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Bundesratsbeschluss über

den Rekurs des Eduard Bucher, Kaminfeger in Cham, gegen einen Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zug, betreffend die Ausübung des Kaminfegerberufes.

(Vom 15. März 1897.)

Der schweizerische Bundes rat hat * über den Rekurs des Eduard B u c h e r , Kaminfeger in Cham, gegen einen Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zug, betreffend die Ausübung des Kaminfegerberufes, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: 1. E. Bucher stellte im April 1896 beim Einwohnerrat Cham, gestützt auf beigebrachte Ausweise, das Gesuch, es möchte ihm gemäß den bestehenden Vorschriften die Ausübung seines Berufes als Kaminfeger in der dortigen Gemeinde gestattet werden. Die Gemeindebehörde lehnte das Begehren mit dem Bemerken ab, sie sei mit dem angestellten Kaminfeger zufrieden und habe keinen Grund, ihn beiseite zu schieben.

2. Mit Beschwerde vom 6. Mai 1896 rekurrierte Bucher gegen den Bescheid des Einwohnerrates an den Regierungsrat des Kan-

1000 tons Zug, indem er ausführte, er habe nie bezweckt, den ersten Kaminfeger beiseite zu schieben ; er verlange nur, seinen Beruf mit dem gleichen Rechte ausüben zu können, wie der von der Gemeinde angestellte Kaminfeger ; kein Gesetz und keine Verordnung verbiete dies und könne es verbieten, ohne den Grundsatz der Gewerbefreiheit zu verletzen.

3. Der Regierungsrat wies den Rekurs durch Schlußnahme vom 7. Oktober 1896 ab, gestützt auf folgende Erwägungen: Das Kaminfegergewerbe ist nicht als ein freies zu betrachten, dessen Ausübung, unabhängig vom "Willen der die Feuerpolizei handhabenden Behörde, jedem Befähigten zustände. Den Kantonen ist durch Art. 31, litt, e, B.-V. gestattet, der unbedingten Gewerbefreiheit gewisse Schranken zu setzen. Wie aber die Bundesbehörden mehrmals erkannt haben, sind die kantonalen Behörden namentlich befugt, im Interesse der Feuersicherheit die nötigen Maßregeln zu treffen.

Eine derartige Verfügung enthält die zugerische FeuerpolizeiVerordnung, welche bestimmt, daß die Ausübung des Kaminfegerberufes nicht jedem hierzu Befähigten, sondern nur demjenigen zustehe, welcher vom Einwohnerrate des Ortes nach freiem Ermessen hierzu gewählt worden ist. Der Kaminfeger ist infolgedessen ein verantwortlicher Beamter niederer Ordnung der Gemeinde, und es ist gänzlich ins Befinden eines Einwohnerrates gelegt, einen einzigen oder mehrere Kaminfeger anzustellen.

4. Gegen diesen Entscheid hat Advokat A. Bossard in Cham mit Eingabe d. d. 31. Oktober 1896 namens des E. Bucher den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrat ergriffen. Er beantragt, der Bundesrat wolle erklären, daß die freie Ausübung des Kaminfegerberufes durch Art. 31 der Bundesverfassung garantiert sei, sofern der Kaminfeger den örtlichen Polizeiverordnungen unklagbar nachkomme.

Zur Unterstützung dieses Begehrens bringt die Rekursschrift im wesentlichen folgendes vor : Der Rekurrent hat den Vorschriften der Zuger Feuerpolizeiverordnung (§§ 64--70) .durch den Nachweis, daß er seines Berufes kundig ist, und durch das Anerbieten des Gelöbnisses, daß er seine Berufspflichten gewissenhaft erfüllen wolle, Genüge gethan.

Der Einwohnerrat hat allerdings die Bewilligung zur Ausübung dieses Berufes zu erteilen ; er darf sie aber nicht verweigern, wenn der Gesuchsteller des Gewerbes ,,wohl kundig" ist und ,,in gutem Rufe11 steht. Wenn auch nicht jede Ordnung der Gewerbe eine

1001 Beeinträchtigung des Grundsatzes des Art. 31 B.-V. bedeutet, so muß doch daran festgehalten werden, daß jedermann unter gleichen Verhältnissen und Garantien ein Gewerbe ergreifen und betreiben kann. Dem Rekurrenten wird nun aber die Ausübung seines Berufes in Cham durch den Beschluß des Gemeinderates unmöglich gemacht. Es liegt außerdem im Interesse des Publikums, unter mehreren Arbeitern wählen zu können, und in der Regel arbeitet der Berufsmann auch besser, wenn er Konkurrenz neben sich hat.

Auch ist nicht zu beklagen, wenn mehrere M e i s t e r in Konkurrenz arbeiten, statt daß ein einziger Meister durch G e s e l l e n oder durch L e h r b u b e n die Arbeit besorgen läßt. Jede Einschränkung der Gewerbefreiheit, welche nicht durch ein öffentliches Interesse bedingt ist, erscheint als eine Verfassungsverletzung.

5. In seiner Vernehmlassung vom 18. Dezember 1896 erklärt der Regierungsrat des Kantons Zug, an der in seinem Rekursentscheide niedergelegten Auffassung festhalten zu müssen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung gestattet den Kantonen über die Ausübung von Gewerben Verfügungen za treffen, die den Grundsatz der Handels- und Grewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen.

Es wurde stets anerkannt, daß solche Einschränkungen insoweit erlaubt seien, als sie durch Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit geboten erscheinen.

Das Kaminfegergewerbe bedarf nun zweifelsohne einer eingehenden polizeilichen Regelung im Interesse der Feuersicherheit ; es würde indessen gegen die Gewerbefreiheit verstoßen, wenn die freie Ausübung des Gewerbes über das Maß des Notwendigen eingeschränkt werden wollte.

n.

Die Feuerpolizeiverordnung des Kantons Zug beschränkt sich nicht darauf, von den Kaminfegern den Ausweis über bestimmte persönliche Eigenschaften zu verlangen und die Ausübung ihres Gewerbes in zweckmäßiger Weise zu regeln und unter Kontrolle zu stellen ; sie macht, wie der Regierungsrat ausführt, das Kamin-

1002 fegergewerbe zu einer Beamtung niederer Ordnung; die Kaminfeger werden von den Gemeinden, wie andere Beamte, gewählt.

Zur Rechtfertigung dieser Ordnung der Dinge erklärt der Regierungsrat des Kantons Zug, die Feuersicherheit erheische eine derartige schützende Maßregel, und beruft sich dabei auf den Bericht der ständerätlichen Kommission über die Geschäftsführung des Bundesrates im Jahre 1874. Anläßlich eines bundesrätlichen Entscheides über einen analogen Rekursfall wird dort gesagt : ,,Bei Apotheken, bei der Kaminfegerei z. B. ist indessen doch sehr die Frage, ob nicht gesundheitliche und polizeiliche Gründe gegen den absoluten Grundsatz freier Konkurrenz in der Zahl der Gewerbetreibenden sprechen. "· Die Kommission fügt dann aber bei, was die Regierung des Kantons Zug unterlassen hat anzuführen : ,,Dagegen scheint aber gerade der Schlußsatz des erwähnten Art. 31 der Verfassung zu sprechen; denn die ,,Nichtbeeinträchtigung der Gewerbefreiheit" will wohl namentlich den Grundsatz retten, daß jeder unter gleichen Verhältnissen und Garantien ein Gewerbe ergreifen und betreiben dürfe, daü also die Berufsausübung nicht durch eine bestimmte Maximalzahl von Konkurrenten begrenzt werden dürfe" (Bundesbl. 1875, III, 119).

Die ständeriitliehe Kommission sprach demgemäß 1875, den Wunsch aus, der Bundesrat möchte seine Entscheidung nicht als maßgebendes Präjudiz betrachten.

III.

Durch Beschluß des Bundesrates vom 11. Dezember 1874 war ein gegen die Kaminfegerordnung von Basel-Stadt gerichteter Rekurs abgewiesen worden, trotzdem dieser Kanton das Kaminfegergewerbe als ein nur einer beschränkten Zahl von Personen zu übertragendes Amt organisiert hatte. Die Regierung von BaselStadt hatte diese Maßregel damit begründet, daß bei der freien Konkurrenz ein Kaminfeger dem andern seine Kunden zu entziehen suche und daß dabei oft der Zudringliche und Unverschämte dem Gewissenhaften den Rang ablaufe ; wie sie bemerkte, haben damals gerade die besseren Kaminfeger verlangt, daß der Staat, wenn er mehr, als die einfache Erfüllung ihres Gewerbe von ihnen verlange und ihnen zugleich ziemlich niedrige Taxen vorschreibe, sie auch vor illoyaler Konkurrenz schütze.

Eine sichere Kontrolle, führte die Regierung aus, sei nur möglich, wenn die Arbeiten in einem und demselben Hause nur e i n e m Kaminfeger übertragen werden dürfen, welcher für genaue

1003 Arbeit verantwortlich sei. Aus den im Interesse des Publikums festgesetzten niederen Taxen, aus dem großen den Kaminfegern auferlegten Pflichtenheft, aus der Kontrolle, welcher der Beruf ·unterstellt sei, und aus den bei Zuwiderhandlungen ihn treffenden Strafen gehe zur Genüge hervor, daß dieser Beruf nicht unter den allgemeinen Begriff der Freiheit des Handels und der Gewerbe in dem Sinne fallen könne, als ob jeder Befähigte auf dessen Ausübung Anspruch hätte.

Diese Ausführungen sind auch heute noch beachtenswert, sie dürfen indessen nicht ohne erneuerte Prüfung als richtig anerkannt werden ; denn sie fordern unter verschiedenen Gesichtspunkten die Kritik heraus.

IV.

Der Grundsatz der Gewerbefreiheit, wie er bisher stets ausgelegt wurde, verbietet nicht, die Ausübung eines Gewerbes mit allen durch die öffentliche Sicherheit erforderten Garantien zu umgeben; er verhindert insbesondere nicht, daß von den Gewerbetreibenden selbst ein Ausweis über persönliche Tüchtigkeit verlangt und daß ihnen bei der Ausübung ihres Berufes im Interesse des Publikums ein bestimmtes Verhalten zur Regel gemacht werde.

Dagegen würde es gegen den Grundsatz des Art. 31 selbst verstoßen, wenn, ohne absolute Notwendigkeit, nicht jedermann unter gleichen Umständen ein Gewerbe ausüben könnte. Es fragt sich daher, ob eine gute Feuerpolizei nicht anders erreichbar ist, als durch vollständigen Ausschluß der freien Konkurrenz im Kaininfegergewerbe.

Die öffentliche Feuersicherheit läßt eine Überwachung des Kaminfegergewerbes in zweifacher Hinsicht als angezeigt erscheinen : einerseits in der Richtung, daß die Kamine in allen Häusern und in regelmäßigen Zeiträumen gereinigt werden, und andererseits darin, daß diese Arbeit mit der nötigen Sorgfalt ausgeführt werde.

In der ersterwähnten Beziehung lehren die in andern Gemeinwesen gemachten Erfahrungen, daß ohne Beschränkung der Zahl der Kaminfeger eine genügende und ebenso sichere Kontrolle möglich ist, wie beim Ausschluß der freien Konkurrenz.

Wenn die Kaminfeger verpflichtet werden, alle von ihnen ausgeführten Berufsarbeiten mit dem Datum der Vornahme den Aufsichtsbehörden zur Kenntnis zu bringen, wie dies z. B. in der Stadt Bern und etwas abweichend in Zürich geschieht, so ist es für die Behörden ein Leichtes, sich durch Vergleichung dieser

1004 Angaben mit einem Häuserverzeichnis zu vergewissern, ob in allen Häusern die Kaminreinigungen mit der vorgeschriebenen Regelmäßigkeit besorgt -werden.

Was sodann die gewissenhafte Ausführung der Kaminfegerarbeiten betrifft, so leistet die beste Gewähr hierfür die persönliche Eignung der Kaminfeger : eine gründliche Berufsausbildung und die Zuverlässigkeit des Charakters. Eine weitere Gewähr liegt in der dem Publikum gegebenen Möglichkeit, sich über nachlässige Kaminfeger bei den kontrollierenden Organen zu beschweren.

Daß das System der Ausschließung der freien Konkurrenz einen besonderen Ansporn zu sorgfältiger Arbeit enthalte, ist nicht einzusehen. Allerdings wird der Kaminfeger, dem von Obrigkeits wegen ein bestimmtes Arbeitsgebiet zugewiesen wird, nicht versucht sein, um seine Kunden und seinen Gewinn zu mehren, die Arbeit möglichst rasch und infolgedessen oberflächlich zu erledigen ; allein es wird ihm auch der Antrieb dazu fehlen, seine Kunden möglichst zu befriedigen, da er nicht zu befürchten hat, daß dieselben die Reinigung ihrer Schornsteine einem Konkurrenten übertragen werden.

Diese Garantien für die gewissenhafte Ausübung des Kaminfegerberufes sind allerdings bloß moralischer Natur ; eine vollständige Sicherheit, daß die den Kaminfegern übergebenen Arbeiten wirklich sorgfältig ausgeführt werden, kann nur die Kontrollierung der Arbeit durch Sachverständige geben. Die Erfahrung muß jeweilen lehren, inwieweit eine solche Kontrolle notwendig ist. Es ist aber einleuchtend, daß die Kontrolle nicht dadurch überflüssig gemacht werden kann, daß man den Kaminfeger zu einem Beamten stempelt.

Daß die Ausübung der Kontrolle durch die Freigebung des Berufes in keiner Weise ·gehindert wird, bedarf kaum eines Nachweises.

V.

Nach alledem kann nicht angenommen werden, daß die Umwandlung des Kaminfegerberufes in ein öffentliches Amt durch das öffentliche Interesse der Feuersicherheit geboten sei; ist aber dies nicht der Fall, so kann ein solcher Eingriff in den Grundsatz der Gewerbefreiheit nicht als gerechtfertigt und nicht als zulässig erscheinen.

1005 Demnach wird beschlossen: 1. Der Rekurs ist begründet.

2. Die Regierung des Kantons Zug wird eingeladen, dafür zu sorgen, daß dem Rekurrenten nach Maßgabe vorstehender Erwägungen die Bewilligung zur Ausübung seines Berufes in Cham erteilt werde.

B e r n , den 15. März 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. I.

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Bundesratsbeschluss über den Rekurs des Eduard Bucher, Kaminfeger in Cham, gegen einen Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zug, betreffend die Ausübung des Kaminfegerberufes. (Vom 15. März 1897.)

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17.03.1897

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999-1005

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