231

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Bericht des

schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1909.

(Vom 1. März 1910.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Gemäss Art. 47 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege beehren wir uns, Ihnen über unsere Amtstätigkeit im Jahre 1909 folgendes zu berichten :

A. Allgemeines» Herr Bundesrichter Dr. Adam Gysin hat sich im Laufe des Jahres aus Gesundheitsrücksichten genötigt gesehen, seine Entlassung zu nehmen. Wenige Monate später unterlag er, noch in der Vollkraft seiner Jahre, einer auf Überanstrengung zurückzuführenden Krankheit. An seiner Stelle wurde zum Mitglied des Gerichtes gewählt Herr Dr. Emil Kirchhofer, von Schaffhausen, welcher seit 1903 deutscher Bundesgerichtsschreiber gewesen war.

Herr Bundesrichter Dr. Kirchhofer trat in die II. Abteilung ein ; ebenso Herr Bundesrichter Dr. Reichel. Letzterer wurde als Mitglied der HI. Abteilung ersetzt durch Herrn Bundesrichter Dr.

Jaeger, welcher zugleich das Präsidium dieser Abteilung übernahm.

232

Herr Nationalrat Dr. Lutz-Müller war genötigt, gesundheitshalber seinen Rücktritt als Suppléant des Bundesgerichts zu nehmen.

Die Bundesversammlung wählte zu seinem Nachfolger Herrn Ständerat Adalbert Wirz, Landammann in Samen.

Herr Dr. Huber, bis dahin deutscher Bundesgerichtssekretär, wurde zum Bundesgerichtsschreiber und Kanzleivorstand ernannt.

Die Herren Dr. Hermann Becker, Kantonsgeriehtsschreiber in St. Gallen, und Advokat Dr. Raoul Huguenin, von Le Locle und Genf, in Bern, wurden zu deutschen Bundesgerichtssekretären ernannt.

Herrn Eaoul Houriet, der mehrere Jahre französischer Sekretär gewesen war, ernannte die ägyptische Regierung zum Mitglied des internationalen Gerichtshofes in Kairo. Sein Nachfolger ist noch nicht gewählt worden.

Herr Advokat Dr. Emil Thilo, von Lausanne, ist an Stelle des Herrn Dr. Eugène Vuilleumier, der zum Mitgliede des waadtländischen Kantonsgerichtes gewählt wurde, zum französischen Bundesgerichtssekretär ernannt worden.

Im Bestände des Kanzleipersonals traten verschiedene Änderungen ein.

Wir haben in erster Linie den Rücktritt des Herrn Paul Schreiber zu erwähnen, der aus Gesundheits- und Altersrücksichten nach 35jährigen treuen Diensten um die Entlassung von seinem Amte als Archivar und Registratur eingekommen ist. Zu seinem Nachfolger wurde ernannt Herr Gottlieb Duttweiler, der im Jahre 1875 bei der Konstituierung des Gerichts als Kanzlist in dessen Dienst getreten war.

Herr Hans Suter, seit 1901 Kanzlist, wurde zum Unterregistrator ernannt.

Herr Emil Suter, von Lengnau (Aargau), ersetzte ihn als Kanzlist. Als solcher wurde ferner gewählt Herr Emil Läng, von Utzenstorf (Bern), und als Kanzleigehülfe Herr Fritz Moser, von Basel.

Die neu geschaffene Hauswartstelle wurde während einiger Monate von Herrn François Wuillemin, von Courgevaux, bekleidet, der jedoch seinen Rücktritt genommen hat. Gegenwärtiger Inhaber der Stelle ist Herr Louis Krebs, von Rüeggisberg (Bern).

Das Gericht erliess ein Reglement betreffend die Kompetenzen des Archivars und Registrators, einerseits, und des Unterregistrators, anderseits; ferner ein Reglement über die Obliegenheiten des

233 Kassiers und Buchhalters, der zugleich Material Verwalter ist. Als solcher wurde bezeichnet Herr François Petitmaître, bis dahin Materialverwalter.

Ein weiteres Reglement betrifft die Pflichten der Weibel, des Hauswartes und des Heizers.

Mit dem im Laufe des Jahres installierten neuen Heizungssystem können wir uns durchaus befriedigt erklären.

Das Justiz- und Polizeidepartement hat uns den Entwurf einer Verordnung über die Entschädigungen für die Mitglieder und namentlich die Aktuare der eidgenössischen Schätzungskommissionen zur Begutachtung zugestellt. In unserer Vernehmlassung haben wir an dem Standpunkte festgehalten, den wir im Jahre 1908 in unserer Korrespondenz mit dem Departement eingenommen hatten.

Eine wichtige Angelegenheit beschäftigt seit 2 Jahren unser Gericht und speziell die mit ihrer Vorbereitung betraute Kommission, nämlich die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege, die durch das baldige Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches bedingt wird.

Eine neungliedrige Kommission hatte schon im Jahre 1908 ein dem Bundesrat zu unterbreitendes Gutachten vorbereitet; wie wir Ihnen aber bereits mitgeteilt haben, gestattete der Stand der Arbeit am Schlüsse des Jahres 1908 noch nicht, die betreffenden Anträge dem Plenum des Bundesgerichts vorzulegen. In einem vom 16.

März 1909 datierten Gutachten haben wir nun unsere Ansichten und Wünsche dargelegt. Von der Voraussetzung ausgehend, dass dieses Gutachten den eidgenössischen Räten unterbreitet werden wird, nehmen wir von einer Wiedergabe desselben hier Umgang.

Seinerseits hat das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement Herrn Bundesrichter Dr. Jaeger beauftragt, ihm einen bezüglichen Gesetzesentwurf mit Motiven vorzulegen. Dieser Entwurf ist uns zur Begutachtung zugestellt worden. Die betreffende Spezialkommission hat sich mit der Vorbereitung unserer Vernehmlassung beschäftigt. Diese wird in den ersten Wochen des Jahres 1910 eingereicht werden.

Schon im Jahre 1908 haben wir dem Bundesrat unsere Wünsche in bezug auf die mit der Neuorganisation zusammenhängende Baufrage mitgeteilt. Es steht fest, dass das Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches eine Vermehrung der Richter und des Personals zur Folge haben wird. Schon jetzt sind die uns zur Verfügung stehenden Lokalitäten kaum hinreichend und für gewisse

234

Dienstzweige sogar durchaus ungenügend. Eine Änderung ist daher sowieso nötig. Denkbar sind zwei Lösungen : die Erweiterung des gegenwärtigen Gebäudes beziehungsweise der Bau zweier Flügel oder Pavillons, einerseits, und der Bau eines neuen Gebäudes, dessen Dimensionen den neuen Bedürfnissen entsprechen würden, anderseits. Die Behörden des Kantons Waadt und der Gemeinde Lausanne haben sich gleich von Anfang an der zweiten Lösung günstig gezeigt und haben sich auch bereits an die Arbeit gemacht, um eine Einigung mit den eidgenössischen Behörden herbeizuführen. Nachdem verschiedene Konferenzen stattgefunden haben, erlauben wir uns, uns ebenfalls zu gunsten der Errichtung eines neuen Gebäudes auszusprechen. Die uns dabei leitenden Erwägungen werden demnächst dem Bundesrate mitgeteilt werden.

Die Anzahl der im Jahre 1909 erledigten Prozesse beträgt 1567, gegenüber 1611 im Vorjahre. Die kleine Differenz rührt hauptsächlich von den Expropriationen her, deren Zahl sich im Berichtsjahre auf 448, gegenüber 599 im Vorjahre, beläuft, während im Gegenteil die Berufungen (369 gegenüber 361), die staatsrechtlichen Rekurse (439 gegenüber 382) und die betreibungsund konkursrechtlichen Beschwerden (250 gegenüber 195) zugenommen haben.

Die Anzahl der neu eingegangenen Zivilgeschäfte exklusive Expropriationen ist, mit 420 gegenüber 384, merklich in Zunahme begriffen; ebenso diejenige der neu eingegangenen betreibungsund konkursrechtlichen Beschwerden, mit 250 gegenüber 196.

Ende 1908 waren 529 Geschäfte zu erledigen geblieben.

Ende 1909 waren es deren nur 391. Die Differenz zu gunsten des Berichtsjahres beträgt somit 138 Fälle.

Die Gesamtzahl der Sitzungen beläuft sich im vergangenen Jahre auf 231 (gegenüber 228 im Jahre 1908). Diese 231 Sitzungen verteilen sich wie folgt: Plenum 18 I. Abteilung 84 U.

,, : . . . . . . 82

m.

,,

42

Kassationshof Bundesstrafgericht Total

4 l 231

Ausserdem wurden vom Gerichte beziehungsweise vom Präsidium 480 Geschäfte auf dem Korrespondenzwege erledigt.

Statistik Über die Erledigungen von 1005 bis 1609,.

I. Zivilsachen: 1. Erst- und letztinstanzlich zu beurteilende Zivilsachen . . . .

2. Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte . .

3. Andere Zivilsachen . .

4. Rekurse in Expropriatioüssachen I I . Strafsachen . . . .

III. Staatsrechtlicht StreiBeschwerden betreffend das Schuldbetreibutigsund Konkurswesen .

V. Freiwillige Gerichtsbarkeit Total

47

28

W

34

26 301 3034 20 23

a

II 41

15

'S JS H

28

24 364 327 1 18 17

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24

1908

1909

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§ 60 CÖ

JÏ II

22

61 367 370 2 7 7

30

26

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1

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Neu eingegang

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Neu eingegang

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Neu eingegang

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Neu eingegang

Natur der Streitsticlien

1907

Neu eingegang

1906

1905

28

28

22

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58 340 361 2 18 19

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24

26

37 384 369 1 14 15

52

132 498 315 315 194 280 229 559 533 255 702 599 358 343 448 253 4 15 16 5 23 23 2 9 15 20 3 16 14 5 13 16 68 319 305

82 418 407

93 402 421

8 217 219

6 233 230

9 236 239

74 399 382

91 398 439

50

7 249 250

6

IV.

6 196

195

1 2 2 6 1 1 5 4 2 3 5 7 2 6 296 1399 1219 ·476 1262 1312 "426 1613 1608 431 1709 1611 529 1429 1567 391 2

236

II. Spezieller Teil.

1. Zivilrechtspflege.

Natur der Streitsache.

ÏB

Neu 1 eingegangen. |

Eine Übersicht über die Zivilsachen, mit denen das Bundesgericht im Jahre 1909 sich zu befassen hatte, gibt folgende Tabelle :

28

22

1s sf ?!

ja o> O -o

1. Erst- und letztinstanzlich zu beurteilende Zivilsachen 2. Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte 3 . Revisionsbegehren . . . .

4. Erläuterungsbegehren 5 . Kassationsbegehren . . . .

6 . Moderationsbegehren . . . .

7. Amortisationsbegehren 8. Rekurse in Expropriationssachen

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24

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37 384 421 369 52 1 5 6 6 -- 3 -- 3 3 -- 4 4 4 -- -- 1 1 1 -- -- -- 1 1 1 -- 358 343 701 448 253 424 763 1187 856 331

Ad 1. Vom B u n d e s g e r i c h t als e i n z i g e I n s t a n z zu beurteilende Zivilsachen.

Deren Spezifikation, sowie die Art der Erledigung ist aus nachstehender Tabelle ersichtlich:

^ o

1. Prozesse zwischen Korporationen oder Privaten als Klägern und dem Bund als Beklagten

1

2. Prozesse zwischen Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten anderseits .

7

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7

1

3. Anstände betreffend Heimatlosigkeit

5

6. Streitigkeiten aus dem Nebenbahnengesetz, vom 21. Dezember .1899

5

---

--

--

1

3

3

1

1 2

9

1 1 22 44

7. Streitigkeiten aus Art. 12, al. 6, des Bundesgesetzes betreffend die Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes, vom 15. Oktober 1897. . . . . . .

Übertrag

8

1

1

--

·§ H-

10 28

1

4. Streitigkeiten zwischen einer in Zwangsliquidation befindlichen Eisenbahngesellschaft und einem Gläubiger derselben 5. Klagen aus Art. 23 des Bundesgesetzes über die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten, vom 1. Mai 1850

! Auf 1910 11 | Übertragen. ||

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Klage 1] abgewiesen. II

Natur der Streitsache.

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Nichteintreten 1 wegen In- 1 kompetent etc. |

237

1

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6

238

»I |J ^*JS sss = t-> TMi-o> 3.2

Natur der Streitsache.

^»^01

««l Übertrag

9

8. Klagen aus dem Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromleitungen, vom 24. Juni 1902

--.

9. Prozesse, in welchen das Bundesgericht als vereinbarter Gerichtsstand angerufen wurde . ,, Total

-- 9

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3

5

26

50

Die sub Ziffern l, 2 und 9 erledigten Geschäfte betrafen folgende Materien: Ad 1. Fabrikhaftpflicht.

Ad 2. 12 Schadenersatz, 2 Erbschaftsanspruch, 2 Fischereirecht, l Wasserrecht, l Grundeigentum.

J.d 9. l Eisenbahnhaftpflicht, l Unfallversicherung.

Die beim Bundesgerichte als einziger Instanz anhängig gemachten Zivilsachen verteilen sich auf die Abteilungen und das Plenum folgendermassen : I.

II.

Abteilung. Abteilung. Plenum! Total.

Aus dem Jahre 1908 übertragen Im Jahre 1909 eingegangen .

10 8

17 14

l --

28 22

Total Im Berichtsjahr erledigt

18 9

31 15

l --

50 24

Auf 1910 übertragen .

9

16

l

26

239

Von den 26 nicht erledigten Fällen sind anhängig: l seit 1906, 9 seit 1908, die übrigen 16 sind im Berichtsjahre eingegangen.

Ad 2 . B e r u f u n g e n gegen U r t e i l e k a n t o n a l e r Gr e r Tc h t e.

Von den 369 erledigten Streitsachen betrafen durch das eidgenössische Recht geregelte Materien: Ehescheidung bezw. Eheeinsprache Eisenbahn- und Dampfschifihaftpflicht Fabrikhaftpflicht

34 17 25

Obligationenrecht : Gegenstand des Vertrages Schuldanerkennung Unerlaubte Handlungen Ungerechtfertigte Bereicherung Depositum Konventionalstrafe Konkurrenzverbot . . : Verrechnung Abtretung Schuldübernahme Eigentum Faustpfand Retentionsrecht Kauf Tausch Miete Pacht Darlehen Dienstvertrag Werkvertrag Auftrag

l 4 34 3 i 8 4 5 l 2 10 5 2 39 l 9 4 6 18 18 8 Übertrag

183

76

240

Übertrag Maklervertrag Bürgschaft Geschäftsführung Einfache Gesellschaft , Kommanditgesellschaft Kollektivgesellschaft Aktiengesellschaft Firmenrecht Genossenschaftsrecht Wechselrecht Lebensversicherung Unfallversicherung Versicherung gegen Diebstahl

183

76

2 5 1 3 3 l 3 3 l 2 l 9 l 218 2 12 6

Musterrecht Markenrecht Patentrecht Schuldbetreibungs- und Konkursrecht: Anfechtungsklage Andere Fälle

6 17

Haftung aus Starkstromgesetz Durch das kantonale u. ausländische Recht geregelte Materien Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich

23 3 28 l 369

Über die Art der Erledigung und die Herkunft der im Berichtsjahre behandelten Berufungen gibt die nachfolgende Tabelle Auskunft :

RUckwelsung an die kantonalejl Instanz.

Abgewiesen.

Ganz II oder teilweise gutgehelssen.

RUckzug oder Vergleich.

Kantone.

Nichieintreien.

241

?, 1 7 Aargau 9 Baselland 1 1 3 Baselstadt . . . .

3 3 9 Bern (deutsch) . . .

2 4 5 24 Bern (französisch) .

4 Freiburg 2 1 4 1 2 8 11 14 ?,5 Genf 1 Glarus Graubünden . . . .

2 3 5 6 -- 7 3 3 10 Luzern . . . .

Neuenburg . . . .

2 6 15 4 Nidwaiden . . . .

1 1 1 Obwalden . . . .

Schâffhausen . . .

2 1 3 -- Schwyz 2 1 ?, Solothurn 4 S t . Gallen . . . . 2 4 11 3 Tessin 1 1 5 7 Thurgau 8 -- 1 3 6 11 Waadt . . .

1 ?, 1 3 Wallis 1 1 ?, Zug Zürich 12 14 3 35 -- Total 54 62 63 188 2

2S

ÎÎ

<1 1 4

4 3 13 2 5 1 1 1 1 5 1 1 4 1 5 52

23 5 19 35 4 13 71 1 18 28 28 3 1 7 2 8 25 15 9 25 8 4 69 421

Die Gründe, aus welchen das Bundesgericht in 54 Fällen auf die Berufung nicht eingetreten ist, sind folgende : In 26 Fällen war das Bundesgericht nicht kompetent, weil kantonales, bezw. fremdes Recht anwendbar war; in 5 Fällen .ging die Berufung nicht gegen ein Haupturteil im Sinne des Organisationsgesetzes; in 10 Fällen mangelte es am gesetzlichen Streitwerte; in 9 Fällen war die Form des Rechtsmittels nicht gewahrt; bei 3 Geschäften war die Berufung verspätet, und in l Fall handelte es sich nicht um eine Zivilstreitigkeit.

Bundesblatt. 62. Jahrg. Bd. II.

16

242

In 43 von diesen 54 Fällen ist ein Referent nicht bestellt worden, sondern die Sache der betreffenden Abteilung direkt vom Präsidenten derselben vorgelegt worden.

Von den 63 Fällen, in welchen das kantonale Urteil ganzi oder teilweise abgeändert wurde, betrafen: 7 Ehescheidung; 9 Eisenbahnhaftpflicht; 5 Fabrikhaftpflicht; 34 Obligationenrecht (unerlaubte Handlungen 8, Konventionalstrafe 2, Sehuldübernahme l, Eigentum l, Kauf 3, Miete 3, Pacht l, Dienstvertrag 4, Werkvertrag 6, Auftrag 2, Aktienrecht l, Unfallversicherung 2); l Patentrecht; l Markenrecht; 6 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (3 Anfechtungsklagen, 3 andere Fälle).

63

2 Geschäfte sind zur Aktenvervollständigung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen worden.

Das s c h r i f t l i c h e V e r f a h r e n kam in 69 Fällen zur Anwendung.

Die Berufungen verteilen sich folgendermassen auf die beiden Abteilungen : L II.

Aus dem Vorjahre übernommen Neu eingegangen Total Im Berichtsjahre erledigt Auf 1910 übertragen

Abteilung

Abteilung

Total

29 306 335 290 45

8 78 86 79 7

37 384 421 369 52

Die 52 pendent gebliebenen Berufungen sind im Berichtsjahre eingegangen, und zwar: Je l in den Monaten Mai, Juni, Juli, August und September, 9 im Monat Oktober, 14 im Monat November, die übrigen 34 im Monat Dezember.

Ad 3. R e v i s i o n s b e g e h r e n . Von den 6 erledigten Revisionsbegehren waren 4 bei der L, 2 bei der II. Abteilung anhängig. 4 wurden abgewiesen, l wurde zurückgezogen und auf l wurde nicht eingetreten.

243 Ad 4. E r l ä u t e r u n g s b e g e h r e n . Von den 2 bei der I. Abteilung hängig gewesenen Erläuterungsbegehren wurde l abgewiesen, auf das andere wurde nicht eingetreten ; ein drittes, bei der II. Abteilung eingereichtes, wurde gutgeheissen.

Ad 5. K a s s a t i o n s b e g e h r e n . 2 wurden gutgeheissen, l wurde zurückgezogen und auf l wurde nicht eingetreten; alle 4 waren bei der I. Abteilung anhängig.

Ad 6. M o d e r a t i o n s b e g e h r e n . Das einzige Begehren dieser Art, von der I. Abteilung zu behandeln, wurde zurückgezogen.

Ad 7. A m o r t i s a t i o n s b e g e h r e n . Dieses in die Kompetenz der I. Abteilung fallende Begehren wurde abgewiesen.

Ad 8. R e k u r s e in E x p r o p r i a t i o n s s a c h e n .

Die 448 erledigten Geschäfte verteilen sich folgendermassen auf die Exproprianten : Bundesbahnen : Kreis I Kreis II Kreis III Kreis IV Eisenbahngesellschaften : Seetalbahn Thunerseebahn Rhätische Bahn Berninabahn Rhätische Bahn und Berninabahn Bodensee-Toggenburg Stansstad-Engelberg Biasca-Acquarossa Martigny-Orsières Lugano Tramway Montreux-Oberland Interlaken-Harder Jungfraubahn St. Gallen, Politische Gemeinde

36 42 28 23

Übertrag

54 5 8 4 2 25 l 29 126 2 2 l 3 8 399

244

Eisenbahngesellschaften : Genève- Veyrier Monthey-Champéry-Morgins Emmentalbahn Glion-Rochers de Naye Neuchâtel-Chaumont Sierre-Vermala-Montana Elektrizitätswerke : Zürich Kander- und Hagnekwerke Neuchâtel Beznau-Löntsch Aare- und Emoienkanal Postgebäude in Lugano Gemeinde Churwalden für Schiessplatz

Übertrag 399 l 8 . . .

l . .

l l 8 16 l l 2 6 2 l 448

Art der Erledigung: Rückzug oder Gegenstandslosigkeit des Rekurses . . . 43 Vergleich 13 Annahme des Urteilsantrages 381 Urteil des Bundesgerichtes : a . Abänderung d e s Urteilsantrages . . . .

l b. Bestätigung des Urteilsantrages . . . . 10 -- 11 448

Von den auf 1910 übertragenen 253 Fällen stammen: 3 aus dem Jahre 1907, 56 aus dem Jahre 1908; die übrigen 194 sind im Berichtsjahre eingegangen (68 in der ersten, 126 in der zweiten Hälfte).

II. Strafrechtspflege.

a. Strafgericht.

Ein beim Bundesstrafgericht anhängig gemachter Fall wegen Übertretung des Zollgesetzes, welches Delikt auf dem Gebiete des Kantons Genf begangen wurde, führte zur Verurteilung des in Challex (Savoyen) wohnhaften Angeklagten. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

245

b. Kassationshof.

Beim Kassationshof waren anhängig 17 Geschäfte (5 von 1908 übertragen, 12 im Berichtsjahre neu eingegangen). Davon wurden erledigt 15, und zwar: durch Grutheissung d e r Kassationsbeschwerde . . . .

5 ,, Abweisung ,, ,, . . . . 7 ,, Nichteintreten, weil die im Gesetze vorgeschriebenen Formvorschriften nicht beobachtet wurden . .

l ,, Abstand l weil gegenstandslos geworden l 15 Als pendent auf 1910 wurden übertragen 2 T?

Von den 5 begründet erklärten Beschwerden richteten sich 4 gegen ein kondemnierendes, eine Beschwerde gegen ein freisprechendes Urteil.

Von den 15 erledigten Streitsachen betrafen: das Bundesgesetz betr. die Bahnpolizei 4 ,, ., über ,, Fischerei 2 ,, ,, betr. ,, Ertindungspatente . . . .

2 ., ,, ,, Fabrik- und Handelsmarken .

l v/ ,, ,, ., das Urheberrecht l ., ,, ,, ,, Transportwesen l ., ,, ,, die Auswanderungsagenturen . .

l ,, ., ,, ,, Arbeit in den Fabriken . . l ., ,, ,, ,, Viehseuchenpolizei . . . . 1 die Vorschriften betr. Reinigung und Desinfektion der zum Viehtransport verwendeten Eisenbahnwagen und Schiffe, vom 22. März 1907 l und gingen ein : aus dem Kanton Aargau l,

,, ,, .,, '.n

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,, ,, ,, ,,

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Bern

Luzern Neuenburg Solothurn Zürich

^5

2 l

4 4 2 _2 15

246

III. Staatsrechtliche Streitigkeiten.

Die im Jahre 1909 beim Bundesgerichte anhängig gewesenen staatsrechtlichen Streitigkeiten verteilen sich i h r e r N a t u r n tic h wie folgt:

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Natur der Streitsache

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1 . Streitigkeiten zwischen Kantonen 3 1 2 3 2. Auslieferungen ans Ausland -- 5 5 5 -- 3. Beschwerden von Privaten und Korporationen 91 384 475 427 48 4. Revisions- und Erläuterungsbegehren, Moderationen 6 -- 6 -- 6 91 398 489 439 50

Von den 50 auf 1910 übertragenen Geschäften rühren 2 aus dem Jahre 1907, 5 aus dem Jahre 1908 und die ändern 43 Fälle aus dem Berichtsjahre her. Die letztern gingen ein : 2 im Februar, l im Mai, 2 im Juni, l im Juli, l im August, 3 im September, 5 im Oktober, 8 im November und 20 im Dezember.

Ad 1. S t r e i t i g k e i t e n z w i s c h e n K a n t o n e n . Der im Berichtsjahre erledigte Fall betraf eine Streitsache zwischen den Kantonen Schwyz und Zürich aus dem Bundesgesetze über die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter.

Ad 2. A u s l i e f e r u n g e n ans A u s l a n d . Die 5 eingereichten und erledigten Auslieferungsbegehren wurden gestellt: 3 von Deutschland, l von Frankreich, l von Russland. In allen Fällen wurde die Auslieferung bewilligt. Sie wurden nachgesucht auf Grund folgender Delikte: wegen Unterschlagung (von Seite Deutschlands); wegen Sittlichkeitsverbrechen (von Seite Frankreichs); wegen Beraubung (von Seite Russlands); wegen Urkundenfälschung (von Seite Deutschlands); wegen Urkundenfälschung und Betrug (von Seite Deutschlands).

247

Ad 3. B e s c h w e r d e n von P r i v a t e n und K o r p o r a tionen gegen k a n t o n a l e V e r f ü g u n g e n und Erlasse.

Nach der N a t u r der als verletzt behaupteten Bestimmungen verteilen sich die 427 im Berichtsjahr erledigten Besehwerden wie folgt: a. Verletzung der Bundesverfassung 338 &.

^ von Bundesgesetzen 26 c.

,, von Kantonsverfassungen 46 d.

,, von Staatsverträgen 17 427

Ad a. Die 338 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g d e r B u n d e s v e r f a s s u n g betrafen folgende Bestimmungen derselben: Art. 4 (Rechtsverweigerung, Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze) 271 ^ 5 (Souveränität der Kantone) l '.n 31 (Gewerbefreiheit) 4 ,, 45 (Niederlassungsfreiheit) 5 ,, 46 (Doppelbesteuerung) 20 ,, 49/50 (Glaubens-und Gewissensfreiheit, Kultussteuern) 5 55 (Pressfreiheit) l ^ 58/59 (Gerichtsstand) 25 ,, 61 (Vollziehbarkeit rechtskräftiger Zivilurteile) .

3 .n H O 4 (Kompetenz des Bundesgeriehts in Zivilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten) . .

l ,, 2 u. 5 der Übergangsbestimmungen 2 338

Ad b. Die 26 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g von B u n d e s g e s e t z e n betrafen die Bundesgesetze über: die persönliche Handlungsfähigkeit 13 ,, zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und ·Aufenthalter 5 Schuldbetreibung und Konkurs 4 die Auslieferung von Verbrechern oder Angeschuldigten .

2 .n Oberaufsicht über die Forstpolizei l ,, Militärversicherung l 2«

248 Ad e. Die Beschwerden wegen Verletzung k a n t o n a l e n V e r f a s s u n g s r e c h t s beschränkten sich der Hauptsache nach auf die behauptete Verletzung der Eigentumsgarantie, sowie des Grundsatzes der Trennung der Gewalten.

Ad d. Von den 17 Beschwerden wegen Verletzung von S t a a t s v e r t r ä g e n betrafen : 12 den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich ; 2 die internationale Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht (Haager-Konvention) ; 2 die internationale Konvention zum Schütze des gewerblichen Eigentums ; l die internationale Übereinkunft betreffend den Eisenbahnfrachtverkehr.

17

249

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Aargau Appenzell A.-Rh. .

Appenzell I.-Rh.

Baselland Baselstadt Bern (deutscher Teil) Bern (französischer Teil) Freiburg Genf Glarus Graubünden Luzern Neuenburg Nidwaiden Obwalden Schaffhausen . . . .

Schwyz Solothurn St. Gallen Tessin Thureau . . .

.

Uri Waadt Wallis Zug Zürich . . .

2 -- -- 4 6 7 -- 4 2 2

2 1 -- -- -- 2 1 1 2

i 7 6 -- 2 2

1 2 1 -- -- 1

2 3 11 2 1 4 2

-- 3 1 -- 1

2 2 4

7

4

4

Total

77

23

59

--.

Abgewiesen 1

Kantone

n °1

Gutgeheissen 1

Nichteintreten 1

Aus der nachfolgenden Tabelle ist die H e r k u n f t d e r B e s c h w e r d e n von K o r p o r a t i o n e n und P r i v a t e n , nach Kantonen geordnet, und die Art ihrer Erledigung ersichtlich.

21 4 1 3 14 24 4 9

2

--- -- 4 3 7 --

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5

1 -- 1 1

5 2 2 !)42 1 1 2 13 2 17 4 4 -- 3 1 2 -- 1 1 1 8 7 3 8 -- 28 8 1 8 6 1 10 4 9 6 · 17

6 4 4 2 5 -- 2 -- -- 2 2 4

268

·i H

5^

32 6 1 12 24 45 7 22 1 )51 9 19 35 11 6 4 5 11 12 16 52 11 10 17 10 9 38

48

i ') Worunter eine Gruppe von 26 gleichartigen Rekursfällen.

475

250

In den 77 Fällen, in welchen auf die Beschwerde nicht «ingetreten wurde, waren die G r ü n d e des N i c h t e i n t r e t e n s folgende : Inkompetenz 22 Nichterschöpfung des Instanzenzuges 16 Verspätung 13 Nichtsubstanziierung der Beschwerde 12 Formmängel 8 Mangel d e r Legitimation z u r Beschwerdeführung . . . .

3 Gegenstandslosigkeit (zum Teil, weil sich die Besehwerde nicht gegen einen kantonalen Entscheid richtete) . . .

3

21 Nach der N a t u r der S t r e i t s a c h e bezogen sich die b e g r ü n d e t erklärten Beschwerden auf : Art. 4 der Bundesverfassung (Rechtsverweigerung) . .

., 45 ., .n (Niederlassung) . . .

,, 46 ,, (Doppelbesteuerung) . .

T/ ,, 58/59 ,, ,, (Gerichtsstand) . . . .

,, 61 ,, ,, (Vollziehung rechtskräftig e r Zivilurteile) . . .

.., 110* ,, ,, (Kompetenzen des Bundesgeriohts) ,, 5 der Übergangsbestimmungen (wissenschaftl. Berufsarten) Verletzung von Kantonsverfassungen das Bundesgesetz betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit das Bundesgesetz betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter den französisch - schweizerischen Gerichtsstandsvertrag . .

d i e Haager-Konvention über Zivilprozessrecht . . . . . .

59 17 2 7 9 l l Ì 7 6 2 5 l _59

In 106 Fällen, in welchen die Anhebung oder Veranlassung des Streites oder die Art der Prozessführung es rechtfertigten, wurde eine Gerichtsgebühr auferlegt (Art. 221, Abs. 2, O.-G.).

Überdies wurde gegenüber einem Anwalte, in Anwendung von Art. 39, Abs. l, O.-G., eine Ordnungsbusse ausgesprochen.

Gesuche um Erlass von provisorischen Verfügungen im Sinne von Art. 185 O.-G. gingen ein 70, wovon 31 bewilligt und 38 abgewiesen wurden; auf l Gesuch wurde nicht eingetreten.

251 2 Fälle gaben Anlass zum Meinungsaustausch mit dem Bundesrate über die Kompetenzfrage gemäss Art. 194 0.-G-.

Ad 4. Von den 6 erledigten Révisions-, E r l ä u t e r u n g s und M o d e r a t i o n s b e g e h r e n wurden 2 Revisionsbegehren abgewiesen; auf 3 Begehren wurde nicht eingetreten (in einem Falle unter Auferlegung einer Gerichtsgebühr und einer Ordnungsbusse) ; l Moderationsbegehren wurde begründet erklärt.

IV. Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen.

Nachdem bis und mit dem Jahr 1908 in sämtlichen Kantonen I n s p e k t i o n e n über die kantonalen Aufsichtsbehörden und Konkursämter stattgefunden hatten, wurde grundsätzlich beschlossen, diese Inspektionen fortzusetzen, jedoch auf diejenigen Kantone zu beschränken, bei denen sich anlässlich der erstmaligen Inspektion Mängel in der Anwendung des Gesetzes ergeben hatten. Im Berichtsjahre wurde eine einzige Inspektion im Kanton Wallis vorgenommen (kantonale Aufsichtsbehörde und Konkursämter Sitten, Martigny und St-Mauriee), welche gegenüber den frühem Konstatierungen Fortschritte ergab.

K r e i s s c h r e i b e n von allgemeiner Bedeutung wurden im Berichtsjahr zwei an die kantonalen Aufsichtsbehörden erlassen.

Das erste betrifft das Retentionsverfahren und weist die Betreibungsämter an, in analoger Anwendung der für das Arrestverfahren aufgestellten Bestimmungen dem Gläubiger, dessen Betreibung auf Pfandverwertung durch Rechtsvorschlag gehemmt wurde, auf Verlangen des Schuldners zur Anstellung der Klage auf Aufhebung des Rechtsvorschlages eine zehntägige Frist anzusetzen. Im Fall der Abweisung der Rechtsöffnung ist der Gläubiger aufzufordern, innert einer weitern Frist von zehn Tagen den ordentlichen Prozess anzuheben. Diese Fristen sind als Verwirkungsfristen in dem Sinn aufzufassen, dass bei Versäumung derselben die Retentionsurkunde mit allen ihren Wirkungen dahinfällt.

Das zweite Kreisschreiben ordnet in.Ergänzung eines frühem Zirkulars betreffend die Aufbewahrung der Betreibungs- und Konkursurkunden und in Anlehnung an einen Beschwerdeentscheid aus dem Berichtsjahr die Frage der Aufbewahrung der Geschäftsbücher des Kridaren durch die Konkursämter, welcher in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zukommt. (Vergi, diese

252

Kreisschreiben in der Separatausgabe der betreibungs- und konkursrechtlichen Entscheidungen Band 12, S. 133 f. und 345 f.")

Ausserdem wurde bei den Aufsichtsbehörden zweier Kantone, aus deren Jahresbericht hervorging, dass die Bildung von Pfändungsgruppen mancherorts durch Einzelbetreibung umgangen wird, darauf gedrungen, dass den gesetzlichen Vorschriften über die Gruppenbildung und die Eintragungen ins Gruppenbuch durchwegs Nachachtung verschafft werde.

Das vom Bundesrat im Jahr 1892 herausgegebene, in mehrfacher Beziehung revisionsbedürftige Verzeichnis der schweizer i s c h e n B e t r e i b u n g s - u n d K o n k u r s k r e i s e nebst Angabe der im Betreibungsgesetz vorgesehenen kantonalen Behörden wurde im Berichtsjahr auf Grund der von den kantonalen Regierungsräten eingeholten Angaben über den gegenwärtigen Rechtszustand einer vollständigen Revision unterzogen und ist zu Anfang des laufenden Jahres im Druck erschienen.

Nachdem auf Grund der vorgenommenen Inspektionen schon wiederholt auf die Wünschbarkeit der Einführung eines einheitlichen K o n k u r s p r o t o k o l l s hingewiesen worden war, in welchem aüe Konkurshandlungen und sonstigen Vorgänge des Verfahrens verurkundet würden, und eine bezügliche Anregungletztes Jahr auch im Nationalrat anlässlich der Behandlung des bundesgerichtlichen Geschäftsberichts geäussert worden war, wurden zunächst die wichtigeren Konkursämter um ihre Ansicht über die Art und Weise der Anlage eines solchen Protokolls angefragt.

Bei der Sichtung des eingelangten Materials hat sich der Kammer sodann die Überzeugung aufgedrängt, dass die Gelegenheit dazu benutzt werden sollte, für die Geschäftsführung der Konkursämter noch eine Reihe anderer einheitlicher Vorschriften aufzustellen, so namentlich auch die Rechnungsführung zu ordnen, welche mancherorts noch viel zu wünschen übrig lässt. Die Kammer hat daher beschlossen, die Ausarbeitung einer allgemeinen V e r ordnung über die Geschäftsführung der Konkursä m t e r an die Hand zu nehmen. Die weitern Verhandlungen fallen ins laufende Jahr.

In Vorbereitung befand sich zu Ende des Berichtsjahres ferner eine V e r o r d n u n g b e t r e f f e n d d i e P f ä n d u n g u n d V e r w e r t u n g v o n L e b e n s v e r s i c h e r u n g s a n s p r ü c h e n nach dem auf den Ì. Januar 1910 in Kraft getretenen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908. Der Erlass

253

einer solchen Verordnung hat sich angesichts der Schwierigkeit ·der Materie im Interesse der Praxis als notwendig erwiesen.

Zu erwähnen ist schliesslich, dass gemäss Beschluss des Gerichts die betreibungs- und konkursrechtlichen Entscheidungen nunmehr schneller veröffentlicht werden als zuvor und zu diesem .Zweck die S e p a r a t a u s g a b e der A m t l i c h e n S a m m l u n g der Gesamtausgabe vorgängig und in kürzeren Zwischenräumen als diese zur Herausgabe gelangt.

Von dem vorhandenen s t a t i s t i s c h e n M a t e r i a l ist im Berichtsjahr der Jahrgang 1902 im Druck erschienen und der Jahrgang 1903 verarbeitet worden; derselbe wird im laufenden Jahr publiziert werden.

Es bleiben jetzt nur noch die Ergebnisse des Jahres 1904 .zusammenzustellen und zu publizieren.

Die Gesamtzahl der im Berichtsjahr a n h ä n g i g e n R e k u r s e betrug 256 (d. h. 54 mehr, als im Vorjahr) ; davon waren aus ·dem Vorjahr übernommen 7, im Laufe des Jahres eingegangen 249. Erledigt wurden 250, so dass auf das Jahr 1910 übertragen wurden 6 Fälle.

Von den erledigten Beschwerden bezogen sich : 13 auf Reehtsverweigerung oder Rechtsverzögerung ; 2 auf Zahlungsbefehl; 5 auf Zustellung der .Betreibungsurkunden; 4 auf die Art der Betreibung; 3 auf Konkursbetreibung; 8 auf den Ort der Betreibung; 4 auf Rechtsvorschlag; 5 auf Rechtsöffnung; 1 auf Aufhebung bezw. Einstellung der Betreibung; 2 auf Wechselbetreibung; 5 auf Betreibung auf Pfandverwertung ; l auf Arrestbetreibung; 1 auf Rechtsnachfolge in die Betreibung; 6 auf Fortsetzung der Betreibung; 38 auf Pfändung, Vollzug derselben und pfändbare Gegenstände ; 21 auf Lohnpfändung; 2 auf Pfändung von Liegenschaften; l auf amtliche Verwahrnahme ; 122 Übertrag

254 122 Übertrag 6 auf Retentionsrecht ; 11 auf Eigentums- oder Pfandrechtsansprachen im Pfändungsverfahren ; 2 auf Eigentumsansprachen im Konkurs ; 2 auf Verwertungsverfahren; 13 auf Verwertung beweglicher Sachen oder Forderungen ; 22 auf Verwertung von Liegenschaften ; 2 auf Verwertung im Konkurs; 4 auf Kollokation und Verteilung im Pfandungsverfahren; 11 auf Kollokation und Verteilung im Konkurs; l auf Anweisung nach Art. 131 SchKG; 3 auf Konkurseröffnung ; 15 auf Konkursverfahren; 4 auf Abtretung von Masserechten nach Art. 260 SchKG; l auf Herausgabe der Geschäftsbücher an den Kridaren nach Konkursschluss ; l auf Admassierung im Konkurs; 8 auf Arrest und dessen Vollzug; l auf Güterverzeichnis ; l auf Verlustschein; l auf Pfandausfallschein ; 4 auf Gebühren im Betreibung«- und Konkursverfahren; l auf Nachlassverfahren; 3 auf Beschwerdeverfahren ; 1 auf die Stellung des Betreibungsbeamten nach Art. 11 SchKG; 2 auf Verantwortlichkeit des Betreibungsbeamten ; 3 auf Sistierung des Verfahrens durch vorsorgliche Verfügung ;.

4 auf Revision; l auf Ehrenfolgen.

250

Über die Verteilung der Geschäfte nach Kantonen und über das Schicksal der Beschwerden gibt nachstehende Tabelle Auskunft.

Aargau Appenzell A.-Rh Appenzell I.-Rh Baselland Baselstadt Bern (deutscher Teil) Bern (französischer Teil) Freiburg Genf Glarus Graubünden . . . . . . .

Luzern Neuenburg Nidwaiden Obwalden Schaffhausen Schwyz Solothurn St. Gallen Tessin Thurgau Uri Waadt Wallis Zug Zürich

2

3 4 ?, 1 2 2 1 2

1 1 1

Total

40

8

Auf 1910 Übertragen

Abgewiesen

Begründet erklärt

Kantone

RUckzug odor Gegenstandslosigkeit

Nichteintreten

255

3

1 3 1

1

H

1

7 3

1 2 5 16 6 31 3 7 7 4 8

3 24 2 49 4 20 1 13

4

3 3 7 1 6

1

1

3 17 7

3 2 2 2 2 -- 4 5 4 ?,1 2 1 3 3 5 3 -- 3 ?

1 3 14

3 4 4 13 32 7 4 10 6 4 19

4 R

1 10 3

63 139

6 256

256

Die Gründe, aus welchen die Schuldbetreibungs-. und Konkurskammer in 40 Fällen auf die Beschwerde nicht eintrat, waren: in 3 Fällen Nichteinhalten des Instanzenzuges, in 20 Fällen Inkompetenz der Oberaufsichtsbehörde, in 7 Fällen mangelnde Substanzierung der Beschwerde, in 5 Fällen Nichteinsendung des angefochtenen Entscheides und in 5 Fällen Verspätung der Beschwerde.

Die 63 begründet erklärten Beschwerden betrafen folgende Gegenstände : l Abtretung nach Art. 260 SchKG; 1 Anweisung nach Art. 131 SchKG; 2 Arrestvollzug; 1 Art der Betreibung; 2 Beschwerdeverfahren; 2 Betreibung auf Pfandverwertung; 1 Gebühren des Betreibungsamtes; 2 Gebühren des Konkursamtes ; l Herausgabe der Geschäftsbücher an den Kridaren nach Konkursschi u ss ; l Kollokation im Pfändungsverfahren; 10 Kompetenzstücke; 3 Konkursverfahren ; 4 Lohnpfändung; l Ort der Betreibung; l Pfandausfallschein; 6 Pfändung; l Pfändung von Liegenschaften ; 1 Rechtsvorschlag; 2 Retentionsrecht; "2 Verantwortlichkeit des Betreibungsbeamten bezw.

Ablieferung des Betreibungsergebnisses; l Verkauf nach Art. 124 Abs. 2 SchKG; 1 Verlustschein; 2 Verteilung im Konkurs; 1 Verteilung im Pfandverwertungsverfahren; 2 Verwertung beweglicher Sachen; 5 Verwertung von Liegenschaften; l Verwertung im Konkurs; l Verwertungsverfahren ; 1 Wechselbetreibung; 2 Zahlungsbefehl; l Zustellung der Betreibungsurkunden.

«3~

257

Gesuche um provisorische Verfügungen den gestellt 55

wur-

davon bewilligt 24 j, gl VerfUgu abgewiesen 27 / ° ° wegen Erledigung der Sache keine Verfügung erlassen . . . .

4 keine Verfügungen 55 A u f d e m K o r r e s p o n d e n z w e g e r l e d i g t e Geschäfte: Kammer 12 Präsidium 43 Kanzlei 66 Total 121

V. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Gegen den vom Masseverwalter der Zwangsliquidation der E i s e n b a h n l i n i e S a i g n e l é g i e r - G l o v e l i e r aufgestellten Verteilungsplan ist von zwei Gläubigern Einsprache erhoben worden. Der Masseverwalter hat diese Einsprachen verworfen, und die von dem einen dieser Gläubiger an das Bundesgericht gerichtete Beschwerde wurde von letzterm durch Urteil vom 9. Oktober abgewiesen. Im übrigen steht der Schlussbericht des Masseverwalters noch aus.

Mit Eingabe vom 3. Mai hat der Verwaltungsrat der linksu fr i g e n V i e r w a l d s t ä t t e r s e e b a h n in Luzern das Gesuch ^gestellt, gemäss Art. 19 des Bundesgesetzes über die Zwangsliquidation der Eisenbahnen über genannte Bahn die Liquidation 2u verhängen, indem er zur Begründung dieses Gesuches geltend macht: Es sei die Liquidation über die Banque Coloniale et de Travaux publics in Paris, deren nun aufgehobene Zweigniederlassung in Bruxelles im Jahre 1908 die linksufrige Vierwaldstätterseebahn gegründet und ins Leben gerufen habe, beschlossen und damit dem Verwaltungsrat genannter Bahn die Mittel völlig ·entzogen worden, den Verbindlichkeiten der Bahngesellschaft nachzukommen und die Bahn zu bauen. Mit Beschluss vom 8. Juni ist die Liquidation eröffnet und als Masseverwalter Herr Professor Dr. E. Borei, Advokat, in Genf bezeichnet worden. Ferner ist ·dem Gesuchsteller aufgegeben worden, einen Kostenvorschuss von.

Fr. 1000 zu leisten, welcher Auflage derselbe nachgekommen ist.

Bandesblatt. 62. Jahrg. Bd. II.

17

258 Für Anmeldung der Forderungen ist eine mit dem 16. August 1909 zu Ende gehende Frist angesetzt worden.

In nachbezeichneten, schiedsgerichtlich zu erledigenden Streitigkeiten hatte der Präsident des Bundesgerichts auf Ansuchen der Parteien die Mitglieder beziehungsweise den Obmann des Schiedsgerichts zu ernennen : 1. Schweizerische Rheinsalinen in Rheinfelden contra Saline Schweizerhalle von Glenck, Kormann & Cie. in Schweizerhall.

2. Braunwaldbahn-Gesellschaft in Linthal contra J. Durrer in Kägiswil.

3. Aluminium-Industrie Aktiengesellschaft in Neuhausen contra Antoine et Boyer, Pradeau frères et Ossude in Paris.

4. Entreprise Générale des travaux du chemin de fer des Alpes Bernoises (Berne-Loetschberg-Simplon) in Bern, contra Compagnie du chemin de fer des Alpes Bernoises (Berne-LoetschbergSimplon), Bern.

5. Usines de l'Orbe in Orbe contra Jules Rod in Orbe.

6. Kanton Zürich contra schweizerische Eidgenossenschaft (betreffend Pflicht zur Errichtung eines Sammlungsgebäudes für Gipsabgüsse).

Dauer bis zum Urteil Natur der Streitsachen

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I. Zivilsachen.

1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse 2. Berufungen.

3. Andere Zivilsachen . .

4 . Expropriationen . . . .

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1

24 369 15 448

214 8 11

90

9 5

8 1

6

59 7 23

5 1 --

-- 5 2

24 28 10

20 2 1

1 2 4

60

187

163

4

3

8

2

10

20

60 53 30 17

16

--

6

6

4

--

--

--

8

2

4

--

58

III. Staatsrechtliche Streitigkeiten

439

94

234

77

27

6

1

2

1

2

2

20

55

IV. Beschwerden betr. Schuldbetreibungs- und Konkwrswesen

250

194

56

--

2

12

--

19

32

Total

1561

377

529

I I . Strafsachen

. . . .

234

23

178

11

Nach den N a t i o n a l s p r a c h e n verteilen sich die e r l e d i g t e n Geschäfte wie folgt: Deutsche Schweiz

I. Zivilsachen: 1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse .

2 . Berufungen . . . .

3. Andere Zivilsachen 4. Expropriationen . . .

II

13 228 7 206

= = = =

54 % 62 % 47 % 46 %

10 -- 63 %

Strafsachen

Französische Schweiz

10 127 2 207

= = = =

42 % 34 % 13 % 46 %

Italienische Schweiz

1 = 4% 14= 4 % 6 = 40 % 35= 8%

6 -- 37 %

Total

24 = 369 = 15 = 448 =

100 % 100 % 100 % 100 %

16 -- 100%

O

III. Staatsrechtliche Streitigkeiten

279 = 64 %

115 = 26 %

45 = 10 %

439 = 100%

IV. Beschwerden der Schuldbetreibungs- u. KorilcursJcammer

161 = 64 %

59 = 24 %

30 = 12 %

V. Freiwillige Gerichtsbarkeit .

5 = 84 %

250 = 100 % 6 = 100 %

Total

909 = 58 %

1 = 16 % 527 = 34 %

131= 8%

1567 = 100 %

261

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

L a u s a n n e , den I.März 1910.

Im Namen des Schweiz. Bundesgerichtes, Der Präsident:

Perrier.

Der G-erichtsschreiber: Huber.

262

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Bewilligung von Nachtragskrediten für das Jahr 1910 (I. Serie).

(Vom 18. März 1910.)

Tit.

Wir haben die Ehre, Ihnen folgende Nachtragskreditbegehren für das laufende Jahr (I. Serie) zu unterbreiten, wobei einleitend bemerkt sei, dass wir, einem Begehren der Finanzdelegation Ihrer Tit. Räte Folge gebend, diesmal die Kreditübertragungen und die neuen Kredite vollständig auseinander gehalten haben, so dass die Vorlage in zwei Abschnitte zerfällt, einen für die Übertragung von Kreditrestanzen aus dem verflossenen Jahre und einen zweiten für die neuen Kreditgesuche.

Sodann haben wir, ebenfalls einem Wunsche Ihrer Tit.

Finanzdelegation entsprechend, die Departemente und Verwaltungsabteilungen benachrichtigt, dass dieses Jahr versuchsweise der Bundesversammlung nur zwei Serien Nachtragskredite unterbreitet würden, nämlich eine erste Serie auf die Frühjahrssession und eine zweite Serie auf die Dezembersession.

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Bericht des schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1909. (Vom 1. März 1910.)

In

Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1910

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

12

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.03.1910

Date Data Seite

231-262

Page Pagina Ref. No

10 023 688

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