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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde des F. Alchenberger in Zürich, betreffend Verletzung des Bundesgesetzes über die Patenttaxen der Handelsreisenden und der Handels- und Gewerbefreiheit.

(Vom 20. Dezember 1909.)

Der schweizerische Bundesrat hat

über die Beschwerde des F. Alchenberger in Zürich, betreffend Verletzung des Bundesgesetzes über die Patenttaxen der Handelsreisenden und der Handels- und Gewerbefreiheit, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e n Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Mit Verfügung vom 30. Juli 1909 wurde F. Alchenberger, Geschäftsreisender in Zürich, von der zugerischen Finanzdirektion wegen Übertretung der §§ 5 und 9 des Gesetzes über den Marktund Hausierverkehr, sowie über den Gewerbebetrieb im Kanton

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Zug vom 22. August 1901 mit Fr. 20 gebüsst, weil er in Baar vor einer Fabrik auf einer Bank Uhren ausgelegt hatte, um Bestellungen aufzunehmen.

Eine Beschwerde Alchenbergers wurde mit Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zug vom 2./3. September 1909 abgewiesen, mit der Begründung, nach dem genannten Gesetz seien Uhren vom Marktverkehr gänzlich ausgeschlossen und auch das blosse Auslegen der feilgebotenen Waren auf Strassen und Platzen verboten ; ausserdem habe der Rekurrent auch die Bestimmungen des kantonalen Steuergesetzes übertreten, da er sich zum Anbieten von "Waren einer Auslage bediente, ohne zuvor das hierzu gemäss dem Steuergesetz erforderliche kantonale Handelspatent zu lösen.

Gegen diesen Entscheid beschwert sich F. Alchenberger mit Eingabe vom 13. September 1909 beim Bundesrat, mit der Begründung, die von den Zuger Behörden in ihren Entscheiden angerufenen Gesetze beziehen sich nur auf den direkten Verkauf (Feilbieten und Hausieren) von Waren, nicht aber auf das Vorweisen einer Musterkollektion zur Aufnahme von Bestellungen durch einen mit einer Taxkarte versehenen Handelsreisenden; der angefochtene Entscheid sei daher willkürlich und stehe im Widerspruch sowohl zu Art. 31 der Bundesverfassung, als zum Patenttaxengesetz; er verlange daher Rückgabe des von ihm deponierten Betrages der Busse, sowie eine Entschädigung von 50 Franken.

II.

In ihrer undatierten, am 25. Oktober 1909 eingegangenen Vernehmlassung stellt die Finanzdirektion des Kantons Zug im Auftrage des Regierungsrates den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen.

Nach § 6 des Zuger Hausiergesetzes sei das Auslegen von Waren auf den Strassen verboten. Das Verhalten Alchenbergers habe darauf schliessen lassen, dass er einen eigentlichen Markt mit Uhren veranstalten wolle, was gemäss den §§ 5 und 10 des zitierten Gesetzes ebenfalls verboten sei. Alchenberger hätte auch unzweifelhaft Uhren verkauft, wenn die Polizei nicht sofort auf ihn aufmerksam geworden wäre und ihn daran verhindert hätte.

Ausserdem sei nach einem von der zugerischen Steuerbehörde Stetsfort geübten Grundsatze derjenige, welcher sich zum Anbieten von Waren einer Auslage bedient, verpflichtet, ein kantonales Handelspatent zu lösen, und wer dies, wie Alchenberger,

924 nicht tue, werde gemäss § 89 des zugerischen Steuergesetzes straffällig.

Eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit sei durch die Bestrafung Alchenbergers nicht eingetreten, da dieser Grundsatz durch gewisse, im öffentlichen Interesse liegende Vorschriften eingeschränkt werden könne, und endlich gewähre die Taxkarte,, die der Rekurrent als Handelsreisender gelöst habe, ihm nicht das Recht, Handlungen vorzunehmen, die mit polizeilichen und gewissen steuertechnischen kantonalen Vorschriften im Widerspruch stehen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Nach der übereinstimmenden Darstellung des Rekurrenten und der Regierung des Kantons Zug hat der Rekurrent vor der Spinnerei in Baar auf einer Bank eine Kollektion seiner Waren ausgelegt, und zwar, wie Alchenberger behauptet, um sie von den Arbeitern der Fabrik besichtigen zu lassen und von ihnen an Hand der ausgelegten Muster Bestellungen entgegenzunehmen.

Der Rekurrent erblickt nun in der ihm wegen dieses Vergehens auferlegten Busse in erster Linie eine Verletzung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 1. November 1892, nach dessen Bestimmungen er, als Inhaber einer Taxkarte, zur Aufnahme von Bestellungen in der geschilderten Weise berechtigt sei. Diese Annahme ist irrtümlich. Nur derjenige ist als Handelsreisender zu. betrachten, der von einem Kunden zum ändern geht und bei ihm die Bestellungen selber aufnimmt. Dagegen handelt derjenige nicht als Reisender im Sinne des Patentgesetzes, der eine Musterausstellung veranstaltet und das Publikum von seinem Standorte aus einlädt, ihm Bestellungen aufzugeben. Diese Art des Geschäftsbetriebes ist, trotzdem sie in der Entgegennahme von Bestellungen besteht, nicht der Tätigkeit des Handelsreisenden, sondern dem vorübergehenden Betrieb eines Geschäftes, der Ausbeutung eines Warenlagers oder dem Markthandel gleichzustellen.

Aus ähnlichen Gründen hat der Bundesrat im Falle Magazine zum wilden Mann in St. Gallen am 30. März 1907 (Bundesbl. 1907, III, 281) erkannt, dass die Eröffnung einer Wanderausstellung

925 von Modellen der Konfektionsbranche nicht als die Tätigkeit eines Handelsreisenden im Sinne des Bundesgesetzes vom 1. November 1892 zu betrachten sei. Andernfalls müsste in Fällen, wie der vorliegende, festgestellt werden, ob der Handeltreibende wirklich nur Bestellungen nach Mustern entgegennimmt oder ob er auch Waren verkauft, eine Kontrolle, die erfahrungsgemäss beinahe undurchführbar wäre.

H.

Ist somit festgestellt, dass der Geschäftsbetrieb des Rekurrenten nicht unter das Patenttaxengesetz fällt, so ist damit auch ausgesprochen, dass er den kantonalrechtlichen Bestimmungen über Handel und Gewerbe untersteht, soweit sie mit Art. 31 der Bundesverfassung vereinbar sind. Der Rekurrent hat die Vereinbarkeit dieser Bestimmungen mit Art. 31 der Bundesverfassung nicht bestritten ; er erblickt eine Verletzung der Handelsund Gewerbefreiheit nur darin, dass diese kantonalrechtlichen Bestimmungen auf seinen Geschäftsbetrieb angewendet werden, trotzdem dieser, wie Alchenberger glaubte, einzig den Bestimmungen des Patenttaxengesetzes unterliege. In der Tat widersprechen dem Grundsatze der Handels- und Gewerbefreiheit weder die Vorschriften in den §§ 5, 6, 10 und 31 des zugerischen Gesetzes über den Markt- und Hausierverkehr, sowie über den Gewerbebetrieb im Kanton Zug vom 22. August 1901, wonach Uhren und Bijouteriewaren vom Markt- und Hausierhandel ausgeschlossen sind, das Auslegen der Waren auf Strassen und Plätzen verboten ist und Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften mit Strafe bedroht werden, noch § 89 in Verbindung mit den §§ 57 und 58 des Gesetzes über die Bestreitung der Staatsauslagen vom 28. Dezember 1896, wonach der Betrieb eines Handels im Kanton Zug ohne ein kantonales Handelspatent mit Busse bedroht ist. Es könnte sich nur noch fragen, ob die Anwendung dieser Bestimmungen auf den Rekurrenten nach Art. 31 der Bundesverfassung unzulässig oder willkürlich sei.

Aber auch dies ist zu verneinen. Mag man den Geschäftsbetrieb des Rekurrenten als eine Art des Hausier- oder Markthandels oder als eine Art des ständigen Handels betrachten, wofür sich sachliche Gründe anführen lassen, so war Rekurrent zur Ausübung seines Geschäftsbetriebes nur auf Grund eines kantonalen Patentes berechtigt, und da er ein solches nicht gelöst hatte, wurde er straffällig.

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Demgemäss wird erkannt: Die Beschwerde wird abgewiesen.

B e r n , den 20. Dezember 1909.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der I. Vizekanzler: Schatzmann.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des F. Alchenberger in Zürich, betreffend Verletzung des Bundesgesetzes über die Patenttaxen der Handelsreisenden und der Handels- und Gewerbefreiheit. (Vom 20. Dezember 1909.)

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