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Botschaft betreffend die Ergänzung des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 24. Oktober 1979

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen den Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Erneuerung der Frist für Gesuche von Kindern schweizerischer Mütter um Anerkennung als Schweizer Bürger) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

24. Oktober 1979

25 Bundesblatt. 131. Jahrg. Bd. III

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hürlimann Der Bundeskanzler: Huber

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Übersicht Aufgrund von Artikels? Absatz 6 des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts, der am 1. Januar 1978 mit dem neuen Kindesrecht in Kraft getreten ist, konnten Kinder eines ausländischen Vaters und einer von Abstammung schweizerischen Mutter innerhalb eines Jahres die Anerkennung als Schweizer Bürger beantragen, sofern die Eltern im Zeitpunkt der Geburt ihren Wohnsitz in der Schweiz hatten. Das Bundesgericht hat nun in einem erst nach Ablauf der Frist gefällten Entscheid (29. Juni 1979) den Begriff der «Schweizerin von Abstammung» in einer Weise ausgelegt, die den Bereich der betroffenen Kinder wesentlich erweitert.

Für Kinder, die im Hinblick auf die bisherige engere Interpretation kein Gesuch eingereicht oder einen negativen Entscheid der Behörden hingenommen hatten, besteht keine Möglichkeit mehr, ihr Recht auf Anerkennung als Schweizer Bürger geltend zu machen. Sie sollten deshalb durch eine Ergänzung des Gesetzes nochmals Gelegenheit dazu erhalten.

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Botschaft l

Ausgangslage

Nach dem im Jahre 1928 erlassenen Artikel 44 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV) ist der Bund befugt, Kindern ausländischer Eltern von Geburt an das Schweizer Bürgerrecht zu erteilen, wenn die Mutter von Abstammung Schweizerin war und die Eltern zur Zeit der Geburt in der Schweiz ihren Wohnsitz haben.

Diese Bestimmung wurde erlassen, um die Überfremdung zu bekämpfen, bezweckte jedoch nicht, Kindern grundsätzlich durch mütterliche Abstammung das Schweizer Bürgerrecht zu vermitteln (Botschaft vom 9. November 1920/14. November 1922; BEI 7920 V 1/7922 III 661). Im Jahre 1952 wurde Artikel 44 Absatz 3 BV durch Erlass von Artikel 27 des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BUG) (SR 141.0) in abgeschwächter Form verwirklicht (Botschaft vom 9. August 1951; BB1 1951 II 669 681 f.). Diese Bestimmung ermöglichte die erleichterte Einbürgerung von Kindern gebürtiger Schweizerinnen. Als solche galten im Hinblick auf den Begriff der «Schweizerin von Abstammung» in Artikel 44 Absatz 3 BV seit dem Inkrafttreten des BüG im Jahre 1953 stets nur Frauen, die das Schweizer Bürgerrecht bei der Geburt von Gesetzes wegen aufgrund ihrer Abstammung erworben hatten, nicht aber solche, die durch Heirat, Einbezug in die Einbürgerung des Vaters oder durch selbständige Einbürgerung Schweizerinnen geworden waren. Der damals in Beschwerdefällen zuständige Bundesrat hatte diese Auslegung wiederholt geschützt (Botschaft vom S.Juni 1956; BEI 79561 1157 1171 f.).

Voll ausgeschöpft wurde die verfassungsmässige Kompetenz erst durch die Neuregelung des Bürgerrechts der Kinder schweizerischer Mütter, die am l. Januar 1978 im Zusammenhang mit der Revision des Kindschaftsrechts in Kraft trat (Bundesgesetz vom 25. Juni 1976 über die Änderung des ZGB [Kindesverhältnis]). Danach erwerben Kinder einer schweizerischen Mutter und ihres ausländischen Ehemannes von Geburt an das Kantons- und Gemeindebürgerrecht der Mutter und damit das Schweizer Bürgerrecht, wenn die Mutter von Abstammung Schweizer Bürgerin ist und die Eltern zur Zeit der Geburt in der Schweiz ihren Wohnsitz haben (Art. 5 Abs. l Bst. a BüG). Nach der Übergangsbestimmung des Artikels 57 Absatz 6 BüG, die erst in der parlamentarischen Beratung eingefügt wurde, konnten vorher geborene Kinder, welche die Voraussetzungen des neuen Rechts im Zeitpunkt der
Geburt erfüllt hätten und noch nicht 22 Jahre alt waren, innert Jahresfrist die Anerkennung als Schweizer Bürger beantragen. In dieser neuen Regelung kam die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Gleichberechtigung von Vater und Mutter in der Vermittlung des Schweizer Bürgerrechts an ihre Kinder im Rahmen von Artikel 44 Absatz 3 BV so weitgehend wie möglich zu verwirklichen (Botschaft vom S.Juni 1974; BB1 7974 II l 110 ff.). Diese Bestimmung entsprach einem echten Bedürfnis. Bis zum 31. August 1979 wurden 35 863 Gesuche gutgeheissen.

Während der Jahresfrist für die Anerkennung als Schweizer Bürger gemäss Artikel 57 Absatz 6 BüG gingen die kantonalen Behörden, die das Bürgerrechtsgesetz anzuwenden haben, in Übereinstimmung mit der von den zuständigen Bundesbe691

hörden vertretenen Auffassung grösstenteils von der traditionellen Interpretation des Begriffs der «Schweizerin von Abstammung» aus. Es wurde dann aber auf Anregung der Lehre durch einzelne Kantone auch die Auffassung vertreten, die bisherige Interpretation sei zu eng. Da das nunmehr zuständige !> Bundesgericht bis Ablauf der Jahresfrist keinen von der bisherigen Praxis abweichenden Entscheid gefällt hatte, erachtete es der Bundesrat in seiner Antwort vom 20. Dezember 1978 auf eine Dringliche Einfache Anfrage von Frau Christinat nicht für angezeigt, die am 31. Dezember 1978 ablaufende Frist von Artikel 57 Absatz 6 BüG zu erstrecken. Erst mit Urteil vom 29. Juni 1979 hat das Bundesgericht zum Begriff der «Schweizerin von Abstammung» Stellung genommen und erklärt, dass im Gegensatz zur traditionellen Auffassung auch solche Frauen als Schweizerinnen von Abstammung anzusehen sind, die durch Einbezug in die Einbürgerung ihrer Eltern oder durch erleichterte Einbürgerung das Schweizer Bürgerrecht erworben hatten. Entscheidend war dabei die Überlegung, dass auch bei diesen beiden Tatbeständen die Abstammung beteiligt ist. Hierauf kündigte der Bundesrat in seiner Antwort vom 1. Oktober 1979 auf eine Dringliche Einfache Anfrage von Frau Blunschy seine Absicht an, dem Parlament eine neue Frist für Anträge nach Artikel 57 Absatz 6 BüG vorzuschlagen.

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Kritische Würdigung der Ausgangslage

Im Zeitpunkt des vorerwähnten Urteils des Bundesgerichts waren noch zahlreiche Gesuche um Anerkennung als Schweizer Bürger von Kindern hängig, deren Mütter nun als «Schweizerinnen von Abstammung» anzusehen sind. Diese Gesuche konnten gutgeheissen werden. Wo jedoch gestützt auf behördliche Auskünfte kein Gesuch gestellt oder ein solches dem Gesuchsteller unter Hinweis auf seine Aussichtslosigkeit formlos zurückgesandt worden war, konnte angesichts der bereits abgelaufenen Jahresfrist nach Artikel 57 Absatz 6 BüG keine neue Anerkennung als Schweizer Bürger beantragt werden. Es war auch nicht mehr ohne weiteres möglich, materiell rechtskräftige Abweisungsentscheide wieder aufzugreifen.

Dies führt zu einer Benachteiligung jener Kinder, auf welche die bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht mehr anwendbar ist. Auch die erleichterte Einbürgerang nach Artikel 27 BüG vermag ihrer Benachteiligung nur in beschränktem Rahmen abzuhelfen, da darauf kein Rechtsanspruch besteht und da sie einen zehnjährigen Wohnsitz in der Schweiz voraussetzt. Die beantragte Gesetzesänderung setzt sich zum Ziel, die Gleichstellung auch dieser Kinder im Rahmen von Artikel 44 Absatz 3 BV zu erreichen. Die Zahl der in Betracht fallenden Kinder ist nicht bekannt; sie dürfte nicht gering sein. Die Bundesbehörden haben zwar die Vorbereitung einer Revision von Artikel 44 Absatz 3 BV 2 > 'an die Hand genommen. Indessen dürfte bis zum Inkrafttreten der neuen VerfassungsbestimD Für Art. 57 Abs. 6 BüG seit dem 1. Januar 1978. Für Art. 27 BüG allerdings schon seit dem 1. Oktober 1969 (Revision des BG über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 20. Dezember 1968 [SR 173.110]).

2 > Siehe N. 79.223 Parlamentarische Initiative. Bundesverfassung. Schweizer Bürgerrecht (Weber-Altdorf) vom 23. März 1979 und Motion 78.517 Christinat vom S.Oktober 1978. Schweizer Bürgerrecht für Kinder von Schweizer Müttern (N 20.3. 1979, S2. 10. 1979).

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mung und der darauf gestützten Ausführungsgesetzgebung noch geraume Zeit verstreichen. Deshalb ist es nötig, das dargelegte Problem sofort zu lösen.

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Inhalt der Gesetzesrevision

War das Kind eines ausländischen Vaters und einer Mutter, die von Abstammung Schweizer Bürgerin ist, bei Inkrafttreten des neuen Kindschaftsrechts am 1. Januar 1978 noch nicht 22 Jahre alt und hatten dessen Eltern zur Zeit der Geburt in der Schweiz Wohnsitz, so soll ihm durch Ansetzen einer neuen Jahresfrist eine weitere Gelegenheit gegeben werden, bei der zuständigen Behörde des Heimatkantons der Mutter die Anerkennung als Schweizer Bürger zu beantragen.

Allerdings hilft die blosse Festsetzung einer neuen Frist jenen Kindern nicht, deren Antrag gemäss der traditionellen Praxis abgewiesen wurde und die eine Weiterziehung wegen vermeintlicher Aussichtslosigkeit unterliessen. Sie sollen nicht schlechter gestellt sein als die Kinder, die gestützt auf die behördliche Auskunft kein Gesuch stellten oder sich mit der formlosen Ablehnung abfanden. Die beantragte Ergänzung trägt dem mit der ausdrücklichen Bestimmung Rechnung, dass die neue Frist auch den Kindern offensteht, deren Anträge abgewiesen worden sind. Praktisch bedeutsam ist das für jene Kinder, die im Lichte der geklärten Rechtslage als Schweizer Bürger anerkannt werden müssen.

Den unmittelbaren Anlass zu dieser Gesetzesänderung geben jene Kinder, die nicht mehr in den Genuss der mit Urteil des Bundesgerichts vom 29. Juni 1979 geklärten Rechtslage gelangen konnten. Es erscheint jedoch als angezeigt, die neue Frist auch auf Kinder auszudehnen, welche die ursprüngliche Frist aus andern Gründen verstreichen liessen. Eine allgemeine Regelung hat den Vorteil, eine klare Rechtslage zu schaffen und heiklen Abgrenzungsfragen vorzubeugen.

Sie wird auch gestatten, den zurzeit beim Bundesgericht noch hängigen Beschwerden, die sich auf Artikel 57 Absatz 6 BüG stützen, Rechnung zu tragen.

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Personelle und finanzielle Auswirkungen

Für den Bund ergeben sich keine personellen oder finanziellen Auswirkungen.

Die Kantone werden durch den Vollzug nicht mehr wesentlich belastet.

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Verfassungsmässigkeit

Die vorgeschlagene Bestimmung stützt sich, wie schon der geltende Artikel 57 Absatz 6 BüG, auf Artikel 44 Absatz 3 BV.

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Bundesgesetz Entwurf über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts Ergänzung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 24. Oktober 1979 D, beschliesst:

I Das Bundesgesetz vom 29. September 19522> über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts wird wie folgt ergänzt : Art. 57 Abs. 7 (neu) 7

Wer die Voraussetzungen von Absatz 6 erfüllt, hat mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung eine neue Frist von einem Jahr, um die Anerkennung als Schweizer Bürger zu beantragen. Dieses Recht besteht, selbst wenn ein während der Jahresfrist gemäss Absatz 6 gestellter Antrag abgewiesen worden ist.

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Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

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Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

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D BB1 1979 III i 2> SR 141.0

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft betreffend die Ergänzung des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 24. Oktober 1979

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1979

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20.11.1979

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