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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Verordnung für das Grundbuch.

(Vom 22. März 1910.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Wir beehren uns, Ihnen hiermit zur Kenntnis zu bringen, dass wir am 22. Februar 1910 zur Ergänzung des schweizerischen Zivilgesetzbuches eine Verordnung betreffend das Grundbuch erlassen und die beiliegenden Formulare für die Grundbuchführung, sowie für die Pfandtitel aufgestellt haben. Diese Mitteilung gibt uns Anlass, einige erläuternde Bemerkungen mit Bezug auf die Formulare beizufügen. Es dürfte sich dies sowohl vom Standpunkt der Kantone aus rechtfertigen lassen, die auf 1. Januar 1912 das eidgenössische Grundbuch einzuführen gedenken, als auch mit Rücksicht auf diejenigen, die gestützt auf Art. 46, Schlusstitel Zivilgesetzbuch, mit unserer Ermächtigung dessen Einfuhrung verschieben, aber ihre bisherigen Einrichtungen im Grundbuchwesen dem neuen Rechte und dem eidgenössischen Grundbuch anpassen wollen.

Was die G r u n d b u c h f o r m u l a r e anbelangt, mögen Sie aus den Beilagen ersehen, dass wir uns vorläufig darauf beschränkt haben, die Einrichtung des Hauptbuches (ZGB. Art. 942, 945, Absatz l, 946, 947) und der damit im engsten Zusammenhang stehenden Liegenschaftsbeschreibungen (Art. 942, Absatz 2) zu ordnen. Die Aufstellung der Formulare für das Tagebuch (ZGB.

Art. 948) und für die übrigen Hülfsregister (Art. 108 der VerBundesblatt. 62. Jahrg. Bd. II.

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Ordnung) haben wir dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement übertragen, das nach Bedürfnis auch weitere Anweisungen erlassen wird (Art. 116 der Verordnung). Sodann werden die Vorschriften für die Pläne und die Vermessung Gegenstand einer besonderen bundesrätlichen Verordnung bilden, die Ihnen im Laufe dieses Jahres zugehen wird (Art. 3 und 97 der Verordnung betreffend - das Grundbuch).

Für das Hauptbuch und die Liegenschaftsbeschreibung haben wir folgende Formulare in Aussicht genommen: Formular A : Einzelblatt mit beschränktem Raum für die Beschreibung der Grundstücke; Formular B : Einzelblatt mit erweitertem Raum für die Beschreibung des Grundstücks ; Formular C: Kollektivblatt für die gemeinsame Aufnahme mehrerer Grundstücke desselben Eigentümers (ZGB. Art. 947); Formular D : Liegenschaftsbeschreibung (Art. 4 der Verordnung).

Aus diesen vier Formularen können zwei Systeme für die Anlage des Grundbuches gebildet werden, indem das Hauptbuch entweder aus den Formularen A und C oder aus den Formularen B und C zusammengestellt wird. Im ersten Fall (System I) sind ausser dem Hauptbuch noch die besonderen Liegenschaftsbeschreibungen (Formular D) anzulegen, während im zweiten Fall (System II) hiervon abgesehen werden kann, da die Einzelblätter die nötigen tatsächlichen Angaben bereits enthalten. Die Wahl zwischen beiden Systemen steht den Kantonen zu (Absatz 3 des Art. 4 der Verordnung), wobei sie auf die Verschiedenheit der Verhältnisse in den einzelnen Grundbuchkreisen angemessen Rücksicht nehmen werden. Im übrigen machen wir ausdrücklich darauf aufmerksam, dass sich sehr wohl beide Systeme in ein und demselben Grundbuchkreis nebeneinander anwenden lassen, und dass die Art der rechtlichen Eintragungen in beiden Systemen vollständig übereinstimmt. Der Unterschied der Systeme zeigt sich im wesentlichen bloss bei der Anlage des Grundbuches.

Beim System I finden Einzelblätter und Kollektivblätter in gleicher Weise ihre Ergänzung bezüglich der tatsächlichen Angaben in den besonders zu verwahrenden Liegenschaftsbeschreibungen, so dass für' die auf · Kollektivblätter aufgenommenen Grundstücke keine Einzelblätter zu eröffnen sind; beim System II dagegen können diese besonderen Liegenschaftsbeschreibungen entbehrt

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werden, jedoch ist in diesem Fall für jedes Grundstück, auch wenn es auf einem Kollektivblatt steht, zugleich die Aufnahme der tatsächlichen Angaben erforderlich, wozu die entsprechenden Kolumnen des Einzelblattes zu verwenden sind. In der Führung des Grundbuches wird sich die Verschiedenheit der Systeme hauptsächlich darin bemerkbar machen, dass beim System I dasselbe Hauptbuchblatt auf längere Zeit hinaus fortgeführt werden kann als beim System II.

Die Formulare für die P f a n d t i t e l , Schuldbrief und Gült, sind den Vorschriften des Zivilgesetzbuches und der Verordnung betreffend das Grundbuch angepasst und möglichst einfach gehalten. Die erste Seite des Schuldbriefes hat das Schuldbekenntnis aufzunehmen, das vom Schuldner zu unterschreiben ist; an Stelle des Schuldbekenntnisses tritt bei der Gült der Errichtungsakt. Sonst stimmen die Formulare für Schuldbrief und Gült überein, wobei wir bemerken, dass neben dem eidgenössischen Wappen das Wappen der einzelnen Kantone anzubringen ist.

Die folgenden Seiten der Titel, die durch Einlagebogen beliebig vermehrt werden können, geben die Beschreibung der verpfändeten Grundstücke an, wobei allfällige Änderungen im Laufe der Zeit an passender Stelle nachgetragen werden können. Für die Grundpfandverschreibung ist entsprechend Zivilgesetzbuch Art. 825, Absatz 2, und 858 kein Titel vorgesehen (Art. 60 der Verordnung).

Die B e s c h a f f u n g der F o r m u l a r e für Grundbuch und Pfandtitel nach den Ihnen unterbreiteten Mustern ist Sache der Kantone ; jedoch behalten wir uns vor, über die Verwendung von zweckdienlichem Papier für die Erstellung der Register und der Pfandtitel einheitliche Vorschriften aufzustellen, wie dies seinerzeit für die Zivilstandsregister geschehen ist (vgl. ßundesratsbeschluss vom 7. Dezember 1907, A. S. Bd. 23, S. 863 und Kreisschreiben des eidgenössischen Justizdepartementes vom 30. Dezember 1907). Im übrigen beabsichtigen wir, die Materialverwaltung der Bundeskanzlei zu beauftragen, ein Lager von Normalpapier für G-rundbuchformulare (Hauptbuchblätter und Liegenschaftsbesehreibungen) und Pfandtitel, sowie von gedruckten Formularen für beide Zwecke zu halten und zum Selbstkostenpreis an die Kantone, die dies wünschen sollten, abzugeben oder die Abgabe zu vermitteln. Das Justiz- und Polizeidepartement ist mit der Prüfung dieser Frage betraut worden und wird Ihnen zu gegebener Zeit weitere Vorschläge unterbreiten.

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Wir benutzen diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in den Machtschutz Gottes zu empfehlen.

B e r n , den 22. März 1910.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Verordnung für das Grundbuch. (Vom 22. März 1910.)

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30.03.1910

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