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Bundesratsb eschluss über

den Rekurs des Christian Bürki, Landwirt in Wangen, Kanton Bern, betreffend Bewilligung für Holzschläge zum Handel.

(Vom 17. August 1897.)

Der schweizerische Bundesrat hat über den Rekurs des Christian B ü r k i , Landwirt in Wangen, Kanton Bern, betreffend Bewilligung für Holzschläge zum Handel, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Die Berner Verordnung über Holzschläge und Flößungen, vom 7. Januar 1824, verbietet den waldbesitzenden Partikularen Holzschläge auszuführen, die zum Wegflößen aus dem Oberamt, in welchem die abzuholzenden Waldungen stehen, und zum Holzhandel und Ausfuhr aus dem Kantone bestimmt sind, es wäre denn, daß sie eine obrigkeitliche Bewilligung zum Holzschlag und Wegflößen erhalten hätten. Die Bedingungen, unter denen eine solche Bewilligung erteilt wird, sind in einem regierungsrätlichen Erlaß vom 26. Oktober 1853 über die forstwirtschaftliche Behandlung der Waldungen des nähern festgesetzt.

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IL Christian Bürki, Landwirt in Wangen, Kanton Bern, führte im Winter 1895/1896 ohne obrigkeitliche Bewilligung in seinem Walde einen Kahlschlag aus.

III.

Unter Aufhebung eines freisprechenden erstinstanzlichen Urteils, in welchem die angeführten bernischen Vorschriften als unanwendbar, weil im Widerspruch mit Art. 31 der Bundesverfassung stehend, bezeichnet wurden, erklärte die Polizeikammer des Appellund Kassationshofes des Kantons Bern den 30. Januar 1897 Bürki wegen dieses Holzschlages schuldig der Widerhandlung gegen die erwähnten kantonalen Polizeivorschriften und verurteilte ihn zu einer Buße von Fr. 96 und zur Tragung der Kosten; sie zog in Erwägung : Die Verordnung vom 7. Januar 1824 und der Erlaß vom 26. Oktober 1853 bezwecken, wie sich aus dem Wortlaute der Aktenstücke deutlich ergiebt, die freie Dispositionsbefugnis der Gemeinden, Rechtsamebesitzer und Partikularen über ihren Waldbesitz aus Gründen der Forstpolizei nach gewissen Richtungen hin einzuschränken, namentlich um einer Entwaldung des Landes mit ihren verderblichen klimatischen und ändern Folgeerscheinungen vorzubeugen. Da bei Holzschlägen zum Zwecke des Holzhandels die Gefahr einer Entwaldung naturgemäß am größten ist, und da diese Gefahr mit dem Umfang des Absatzgebietes wächst, so schreibt die Verordnung vom 7. Januar 1824 (§ l, Absatz 2) für Holzschläge zum Zwecke des Handels und der Ausfuhr aus dem Kanton eine vorherige obrigkeitliche Bewilligung vor. Die forstpolizeiliche Kontrolle erstreckt sich daher lediglich auf die Holzschläge selbst und nicht auf den Handel mit geschlagenem Holze. Solche Einschränkungen der Dispositionsbefugnis über den Waldbesitz widersprechen dem Grundsatze der Handels- und Gewerbefreiheit nicht ; hat doch der Bundesgesetzgeber selbst in Art. 11 und 13 des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge, vom 24. März 1876, ähnliche Bestimmungen erlassen.

IV.

Über dieses Urteil beschwerte sich Bürki sowohl beim Bundesrat wie beim Bundesgericht; vor dem Bundesgericht behauptete er Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetze, ferner bestritt er, daß die in Frage stehenden Verordnungen Ge-

61 setzeskraft besitzen. Das Bundesgericht wies durch Entscheidung vom 9. Juni 1897 die Beschwerde als unbegründet ab.

Zur Begründung der in der Eingabe an den Bundesrat vom 8. Mai 1897 behaupteten Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit macht der Beschwerdeführer folgendes geltend : Nach der Verordnung vom 7. Januar 1824, in der eine staatliche Bewilligung zum Holzschlag ,,und" Wegflößen vorgeschrieben wird, ist nur der Holzhandel außerhalb des Kantons Bern getroffen, während der Verkehr innerhalb des Kantonsgebietes frei ist. Das Produkt seines eigenen Grundbesitzes an Waldungen kann der Eigentümer nach außen nicht beliebig verwerten, im Gebiet ·des Kantons Bern dagegen ist er ein freier Mann. Solche Normen .sind mit Art. 31 der Bundesverfassung unverträglich.

V.

Weder die Regierung noch die Polizeikammer des Appellhofes des Kantons Bern sahen sich veranlaßt, in Beantwortung der Besehwerde dem Urteil vom 30. Januar ergänzende Bemerkungen beizufügen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Der ßundesrat hat einzig die Frage der vom Rekurrenten behaupteten Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit zu prüfen, da über die übrigen Beschwerdepunkte das Bundesgericht in seiner Entscheidung vom 9. Juni 1897 als kompetente Beschwerdeinstanz entschieden hat.

II.

Die Bundesbehörden haben wiederholt ausgesprochen, daß die von den Kantonen aufgestellten Vorschriften über Bewirtschaftung und Ausbeutung von Waldungen, die im allgemeinen die Erhaltung des Waldbestandes bezwecken, den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht verletzen (vergi. Ullmer, II, Nr. 735 ff., Bundesbl. 1896, IV, S. 603).

Die Berner Verordnung vom 7. Januar 1824 und der regierungsrätliehe Erlaß vom 26. Oktober 1853 beschränken nun nur aus forstpolizeilichen Gründen die freie Verfügung der Waldeigentümer über ihren Wald. Wenn nach diesen kantonalen Bestimmungen nicht für jeden Holzschlag durch den Waldeigentümer die obrigBundesMatt. 49. Jahrg. Bd. IV.

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62 keitliche Bewilligung nachgesucht werden muß, sondern nur für bestimmte Holzschläge, vorab für solche, die zum Zweck des Verkaufs des Holzes außerhalb des Kantons geschehen, so ging hierbei der kantonale Gesetzgeber von dem Gedanken aus, daß nicht jeder, sondern nur der umfangreichere Holzschlag die Gefahr der Entwaldung in sich birgt, und daß daher nur der letztere einer besonderen forstpolizeilichen Kontrolle zu unterwerfen ist, ferner daß das ausgedehntere Absatzgebiet, wie es sich im Verkauf des zu schlagenden Holzes außerhalb des Kantons manifestiert, ein hinreichendes Unterscheidungszeichen ist für die Unterwerfung unter die fragliche Kontrolle. Eine Verletzung des Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit liegt demnach in der mehrerwähnten Berner Verordnung ebensowenig, wie gemäß bundesgerichtlicher Festsetzung eine Verletzung der Rechtsgleichheit. Es mag ja sehr zweifelhaft sein, ob die angefochtene Bestimmung der Verordnung vom Jahre 1824 heute noch als zeitgemäß erscheint, und es mag selbst zugegeben werden, daß die der Bestimmung zu Gründeliegenden forstpolizeilichen Zwecke mit Hülfe derselben nur unvollkommen erreicht werden; allein hierin liegt für die Bundesbehörde kein Grund, die Bestimmung als verfassungswidrig zu erklären.

III.

Der Fall Gisler (vergi. Salis, II, Nr. 537) läßt sich mit dem vorliegenden Rekurse nicht vergleichen ; denn dort lag ein absolutes Verbot des Holzhandels über die Kantonsgrenzen hinaus vor, hier wird nur die Einholung einer obrigkeitlichen Bewilligung für den Holzschlag zum Zweck des Holzhandels außerhalb des Kantons vorgeschrieben.

Demnach wird erkannt: Der Rekurs ist als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 17. August 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,, Der Vizepräsident: Ruffy.

Der I. Vizekanzler : Schatzmann.

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Bundesratsbeschluss über den Rekurs des Christian Bürki, Landwirt in Wangen, Kanton Bern, betreffend Bewilligung für Holzschläge zum Handel. (Vom 17. August 1897.)

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