinlich leitete, sondern weil sie überhaupt für eine Verkürzung der Arbeitszeit sind. Sie haben allerdings keine besondern Gründe angeführt, die für den Samstag mehr als für einen ändern Tag sprechen.

Die Gründe, die g e g e n eine Reduktion der Samstagsarbeit angeführt werden, sind teils ökonomische, teils technische. Sie beanspruchen sehr ungleiche Bedeutung, je nachdem die Verkürzung auf a l l e Arbeiterinnen ausgedehnt werden soll oder nur auf die Besorgerinnen eines Haushalts, je nachdem man den Schluß auf eine frühere oder spätere Stunde ansetzt, je nachdem endlich

117 für alle Industrien die gleichen Vorschriften unabänderlich gelten sollen oder Ausnahmen gestattet werden. Darnach wird sich auch großenteils der Widerstand der Männer richten. Diese sind wohl, auch nach den Fragebogen zu schließen, dem Projekt kaum günstig gestimmt, wo sie irgend eine pekuniäre Schädigung in der verkürzten Samstagsarbeit erblicken und besonders, wo auch sie gezwungen werden, zu feiern. Daß das eine oder andere nicht selten vorkommt, unterliegt keinem Zweifel.

Die Frauen befürchten da, wo ihr Wogbleiben als Nachteil empfunden wird, und besonders in den allerdings nicht zahlreichen Industrien, wo eine einmal begonnene Arbeit vor der Vollendung nicht unterbrochen werden darf, daß sie möglichst durch Männer, Kinder oder Maschinen, je nach Konvenienz des Arbeitgebers, ersetzt werden. Die Verheirateten würden aus dem gleichen Grund die Bevorzugung der Unverheirateten scheuen, wenn auf diese der frühere Samstagsschluß nicht ausgedehnt würde.

In dem Maß, als die Verkürzung eine beträchtliche oder nur eine bescheidene ist, wird auch der Widerstand heftiger oder mäßiger werden. Auch von den Arbeitgebern sind im Prinzip viele d a f ü r ; sie fürchten nur eine allzu schwere Schädigung ihrer Interessen. Von den Hausfrauen würde sich wohl die Mehrzahl, auch solche, die jetzt mit Nein gestimmt, eine kleine Einbuße an Erwerb gefallen lassen, wenn sie mehr Zeit für ihren Haushalt gewännen. Aber der Illusion giebt sich niemand hin, daß, wenige generöse Ausnahmen abgerechnet, für den halben oder Vierteltag gleich viel bezahlt würde, als für den ganzen, oder daß ein gesetzlicher Zwang dazu in Aussicht stehe. Die Antworten auf Frage IV zeigen, wie weit, oder bei der Mehrzahl, wie wenig weit ihre Wünsche gehen. Und die Beantwortung der gleichen Frage durch die Arbeitgeber läßt erkennen, daß die Ansprüche beider Parteien sich schließlich wohl miteinander vereinigen ließen.

Wir glauben, eine Fixierung des Schlusses auf 4, im allerschlimmston Fall 5 Uhr würde auf keinen allzu lebhaften Widerstand stoßen.

An ein Einbringen des verkürzten Nachmittags durch Verlängerung der Vormittagsarbeit ist nicht zu denken. Ein Eintreten auf die geäußerten Wünsche betreffend allgemeine andere Regelung der Arbeitsstunden, z. B. Verlängerung des Normalarbeitstages und Freigabe des Samstagnachmittags würde rechts
und links auf Widerstand stoßen und momentan kaum in fortschrittlichem Sinn gelöst. Noch unmöglicher ist es, den Ausfall an Männerarbeit durch deren Beschäftigung mit Reinigungs- und Reparaturarbeiten zu decken. Und auch der Vorschlag, je verschiedenen Gruppen Bundesblatt, 49. Jahrg. Bd. 1.

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118 von Arbeiterinnen an verschiedenen Tagen l/4,--l/z Tag frei zu geben, um den Betrieb weniger zu stören, ist wohl praktisch nur sehr schwer zu verwerten.

So stößt der Vorschlag des Motionstellers überall auf außerordentliche Schwierigkeiten, weit mehr, als auch wir erwartet..

Bei seiner Annahme würde man vermutlich eine große Anzahl Ausnahmen mit in den Kauf nehmen müssen. Je mehr aber solche nötig werden, um so schlimmer steht es mit der Handhabung desselben. Etwas rechtes zu schaffen wäre viel leichter, wenn das ganze Fabrikgesetz einer Umgestaltung unterworfen würde, was in absehbarer Zeit doch geschehen muß.

Soll aber durchaus jetzt etwas geschehen, so möchten wir einem Vorschlag das Wort reden, den wir für geeignet halten, ein Provisorium darzustellen, das uns eine sichere Erfahrungsgrundlage für das weitere Vorgehen bei einer künftigen allgemeinen Revision schaffen würde.

Das Fabrikgesetz gewährt den Frauen schon längst eine Ausnahme, um ihnen die Besorgung des Haushaltes zu erleichtern ; es gewährt ihnen eine f a k u l t a t i v e Verlängerung der Mittagspause um YÎ Stunde. Diese hat selten oder nie zu Klagen Anlaß, gegeben. Jedermann scheute sich, eine so humane Bestimmung anzutasten. Von Jahr zu Jahr ist immer reichlicher davon Gebrauch gemacht worden. In unzähligen Fabriken ist infolgedessen die Mittagspause überhaupt, für alle Arbeiter, auf anderthalbStunden verlängert worden. Wir schlagen vor, einen ähnlichen Weg zu betreten, um den Frauen einen wenigstens zum Teilfreien Samstagnachmittag zu verschaffen. Dies geschähe durch eine Bestimmung, die allen weiblichen Personen, die einen Haushalt zu besorgen haben, das Recht einräumte, auf bloße Anzeige hin Samstagnachmittags um 4 Uhr die Arbeit zu verlassen.

Die Fabrikinspektoren :

Dr. F. Schuler.

H. Rauscheiibach.

Ami Campiche.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Postulat Nr. 517 (Lohnzahlung, Arbeitszeit an Samstagen, internationaler Arbeiterschutz). (Vom 16. Januar 1897.)

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1897

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03

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20.01.1897

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69-118

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