590 #ST#

7 7

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Verweigerung der Fristverlängerung für eine schmalspurige Eisenbahn von Alpnachstad nach Altdorf.

(Vom 16. September 1910.)

Tit.

I.

Mit Bundesbeschluss vom 11. Juni 1892 (E. A. S. XII, 42) ist Herrn Emil Lussy, Ingenieur in Stans, eine Konzession für den Bau und Betrieb einer Schmalspurbahn von Alpnachstad nach Altdorf erteilt worden. Diese Konzession wurde sodann unterm 24. April 1902 (E. A. S. XVIII, 50) zugunsten des Herrn 0. Camenzind-Keyser in Basel, als Vertreter eines schweizerischfranzösischen Initiativkomitees, erneuert, nachdem die letzte von uns bewilligte Fristverlängerung für die erste Konzession (E. A. S.

XVI, 28) unbenutzt abgelaufen war. Seither ist die in Art. 5 der Konzession angesetzte Frist zur Einreichung der vorschriftsmässigen technischen und. finanziellen Vorlagen, sowie der Gesellschaftsstatuten, wiederholt verlängert worden, bis sich im Frühjahr 1908 unter der Firma ,,Linksufrige Vierwaldstätterseebahn" eine Atiengeseilschaft bildete, welche die Konzession der Bahn von Alpnachstad nach Altdorf erwarb. Gleich nach ihrer Konstituierung, die am 13. April 1908 in Luzern stattfand, reichte die Gesellschaft ein Gesuch um Erteilung der Konzession für eine Schmalspurbahn von Luzern nach Stans, im Anschluss an die bereits konzessionierte Linie Alpnachstad-Stans-Altdorf ein, und stellte das Begehren, von der Verpflichtung zur Ausführung der

591

Teilstrecke Alpnachstad-Stans befreit zu werden. Damit bezweckte sie die Erstellung einer durchgehenden Linie Luzern-Stans-Altdorf, unter Mitbenützung der Strecke Luzern-Hergiswil der Brünigbahn und der Strecke Stansstad-Stans der elektrischen Bahn StansstadEngelberg. Nachdem die Bahngesellschaft unterm 18. Oktober 1908 neue Vorlagen eingereicht und ihr Gesuch um Ausdehnung der Konzession einer Bahn von Alpnachstad nach Altdorf auf die Strecke Luzern-Stans und um Ausschaltung der Strecke Alpnachstad-Stans bestätigt hatte, geriet sie zu Anfang des Jahres 1909 in finanzielle Schwierigkeiten. Wir treten hier auf die nähern Umstände, die zur gerichtlichen Liquidation der ,,Linksufrigen Vierwaldstätterseebahna geführt haben und seinerzeit von der Tagespresse einlässlich erörtert wurden, nicht ein und fügen nur noch bei, dass Herr Prof. Dr. Borei in Genf vom Bundesgericht mit der Liquidation der ßahngesellschaft beauftragt worden ist.

II.

Mittelst Eingaben vom 4. November und vom 6. Dezember 1909 an das Eisenbahndepartement stellt nun Herr Prof. Borei das Gesuch um Verlängerung der Frist zur Einreichung der vorschriftsrnässigen Vorlagen für die Linie Alpnachstad-Altdorf, um Übertragung der Konzession auf den Massaverwalter und um Ausdehnung derselben auf die Strecke Hergiswil-Stansstad (bezw.

Luzern-Stans). Zur Begründung seines Gesuches führt Prof. Borei im wesentlichen aus, das von der Linksufrigen Vierwaldstätterseebahn eingereichte Gesuch um Ausdehnung ihrer Konzession und um Ausschaltung der Strecke Alpnachstad-Stans sei noch hängig gewesen, als die schweizerischen Mitglieder des Verwaltungsrates die Liquidation der Gesellschaft infolge des Gebahrens der ,,Banque Coloniale et de Travaux publics" in Brüssel, welche die Finanzierung des Unternehmens übernommen hatte, veranlassen mussten. Zu den Aktiven der Bahngesellschaft gehöre nun unzweifelhaft die bereits erteilte Konzession (Alpnachstad-Altdorf), sowie das allfällige Ergebnis der Schritte, die behufs Ausdehnung dieser Konzession getan worden seien. Da eine Eisenbahnkonzession immer übertragen werden könne, so stehe der Übertragung der Konzession auf den Massaverwalter, der die Aktiven der Gesellschaft zu realisieren habe, nichts entgegen. Der Liquidator werde alsdann seinerseits die Konzession geeigneten Rechtsnachfolgern abzutreten haben. Obschon die Gesellschaft mit den Bauarbeiten nicht habe beginnen können, seien doch ziemlich umfangreiche Vorstudien hierfür gemacht worden. Auch die

592

bereits ausgefertigten Pläne hätten einen unbestreitbaren Wert.

Es scheine somit angezeigt, die Konzession auf den Massaverwalter zu übertragen und die nachgesuchte Ausdehnung derselben zu bewilligen. Diese Lösung sei umso mehr zu empfehlen, als die verhältnismässig hohen Passiven der Gesellschaft sich als Schulden den Obligationären gegenüber darstellten, die ihr Geld nur im Hinblick auf die erteilte Konzession und in der Erwartung, dass das Unternehmen zustande kommen werde, bei der Gesellschaft angelegt hätten.

Am Schlüsse seiner Ausführungen erklärt der Massaverwalter noch, es seien ihm betreffend Übernahme der ausgedehnten Konzession Offerten gemacht worden, die der Prüfung wert seien.

Speziell die eine Offerte lasse die Hoffnung aufkommen, dass es nicht unmöglich sein werde, durch die Übertragung der Konzession auf eine über genügende finanzielle Mittel verfügende Unternehmung die Gläubiger der Gesellschaft zu befriedigen.

Von den zur Vernehmlassung über die Begehren des Herrn Prof. Borei eingeladenen Regierungen der interessierten Kantone hat sich diejenige von Luzern unterm 29. Dezember 1909 im Sinne der Gewährung der Konzessionsausdehnung ausgesprochen.

In seiner Vernehmlassung vom 7. Januar 1910 bemerkt der Regierungsrat des Kantons Obwalden, dass er gegen die nachgesuchte Fristverlängerung nichts einzuwenden habe. Dagegen müsse er sich gegen die gewünschte Ausdehnung der Konzession aussprechen, wenigstens solange als die Ausführung der Linie Alpnachstad-Altdorf nicht gesichert sei.

Der Landrat von Nidwaiden empfiehlt in seiner Eingabe vom 14. Februar 1910 eine möglichst kurze Fristerstreckung, für den Fall, dass an der Lostrennung der Linie AlpnachstadStans festgehalten werde, und unter der ferneren Bedingung, dass, wenn ein Konzessionsgesuch für eine linksufrige Gotthardbahn eingereicht werden sollte, bevor der Finanzausweis der Schmalspurbahn genehmigt sei, die Konzession der letzteren dahinfalle.

Eine bestimmt ablehnende Stellung hatte bereits die Regierung des Kantons Uri in ihrer Vernehmlassung vom 23. Dezember 1909 eingenommen, indem sie ausführte, dass' durch die Gewährung der nachgesuchten Fristverlängerung neue Konzessionsbewerber in Schach gehalten würden und dass die Verwirklichung des Projektes dadurch abermals verschoben werden müsste. An den Bau der.Linie durch die jetzige Gesellschaft sei aber jedenfalls nicht zu denken. Bei diesem Anlasse gestatte sich der

593

Regierungsrat der Hoffnung Ausdruck zu geben, dass der Bund an Stelle des zweiten Geleises auf der Linie Flüelen-Brunnen die linksufrige Vierwaldstätterseebahn Luzern-AHdorf, welche eine bedeutende Verkürzung herbeiführen würde, zur Ausführung bringen werde.

Das Eisenbahndepartement hat diesen letztern Punkt weiter verfolgt und die Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen um ihre Vernehmlassung hierüber ersucht. Auf Grund einlässlicher Untersuchungen hat sich aber die Generaldirektion in ihrer Eingabe vom 7. Juni 1910 dahin geäussert, dass auf die Anregung der Regierung des Kantons Uri aus kommerziellen, betriebstechnischen und finanziellen Gründen nicht eingetreten werden könne. Wir gestatten uns, diesbezüglich auf den bei den Akten liegenden Bericht der Generaldirektion zu verweisen.

Der Regierungsrat des Kantons Uri, dem die Rückäusserung der Bundesbahnverwaltung zur Kenntnis gebracht wurde, erklärte sodann mit Zuschrift vom 20. Juli 1910, dass er mit aller Entschiedenheit an seinem ablehnenden Standpunkte, wie er in der Vernehmlassung vom 23. Dezember 1909 zum Ausdruck gebracht worden sei, festhalten müsse.

m.

Das Gesuch des Herrn Professor Borei bezweckt vor allem die Fristerstreckung für die Schmalspurbahn von Alpnachstad nach Altdorf. Wird die Fristverlängerung verweigert, so fällt das weitere Begehren um Übertragung und Ausdehnung der Konzession ohne weiteres dahin. Während nun die Regierung des Kantons Uri bestimmt gegen die Fristverlängerung Stellung nimmt, wollen der Landrat von Nidwaiden und der Regierungsrat des Kantons Obwalden dem Fristverlängerungsgesuche entsprechen.

Dabei fordert aber Nidwaldeu die direkte Linie Luzern-StansAltdorf, während die Regierung, des Kantons Obwalden ihre Zustimmung vom Bau der Linie Alpnachstad-Stans abhängig macht.

Wir schliessen uns der Auffassung der Regierung des Kantons Uri an und beantragen Ihnen Abweisung des Fristverlängerungsgesuches. Abgesehen von den auseinandergehenden Ansichten der beteiligten Kantonsregierungen bestimmen uns noch folgende Erwägungen zu diesem Antrage.

Herr Professor Borei beruft sich in seiner oben erwähnten Eingabe vom 6. Dezember 1909 auf das Konzessionsausdehnungsgesuch der Linksufrigen Vierwaldstätterseebahn vom 18. Oktober

594

1908 und auf die unter diesem Datum eingereichten Pläne. Diesbezüglich ist zu bemerken, dass mit dem Gesuch um Ausdehnung der Konzession auf die Strecke Hergiswil-Stansstad, bezw. LuzernStans ein Konzessionsänderungsgesuch verbunden war. Nach Prüfung dieser Vorlage machte das Eisenbahndepartement der Bahngesellschaft unterm 22. Dezember 1908 verschiedene Bemerkungen technischer Natur, die nie beantwortet worden sind.

Dabei wurde betont, dass infolge der Einschaltung von Zahnradstrecken in Verbindung mit dem Verzicht auf die Strecken Alpnachstad-Stans und Seedorf-Altdorf, sowie mit der durchwegs abgeänderten Traceführung zwischen Stans und Seedorf, so weitgehende Änderungen der bestehenden Konzession AlpnachstadAltdorf erforderlich würden, dass es sich empfehle, eine neue Konzession auszustellen. Wird nun die nachgesuchte Fristverlängerung gewährt, so ist damit die Frage der Änderung der Konzession der Bahn von Alpnachstad nach Altdorf, bezw. der Erteilung einer neuen Konzession in gewissem Masse präjudiziert, da sich das Fristverlängerungsgesuch vorbehaltlos auf die Eingaben der in Liquidation befindlichen Bahngesellschaft stützt. Nun enthalten die Zuschriften des Herrn Professor Borei keine nähern Angaben über den oder die Reflektanten, von denen die besonders günstige Offerte herrührt, und in einem Schreiben vom 1. Juli 1910 an das Eisenbahndepartement, das ihm die seinerzeit von der Aufsichtsbehörde gestellten Begehren technischer Natur in Erinnerung gebracht hatte, antwortete der Herr Liquidator mit wenigen Worten, dass er nach genommener Rücksprache mit dem ersten Beamten der Bahngesellschaft keine Einwendungen gegen die gemachten Vorbehalte erhebe. Mit dieser Antwort sind aber die technischen Fragen, die vom Eisenbahndepartement aufgeworfen wurden, keineswegs gelöst und auch über die Garantien, die der nicht einmal dem Namen nach bekannte zukünftige Rechtsnachfolger der Linksufrigen Vierwaldstätterseebahn für die Erstellung der Bahn bieten könnte, wird nicht die geringste Auskunft erteilt. Bei dieser unklaren Sachlage kann nach unserem dafürhalten die Fristverlängerung nicht gewährt werden.

In bezug auf die von Herrn Professor Borei geltend gemachten Billigkeitsrücksichten zugunsten der Gläubiger der Bahngesellschaft ist zu bemerken, dass die Linksufrige Vierwaldstätterseebahn seinerzeit
in nicht einwandfreier Weise ohne Wissen der Aufsichtsbehörde und ohne nur ein Pfandbestellungsbegehren eingereicht zu haben, Obligationen mit Pfandrecht im L Range ausgegeben hat. Es kann nun nicht Aufgabe der Bundesbehörde sein, bei

095

der gegenwärtigen unklaren Sachlage und ohne dass für die Konstituierung einer neuen, über ausreichende Mittel verfügende Gesellschaft irgend ein Anhaltspunkt vorliegt, durch Gewährung einer Fristerstreckung und Ausdehnung der Konzession dafür zu sorgen, dass die Obligationäre, welche die fraglichen Titel auf ihre Gefahr hin angekauft haben, wieder zu ihrem Gelde gelangen.

Geht nun die Konzession der Bahn Alpnachstad-Altdorf infolge der Verweigerung der Fristverlängerung unter, so soll damit die in Frage kommende Gegend natürlich nicht jede Aussicht auf Verwirklichung einer Bahnverbindung verlieren. Sobald ein neues Initiativkomitee oder eine neue Gesellschaft die Angeigenheit ernst an Hand nimmt, wird die Frage der Erteilung einer Konzession, sei es für eine direkte Bahn von Luzern über Stans nach Altdorf oder für die Linie Alpnachstad-Altdorf (Brünig-Gotthard), wieder geprüft werden können.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend Abweisung des Fristverlängerungsgesuches des Herrn Professor Borei zur Annahme empfehlen, benützen wir auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 16. September 1910.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Buchet.

Der I. Vizekanzler: David.

596

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Ablehnung eines Gesuches um Fristverlängerung für eine schmalspurige Eisenbahn von Alpnachstad nach Altdorf.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. zweier Eingaben des Herrn Prof. Dr. Borei in Genf, vom 4. November und 6. Dezember 1909 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 16. September 1910, beschliesst: 1. Das Gesuch um Verlängerung der durch Bundesratsbeschluss vom 28. Juni 1907 (B. A. 8. XXÏÏI, 142) erstreckten Frist zur Einreichung der technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Gesellschaftsstatuten, für eine schmalspurige Eisenbahn von Alpnachstad nach Altdorf wird abgewiesen.

2. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Verweigerung der Fristverlängerung für eine schmalspurige Eisenbahn von Alpnachstad nach Altdorf. (Vom 16. September 1910.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1910

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

38

Cahier Numero Geschäftsnummer

77

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.09.1910

Date Data Seite

590-596

Page Pagina Ref. No

10 023 900

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.