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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung bezüglich Bildung einer Luftschiffercompagnie in der Armee.

(Vom 24. Mai 1897.)

Tit.

Schon in unserm Entwurf einer ,,Truppenordnung" vom 6. Dezember 1893 haben wir Ihnen die Kreierung eines militärischen Luftschifferparks vorgeschlagen, wofür das Generalstabsbureau einen Specialbericht ausgearbeitet hatte, welcher gedruckt der bundesrätlichen Botschaft zur ,,Truppenordnung" beigegeben wurde.

Nachdem seither drei Jahre verflossen sind und auf die weitere Behandlung der ,,Truppenordnung" verzichtet worden ist, anderseits aber in den auswärtigen Armeen der militärische Fesselballon sehr bedeutende Fortschritte gemacht hat und zu einem hervorragenden Kriegsmittel geworden ist, nötigt uns die Sorge um die Ausrüstung der Armee mit dem notwendigen Kriegsgerät, auf diesen Gegenstand durch Vorlage des gegenwärtigen Gesetzesentwurfes zurückzukommen, indem wir die Überzeugung haben, daß die Einführung des militärischen Fesselballons auch für die schweizerische Armee zu einem dringlichen, unabweisbaren Bedürfnis geworden ist.

Schon vor hundert Jahren wurde der Fesselballon von der französischen Armee verwendet um die Bewegungen des Feindes zu erkennen : ein Dekret vom 2. April 1794 schuf eine erste Luftschiffercompagnie.

Der Ballon diente den Franzosen im I. Koalitionskriege bei Maubeuge, vor Charleroi, in der Schlacht von Fleurus. Die Garnison

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von Charleroi, als sie auf Seite des Belagerers jene enorme Kriegsmaschine aufsteigen sah, fühlte sich derart deprimiert, daß sie vom Gouverneur die Kapitulation verlangte, denn es sei unmöglich dem Feinde die schlimme Situation der belagerten Festung zu verbergen, seitdem er ein solches Observationsmittel besitze. In der Schlacht bei Fleurus, am 26. Juni 1794, benutzte die französische Heeresleitung das Ballon-Observatorium während neun Stunden; im Korbe saß der Generalstabschef Morlot, und der Oberkommandierende Jourdan war den ganzen Tag über von allen Bewegungen des Feindes genau unterrichtet.

Der Wohlfahrtsausschuß war von den Leistungen des Ballons derart befriedigt, daß er eine zweite Luftschiffercompagnie und wenig später die nationale Luftschifferschule in Meudon begründete.

Die Luftschiffer folgten nun den Armeen von Pichegru, Moreau, Hoche und schließlich nahm Bonaparte das Luftschiffermaterial nach Ägypten mit, wo es aber in der Schlacht von Abukir mit der französischen Transportflotte zu Grunde gieng. Daraufhin hob das Direktorium die Luftschiffercompagnien auf. Die damals angewandte Methode zur Füllung des Ballons war sehr umständlich. Das Gas mußte an einer Centralstation, im Innern des Landes, mittels besonders konstruierter Hochöfen produziert und in den Ballon eingefüllt werden ; nachher transportierte man, unter großen Schwierigkeiten , den gefüllten Ballon auf den Kriegsschauplatz. Sobald also die Periode der großen französischen Offensivkriege begann, so wurde es zur Unmöglichkeit, den Armeen, welche nun jenseits des Rheines und der Alpen operierten, die gefüllten Ballons nachzuführen.

Die militärische Luftschiffahrt geriet darauf gäuzlich in Vergessenheit und wurde erst im Jahre 1870 wieder von den Franzosem zu Ehren gezogen. Ihre Verwendung war nun eine doppolte.

Einmal wurde mittels des Ballons ein Postdienst organisiert, um die eingeschlossene Landeshauptstadt mit der Provinz zu verbinden, anderseits suchte man bei der Loirearmee den Fesselballon zur Beobachtung des Gegners zu verwenden. Allein trotzdem sich an der Loire kompetente Luftschiffer einfanden, so glückten die dortigen Versuche nicht. Es erwies sich als unmöglich, im Kriege das Material einer Fesselballonabteilung einfach zu improvisieren ; ein solches Material will sorgfaltig studiert und bis in alle Details vorbereitet sein.

Die Deutschen, welche einen Ballon vor Straßburg zur Verwendung zu bringen suchten, hatten keine bessern Erfolge.

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Aber der Krieg 1870/71 hat immerhin den Franzosen dieses Kriegsmittel in Erinnerung zurückgerufen ; nach dem Kriege wurde die Luftschiffbrschule von Chalais-Meudon wieder hergestellt, die Fabrikation des Gases verbessert und erleichtert, es wurde ein sorgfältig studiertes Material angeschafft, ein immer zahlreicheres Personal eingeübt, und die Entwicklung der Militärluftschiffahrt in Frankreich nach und nach vorbildlich für nahezu alle europäischen Armeen.

Die Schwerfälligkeit des Materials der ersten Republik wurde dadurch vermindert, daß mau den Wasserstoffgenerator auf Räder setzte und so eine bewegliche Gasfabrik schuf, welche ermöglichte das Gas auf dem Gefechtsfelde selbst darzustellen. Ein weiterer Fortschritt vollzog sich Ende der achtziger Jahre, indem man begann den Wasserstoff komprimiert in Stahleylindern mit ins Feld zu führen, wodurch eine viel raschere Füllung des Ballons ermöglicht wurde.

Da indessen seit der Wiederbelebung der Luftschiffahrt in den achtziger Jahren kein großer Kontinentalkrieg stattgefunden hat, so blieb der Gebrauch des Fesselballons vor dem Feinde bisher auf die Kolonialkriege beschränkt.

Die E n g l ä n d e r verwendeten den Ballon in den Feldzügen gegen Betschuana und im Sudan.

I t a l i e n formierte ein Luftsehifferdetachement für die Expedition San Marzano nach der erythräischen Kolonie 1887/88. Die Truppe bestand aus 6 Offizieren und 4 Geniezügen, das Material aus 3 Ballons. Das Gas wurde, in Stahleylindern komprimiert, von Neapel aus nachgeschoben. Die Ballons fanden im verschanzten Lager von Saati wiederholt Verwendung und die offizielle Relation des Generals San Marzano teilt mit, daß das Gesichtsfeld des Rekognoszenten im Ballon von der Stellung aus ü b e r den Observationsrayon der Vorposten h i n a u s r e i c h t o.

Eine ausgiebige Verwendung fand der Fesselballon namentlich im f r a n z ö s i c h e n T o n k i n f e l d z u g . Der Admirai Courbet verlangte von der heimischen Regierung dringend die Nachsendung eines Luftschifferparks, da er dies als das einzige Mittel der Aufklärung in jenem bedeckten Gelände betrachtete. So ging im Frühjahr 1884 ein Luftsehifferdetachement von 2 Offizieren, 36 Unteroffizieren und Soldaten nach Tonkin ab, -welches daselbst durch 30 Marineartilleristen und 80 Kulis verstärkt wurde. Wegen der großen Transportschwierigkeiten im Landesinnern hatte man für die Expedition ein besonders leichtes Material konstruieren und

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demgemäß den Kubikinhalt des Ballons anf 300 Kubikmeter reduzieren müssen.

Das Détachement nahm sofort nach seiner Ankunft in Hanoi teil an dem Zuge gegen Bac-Ninh und leistete treffliche Dienste sowohl zur Rekognoszierung während des Marsches, als namentlich auch in der Schlacht von Tung-Son ; die Gegenwart des Ballons trug vieles dazu bei, die Zuversicht der Truppen zu heben ; er vermochte denselben 13 Tage lang in gefülltem Zustand zu folgen. Nach einer neuen Füllung wurde er sodann verwendet beim Bombardement von Hong-Hoa, um die belagerte Stadt zu beobachten, und die Schußwirkung zu konstatieren. Schließlich wurde die Luftschifferabteilung der Kolonne des Generals Négrier einverleibt, welcher sich des Ballons vor Kep bediente und selbst einen Aufstieg unternahm, um sich über Situation und Terrain gründlich zu informieren.

Im Tonkin-Feldzuge sind also die großen Vorzüge des Fesselballons für die Heeresleitung eklatant hervorgetreten und es wurde dabei der Beweis geleistet, daß der gefüllte Ballon der Truppe auch in schwierigem Gelände wochenlang folgen kann.

Die Berichte über die Resultate, welche man mit dem' Fesselballon in den F r i e d e n s m a n ö v e r n der verschiedenen Armeen erzielt hat, sind zwar sehr unvollständig; einige ausführlichere Relationen lassen aber immerhin erkennen, daß diese Resultate allgemein befriedigten.

Einer der vollständigsten Berichte ist die Relation dos französischen Lieutenants Deburaux in der ,,Revue du geniett über die Leistungen des Fesselballons in den französischen großen Armeemanövern von 1891.

,,Niemals, sagt dieser Offizier, sind bisher die Dienste des Luftschiffermaterials so klar hervorgetreten. Dabei ist namentlich zu betonen, daß die Ballons captifs im Telephon eine schätzenswerte Ergänzung gefunden haben, welche ihre Wirkung steigert Denn heute können nun die Offiziere im Ballonkorbe kontinuierlich mit der Armeeleitung korrespondieren, ihr ihre Beobachtungen mitteilen und sie so über die geringste Bewegung des Gegners auf dem Laufenden halten.

,,Aber hier bleiben die erreichten Verbesserungen nicht stehen.

Dank der Kompression des Gases ist es nun möglich, den Ballon in einer halben Stunde zu füllen und aufsteigen zu lassen. Die Fuhrwerke haben eine solche Beweglichkeit gewonnen, daß der Transport des Ballons, leer oder gefüllt, sich mit der größten

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Leichtigkeit vollzieht. Das Luftschiffermaterial wurde per Fußmarsch von Versailles nach Brienne geführt, 200 Kilometer in 10 Tagen, wobei einzelne Tagesetappen 40 Kilometer überstiegen.

,,Der Ballon erschien zuerst beim Gei'echt von Aulnay.

Schwieriges Debüt : es regnete und windete und der Park mußte auf ausgewaschenen und gebirgigen Landwegen die Ferme de la Garenne erreichen. Trotz dieser Hindernisse erhebt sich der Ballon ,,La Mcusea zur befohlenen Stunde und leistet große Dienste. Er kann dem Kommandanten des VI. Corps mitteilen, daß der lärmende Angriff, gegen den er sich verteidigt, nur eine Finte ist.

Dank der ,,Meuse11' erhält das Corpskommando rechtzeitig Kenntnis von dem Standorte der gegnerischen Reserven und von dem Anmärsche des w i r k l i c h e n Angriffs. Vier Generale konnten sich vom Ballon aus successive von den schätzenswerten Vorzügen dieses Observatoriums überzeugen.

,,Bei Colombey blieb der General Galliffet 21/« Stunden im Ballonkorbe, indem er aus der Höhe von 350 oder 400 Meter mittelst des Telephons seine Befehle erteilte. Die Truppen bedeckten eine Front von 12 km., mit einer Tiefenentwicklung von 3--9 km. ; trotzdem vermochte der Kommandant der Westarmee die ganze Truppenverteilung zu überblicken, jede Einheit KU erkennen, die Artilleriestellungen vorzuschreiben ; er konnte wie auf der Karte ein Terrain von 15 km. ablesen und sogar aus dem aufsteigenden Staube auf den Durchmarsch von Truppen durch die Waldungen schließen. Als der General herabgestiegen war, hielt er sich durch einen direkten Telephondraht in konstanter Verbindung mit den Beobachtern, welche im Korbe geblieben waren.

,,Bei Vendeuvre vermochte der Ballon dem General Davout Kavallerieengagements zu signalisieren, welche in einer Entfernung von über 9 km. stattfanden. Auch während der nächtlichen Schlacht an der Voire leistete der Ballon große Dienste. Bei Margerie ging allerdings ein solcher Sturmwind, daß man es für klüger hielt, das Material nicht zu riskieren, ein Bedenken, das selbstverständlich im Kriege nicht in Betracht fallen würde.

,,Die Märsche mit dem gefüllten Ballon waren bewundernswert : Der Ballon traversierte die Stadt Bar-sur-Aube mitten im Gefechte, trotz schwerer Hindernisse und Verstopfung der Straßen. Der Durchmarsch durch die Wälder von Bossicau und Grand Orient vollzog sich
ohne den Marsch der Kolonne zu belästigen. Jedes Hindernis war in 2--5 Minuten überwältigt und der Ballon holte im Trabe auf den Nebenwegen mit außerordentlicher Präzision seinen Platz in der Marschkolonne wieder ein.a

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In I t a l i e n fand der Ballon Verwendung bei "den großen Festungsmanövern von Verona im Jahre 1887. Laut dem Berichte der Manöverleitung war der Verteidiger der Festung, dank seinem Ballon, vom ersten bis zum letzten Tage auf dem Laufenden von allen Bewegungen des Gegners, was ihm ermöglichte das Feuer seiner Geschütze genau zu reglieren, eventuell zu koncentriereu.

Über andere Manöver fehlen besondere Nachrichten. Schweizerische Offiziere, welche den großen Manövern bei Aquila im Jahre 1895 beiwohnten, teilen uns mit, daß der Ballon auch hier zur rechtzeitigen Entdeckung der gegnerischen Marschkolonnen und der feindlichen Reserven recht gute Dienste geleistet hat.

In Ö s t e r r e i c h nahm, wie schon oben berührt wurde, ein Luftsehifferdetachement an den Kaisermanövern des Jahres 1895 in Böhmen teil. Trotz der sehr mittelmäßigen Qualität des Materials war die Wirksamkeit des Détachements eine erfolgreiche. Der Ballon von 1000 m 3 Inhalt wurde durch den Gasometer von Budweis mit Leuchtgas gefüllt und hierauf samt zwei Reservoirsäckon von je 60 m8 Gehalt bei Nacht und unter schwerem Gewitter nach dem Manöverterrain geführt auf eine Entfernung von 25 km.

Am folgenden Tage, den 2. September, stand der Ballon zur Verfügung der Manöverleitung und wurde nachmittags in gefülltem Zustande auf 12 km. Entfernung dem XIV. Armeecorps zugeführt, wo er am nächsten Morgen durch die frühzeitige Erkennung des Anmarsches des VIII. Corps wesentlich zum Erfolge mithalf. In gleicher Weise diente er am 4. September der Avantgarde des VIII. Corps zur Aufklärung der gegnerischen Stellung.

Über die Anwendung des d e u t s c h e u D r ä c h e n b a l l o n s in den letztjährigen Kaisermanövern liegen interessante Berichte vor.

Jedes Armeecorps hatte einen grossen Fesselballon, welcher etwa in 1000 m. Höhe stand. Die Handhabung der Winde und des Kabels erforderte für jeden Ballon 60 Mann und der Train jedes Ballons hatte 6 sechsspännige Cvlinderwagen zur Füllung.

Die Gerätschaften abladen und montieren, den Ballon füllen und aufsteigen lassen, dieses ganze Ensemble von Manövern und Handgriffen erfolgte in der kurzen Zeit von 11 Minuten. Die Verbindung zwischen dem Korbe und dem Armeecorpsstabe wurde durch den Feldtelegraphen erstellt.

In einigen Armeen besteht die Luftschifferabteilung aus einer stabilen Sektion, welche das Gas zu erzeugen hat, und einer mobilen Sektion, welche den Fesselballon der Armee nachführen und nur richtigen Zeit verwenden soll.

· T.: 437 Die gebräuchlichste Art zur Erstellung des Wasserstoägases besteht in der chemischen Einwirkung von Eisen auf Schwefelsäure, wodurch reiner Wasserstoff frei wird. Ein anderes Verfahren besteht in der Zersetzung des Wassers entweder durch weißglühendes Eisen -- diese Procedur wurde mangels von Schwefel seitens der Luftschiffer der ersten französischen Republik eingeschlagen, -- oder durch Einleiten des elektrischen Stromes.

Die letztere Art, die Elektrolyse, wird von verschiedenen Industrien praktieiert, so z. B. b.ehufs Dai'stellung des Chlors, des Kalis oder des Sauerstoffes, das Wasserstoffgas entsteht dabei als ziemlich wertloses Nebenprodukt. Dadurch ist die deutsche Heeresverwaltung in der Lage, den Wasserstoff für ihre Fesselballons gegen billiges Entgelt von der Privatindustrie zu beziehen. Falls wir in der Schweiz über eine derartige Industrie nicht verfügen sollten, so würde es sich für uns darum handeln müssen, den Wasserstoff ad hoc besonders darzustellen. Da nun die Installationen für die elektrische Dekomposition des Wassers sehr kostspielig sind, so empfiehlt sich für unsere Verhältnisse das gewöhnliche Verfahren der Wasserstoßdarstellung mit Schwefelsäure und Eisen. Diese Gaserzeugung hat an einer Centralstelle im Landesinnern stattzufinden ; der Apparat kann als immobile Anlage, oder mit Rücksicht auf den Fall einer eventuellen notwendigen Evakuation, als mobiler Generatorwagen konstruiert werden.

Der dem Generator entströmende Wasserstoff wird sofort mittelst Pumpwerk mit einem Drucke von 120--150 Atmosphären komprimiert und somit behufs seiner Mitführung ins Feld auf ein möglichst geringes Volumen reduziert. Die Einfüllung des komprimierten Gases erfolgt in Stahlcylindor von 2--4 m. Länge.

Diese Stahlcylinder werden auf besonders konstruierten Fuhrwerken ins Feld mitgeführt.

Das mobile Fesselballonmaterial besteht aus dem Ballon mit dem Kabelwagen zum Auf- und Herunterlassen des gefüllten Ballons, dem Gerätschaftswagen zum Transport des leeren Ballons nebst Reservematerial und den zur Füllung erforderlichen Cylinderwagen.

Der B a l l o n besteht aus einer Hülle von Seide oder Baudruche (Goldschlägerhaut), welche durch ein Seilnetz zusammengehalten wird ; unten am Netz ist durch ein sinnreiches Aufhängesystem der Korb befestigt, der den Rekognoszenten trägt.
Die natürlichste Form des Ballons ist die sphärische, wie sie.

von Frankreich ausgehend, sich bei allen Armeen eingeführt findet (Tafel I*)- Außer dem sphärischen existiert bei den Luftschiffer*) Die Tafeln werden dein Bundesblatt nicht beigelegt.

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abteilungen der deutschen Armee auch noch ein Ballon von Drachenform, der sich wie ein Papierdrache gegen den Wind einstellt und daher besonders resistenzfähig gegen starke Luftströmungen ist.

Der K a b e l w a g e n (Tafel II) dient dazu, den Ballon mittels eines Kabels von Hanf, Seide oder Stahldraht festzuhalten. Das Kabel wird auf eine Walze aufgewunden, auf der es sich abwickelt oder aufwickelt, je nachdem der Ballon steigen oder fallen soll.

Die vertikale Bewegung des Ballons wird somit durch die Walze regliert, welch letztere durch einen Dampf- oder Petroleummotor, nach Maßgabe des Bedürfnisses, in Bewegung gesetzt wird.

Das Kabel bat eine Länge von 500--1000 m.

Der G e r ä t s c h a f t s w a g e n ist ein Fourgon und dient zum Transport der leeren Ballonhülle mit ihren Accessorien und der erforderlichen Reservegegenstände.

Die C y l i n d e r w a g e n (Tafel III) sind zum Transport der mit komprimiertem Gase gefüllten Cylinder bestimmt. Für eine Ballonfüllung bedarf es 2--6 solcher Wagen, je nach der Größe der Cylinder und des Ballons. Das Fuhrwerk besteht aus einem Traggestell, auf welches die Cylinder verladen werden. Ein eiserner Gassammeikasten dient als vermittelndes Reservoir zwischen den Cylindern und dem zu füllenden Ballon.

Der mobile Luftschifferpark setzt sich somit zusammen aus einem Gerätschaftswagen, dem Kabelwagen und einer Anzahl Cylinderwagen und wird bei richtiger Konstruktion und Bespannung der Fuhrwerke die Beweglichkeit einer Feldbatterie erreichen.

Zur Zeit besitzen außer der französischen, die russische, italienische, dänische, spanische, portugiesische, belgische, holländische, rumänische und schwedische Armee ein Luftschiffermaterial nach französischem Vorbilde, geliefert durch die Pariser Industrio. Dio deutsche, englische und österreichische Armee haben dagegen, jede mit Hülfe ihrer einheimischen Industrie, sich ein eigenes und besonderes Material geschaffen.

Der Luftschifferdienst der f r a n z ö s i s c h e n A r m e e umfaßt: das centrale Etablissement von Chalais-Meudon und vier Luftsehiffercompagnien, welch letztere je einem Genieregiment angehören und in Versailles, Arras, Montpellier und Grenoble stationieren.

Im Kriege verdoppeln sich diese Bestände durch die einruckenden Reservisten und bilden sodann 13 verschiedene Luftschifferparks- und Installationen, einerseits für die Feldarmeen (je ein Park für eine Armee) und andererseits für die Festungen.

439 Eine mobile Luftschiß'erabteilung der Feldarmee besteht aus : 3 Offizieren, 14 Unteroffizieren, 2 Trompetern, 74 Luftschiffern, 2 Trainunteroffmeren, 28 Fahrern, 6 Reitpferden, 52 Zugspferden.

Der Park einer mobilen Luftschifferabteilung besteht aus · 28 Fuhrwerken, nämlich : l Kabelwagen 6 spännig l Wagen für den Transport der leeren .Ballons 6 ,, 1 Fourgon 4 ,, 2 Proviantwagen 2 ,, 1 Fouragowagen 4 ,.

2 Requisitionswagen 2 fl 20 Cylinderwagen, wovon wenigstens neun . . 6 ,, Die Instruktion der Offiziere und der Truppe für den Luftschifferdienst erfolgt in der Luftschifferschule von Chalais-Meudon nach den Vorschriften des Réglementes vom 8. Dezember 1890.

Die Offiziere, welche in diese Schule kommandiert werden, erhalten Unterricht über die Technik des Fesselballons und werden darin geübt das Terrain aus der Höhe zu beobachten. Das Brevet als Luftschiffer erhalten sie erst, nachdem sie 5 bis 6 freie Fahrten mitgemacht haben.

Durch die Fortschritte dieses Dienstzweiges in Frankreich wurde auch die d e u t s c h e H e e r e s l e i t u n g dazu geführt 1884 in Berlin eine Versuchsstation für Fesselballons zu errichten, bestehend aus 4 Offizieren, 4 Unteroffizieren und 29 Mann mit einem Aeronauten. Die Station wurde der I. Eisenbahnbrigade unterstellt.

Ihr Effektivbestand, mehrmals vergrößert, beträgt heute : 6 Offiziere, 141 Unteroffiziere und Soldaten.

Eine zweite Luftschifferstation wurde 1890 in München gebildet mit einem Effektiv von 3 Offizieren, 4 Unteroffizieren und 26 Mann.

Die Zusammensetzung und die Zahl der im Kriege aufzustellenden Luftschifferparks ist nicht bekannt.

In E n g l a n d wurde schon im Jahre 1871 eine Kommission mit Studien und Versuchen über die militärische Verwendung der Luftschiffahrt betraut und in der Folge beschloß der Kriegsminister 1879 die Einführung des Ballons in die Armee.

Man versuchte zuerst, die Ballons mit dem Leuchtgas zu füllen, ging dann aber zum Wasserstoff über, und erfand 1880 die Komprimierungsmethode.

Seit 1884 existiert eine militärische Luftsehifferstation in Chatham und im Jahre 1888 wurde der Bestand des mobilen Luft-

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schifferparks festgesetzt wie folgt : 3 Offiziere, 30 Unteroffiziere und Soldaten : Luf'tschiffer ; 20 Unteroffiziere und Soldaten : Fahrer ; 3 Reitpferde, 6 vierspännige Fuhrwerke, nämlich : l Ballonwagen mit 2 Baudruche-Ballons von je 283 m 3 Inhalt und ein Kabel von 750 m. Länge; l Materialwagen mit 2 Reserveballons und Reservematerial, 4 Cylind erwägen, jeder zu 35 Cylindern.

Für die Fabrikation und Kompression des Wasserstoffgasos besteht seit 1890 ein Luftschifferdepot, bestehend aus l Inspektor, 1 Mechaniker, l Ingenieur und 6 Mann.

Die Luftschifferabteilung ist dem Genie unterstellt.

In I t a l i e n nahm die militärische Luftschiffahrt ihren Anfang durch die Begründung einer Versuchsstation im Jahre 1885. Das Material wurde von dem Ingenieur Gabriel Yon in Paris bezogen und blieb seither dem Typus nach im wesentlichen unverändert, nur daß von England aus die nötigen Einrichtungen für Komprimierung und Transport des Wasserstofi'gases hinzukamen.

1887 wurde beim 3. Genieregiment l Compagnie Specialisti gebildet, welcher das Luftschifferwesen und der elektrische Beleuchtungsdienst überbunden wurden. Seither ist noch eine zweite Specialistencompagnie für dieselben Zwecke geschaffen worden.

Ein Feld-Luftsehifferpark zählt: 2 Offiziere, 52 Unteroffiziere und Soldaten des Genies, 27 Unteroffiziere und Soldaten des Trains, 2 Reitpferde, 36 Zugpferde, 9 Fuhrwerke, nämlich : l Ballonwagen, I Kabelwagen, l Gerätschaftswagen, 6 Cylinderwagen.

Die ö s t e r r e i c h i s c h e H e e r e s l e i t u n g hat lange gezögert, bevor sie den Ballon in die Armee einführte, konnte sich dann aber der Notwendigkeit dieses Schrittes nicht länger verschließen und gründete 1893 eine Versuchsstation, welche die Verhältnisse des Ballons im Gefechte zum Gegenstande gründlicher Studien gemacht hat. Das ständige Personal dieser Station besteht aus 2 Offizieren und 6 Mann ; jedes Jahr werden hier in halbjährlichen Kursen eine Anzahl Offiziere und Mannschaften aller Waffen für den Luftschifferdienst ausgebildet, so daß bereits 1895 bei den böhmischen Kaisermanövern ein Luftschifferdetachement auftreten konnte, welches mit gutem Erfolge arbeitete. Ständige Luftschifferparks sind in der österreichischen Armee noch nicht geschaffen ; da im Budget des Jahres 1896 ein großer Posten für die militärische Luftschiffahrt ausgeworfen wurde, so steht zu vermuten, daß man zur Zeit wohl an die definitive Einführung eines ausreichenden aerostatischen Materials herangetreten ist.

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Die r u s s i s c h e A r m e e besitzt den Fesselballon bereits seit 1886, nachdem seit 1884 eine Kommission unter dem Vorsitze von General Boreskoff an der. Prüfung und Einführung dieses Dienstzweiges gearbeitet hatte. Das Material wurde, wie das italienische, aus dem Atelier Yon in Paris bezogen. Das neue Kriegsmittel gewann in der Armee rasch Boden, Material und Personal wurden successive vermehrt und im Jahre 1890 wurde sodann folgende definitive Organisation getroffen : Ein centraler Instruktions-Luftschifferpark verfolgt das vierfache Ziel, eine ständige Versuchsstation für das Luftschifferwesen zu formieren, Offiziere und Truppen für diesen Dienstzweig auszubilden, im Mobilmachungsfalle die Luftschiffersektionen des Feldheeres aufzustellen, und im Frieden das Material für diese Kriegsformationen zu beschaffen und aufzubewahren.

Eine Anzahl von Festungs-Luftschiffersektionen ist auf die festen Plätze des Landes verteilt schon im Frieden formiert und ausgerüstet.

Die Luttschifferparks für die Feldheere sind im Frieden nicht formiert und werden, wie oben angedeutet wurde, im Mobilrnachungsfalle beim Instruktions-Luftschifferpark neu aufgestellt.

Das permanente Personal des Instruktionsparkes besteht aus : 7 Offizieren, 88 Unteroffizieren und Soldaten.

o Im weitern werden dem Instruktionspark in zehnmonatlichen Perioden je 8 Offiziere des Genies und der Festungstrupperi zur Instruktion zugewiesen.

Das Material des Instruktionsparkes umfaßt : 4 Fesselballons von je 640 m 3 3 freie Ballons ,, ,, 1000 ,, 2 Signalballons ,, ·,, 120 ,, und andere Gerätschaften.

Wie großartig das Luftschifferwesen in der russischen Armee ausgebildet ist, erhellt dann noch besonders aus der Zusammensetzung der 4 zur Zeit bestenden Festungsparks ; j e d e r d e r s e l b e n besteht nämlich aus : 6 Fesselballons à 640 m3, 3 freien Ballons à 1000 m3, 3 mobilen Gasreservoirs à 250 m3, l Dampfwinde auf 2 Fuhrwerken, l Handwinde, dazu dem Material für die Erzeugung des Wasserstoifgases.

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Nach dieser Übersicht der einschlägigen Verhältnisse gehen wir zu der Frage über : Welches sind die V o r z ü g e dieses Kriegs m i t t e l s , das b i n n e n w e n i g e r J a h r e v o n n a h e z u allen A r m e e n eingeführt wurde?

Der Ballon ist ein bewegliches Observatorium mit Vogelschau, welches auf jedem Punkte des Schlachtfeldes sozusagen unverzüglich in Thätigkeit treten kann. Kraft dieser Eigenschaften ist d e r Fesselballon f ü r d i e S c h l a c h t d a s z u v e r l ä s s i g s t e N a c h r i c h t e n o r g a n , welches eine Armee b e s i t z e n k a n n . Von dem hochgelegenen Korbe des Ballons aus übersieht ein Offizier das Terrain in einem Umkreise von 15 km., die Falten des Geländes verschwinden fast ganz für den hohen Standpunkt des Beobachters, sein Blick dringt hinter jede Terrainwelle, fast hinter jedes Deckungsmittel. Der Beobachter im Ballon kann daher seinen Armeekommandanten auf rascheste Weise sowohl über die Bewegung und die Verteilung der feindlichen Streitkräfte als auch über die Situation der eigenen Truppen auf dem Laufenden halten.

Der Fesselballon giebt dadurch dem General, der ihn besitzt, eine wesentliche Superiorität über seinen Gegner, der dieses Kriegsmittel entbehrt ; denn aus dem Ballon erkennen wir z u m v o r a u s die Intentionen des Gegners und setzen unsere Armeeleitung in die Lage, r e c h t z e i t i g die entsprechenden Gegenmaßregeln zu treffen. Die Inferiorität desjenigen, der keinen Fesselballon besitzt, ist augenscheinlich und das Bewußtsein dieses Nachteils legt sich lähmend auf Führer und Truppen, wie dies schon das obcitierte Beispiel der Belagerung von Charleroi im I. Koalitionskriege zeigt.

Beim gegenwärtigen Stande der Ausrüstung unserer Nachbararmeen steht zu befürchten, daß wir beim Zusammentreffen mit jeder gegnerischen Streitmacht, auf welcher Front es sei, den Gegner im Besitze dieses allbeherrschenden Observatoriums finden werden.

Kein anderes Mittel kann den fehlenden Ballon ersetzen, weder der ausgiebigste Nachrichtendienst, noch eine zahlreiche Kavallerie ; weder findige Spione, noch kühne Patrouillen, noch auch ein Netz von Beobaehtungsposten auf den anliegenden Höhen.

Das bestorganisierte Spionagesystem hat sich für die Momente der Schlacht stets unbrauchbar erwiesen, denn dem Einzelnen bleibt die Übersicht der großen feindlichen Truppenbewegungen verborgen und selbst, wenn er diese Übersicht hätte, so fehlen ihm die Mittel, um seine Partei rasch darüber zu informieren.

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Ähnlieh verhält es sich mit der Aufstellung der Kavallerie.

Die einzelne Patrouille gewinnt selten einen zusammenfassenden Überblick über Dispositionen und Kräfteverteilung des Gegners.

In den meisten Fällen wird die Kavallerie beim nähern Heranreiten auf die gegnerische Reiterei stoßen oder von den weittragenden Schußwaffen der feindlichen Infanterie empfangen werden.

Die Kavallerie wird also wohl den Kontakt mit dem Feinde aufnehmen und unter Umständen auch die Ausdehnung seiner Front feststellen können, aber sie wird über die wahre Stärke der Truppen, die ihr gegenüberstehen, stets im Dunkeln bleiben, und namentlich wird es ihr sehr schwer fallen, den Standort der gegnerischen Reserven zu entdecken. Und selbst wenn mit viel Kühnheit und Energie eine Reiterpatrouille nach langen Umwegen vielleicht die Reserven des Gegners auffindet, wenn sie seine Truppenverteilung, die Zahl und Zusammensetzung seiner Marschkolonnen konstatieren kann, so muß sie dann diese Nachrichten erst noch zurücksenden ans Oberkommando, in der Regel neuerdings auf weitem Umwege und mitten durch die Organe der gegnerischen Sicherung hindurch; also auch im günstigen Falle, daß die Kavallerie das Erforderliche sieht, bleibt immer noch das große Risiko, ob sie das Gesehene rechtzeitig, innert nützlicher Frist, zurückmelden kann.

Noch fragwürdiger ist das Resultat der Rekognoszierungen von Höhepunkten des Terrains aus. Es genügt, sich von der Ausdehnung eines Schlachtfeldes zweier Armeen und von den großen Operationslinien, auf welchen die Armeen sieh bewegen, Rechenschaft zu geben, um sofort zu erkennen, daß es außerordentlich selten möglich sein dürfte, in unmittelbarer Nähe des Gefechtsfeldes einen Aussichtspunkt zu finden, welcher hoch genug ist, um das Ensemble des ganzen Schlachtgeländes oder auch nur eines Teiles desselben zu umfassen. Und selbst ·wenn sich ein solcher Punkt finden sollte, so müßte er erst noch das weitere Erfordernis erfüllen, im Bereiche unserer Aufstellung und Gewaltsphäre zu liegen und mit dem Standort des Höchstkommandierenden in guter und rascher Verbindung zu stehen. Ein solcher Beobachtungspunkt, der den aufgeführten Bedingungen entspricht, wird sich so selten finden, daß auf eine so Ungewisse Chance unmöglich irgendwelche militärische Berechnung oder mit ändern Worten das Schicksal einer Armee
abgestellt werden darf.

Ganz anders der Fesselballon. Mit einem nach dem neuesten Stande der Technik organisierten Material, das an Beweglichkeit im Gelände einer Feldbatterie gleichkommt, ist es möglich, in weniger als einer halben Stunde (in 20--25 Minuten, nach den.

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jüngsten Manöverberichten aus Deutschland sogar in 14 Minuten} auf dem Punkte, den man als den günstigsten ausgewählt hat, ein Observatorium 500, 700 oder selbst 1000 m. über dem Erdboden zu installieren, welches auf telephonischem oder telegraphischem Wege mit einem Posten auf dem Erdboden, der zur Vermittlung der Nachrichten dient, oder direkt mit dem Standort des Feldherrn verbunden ist.

Der Offizier im Korbe sieht die ganze Frontausdehnung des Gegners, dessen Befestigungsarbeiten, er sieht und zählt die gegnerischen Batterien und, was das Wichtigste ist für die Schlachtenleitung, er sieht die feindlichen Reserven, erkennt die Disposition der feindlichen Streitkräfte und kann den General über alle diese Dinge fortwährend auf dem Laufenden halten. Er erkennt auch schon von weitem allfällige Verstärkungen, welche beim Gegner von rückwärts oder seitwärts auf das Schlachtfeld anmarschieren.

Andererseits kann er von der Höhe aus den Anmarsch unserer eigenen Truppen verfolgen, die Wirkung unserer Artillerie kontrollieren, den Stand des Kampfes auf jedem Teil des Gefechtsfeldes beobachten und den Feldherrn in jedem Moment über das Gesamtbild der Schlacht informieren.

Man hat dem Gebrauch des Fesselballons verschiedene Einwürfe gegenübergehalten : So wird gesagt, der Ballon werde im Moment, da man seiner bedarf, nicht immer richtig zur Stelle und gebrauchsfähig sein.

Dieser Einwurf mochte begründet sein zur Zeit, als man den Wasserstoff noch auf dem Gefechtsfelde selbst darstellen mußte.

Heute ist dies nicht mehr nötig, denn man ist dazu gekommen^ fern von der Armee, im Landesinnern, den Wasserstoff in komprimierter Form in Metallcylinder einzufüllen und die gefüllten Gaseylinder der Armee nachzusenden. Das neue Verfahren gestattet die Füllung des Ballons aus der zugehörigen Cylindergarnitur in höchstens einer halben .Stunde, während man früher dafür viele Stunden brauchte.

Die gefüllten Gaseylinder werden also heutzutage auf Kriegsfuhrwerken mit ins Feld geführt, gleich wie die Munitionsfuhrwerke der Truppen, und der Ballon mit dem für eine einmalige Füllung notwendigen Train bildet nun eine Fuhrwerkeinheit wie etwa eine Feldbatterie. Um diese Einheit am richtigen Orte zur Stelle zu haben, braucht sie nur richtig in die Marschkolonne eingereiht au werden. Die Bereitstellung des Ballons gipfelt also in einer einfachen Frage der Marschordnung, wie sie täglich während der

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Operationen für alle Specialwaffen gelöst werden muß. Die Füllung des Ballons erfolgt unmittelbar vor dem Gebrauch auf dem Felde und es kann der Ballon bis dahin als geleerte Hülle zusammengefaltet im Fourgon verpackt nachgeführt werden.

Man begegnet oft dem Einwürfe, der Offizier im Ballon könne bei N e b e l nichts sehen und daher nichts nützen.

Dies ist richtig; allein der Artillerie geht es gerade ebenso.

Ja selbst die Infanterie wird durch den Nebel in der Beobachtung des Gegners auf nächste Distanz und im Schießen gehindert. Und doch ist diese Unvollkomrnenheit bisher weder der Artillerie noch der Infanterie zum Vorwurf gemacht worden ! Übrigens sind solche atmosphärische Zustände vergleichsweise selten und treffen den Ballon des Gegners in gleicher Weise wie den unsrigen. Der Vorhalt fällt daher in sich zusammen.

Man wirft dem Ballon vor, er verrate den Standort des Gros oder doch wenigstens des Oberbefehlshabers.

Es ist nun aber durchaus nicht notwendig, daß sich die Ballonstation in unmittelbarer Nähe der Armeeleitung befinde; es genügt, zwischen der Station und dem Standorte des Feldherrn einen gut funktionierenden Ordonnanzdienst zu Pferd oder Fahrrad einzurichten oder -- was noch vorteilhafter -- eine telephonische oder telegraphische Linie vom Kabelwagen aus anzulegen, um die Raschheit der Verbindung zwischen Ballon und Hauptquartier sicher zu stellen.

Übrigens handelt es sich in der großen Feldschlacht nicht mehr um ein einzelnes Gros, dessen Standort durch den Ballon verraten werden könnte ; die Armee marschiert in mehreren tiefen Marschkolonnen heran und der Ballon wird eben einer dieser Marschkolonnen einverleibt werden ; sein Aufsteigen verrät also dem Feinde nichts als die Anwesenheit von Truppen auf dem betreffenden Punkte, was demselben wohl immer schon vorher durch das Auftreten der Avantgarde der betreffenden Kolonne fühlbar geworden ist. Über den Verbleib der Hauptkolonnen oder Armeereserven wird der Ballon den Gegner in keiner Weise orientieren und wollte der Gegner derartige Schlüsse ziehen, so würde er sich unter Umständen großen Täuschungen aussetzen.

In k l e i n e n Verhältnissen, wo es sich bloß um das Auftreten einer Division oder eines Armeecorps handelt, wie beispielsweise auch bei den Friedensmanövern, wird der Ballon in der Regel bei der Avantgarde zu finden sein, deren Auftreten ja gerade demonstrativen Charakter hat und den Gegner über den Verbleib des Gros vorläufig noch ganz im Unklaren läßt.

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Der Ballon könnte überhaupt geradezu zu einer Täuschung des Gegners verwendet werden, indem bei telegraphischer oder telephonischer Verbindung mit dem Hauptquartier die Entfernung vom letztern durchaus irrelevant ist. Auf diese Weise hat denn auch in der That während des letzten Tonkinfeldzuges in der Schlacht von Kep der Ballon dem General Négrier zur Täuschung des Gegners gedient.

Man behauptet auch wohl, daß die Fesselballons boi einigermaßen s t ä r k e r e m W i n d e nicht mehr aufsteigen können, so bereits bei Windschnelligkeiten von 7--8 m. in der Sekunde.

Auch dies ist ungenau. Denn mit einem gutgebauten Fesselballon kann man atmosphärischen Strömungen bis auf 15 m. in der Sekunde Trotz bieten, und eine solche Schnelligkeit des Windes ist schon ziemlich selten. Das bestätigen erfahrene Aeronauten.

Auch der Fesselballon der Genfer Ausstellung hat Windgeschwindigkeiten von 12 m. in der Sekunde ohne Schaden ausgehalten.

Übrigens steht im Kriege der Ballon unseres Gegners auch in dieser Beziehung unter denselben atmosphärischen Bedingungen wie der unsere.

Es wird eingewendet, die Beobachtung werde bei einem starken Winde schon durch die Schwankungen des Korbes verunmöglicht.

Diese Behauptung ist sehr übertrieben. Die Schwankungen hängen selbstverständlich ab von dem mehr oder minder zweckmäßigen System der Aufhängung des Korbes, und auch wenn sie sehr stark sind, so bleiben sie gleichwohl regelmäßig und stören infolgedessen die Beobachtung nicht. So haben beispielsweise Versuche am Ballon captif der Genfer Ausstellung ergeben, daß selbst bei seitlichen Pendelausschlägen des Ballons von 50--60 m.

Weite die Beobachtung von Terraingegenständen auf 6--7 km.

mit dem Feldstecher gleichwohl noch möglich war.

Es hat somit keine der Einwendungen, welche gegen die Leistungsfähigkeit des militärischen Fesselballons erhoben werden, Gewicht genug, um die Nichtanschaffung dieses Kriegsmittels zu rechtfertigen. Wie die Erfahrung lehrt, hat sich denn auch noch keine Armee durch Mängel, die jedem menschlichen Erzeugnis anhaften, veranlaßt gesehen, auf die großen militärischen Vorteile, welche der Ballon der Schlachtenleitung bietet, verzichten zu wollen.

Es bliebe nur noch die militärisch allerdings relevante Frage, ob der Ballon das feindliche Feuer zu fürchten hat, mit ändern Worten, ob er sich vor dem feindlichen Feuer in eine Entfernung

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zurückziehen muß, welche die Beobachtung des Schlachtfeldes beeinträchtigt. Auch diese Frage muß verneint werden.

Kriegsgemäße Schießversuche, welche in neuerer Zeit gegen Ballons vorgenommen wurden, lieferten den Beweis, daß es einer großen Munitionsausgabe bedarf, um einen Ballon in der Schlacht außer Gefecht zu setzen, wenn überhaupt der Ballon nicht von vornherein a u ß e r S c h u ß w e i t e steht.

Die in F r a n k r e i c h angestellten Versuche führten zu folgenden Schlüssen : Die Geschosse des kleinkalibrigen Gewehres bringen dem Ballon momentan keinen Schaden, denn die Öffnungen, welche dadurch in der Ballonhülle entstehen, sind so klein, daß sie nur ganz unbedeutend geringe Gasquantitäten ausströmen lassen ; übrigens liegt keinerlei Bedürfnis vor, daß ein Ballon sich bis auf Gewehrschußweite den feindlichen Feuerlinien nähere. Was die Beschießung des Ballons durch Artillerie anbetrifft, so darf ein Ballon, der in einer Höhe von 800 m. auf 5500 m. Distanz vor feindlichen Batterien steht, als nahezu unverwundbar gelten. Da man nun vom Ballon aus das Terrain bis auf 15 km. Entfernung noch genügend übersieht, so liegt keine Notwendigkeit vor, mit dem Ballon näher als 7--5 km. an die feuernden Batterien des Gegners heranzugehen.

In Ö s t e r r e i c h wurde im Juli 1895 auf dem Schießplatze von Steinfeld ein feldmäßiges Artilleriefeuer gegen einen beweglichen Ballon durchgeführt. Nachdem 80 Shrapnels verschossen waren, welche im ganzen etwa 10,000 Kugeln und Splitter gegen den Ballon geschleudert hatten, schwebte der Ballon stets noch unbeirrt in den Lüften und zeigte keinerlei Tendenz zum Fallen.

Beim Herunternehmen waren in der Ballonhülle nur drei kleine, unbedeutende Löcher zu konstatieren.

Der Ballon kann sich also dem Artilleriefeuer, seinem einzigen Feinde, entziehen, durch Einhaltung einer Maximaldistanz von den feindlichen Batterien, durch Aufsteigen in beträchtliche Höhe, zu welchem Zwecke die Ballonkabel bei mehreren Armeen von 500 m.

bis auf 1000 m. verlängert \vorden sind, und durch horizontale und vertikale Bewegung, welche vom Kabelwagen auszugehen hat, sobald man wirksames Artilleriefeuer gegen den Ballon gerichtet sieht.

Die Schwierigkeiten des Zielens für die Artillerie wachsen mit der Elévation des Ballons. Man ist dabei zuweilen sogar genötigt , den Laffetenschweif in den Boden einzugraben, wodurch selbstverständlich das Schießen kompliziert und verlangsamt wird.

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Wir glauben im Vorstehenden nachgewiesen zu haben, welch große Bedeutung der Fesselballon für die Leitung der Armeen auf dem Schlachtfelde besitzt, und in welcher Inferiorität sich diejenige Partei befindet, welche gegenüber und angesichts einer gegnerischen Ballonstation die Schlacht ohne Ballon aufzunehmen hat. Wir glauben aber, daß unsere schweizerische Armee noch eine ganz besondere Veranlassung hat, sich das Kriegsmittel anzueignen und dieses liegt in unserer numerisch schwachen Kavallerie. Voraussichtlich wird sich dieselbe nach Lage der Umstände stets einer überlegenen feindlichen Kavallerie gegenübersehen und daher um so größere Schwierigkeiten haben, zuverlässige Nachrichten über den Verbleib der gegnerischen Hauptkräfte vor und während der Schlacht aufzubringen.

Übrigens erscheint uns der m o r a l i s c h e E f f e k t schon an und für sich ausschlaggebend. Es wurde oben berichtet, daß die Verteidiger von Charleroi im I. Koalitionskriege ihren Kommandanten zur Übergabe aufforderten, weil sie sich außer stände fühlten, unter den Augen des Ballons des Belagerers die Verteidigung fortzusetzen oder, wie sie sich ausdrückten, ihre Schwäche länger zu verbergen. Aus dem Tonkinfeldzuge wird hervorgehoben, daß die Anwesenheit des Ballons die Truppen mit großer Zuversicht erfüllte.

Man möge nun bedenken, welches der Effekt auf unsere Truppen sein müßte, wenn sie vor sich in der Luft dieses mächtige Observatorium des Gegners erblicken würden, welchem keine ihrer Bewegungen verborgen bleiben kann, sofern sie nicht die Beruhigung hätten, daß die Bewegungen des Gegners auch in gleicher Weise von uns aus beherrscht seien. Diese Gründe moralischer Natur sind gerade für u n s e r e Armee Verhältnisse, wo die Disciplin ausschließlich im V e r t r a u e n wurzelt, von absolut z w i n g e n d e m Gewichte.

Es könnten nun außer den Einwürfefl allgemeiner Natur, die wir bereits ·naderlegt haben, gegen die Verwendung des Ballons in unserem Lande noch besondere Einwendungen erhoben werden: Man sagt z. B., unser Terrrain sei zu stark accidentiert, als daß eine Beobachtung vom Ballon aus möglich wäre.

Dieser Einwand trifft nicht zu für das ganze Gebiet des Mittellandes zwischen Jura und Alpen bezw. zwischen Genfersee und Bodensee. In dieser ganzen Region -- und nur in d i e s e r werden die großen Operationen
sich abwickeln -- sind die Bodenerhebungen nicht so hoch und nicht so steil, um den Rundblick des Observators zu maskieren, sobald sich derselbe in einer Höhe von 300--500 m. (geschweige denn in einer solchen von 1000 m.)

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über dorn Erdboden befindet. Mehrere schweizerische Generalstabsoffiziere haben in der Schweiz Aufstiege im Ballon vorgenommen, um diese Frage zu studieren, und einer derselben hat seine Beobachtungen in folgenden Worten niedergelegt: ,,Schon bei einer Höhe von 200 m. über dem Erdboden beginnt die Aussicht unser volles Interesse in Anspruch zu nehmen.

In einer Höhe von 300--500 m. sieht man genau alle Details des Terrains in einem Rayon von ungefähr 13 km. Die verschiedenen Terraingegenstände sieht man mit großer Präzision, die .Straßen heben sich als lange, weiße Bänder heraus. Kein Observatorium, kein Aussichtspunkt giebt eine so richtige Idee vom Gelände wie der Ballon ; denn nur von hier aus hat man eine Gesamtübersicht, in welcher jedes Objekt in seinem wahren Verhältnis erscheint. Dann sind auch die verschiedenen Terrainwellen und Terrainbedeckungen kein Hindernis mehr für den Ausblick, ·denn der Gesichtskreis gleitet darüber hinweg, so daß bis auf eine gewisse Distanz, welche nach der Höhe des Ballons variiert, die toten Winkel für den Beschauer fast gänzlich verschwinden. Man bekommt den Eindruck, welcher auch vollständig der Wirklichkeit entspricht, daß man unter sich ein ungeheures Relief habe, in welchem jedes kleine Detail sich dargestellt findet. Ich glaube, ' daß von einem Fesselballon aus in einer Höhe von 300--500 m.

man bis auf einen Umkreis von 7--8 km. und selbst noch weiter, alle Truppen, welche in diesem Räume manövrieren könnten, mit genügender Genauigkeit zu sehen vermöchte."

Diese Möglichkeit wächst, wenn wir den Ballon auf 700 oder 1000 m. ansteigen lassen.

Während auf der einen Seite behauptet wird, unser accidentiertes Gelände hemme die Aussicht vom Ballon aufs Schlachtfeld, so wird anderseits dann wieder umgekehrt eingewendet, wir hätten in unserem Lande hochgelegene Observationspunkte genug und könnten daher des künstlichen Observatoriums entbehren.

Wir haben auf diesen Einwand bereits geantwortet. Die zukünftigen Schlachtfelder unserer Gesamtarmee liegen in der Hochebene. Wenn sich nun nicht etwa die Schlacht unmittelbar am Fuße der südlichsten Jurakette oder am Fusse des Ütlibergs abspielen sollte, so wüßten wir kein Gefechtsfeld, welches von einer benachbarten Höhe aus ·der Vogelschau überblickt werden könnte. Auf das Spiel des Zufalls aber dürfen wir unsere Kriegsausrüstung nicht abstellen.

Wir brauchen ein Observatorium, welches überall bereit und an keine Sehranken der Örtlichkeit gebunden ist.

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Man hört auch wohl behaupten, daß die Anwendung des Fesselballons bei uns in der Schweiz größeren Schwierigkeiten begegnen würde als anderswo, weil h i e r die W i n d e stärker seien als in den u m l i e g e n d e n Ländern.

Es ist dies eine jener gewagten Behauptungen, welche keinerlei Fundament haben, aber leichthin geglaubt werden. Im vorwürfigen Falle handelt es sich aber um einen schweren Irrtum. Die Winde sind in der Schweiz nicht heftiger als anderswo, es ergiebt sich diese Thatsache unzweideutig und unwiderlegbar aus den Berichten der meteorologischen Stationen.

Man hat ferner darauf aufmerksam gemacht, daß bei unserer kurzen Unterrichtszeit es unmöglich sein dürfte, eine hinreichend gewandte Truppe für die Handhabung des Luftschiffermaterials heranzubilden.

Wir glauben, auch dies ist ein Irrtum. Der Luftschifferdienst ist keineswegs so schwierig als es scheinen möchte, und überdies läßt der Unterricht und die Verwendung der Mannschaft sich durch Arbeitsteilung vereinfachen. Für die Fabrikation und Kompression des Gases wird man eine stabile Sektion bilden, deren Personal sich aus solchen Leuten rekrutiert, deren bürgerliche Beschäftigung in die betreffende Branche einschlägt : also aus Ingenieure^ Chemikern, Mechanikern, Heizern.

Für den Dienstbetrieb des Ballons selbst, d. h. für den Transport, das Füllen und das Manipulieren des Aerostaten, wird eine zweite Specialsektion organisiert: die m o b i l e S e k t i o n . Auch hier wird man bei der Rekrutierung auf Handwerker sehen, welche mit dem in Betracht fallenden Material umzugehen und laufende Reparaturen daran zu besorgen verstehen: Seiler, Schneider, Maschinisten. Die Unteroffiziere und Soldaten der mobilen Sektion erhalten die erforderliche Instruktion für das Füllen und die Handhabung des Ballons und iür den Transport des gefüllten Ballous über Hindernisse. Die Offiziere haben überdies die Praxis der Aufstiege und der Beobachtung vom Ballon aus zu erlernen und sollten eine theoretische Ausbildung erhalten, die sie in den Stand setzt, ihr Material unter allen Verhältnissen mit Sachkenntnis zu gebrauchen. Wir glauben nicht, daß es besondere Schwierigkeiten biete, dieses Resultat mit unseren Truppen zu erreichen; denn dieser Dienst ist nicht komplizierter als etwa derjenige einer Feldbatterie, einer Festungs- oder Positionscompagnie,
oder einer Pontoniercompagnie und wir sehen im bürgerlichen Leben, daß die Luftschiffer von Profession dem Hülfspersonal, dessen sie bedürfen,, ohne Schwierigkeit die nötige Routine beibringen.

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Man hört auch etwa den Einwurf, daß wir abwarten sollten, bis das Problem des lenkbaren Luftschiffes gelöst sein werde.

Ein Studium aller der bisherigen Anstrengungen, um jenes Problem seiner Lösung entgegenzuführen, würde den Rahmen der gegenwärtigen Darstellung übersteigen. Dupuy de Lome, Giffard, Tissandier, Yon, Renard und Krebs, Koryphäen der Aeronautik, sowie der Professor Langley und der Maschinentechniker Maxim, haben sehr interessante Versuche nach jener Richtung hin gemacht, aber der Erfolg blieb stets unsicher und ungenügend. Vor etwa 10 Jahren glaubte man das Problem durch Kommandant Renard gelöst ; aber die Hoffnung erwies sich als trügerisch und auch die neuere Nachricht, daß Renard ein Luftschiff erfunden habe, welches Windstärken von 12 m. in der Sekunde bei freier Fahrt Trotz zu bieten vermöchte, hat sich nicht bestätigt. Trotz aller Anstrengungen scheint daher die Gewißheit oder auch nur die Möglichkeit, daß das Problem der Luftschiffahrt in nächster Zeit seine Lösung finden werde, keineswegs festzustehen. Es ist zur Zeit durchaus unmöglich zu sagen, ob nur noch wenige Jahre oder ob noch ein halbes Jahrhundert vergehen werde, bis der Mensch sich frei in den Lüften bewegen kann.

Es dürfte sich daher wohl kaum empfehlen, die Verwendung des Ballons in unserer Armee auf eine Entdeckung abstellen zu wollen, welche vielleicht erst um die Mitte des nächsten Jahrhunderts, vielleicht auch gar nicht gemacht wird. Die Ausrüstung unseres Heeres für den Krieg muß dem h e u t i g e n Bedürfnis entsprechen und wir. brauchen das mobile Schlachtfeldobservatorium nicht erst in 20 oder 50 Jahren, s o n d e r n j e t z t o h n e Aufschub.

Für die Schaffung einer Luftschifferabteilung kann es natürlich nicht unsere Aufgabe sein, neue Erfindungen auf dem Gebiet des Fesselballons machen zu wollen, sondern wir müssen sorgfältig das, was in ändern Ländern bereits zur Anwendung kommt, studieren und prüfen, und das Beste auswählen, unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse und Eigentümlichkeiten unserer Armee.

Auf Grund der gemachten Studien schlagen wir vor, die Luftschiffercompagnie auf folgende Weise zusammenzusetzen : 4 Offiziere, 37 Luftschiff er (Unteroffiziere und Soldaten), 34 Mann Train (Unteroffiziere und Soldaten), 8 Reitpferde, 58 Zugpferde, 14 Fuhrwerke.

Diese Compagnie teilt sich in zwei Sektionen : die mobile Sektion und die Maschinensektion, mit der in der Tabelle angegebenen Zusammensetzung.

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Das M a t e r i a l wird umfassen: a. einen vollständig ausgerüsteten B a l l o n von cirka 600 m 3 ; dabei müßte von den Gegenständen, welche sich am raschesten abnutzen, nämlich der Hülle und dem Netz, von vornherein ein Eeserveexemplar angeschafft und auf dem Gerätschaftswagen mit ins Feld geführt werden, um den Notwendigkeiten ' rascher Auswechslung sofort gewachsen zu sein; b. K a b e l und W i n d e , mit zugehörigem Dampf- oder Petroleummotor zu einem Fuhrwerk vereinigt. Das Kabel in einer Länge von 800--1000 m. aus Seide oder Stahldraht.

Auf dem Fourgon müßte für alle Eventualitäten ein Reservekabel mitgeführt werden; e. einen G e n e r a t o r zur Fabrikation des Wasserstoffgases; d. einen G a s o m e t e r , um das Gas von seiner Entstehung bis zu seiner Kompression zu magazinieren. Eine metallische Gasometer-Installation würde indessen zu kompliziert und zu kostspielig sein ; der Gasometer soll daher aus einem kleinen Hülfsballon bestehen ; e. einen K o m p r e s s e u r mit Maschine, um den Wasserstoff in die Cylinder einzufüllen; /. die S t a h l c y l i n d e r für die Magazinierung des komprimierten Gases bis zu dessen Gebrauch, mit den zugehörigen Transportfuhrwerken.

Die für eine Ballonfüllung nötigen Cylinder würden wir auf drei Wagen (nach besonderem Modell) verteilen. Wir sind der Ansicht, daß, um allen Eventualitäten gewachsen zu sein, wir wenigstens drei komplette Füllungen oder Garnituren bedürften, was uns zu der Zahl von 9 Transportfuhrwerken führt.

Die Kosten des Materials auf der Basis dieses Programms mit Einschluß der Installationen und Specialfuhrwerke werden von uns gestützt auf Devise, Offerten und sonstige Erklärungen von Lieferanten und das Gutachten der technischen Abteilung unseres Militärdepartements auf Fr. 153,300 berechnet, nach folgenden Ansätzen : l' Kabelwagen mit Dampf- oder Petrolmotor, und mit Kabeln von 1000 m. Länge; l Wasserstoffgenerator, l Ballonwagen mit l komplettem Ballon, l Reservehülle und Netz, und Ï kleiner GasometerBallon Fr. 52,800 l Dampfkessel für die Kompressionspumpen ,, 6,000 Kompressionspumpen m i t Dampfmaschine . . . . ,, 11,000 Übertrag

Fr. 69,800

453 Übertrag Fr. 69,800 3 Garnituren Cylinder (l Garnitur à Fr. 18,000) . ,, 54,000 Fuhrwerke zum Transporte der Cylinder (9 à Fr. 2000) ,, 18,000 Fourgons zum Transporte von Materialien (3 à Fr. 1500) ,, 4,500 Transportkosten und Unvorhergesehenes 5 °/o . . ,, 7,300 Fr. 153,600 Für den vorgesehenen Pferdebestand müßten beschafft werden : 27 Paar Kummetgeschirre à Fr. 450 Fr. 12,150 2 ,, Brustblattgeschirre à Fr. 250 ,, 500 5 Unteroffiziersreitzeuge à Fr. 240 ,, 1,200 Fr. 13,850 Die baulichen Einrichtungen, welche für den Fesselballon nötig sind, teils zur Unterbringung des Materials und der Fuhrwerke, teils zur Benutzung des Materials während der Schulen und Kurse sind die folgenden: a. ein Ballonschuppen ; b. ein Maschinenhaus; c. ein Kesselhaus.

Ad a. B a l l o n s c h u p p e n . In j|den Schulen und Kursen besteht ein sehr wichtiger Teil des Unterrichts einer Luftschiffertruppe nicht nur in den Übungen im Füllen des Ballons mit Gas, sondern auch in der Verwendung des gefüllten Ballons für die Beobachtungen und in Marschübungen mit dem gefüllten Ballon.

Für diese Übungen, welche oft wiederholt werden müssen, kann man, wenn größere Ausgaben vermieden werden sollen, den Ballon nicht jeden Tag füllen, da die Füllung eines Ballons von 600 cbm.

400 bis 500 Fr. kostet. Der Ballon muß daher während mehreren Tagen, an denen Übungen stattfinden, gefüllt bleiben. Ihn während dieser Zeit im Freien zu lassen empfiehlt sich nicht, da er durch Wind, Regen und Sonne zu stark leiden würde. Zur Schonung des Materials muß also ein Schuppen erstellt werden, in welchem der gefüllte Ballon untergebracht werden kann.

Ad b. M a s c h i n e n h a u s . Dasselbe soll enthalten: 1. Den Generator oder Wasserstofferzeuger, 2. die Kompressionspumpen, 3. den Gasometer.

Da es nicht möglich ist, die Produktion des Gases so zu regeln, daß die vom Generator erzeugte Quantität genau derjenigen

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entspricht, welche die Pumpen komprimieren können, so wird es notwendig, das erzeugte Gas in einen Gasometer zu leiten, welcher als Reservoir und Regulator dient, damit Gasverluste vermieden und eine regelmäßige Arbeit der Pumpen gesichert werde. Dieser Gasometer wird am einfachsten und billigsten aus einem kleinen Ballon mit einem Inhalte von cirka 60 cbm. gebildet.

Für diese drei Apparate ist ein Schuppen notwendig, in \velchem auch der nötige Raum zur Handhabung der Gascylinder vorhanden sein soll.

In diesen zwei Schuppen ist der nötige Raum vorhanden, um sämtliche Fuhrwerke der Luftschifferabteilung in der Zeit zwischen den Kursen unterbringen zu können.

Ad c. Das K e s s e l h a u s . In demselben werden der Dampfkessel (Lokomobilkessel), die Kohlen, die Säuren und das Eisen zur Gasfabrikation untergebracht.

Die K o s t e n dieser drei Gebäude würden 'nach der von unserem Departemente des Innern aufgestellten approximativen Berechnung betragen: Für den Ballonschuppen Fr. 24,300 Für das Maschinenhaus ,, 6,700 Für das Kesselhaus ,, 4,000 Zusammen

Fr. 35,000

Es wäre noch der Wert eines T e r r a i n s von 1500 bis 1800 qm. Fläche hinzu zu rechnen. Da jedoch die Größe dieses Terrains und sein Preis zu sehr von den lokalen Verhältnissen abhängen, ist es nicht möglich hier etwas genaues darüber anzugeben. Es sei nur bemerkt, daß falls diese Anlage auf dem Exerzierfelde eines unserer Waffenplätze hergestellt werden könnte,, dieser Posten wegfallen würde.

Die Kosten der ersten Anschaffungen und der nötigen Einrichtungen werden sich also im ganzen auf etwa Fr. 200,000 bis Fr. 220,000 belaufen.

Die Verwaltung ist eine einfache und kann mit derjenigen eines Zeughauses verbunden werden. Für den Unterricht sollten dia für die Genietruppen überhaupt bestehenden Vorschriften genügen.

Es wird aber angezeigt sein, nur alle vier Jahre eine Rekrutenschule abzuhalten, welche dann etwa 35 Mann zählen wird und in administrativer Hinsicht einer Rekrutenschule angeschlossen werden kann.

Da es sich bei Aufstellung der Luftschiffercompagnie um eine neue Truppeneinheit handelt, so bedarf deren Aufstellung der

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Gesetzeskraft. Indessen empfiehlt es sich, mit Bezug auf die Etatverhältnisse dem Bundesrate einigen Spielraum zu lassen, da sich das genaue Bedürfnis an Personal und Material definitiv erst feststellen läßt, wenn wir über das Auftreten und die Verwendung dieses neuen Kriegsmittels in unserem Gelände und in Verbindung mit unserer Armee die nötigen praktischen Erfahrungen gesammelt haben werden.

Daß die ganze Organisation der G e n i e w a f f e zugeteilt werden muß, wie dies auch in Frankreich, England und Italien der Fall ist, liegt auf der Hand.

Zum Schlüsse sprechen wir nochmals unsere feste Überzeugung aus, daß unsere Armee das mächtige Kriegsmittel des Fesselballons nicht länger entbehren darf, wenn sie sich nicht in bewußte Inferiorität gegenüber den ändern europäischen Armeen begeben will.

Das Erfordernis an Mannschaft und Pferden ist so geringfügig, daß es überhaupt nicht in Betracht fallen kann ; und auch die f i n a n z i e l l e Aufwendung übersteigt diejenigen Summen nicht, die man sonst für Vervollständigung unserer Kriegsrüstung und Kriegsbereitschaft ohne Zögern und mit ruhigem Bewußtsein auszuwerfen pflegt.

Es handelt sich dabei nicht nur um die Hebung der technischen Kriegsausrüstung, sondern namentlich auch um die S t ä r kung des V e r t r a u e n s u n s e r e r A r m e e zu sich selbst.

Der moralische Eindruck, welchen der Ballon des Gegners in der Schlacht auf unsere Truppen und selbst auch auf die Führung hervorbringen würde, wenn wir demselben keinen eigenen Ballon entgegenzusetzen haben, wäre geradezu unberechenbar und könnte zum Verlust der Schlacht beitragen, in welcher um die Entscheidung gerungen wird.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 24. Mai 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der I. Vizekanzler :

Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

die Aufstellung einer Luftschiffercompagnie.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 24. Mai 1897, beschließt: 1. Es wird eine Luftschiffercompagnie gebildet, welche dem Genie als neue Abteilung unterstellt ist.

2. Die Luftschiffercompagnie ist zur Bedienung eines Fesselballons und des dazu gehörenden Parkes bestimmt.

Sie wird nach Mitgabe der nachfolgenden Tabelle gebildet.

Es wird jedoch dem Bundesrate anheimgestellt, auf Grund gemachter Erfahrungen später allfällig notwendig werdende Änderungen an dieser Organisation im Rühmen des Budgets von sich aus zu beschließen.

3. Die aus dem Auszug in die Landwehr Übertretenden bleiben der Compagnie für den Dienst im Depot und für den Ersatz zugeteilt.

4. Für den Unterricht der Luftschiffercompagnie finden die für die Geniewaffe bestehenden Vorschriften sachgemäße Anwendung.

5. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Bestand einer Luftschiffercompagnie.

a. Mobile Sektion.

Offiziere. *?$**£ Eeitpferde..

Hauptmann, Chef der Compagnie Oberlieutenants oder Lieutenants.

Feldweibel Wachtmeister Soldaten Trainwachtmeister Trainkorporale Trainsoldaten Trompeter Wärter

l 2 -- -- -- -- -- -- -- --

-- -- l 3 25 l 2 27 l l

l 2 l -- -- l 2 -- l --

3

61

8

&. Maschinénseìction.

Öftere. ^Se"' Beitpferde-

Oberlieutenant oder Lieutenant . 1 Wachtmeister -- Soldaten -- Trainkorporal oder Gefreiter . . -- Trainsoldaten .

--

-- 2 6 l 2

1

11

Total: 4 Offiziere, 8 Reitpferde.

-- -- -- -- --

72 Unteroffiziere und Soldaten,,

458 Fuhrwerke und Zugpferde der Compagnie.

a. Mobile Sektion.

l sechsspänniger Kabelwagen 1 sechsspänniger Ballonwagen ß sechsspännige Cylinderwagen 3 unbespannte Cylinderwagen 2 zweispänuige Fourgons

6 Zugpferde 6 ,, . . . . 36 ,, -- ,, 4 fl

13 Fuhrwerke Reserve

52 Zugpferde 2 _ 54 Zugpferde b. MascJiinensekUon,

l Fourgon und 4 Zugpferde, eventuell noch als Fuhrwerk der Gasgenerator.

Die Trainsoldaten und Pferde der Maschinenabteilung sind für den Transport der Gascylinder zwischen der Fabrikationsanstalt und dem nächstgelegenen Bahnhof berechnet.

Total beider Sektionen: 14 Fuhrwerke und 58 Zugpferde.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung bezüglich Bildung einer Luftschiffercompagnie in der Armee. (Vom 24. Mai 1897.)

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Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1897

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

21

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.05.1897

Date Data Seite

431-458

Page Pagina Ref. No

10 017 880

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