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Bundesratsbeschluss über

den Rekurs des J. Muggli - Peter in Meggen, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 6. Juli 1897.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat über den Rekurs des J. M u g g l i - P e t e r in Meggen, betreffend Verweigerung eines "Wirtschaftspatentes, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Mit Eingabe vom 15. Februar 1897 stellte Josef Muggli-Peter in Meggen das Gesuch an den Regierungsrat des Kantons Luzern um Erteilung eines Patentes für den Betrieb eines Restaurants in seinem neuen Hause auf Angelfluh, Gemeinde Meggen.

II.

Der Regierungsrat wies mit Schlußnahme vom 12. März 1897 das Gesuch ab, von der Erwägung ausgehend, ,,daß seit dem Entscheide des h. Bundesrates und der h. Bundesversammlung betreffend die Wirtsrechtskonzessionsgesuch Zobrist und Meier die Begehren um Wirtsrechtserteilung derart sich vermehrt haben, daß im Entsprechungsfalle eine ernstliche Besorgnis für das öffentliche Wohl begründet sei".

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m.

Gegen diesen Entscheid hat J. MuggJi-Peter am 14. April den staatsrechtlichen Rekurs beim Bundesrate erhoben. In der Rekursschrift wird ausgeführt, Josef Muggli sei Besitzer einer Liegenschaft in der als Fremdenstation und Ausflugsort wohl bekannten und viel besuchten Gemeinde Meggen, in einer Gegend, in der erst wenige Wirtschaften bestehen. Der Rekurrent verlangte die Bewilligung einer Wirtschaft mit Beherbergungsrecht im Sinne des § 10, litt, e, nicht eines Restaurants im Sinne der litt, b des gleichen Artikels des Luzerner Wirtschaftsgesetzes, was vom Regierungsrate gar nicht berücksichtigt worden sei.

Die Regierung des Kantons Luzern stütze ihre abweisende Schlußnahme nur auf den Mangel eines öffentlichen Bedürfnisses, wozu sie auf Grund des zur Zeit des Entscheides geltenden Gesetzes nicht befugt sei.

IV.

In ihrer Vernehmlassung vom 23. April 1897 erklärt die Regierung des Kantons Luzern, seit den letzten Rekursentscheiden des Bundesrates in Sachen Meier in Gettnau u. a. habe sich die Rechtslage durch das am 14. April 1897 erfolgte Inkrafttreten der Novelle zum Wirtsgesetze, vom 3. März, verändert und der angefochtene Entscheid habe die gesetzliche Grundlage erhalten.

Sollten übrigens dieser Ansicht formell-juristische Gründe entgegenstehen, so sprechen doch praktische Erwägungen von größter Tragweite für Abweisung des Rekurses; seit dem Jahre 1883, aus dem der Erlaß des Luzerner Wirtschaftsgesetzes datiert, wurden Jahr für Jahr eine größere Anzahl von Wirtskonzessionsgesuchen einzig wegen Mangels eines öffentlichen Bedürfnisses abgewiesen.

Alle diese Entscheide seien noch heute rekurrabel, da der Rekurs an keine Frist gebunden sei ; alle diese Rekurse müßten, gleich wie der vorliegende, begründet erklärt werden, und es würden im Wirtschat'tswescn wahrhaft skandalöse Zustände eintreten.

V.

In seiner Replik vom 26. Mai 1897 konstatiert der Rekurrent, daß der abweisende Entscheid des Regierungsrates noch vor Inkrafttreten der NoVelle gegeben wurde und daher für denselben das alte Recht maßgebend war, um so mehr, als sich die Novelle selbst nicht als rückwirkend bezeichnet. Der Rekurs wurde auch vor dem angegebenen Zeitpunkt beim Bundesrate eingereicht. Wenn

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der Gesetzesnovelle vom 3. März 1897 rückwirkende Kraft verliehen würde, hätte es die Regierung in der Hand, durch willkürliche Verzögerung ihres Entscheides die Rechte der Bürger illusorisch zu machen.

Was die von der Luzerner Regierung in Aussicht gestellten Konsequenzen eines dem Rekurrenten günstigen Entscheides betrifft, so hätte der Bundesrat nach Art. 178, Ziffer 3, des Gesetzes über die Organisation der Buudesrechtspflege vom 22. März 1893 auf Rekurse gegen frühere Entscheide der Luzerner Behörde, auch wenn solche hängig gemacht werden sollten, nicht einzutreten.

VI.

Die Regierung des Kantons Luzern verzichtete mit Schreiben vom 18. Juni 1897 darauf, weitere Gegenbemerkungen dieser Replik entgegenzustellen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Wie die Bundesbehörden wiederholt erkannt haben, war es auf Grund des Luzerner Wirtschaftsgesetzes vom 22. November 1883 unzulässig, die Wirtschaftsbewilligung wegen Mangels eines öffentlichen Bedürfnisses zu verweigern.

Zur Zeit, wo die angefochtene Entscheidung getroffen wurde, war ausschließlich dieses Wirtschaftsgesetz vom Jahre 1883 in Kraft, und da gegen den Gesuchsteller keine anderen Gründe als die zu große Zahl der schon vorhandenen Wirtschaften vorlagen, konnte ihm das Wirtschaftspatent ohne Verletzung des Art. 31 der Bundesverfassung nicht vorenthalten werden. Es ist daher zu konstatieren, daß die Luzerner Regierung das Gesuch des Rekurrenten um Erteilung eines Wirtschaftspatentes den 12. März 1897 mit Unrecht abgewiesen hat.

II.

Seither, am 14. April, ist nun aber die Novelle zum Wirtschaftsgesetz in Wirksamkeit getreten, welche den Regierungsrat berechtigt, Wirtschaftspatente wegen mangelnden Bedürfnisses zu verweigern; da der Rekurrent in diesem Zeitpunkt die Befugnis zur Ausübung des Wirtschaftsgewerbes nicht besaß, so kann dio Luzerner Regierung heute von der Bundesbehörde nicht mehr dazu

885 angehalten werden, in Anwendung alten aufgehobenen Rechtes und im Widerspruch mit einem jetzt geltenden öffentlich-rechtlichen Grundsatze Wirtschaftspatente zu erteilen. Von einem wohlerworbenen Rechte konnte der Rekurrent nicht reden, solange er kein Patent erhalten hatte, und wenn seit dem 14. April die Luzerner Regierung alle noch unerledigten Wirtschaftsgesuche nach Maßgabe des neuen Gesetzes behandelt, so liegt darin keineswegs eine ungehörige Rückwirkung der Gesetze.

Die weitere Frage, ob der Rekurrent gegen die Regierung des Kantons Luzern civilrechtliche Ansprüche geltend machen könne, wird von den kompetenten kantonalen Behörden auf Grund der kantonalen Verantwortlichkeitsgesetze zu entscheiden sein.

Demnach wird beschlossen: Der Rekurs ist im Sinne der obigen Erwägungen unbegründet.

Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Luzern und ·dem Rekurrenten mitzuteilen, unter Aktenrückschluß an den letztern.

B e r n , den 6. Juli 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

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14.07.1897

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