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Bundesratsbeschluss betreffend

die Beschwerden der Spirituosenhändl Joseph Longoni in Herisau, Emil Ebneter & Cie. in Appenzell, N. Bloch & Cie. in Bern, Adolf Lang in Ilanz und Hermann Brenner in Weinfelden, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit.

(Vom 28. Juni 1910.)

Der schweizerische hat

Bundesrat

über die Beschwerden der Spirituosenhändler J o s e p h L o n g o n i in Herisau, E m i l E b n e t e r & Cie. in Appenzell, N. B l o c h & Cie. in Bern, A d o l f L a n g in Ilanz und H e r m a n n B r e n n e r in Weinfelden, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit, .

auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluss gefasst: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Am 5. Februar 1909 hatte der Regierungsrat des Kantons Wallis verfügt, dass die Firma F. Muraour & Cie., Spirituosenhandlung in Genf, wenn sie gebrannte Wasser nach dem Kanton Wallis verkaufen wolle, ein Patent dieses Kantons lösen müsse.

279 Daraufhin löste die genannte Firma^ um in ihren Geschäften keine Störung eintreten zu lassen und um Bussverfügungen zu vermeiden, unter ausdrücklicher Wahrung ihrer Rechte für einen bei den Bundesbehörden zu erhebenden Rekurs ein Patent für 6 Monate gegen Bezahlung einer Gebühr von Fr. 50. Mit Eingabe vom 2. März 1909, also innert der gesetzlichen Frist von 60 Tagen, beschwerte sie sich daraufhin wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit beim Bundesrat. Der Bundesrat hiess die Beschwerde am 11. Mai 1909 gut und lud die Regierung des Kantons Wallis ein, der Rekurrentin die bezahlte Patentgebühr von Fr. 50 zurückzuerstatten. (Vgl. Bundesbl. 1909, 111, S. 316--320.)

II.

Gestützt auf diesen Entscheid des Bundesrates verlangten die Spirituosenhändler Joseph Longoni in Herisau, Emil Ebneter & Cie. in Appenzell, N. Bloch & Cie. in Bern, Adolf Lang in Ilanz und Hermann Brenner in Weinfelden vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen die Rückerstattung der von ihnen für die Jahre 1906 bis 1909 bezahlten Patentgebühren. Mit Beschluss vom 4. März 1910 (den Rekurrenten zugestellt am 8. März 1910) hat der Regierungsrat dieses Verlangen abschlägig beschieden.

III.

Mit Eingabe vom 4. Mai 1910 gelangen die genannten Spirituosenhändler mit dem Begehren an den Bundesrat, ,,es sei der Regierungsrat von St. Gallen zu verhalten, den Reklamanten die ihnen in ungesetzlicher Weise und verfassungswidrig abgenommene Taxe für Spirituosenreisende aus den Jahren 1906--1909 zu restituieren, soweit der Ausweis erbracht wird, dass die Reklamanten in ihrem Wohnortskanton gleichzeitig bereits Alkoholverkaufssteuer entrichtet haben".

Zur Begründung dieses Begehrens wird im wesentlichen ausgeführt: Die Rekurrenten seien in den Jahren 1906--1909 für ihren Kleinverkauf von gebrannten Wassern nach dem Kanton St. Gallen von der Regierung dieses Kantons zur Lösung eines Patentes verhalten worden, trotzdem sie für ihren Handel am Sitz des Geschäftes besteuert worden seien. In seinem Entscheid vom 11. Mai 1902 in Sachen Muraour & Cie. habe der Bundesrat erklärt, dass der Kleinhandel mit gebrannten Wassern nur von demjenigen Kanton besteuert werden dürfe, in dem sich der Sitz

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des Geschäftes oder eine Zweigniederlassung befinde. Gleichzeitig habe der Bundesrat grundsätzlich entschieden, dass verfassungswidrig erhobene Gebühren zurückzuerstatten seien. Die Weigerung des Kantons St. Gallen, den Rekurrenten die bezahlten Gebühren zurückzuerstatten, stehe mit dem Grundsatz der Handelsund Gewerbefreiheit im Widerspruch.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Die Firma Muraour & Cie. hat seinerzeit die ihr später zurückerstattete Patentgebühr von Fr. 50 nur unter ausdrücklicher Wahrung des Rückforderungsrechtes im Falle der Gutheissung der Beschwerde bezahlt und hat dann auch innert gesetzlicher Frist ihre Beschwerde bei der zuständigen Bundesbehörde eingereicht. Die Rekurrenten aber haben für die Jahre 1906--1909 vom Kanton St. Gallen entweder selbst Patente verlangt oder aber doch die ihnen gegen Erhebung einer Gebühr zugestellten Patente ohne Vorbehalt eingelöst. Es fragt sich, ob nicht schon die vorbehaltlose Bezahlung der Patentgebühr ein späteres Rückforderungsrecht ausschliesst. Allein diese Frage braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, denn der Bundesrat kann auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht eintreten. Seit der Erhebung der beanstandeten Patentgebühren durch den Kanton St. Gallen ist die gesetzliche Beschwerdefrist von 60 Tagen (Art. 190, 178 0. G.) längst verflossen.

Demgemäss wird erkannt: Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten.

B e r n , den 28. Juni 1910.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

·es-O^g.

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Bundesratsbeschluss betreffend die Beschwerden der Spirituosenhändler Joseph Longoni in Herisau, Emil Ebneter & Cie. in Appenzell, N. Bloch & Cie. in Bern, Adolf Lang in Ilanz und Hermann Brenner in Weinfelden, betreffend Verletzung der Handels- und ...

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06.07.1910

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