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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer elektrischen Eisenbahn von Meiringen über die Große Scheidegg nach Grindelwald.

(Vom 20. März 1897.)

Tit.

Unterm 12. August 1890 reichten die Herren B. S tu d e r , Ingenieur, und J. R i t s c h a r d , Fürsprech, in Thun ein K o n z e s s i o n s g e s u c h für eine Eisenbahn von G r i n d e l w a l d über die Große Scheidegg nach M e i r i n g e n ein. Diese als schmalspurige Zahnradbahn projektierte Linie hatte ihren Ausgangspunkt am östlichen Ende des Dorfes Grindelwald unterhalb der Kirche, 1057 m. ü. M., erreichte ihren Kulminationspunkt bei 1941 m. ü. M.

auf der Großen Scheidegg und endigte in Meiringen am südlichen Ende des Dorfes. Weder hier noch in Grindelwald war ein Anschluß an die daselbst ausmündende Bahn vorgesehen. Die Anlagekosten waren zu Fr. 5,700,000 oder per km. der rund 20 km.

langen Bahn zu Fr. 285,000 berechnet. Die Reisendenfrequenz wurde auf 50,000 Personen während 120 Saisontagen geschätzt, was bei einer Taxe von Fr. 15 in I. und Fr. 10 in II. Klasse eine Verzinsung des auf Fr. 3,200,000 veranschlagten Aktienkapitals mit 8 °/o hätte ergeben sollen.

Dieses Gesuch wurde von Herrn Fürsprech Ritschard für sich und namens seines Mitbewerbers laut Erklärung vom 16. September 1892 zurückgezogen.

Mittelst Eingabe vom 9./ll. November 1895 stellten sodann die Herren Franz Josef B ü c h e r in Kerns und Elias F l o t r o n in Meiringen das Gesuch um Erteilung der K o n z e s s i o n für eine e l e k t r i s c h e E i s e n b a h n von M e i r i n g e n über die G r o ß e S c h e i d e g g nach G r i n d e l w a l d .

165 Die dem Gesuche beigegebene .,,Baubeschreibung"' läßt die Bahn bei der Brünigbahnstation Meiringen, Cote 600, beginnen, von wo sie sich in direkter Linie und vollkommenhorizontal, mit einer Überbrückung der Aare von 40 m., durch die Williger Allmend nach der projektierten Station der Drahtseilbahn zu den Reichenbachfällen ziehen würde. Von hier führe sie oberhalb der Ortschaft Willigen nach dem Lauibach mit einer Steigung von 42 0/00 und wende sich hierauf nach dem Dörfchen Geißholz. Nach einer großen Kurve ziehe sie sich durch den Schwendibach nach Zwirgi (Cote 990) mit einer durchschnittliehen Steigung von 154 °/oo.

Bei Zwirgi sei, wie bei Geißholz, eine Haltestelle vorgesehen. Die Bahn führe sodann mit einer Steigung von 211 °/oo nach Reutsperri und mi0,13is °/°° zur Station Rosenlaui im Gschwantenmad, wo sie die Cote 1292 erreiche. 100 Meter vorher überschreite die Bahn, nachdem sie sich immer auf dem rechten Ufer gehalten habe, den Reichenbach mittelst einer Brücke von 35 m. Spannweite. Nachdem sie mit einer Maximalsteigung von 155 °/oo die Höhe von Breitenbodenalp (Cote 1410) erreicht habe, führe sie mit Steigungen von 155 und 130 °/oo zur Station Schwarzwald (Cote 1470). Von hier bis zur Station Große Scheidegg steige sie 180 °/oo, um den Kulminationspunkt, Cote 1950, zu erreichen.

Sodann wende sich die Bahn mit 190 °/oo Gefall über Roßalp zur Station Obergletscher und mit 50 und 125 °/oo Gefäll zur Endstation Grindelwald, wo sie an die Berner. Oberland-Bahnen und an die Wengernalpbahn anschließen solle.

Die Spurweite sei zu l Meter, der Minimalradius zu 60 Metern, die Maximalsteigung zu 216 °/oo projektiert. Die ganze Länge der Bahn betrage 20,s5o Kilometer, wovon 12,43 Kilometer für Zahnradbetrieb.

Die A n l a g e k o s t e n werden berechnet wie folgt : 1. Organisation und Verwaltung Fr.

284,900 2. Expropriationen ,, 122,100 3. Unterbau : a. Tunnel Fr. 300,000 b. Offene Linie mit Stütz- und Futtermauern . . . . .

,, 784,000 c. Offene Linie, Auf- und Abtragsböschung . . . . .

,, 346,000 d. Brücken 204,000 ,, 1,634,000 Übertrag

Fr. 2,041,000

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Übertrag 4. Oberbau : a . Adhäsionsstrecke b. Zahnradstrecke 5.

6.

7.

8.

. . . .

Hochbau und Mobiliar Telegraph Rollmaterial Unvorhergesehenes

Fr. 2,041,000

F r . 174,240 ,, 559,350 .

Total

,, ,, ,, ,, ,,

733,590 244,200 50,875 569,800 360,535

Fr. 4,000,000

Für die R e n t a b i l i t ä t s b e r e c h n u n g werden die Betriebskosten auf Fr. 13,000 per km. Zahnradbahn und Fr. 8000 per km.

Adhäsionsbahn veranschlagt 5 es würde dies ergeben : 12,48 km. Zahnradbahn Fr. 161,590 7,92 ,, Adhäsionsbahn ,, 63,360 Total

Fr. 224,950

Für die I. Wagenklasse sei eine Taxe von 60 Rappen und für die II. eine solche von 40 Rappen per Kilometer vorgesehen, was für die ganze Strecke Fr. 12. 20, beziehungsweise Fr. 8. 10 ausmache. Wenn bei einer Frequenz von 45,000 Personen 10,000 die I. Klasse benützen, so ergebe sich hieraus eine Einnahme von Fr. 122,000 und von den 35,000 Reisenden II. Klasse . . . ,, 283,500 Total

Fr. 405,500 ,, 40,550

Totaleinnahme Betriebsausgaben

Fr. 446,050 ,, 224,950

Gepäck (10%) . . . . :

Verbleiben Fr. 221,100 oder 5,5 % des Aktienkapitals.

Nachdem dieses Gesuch der kantonalen Regierung zur Prüfung übermittelt worden war, teilten die Dorfgemeinde M e i r i n g e n und Herr Ingenieur S t u d e r in Thun dem Eisenbahndepartement unterm 3. Januar 1896 mit, daß sie das f r ü h e r e P r o j e k t der Herren Studer und Ritschard wieder a u f n e h m e n und sich ebenfalls für die Konzession einer Eisenbahn von Grindelwald über die Große Scheidegg nach Meiringen bewerben. Die Petenten wünschten, es möchte ihrem Gesuche der Vorrang vor dem späteren Projekte der

167 Herren Bucher und Flotron gewährt werden. In einem Nachtrage führten sie dann noch aus, daß an dem ursprünglichen Entwürfe der Herren Studer und Ritschard einige Änderungen vorgenommen worden seien. So habe der Ausgangspunkt der Bahn in die gegenwärtige Station Grindel wald der Berner Oberland bahnen verlegt werden müssen, wodurch die Bahn um 1000 Meter verlängert werde. Anderseits erfahre sie wieder eine Kürzung um 700 Meter in Meiringen, wo sie in den Bahnhof der Brünigbahn einmünde.

Da die projektierte Bahn eine Fortsetzung der Wengernalpbahn bilde, so werde deren Spurweite, 0,s Meter, ebenfalls angenommen, was in Verbindung mit dem elektrischen Betriebe eine wesentliche Reduktion des Anlagekapitals ermögliche.

Der Kostenvoranschlag sehe vor: I. Bahnanlage und feste Einrichtungen . . Fr. 3,800,000 U. Rollmaterial ,, 400,000 m. Mobiliar und Gerätschaften ,, 40,000 IV. Unvorhergesehenes ·,, 200,000 Total

Fr. 4,500,000

Die Rentabilitätsrechnung veranschlagt die Einnahmen auf Fr. 475,000 die Ausgaben (inklusive Fr. 40,000 Einlage in den Erneuerungsfonds und 4y2% Verzinsung eines Obligationenkapitals von Fr. 2,000,000) ,, 350,000 so daß ein Betriebsüberschuß von Fr. 125,000 oder 5 % des Aktienkapitals im Betrage von Fr. 2,500,000 verbleiben.

In seiner Vernehmlasaung vom 29. Januar 1896 über das Projekt Bucher und Flotron bezeichnete der Regierungsrat von Bern eine bessere Verbindung Grindelwalds mit Meiringen als sehr wünschenswert, um den schönen Paß über die Große Scheidegg dem Touristenverkehr zugänglicher zu machen. Auch die beteiligten Gemeinden Grindelwald, Schattenhalb und Meiringen seien einstimmig dieser Meinung und verlangen nur Berücksichtigung einiger Forderungen lokaler Natur, insbesondere : a. Bessere Bedienung der bestehenden Etablissemente am Rosenlaui-, Scheidegg- und obern Grindelwaldgletscher durch thunliche Annäherung der Stationen; b. Respektierung der bestehenden Holzablasse und Anlage von Holzabfuhrwegen ;

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c. Erstellung einer Station Geißholz ; d. Beschränkung des Expropriationsrechtes auf das für Bahnund Stationsanlagen erforderliche Land, mit Ausschluß von solchem, das zu anderweitigen Spokulationszwecken dienen könnte ; e. Taxermäßigung für die Einheimischen.

Der Regierungsrat halte diese Begehren für begründet und verlange, daß denselben, soweit möglich, schon in der Konzession, im übrigen aber bei Genehmigung der definitiven Baupläne, entsprochen werde. Die Gemeinde Meiringen erkläre sich übrigens für ein Konkurrenzprqjekt der Dorfgemeinde Meiringen und des Herrn Ingenieur Studer in Thun. Ein solches liege aber dem Regierungsrate nicht vor; er empfehle daher die Erteilung der Konzession an die Herren Bucher und Flotron.

Als dann auch das erwähnte Konkurrenzprojekt dem Regierungsrate zur Vernehmlassung übermittelt wurde, äußerte er sich unterm 15. Februar 1896 dahin, daß demselben ein Vorrecht nicht gebühre. Das daherige Konzessionsbegehren sei durch die Initiative der Herren Bucher und Flotron hervorgerufen worden und wäre sonst unterblieben. Herr Studer habe sein früheres Gesuch fallen gelassen, weil er nicht im stände war, demselben Folge zu geben, und was die Dorfgemeinde Meiringen betreffe, so stehen derselben durchaus keine Mittel zu Gebote, um sich bei der Gründung einer Scheideggbahn finanziell beteiligen zu können. Gegen das Konzessionsbegehren der Herren Ritschard und Studer sei seiner Zeit gerade von den Gemeinden Meiringen und Schattenhalb sehr lebhaft Einspruch erhoben worden. Wenn trotzdem die Dorfgemeinde Meiringen heute das Konzessionsgesuch zu dem ihrigen mache, so beabsichtige sie damit wohl nur die Durchkreuzung desjenigen der Herren Bucher und Flotron, sei es in dieser oder in jener Absicht. Laut Verhandlungsprotokoll der Dorfgemeinde Meiringen sei die Konzessionserwerbung damit begründet worden, daß die Gemeinde sich eine Kontrolle über den Bau und Betrieb der Bahn sichern müsse. Eine solche Kontrolle sei aber durchaus überflüssig; es handle sich somit um anderes.

Der Regierungsrat wünsche das Zustandekommen der Bahn, und da von den ersten Konzessionsbewerbern Herr Bucher notorisch ein sehr leistungsfähiger und erfahrener Unternehmer sei, welcher schon verschiedene Bergbahnunternehmungen zu gutem Ende geführt habe, müßte es bedauert werden, wenn derselbe im vorliegenden Falle hintangesetzt würde.

169 Der Regierungsrat wäre auch mit der Konzessionserteilung an beide Bewerber einverstanden, in der Meinung, daß mit der Leistung des Finanzausweises durch den einen die Konzession des andern erlöschen würde.

Das Eisenbahndepartement lud, um wenn möglich eine Verständigung zwischen den beiden konkurrierenden Parteien herbeizuführen, beide zugleich zu den vorgeschriebenen konferenziellen Verhandlungen auf den 27. April 1896 ein. Hier erklärten nun die Herren Bucher und Flotron, sie seien bereit, die in der Vernehmlassung des Regierungsrates vom 29. Januar 1896 enthaltenen Bedingungen sub a bis e zu erfüllen, soweit sich dies auf Grund der Detailstudien als möglich erweisen werde.

Das Eisenbahndepartement setzte nun der Dorfgemeinde Meiringen eine Frist von 14 Tagen, um die Erklärung abzugeben, ob sie ihr Konzessionsbegehren, zurückziehe oder nicht. Am 5. Mai 1896 beschloß sodann die Dorfgemeindeversammlung, das Gesuch zurückzuziehen, insofern die Gegenpartei die Barauslagen des Herrn Ingenieur Studer und der Dorfgemeinde Meiringen im Betrage von Fr. 2500 gegen Überlassung des Vorstudienmaterials übernehme.

Mittelst Schreibens vom 28. Mai gleichen Jahres lehnten die Herren Bucher und Flotron diese Zumutung ab, indem sie behaupteten, das betreffende Vorstudienmaterial habe für sie gar keinen Wert. Mehrfache schriftliche Auseinandersetzungen zwischen dem Eisenbahndepartement und den beiden Parteien führten zu keinem andern Resultate, als daß die Dorfbehörde Meiringen in ihrem Schreiben vom 30. Januar 1897 eine Reduktion ihrer Forderung von Fr. 2500 auf Fr. 2000 in Aussicht stellte. Dabei betonte sie wiederholt, daß sie hierauf nicht so großes Gewicht lege, sondern ihr hauptsächlich daran gelegen sei, die Ortschaft Meiringen, sowie die mitinteressierten Gemeinden und Etablissemente vor dem ihnen durch die Projekte der Herren Bucher und Flotron drohenden Schaden und Nachteil möglichst zu bewahren.

Da eine Einigung auf der erwähnten Basis nicht möglich war, wird es Sache der Bundesversammlung sein, den Streit der beiden Konkurrenzprqjekte zu entscheiden, und wir beantragen Ihnen, dem Konzessionsgesuche der Herren Bucher und Flotron zu entsprechen und auf das Begehren der Dorfgemeinde Meiringen und des Herrn Ingenieur Studer nicht einzutreten. Für diesen Antrag waren namentlich die Momente maßgebend, welche der Regierungsrat des Kantons Bern in seiner Vernehmlassung vom 15. Februar 1896 anlührte ; dann sagten wir uns aber auch, daß diese Lösung dem

170 eventuellen Vorschlage, die Konzession b e i d e n Bewerbern zu erteilen, deshalb vorzuziehen sei, weil dadurch allen Reibereien und Feindseligkeiten der Boden entzogen werde, welche entstehen müßten, wenn die Gemeindebehörde von Meiringen einerseits die ö f f e n t l i c h e n Interessen der Gemeinde gegenüber der Bahnunternehmung Bucher & Flotron und andrerseits die p r i v a t e n Interessen derselben Gemeinde gegenüber der Konkurrenzfirma zu wahren hätte.

Den von der Dorfgemeinde Meiringen stets in den Vordergrund gestellten Forderungen im öffentlichen Interesse, welche für ihre Konzessionsbewerbung bestimmend waren und auch in der Vernehmlassung der Regierung formuliert sind, haben sich die Herren Bucher und Flotron anläßlich der Konzessionskonferenz unterzogen, und es werden die Bundesbehörden bei Prüfung und Genehmigung der Baupläne im Falle sein, wenn nötig, diesen Begehren in angemessener Weise Nachachtung zu verschaffen. In dieser Richtung erleiden also die Interessen der Gemeinde auch bei Konzessionserteilung an die Konkurrenten keine Beeinträchtigung, Der nachstehende Beschlussesentwurf, den wir Ihnen zur Annahme empfehlen, wurde in den konferenziellen Verhandlungen vom 27. April 1896 festgestellt und erhielt die Zustimmung sämtlicher Teilnehmer. Derselbe giebt uns zu folgenden Bemerkungen Anlaß : Art. 12. Die schwierigen Betriebsverhältnisse und der Umstand, daß die Bahn in erster Linie dem Touristenverkehr dienen will, rechtfertigen den Ausschluß der Viehbeförderung und die Beschränkung des Gütertransportes auf dasjenige Maß, welches mit dein zur Anwendung gelangenden Betriebssystem verträglich sein wird.

Art. 14. Aus dem eben angeführten Grunde können auch hinsichtlich der zeitlichen Ausdehnung des Betriebes nur reduzierte Anforderungen gestellt werden. Dem Bundesrat ist immerhin für den Fall, daß sich ein Bedürfnis erzeigen sollte, die Möglichkeit gewahrt, die Verlängerung des Betriebes zu veranlassen.

Art. 15. Die Einführung zweier Wagenklassen für den Personentransport rechtfertigt sich durch den Charakter der Bahn als Touristenbahn, welche voraussichtlich nicht nur von der schweizerischen Bevölkerung, sondern auch von Fremden, die an einigen Luxus gewöhnt sind, frequentiert werden wird.

Art. 16. Die Taxen sind den außerordentlichen Steigungsverhältnissen angemessen. Im dritten Lemma ist der von der

171 kantonalen Regierung zu gunsten der einheimischen Bevölkerung gemachte Vorbehalt aufgenommen. Außerdem ist für den Fall der Einführung eines Güterverkehrs den Produkten der Alpwirtschaft eine Bevorzugung gewahrt.

Wir benützen auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 20. März 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer elektrischen Eisenbahn von Meiringen über die Große Scheidegg nach Grindelwald.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Herren Fr. J. Bucher in Kerns und Elias Flotron in Meiringen vom 14. November 1895; 2. einer Eingabe des Herrn B. Studer in Thun und der Dorfbehörde Meiringen vom 2./3. Januar 1896; 3. einer Botschaft des Bundesrates vom 20. März 1897, beschließt: I. Den Herren Fr. J. B ü c h e r in Kerns und Elias F l o t r o n , Ingenieur in Meiringen, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Zahnradbahn von M e i r i n g e n über die Große Scheidegg nach G r i n d e l w a l d unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Meiringen.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

173 Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 3 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrate vorgelegt und von diesem genehmigt sein müssen. Der ßundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter als elektrische Eisenbahn erstellt, unter Einlegung einer Zahnstange, soweit die Steigungen es notwendig machen.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Bern und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen und die unentgeltliche Benutzung ·eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von .sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigen Falls entlassen werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt in erster Linie die Beförderung von Personen und Gepäck ; Güter werden nur befördert, soweit das Betriebssystem es gestattet. Zum Viehtransport ist die Gesellschaft nicht verpflichtet.

174 Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können dieselben nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrates eingeführt werden.

Art. 14. Die Gesellschaft kann den Betrieb der Bahn auf die Bergtouristensaison beschränken. Im allgemeinen ist der Gesellschaft anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzustellen. Immerhin sind alle daherigen Projekte, welche sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, mindestens 14 Tage vor dem zu ihrer Ausführung bestimmten Zeitpunkte dem Eisenbahndepartemente vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Vom Ì. Juni bis Ende September sind wenigstens drei Züge täglich nach beiden Richtungen auszuführen.

Dem Bundesrat ist das Recht vorbehalten, eine Verlängerung des Betriebes über die Touristensaison hinaus nach Maßgabe des allenfalls eintretenden Bedürfnisses zu verlangen.

Die Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit bleibt dem Bundesrate vorbehalten.

Art. 15. Es werden zwei Wagenklassen eingeführt, deren Typus durch den Bundesrat genehmigt werden muß.

Art. 16. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : in der ersten Wagenklasse 60 Rappen, in der zweiten Wagenklasse 40 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, nach mit dem Bundesrate zu vereinbarenden Bestimmungen Abonnementsbillete zu ermäßigter Taxe auszugeben. Für die einheimische Bevölkerung, sowie Führer und Träger bleiben ermäßigte Taxen vorbehalten, welche der Bundesrat nach Anhörung der Gesellschaft festsetzen wird.

5 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 40 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

175 Für die zur Beförderung angenommenen Güter dürfen höchstens 20 Rappen per 100 Kilogramm und Kilometer bezogen werden.

Für alpwirtschaftliche Produkte kann der Bundesrat ermäßigte Taxen bewilligen.

Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer berechnet. In betreff des Gewichts gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm.

Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt.

Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch fünf ohne Rest teilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 17. Die in Art. 16 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgehern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Das Aufund Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden.

Art. 18. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 19. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 20. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 21. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Rei-

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senden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 22. Für die Geltendmachung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Bern gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Ruckkauf zwischen dein 1. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 22 1 /2fachen Wert ; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rüekkäufers entweder der

177 Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 23. Hat der Kanton Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 22 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kauton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 24. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

II. Auf das Konzessionsgesuch des Herrn B. Studer, Ingenieur in Thun, und der Dorf behörde namens der Dorfgemeinde Meiringen vom 2./3. Januar 1896 für eine Zahnradbahn von Meiringen über die Große Scheidegg nach Grindelwald wird nicht eingetreten.

Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. II.

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24.03.1897

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