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Bundesblatt 114. Jahrgang

Bern, den 1.März 1962

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 33 Franken im Jahr, 18 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Einrückungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Entwurf einer Neufassung des Bundesgesetzes über die Bekämpfung der Rindertuberkulose (Vom 20. Februar 1962)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf einer Neufassung des Bundesgesetzes über die Bekämpfung der Eindertuberkulose zu unterbreiten.

I

Das geltende Bundesgesetz vom 29.März 1950 über die Bekämpfung der Rindertuberkulose (AS 1950, 1482) ermächtigt die Kantone, das Bekämpfungsverfahren für ihr Gebiet obligatorisch zu erklären. Heute gelangt dieses Verfahren in allen Kantonen obligatorisch zur Anwendung und hat, wie Ihnen bekannt ist, Ende 1959 zur Erreichung der Tuberkulosefreiheit des gesamten schweizerischen Viehbestandes geführt. Dadurch sind wesentlich andere Verhältnisse geschaffen worden, die eine Anpassung des Bundesgesetzes verlangen. Einerseits soll das Obligatorium der Bekämpfung bundesgesetzlich festgehalten werden, und anderseits sind die Artikel 8, 4 und 6 des zurzeit gültigen Gesetzes überflüssig geworden, weil die darin enthaltenen Aufgaben und Forderungen erfüllt sind. Die in Artikel 2 aufgeführte Impfmassnahme zum Schutz und zur Erhaltung tuberkulosefreier Bestände hat sich als Bekämpfungsmethode nirgends bewährt, so dass auf diese Impfungen als Schutzmittel verzichtet werden kann. · Bundesblatt. 114. Jahrg. Bd. I.

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402 II Es lässt sich nicht umgehen, dass bei der Festlegung des Eahmens für die Bundesbeiträge an die Kantone (Art. 3, Abs. 1) neben den fachlichen Gesichtspunkten auch finanzpolitische berücksichtigt werden. Mit der Aufnahme von Artikel 42ter in die Bundesverfassung wurde der Gesetzgeber verpflichtet, den ' Finanzausgleich unter den Kantonen zu fördern und insbesondere bei der Gewährung von Bundesbeiträgen -auf die Finanzkraft der Kantone und auf die Berggebiete angemessen Eücksicht zu nehmen. Diesem Erfordernis ist bei der Kevision des Bundesgesetzes über die Bekämpfung der Eindertuberkulose Eechnung zu tragen. Zu diesem Zwecke sollte der bis jetzt gültige Eahmon von 40-50 Prozent fallen gelassen und ein solcher von 80-50 Prozent geschaffen werden. Es ist allerdings zuzugeben, dass bei den übrigen Tierseuchen die Beiträge an die Tierentschädigungen ebenfalls nur zwischen 40 und 50 Prozent abgestuft werden. Dagegen erfahren die Subventionen an die allgemeinen Bekämpfungskosten bei sämtlichen übrigen Seuchen eine Differenzierung zwischen 30 und 50 Prozent. Der Bundesrat erachtet es deshalb als Minimum, dass nun auch bei der Eindertuberkulose wenigstens der Eahmen für die Subventionierung der allgemeinen Bekämpfungskosten auf 30-50 Prozent erweitert wird, wodurch eine Vereinheitlichung der Subventionsansätze im Gebiete der Tierseuchenbekämpfung erreicht wird. Demgernäss bleibt für die Subventionierung der Tierentschädigungen weiterhin ein Eahmen von 40-50 Prozent bestehen, während derjenige für die Beiträge an die allgemeinen Bekämpfungskosten neu auf 30-50 Prozent festgesetzt ist.

III

Für die Bundesbeiträge zur Ausmerzung tuberkulöser Tiere waren bisher höchstens 80 Prozent des amtlichen Schatzungswertes nach Abzug des Erlöses anrechenbar. Eine Ausnahme davon bildeten die Gebiete, in denen vorwiegend Viehzucht betrieben wurde und die geschlossen dem Verfahren unterstellt worden waren. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt waren, konnten bei der Berechnung der Bundesbeiträge bis 90 Prozent des amtlichen Schatzungswertes berücksichtigt werden. Es war jedoch den Kantonen freigestellt, dem Tierhalter 90 Prozent des amtlichen Schatzungswertes auszuzahlen, selbst wenn er in einem Gebiet wohnte, in dem nicht vorwiegend Viehzucht betrieben wurde und das nicht geschlossen dem Bekämpfungsverfahren unterstellt war, wobei aber die Kantone nur in den Genuss der Bundessubvention, berechnet auf der Grundlage von 80 Prozent des Schätzungswertes kamen. Sie hatten die restlichen 10 Prozent ganz aus dem eigenen Finanzhaushalt zu bestreiten. Dass trotzdem bereits 10 Flachlandkantone von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, ihren Tierbesitzern für die tuberkulösen Ausmerztiere 90 Prozent des Schatzungswertes zukommen zu lassen, darf als Beweis dafür gewertet werden, dass

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sie die bundesgesetzliche subventionsberechtigte Entschädigung als zu niedrig erachteten.

Das neue Bundesgesetz möchte im Gegensatz zum geltenden Eecht den Prozentsatz des amtlichen Schatzungswertes, der für die Bemessung der Bundesbeiträge in Frage kommt, generell von 80 auf 90 Prozent erhöhen und eine Differenzierung der Beiträge nach bisheriger Eegelung fallen lassen. Nachdem heute alle Viehbestände in der ganzen Schweiz dem Verfahren angeschlossen sind, ist die Bedingung der «geschlossenen Unterstellung» ohnehin für alle Gebiete unseres Landes erfüllt. Eine Schlechterbehandlung der Flachlandbauern durch einen Selbstbehalt von 20 Prozent des Schatzungswertes ist heute nicht mehr begründet, da die Motive dazu zum grossen Teil gegenstandslos geworden sind. Man stellte sich immer auf den Standpunkt, dass der Tierbesitzer dadurch, dass er selbst wesentlich am Schaden beteiligt ist, die nötige Vorsicht walten lasse, um seinen Viehbestand vor seuchenhaften Krankheiten zu schützen und, falls sie trotzdem auftreten, bei deren Bekämpfung tatkräftig mitarbeite.

Während der Sanierungsperiode waren diese Überlegungen sicherlich angebracht; heute hegen aber die Verhältnisse nach der Tilgung der Tuberkulose wesentlich anders. Die Veräüsserung von Tbc-Eeagenten, ausgenommen zur direkten Abgabe an die Schlachtbank, ist verboten, die Bedingungen über den Zukauf, die Sommerung usw. von Tieren sind gesetzlich genau vorgeschrieben, und alle Viehbestände sind dauernd durch die Kontrolltierärzte überwacht, so dass das Verhalten des Tierbesitzers zur Erhaltung der Tuberkulosefreiheit seines Viehbestandes und zur Vermeidung von Neuinfektionen nur unwesentlich ins Gewicht fällt. Treten solche trotzdem auf, so haben sie meistens ihre Ursache im Verbleiben eines sogenannten anergischen Tieres im Bestände, das trotz Infektion eine negative Tuberkulinreaktion zeigt, plötzlich jedoch Tuberkulosebakterien ausstreut und auf diese Weise andere Tiere ansteckt. Eine weitere verhältnismässig häufige Ursache bildet die Übertragung des Erregers durch den mit dem Eindertypus infizierten Menschen. Die tuberkulöse Erkrankung des letzteren wird nicht selten erst nach der Neuinfektion des Viehbestandes durch Umgebungsuntersuchungen zur Eruierung der Ansteckungsquelle entdeckt. Ein schuldhaftes Verhalten des Tierhalters für diese
Eeinfektionsfälle und der daraus resultierenden Schäden, die infolge Tierschlachtungen entstehen, lässt sich sehr selten nachweisen. Wir erachten deshalb eine Beteiligung des Tierbesitzers - ohne Eücksicht auf seinen Wohnort - am Schaden im Ausmass von 10 Prozent des amtlichen Schatzungswertes als hinreichend und folgen damit dem Postulat Kurmann, das am 27. September 1960 in der Sitzung des Nationalrates angenommen worden ist und den Bundesrat beauftragt, die Frage zu studieren, ob nicht die Entschädigung an die tuberkulösen Ausmerztiere auf 90 Prozent des Schatzungswertes erhöht werden könnte.

Die finanzielle Mehrbelastung ist für den Bund unwesentlich, da die Zahl der Ausmerztiere sich in äusserst bescheidenem Eahmen bewegt. So wurden im Jahre 1959 21 563 Tiere ausgemerzt, während es 1960 nur noch 3851 waren.

In den nächsten Jahren wird sich die Anzahl Ausmerztiere noch reduzieren.

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IV Alle Kantone haben dem Gesetzesentwurf zugestimmt, wobei von einer Anzahl derselben die Erhöhung des subventionsberechtigten Ansatzes boi den Tierentschädigungen von 80 auf 90 Prozent ganz besonders begrüsst wurde.

Zu den einzelnen Artikeln des Bundesgesetzes haben wir folgende Bemerkungen anzubringen : Art. 1. In Absatz l ist die obligatorische Bekämpfung der Eindertuberkulose festgehalten. Die in Absatz 2 verankerte Kompetenzerteilung an den Bundesrat, die Bestimmungen dieses Gesetzes auf andere Tiergattungen anwendbar zu erklären, entspricht einem Bedürfnis, da neben dem Bindvieh auch Ziegen an Tuberkulose erkranken können. Zudem sind gewisse Zusammenhänge zwischen der Tuberkulose der Schweine und des Geflügels mit der Bindertuberkulose in Betracht zu ziehen.

Art. 2. Die Massnahmen haben eine Vereinfachung erfahren, da tuberkulöse Tiere nicht mehr abzusondern sind, sondern geschlachtet werden müssen.

Ebenso kommen Impfmassnahmen nach Erreichung der Tuberkulosefreiheit unseres Viehbestandes nicht mehr in Frage.

Art. 3. Wir verweisen auf die Ausführungen unter Ziffer II und III.

Art. 4-7. Sie entsprechen dem geltenden Gesetz.

Art. 8, Abs. 1. Zur Entlastung des Bundesrates sollte die Genehmigung der kantonalen Vorschriften dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement und nicht wie bis anhin dem Bundesrat übertragen werden.

Art. 9. In Absatz 8 ist das intertemporale Recht geordnet.

Wir beantragen Ihnen die Annahme des beigefügten Gesetzesentwurfes sowie die Abschreibung des Postulats des Nationalrats Nr. 7980, dem durch diese Botschaft Folge geleistet wurde.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 20. Februar 1962.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: P. Chaudet Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Entwurf einer Neufassung des Bundesgesetzes über die Bekämpfung der Rindertuberkulose (Vom 20.

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