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Bericht der

Kommission des Nationalrathes, betreffend Subvention für Gewässerkorrektionen in den Kantonen Aargau, Zürich, Thurgau und St. Gallen.

(Vom 30. Mai 1882.)

Tit.

Nach Einsichtnahme der vorhandenen Pläne und Akten, sowie nach stattgefundenem Augenschein ist nun Ihre Kommission im Stande, Bericht und Anträge vorzulegen.

Wir können uns indessen kurz fassen, da bereits einläßliche gedruckte Berichte von Seite des Bundesrathes und der standeräthlichen Kommission ausgearbeitet worden sind; immerhin halten wir es in unserer Pflicht, angesichts der außerordentlichen finanziellen Tragweite derartiger Bundessubventionen unsern Anträgen einige Erörterungen vorauszuschicken.

Im vorliegenden Falle handelt es sich um die Verabfolgung einer Subventionssumme von nicht weniger als Fr. 3,042,000 behufs Ausführung von Korrektionen am untersten Aarlauf von Böttstein bis zum Rhein, an der Sihl, Limmat, Glatt, Töß und Thur, an der Murg und am Rhein (Binnenkorrektion Werdenberg).

Die vom Bundesrathe beantragten Subventionen im Betrage von einem Drittel der Ausführungskosten vertheilen sich auf die obgenannten Kau tone wie folgt:

78 1 . Kanton 2.

,, 3. " ,, 4.

,,

Aargau .

Zürich .

Thurgau St. Gallen

.

.

.

.

F r . 317,000 ,, 1,800,000 ,, 800,000 ,, 125,000 Fr. 3,042,000

I.

Zunächst ist zu untersuchen, ob die von den Kantonen Aargau, Zürich, Thurgau und 8t. Gallen zur Subventionirung angemeldeten Flußkorrektionen A n s p r u c h a u f B u n d e s s u b v e n t i o n erheben können. Maßgebend ist hier Art. l und Art. 9, AI. l und 2 des eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetzes vom 22. Brachmonat 1877.

Art. l lautet: ,,Die Oberaufsicht des Bundes erstreckt sich : a. auf alle Wildwasser innerhalb der Abgrenzung des eidgenössischen Forstgebietes ; b. auf diejenigen Gewässer außerhalb des Forstgebietes, welche der Bundesrath im Einverständniß mit den betreffenden Kantonsregierungen, oder in Fällen, wo ein solches nicht erzielt werden kann, die Bundesversammlung bezeichnet.11

Art. 9, a und b : a. ,,Der Bund betheiligt sich an den im vorliegenden Gesetze vorgesehenen Bauwerken durch Beiträge aus der Bundeskasse."'

b. ,,Unterstützungsbegehren müssen stets durch die Kantonsregierung dem Bundesrathe, mit den nöthigen Angaben über die Beschaffenheit und Wichtigkeit, sowie über die Kosten der auszuführenden Arbeiten versehen, eingereicht; werden."

Der Sinn und Geist dieser Gesetzesbestimmungen läßt wohl keine andere Deutung zu, als daß der Bund sämmtliche Flußkorrektionen in der ganzen Eidgenossenschaft durch Beiträge unterstützen wird, insofern dieselben als ein Erforderniß des öffentlichen Interesses im Sinne des Art. 5 des Wasserbaupolizeigesetzes anzusehen sind und die betreffenden Kantone gewisse Formalitäten und Bedingungen erfüllen.

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Für den vorliegenden Fall können wir im Einverständniß mit dem Bundesrath und der ständerathlichen Kommission die Erklärung abgeben, daß wir die Gesuche der petitionirenden Kantone, jedenfalls soweit sich dieselben auf noch auszuführende Bauten beziehen, grundsätzlich begründet finden und die Verabfolgung von Bundesbeiträgen gerechtfertigt erachten.

II.

Sodann handelt es sieh um die Frage, in w e l c h e m M a ß e und Umfange jede einzelne Flußkorrektion zu subv e n t i o n i r e n sei, oder ob alle gleichgehaltcn werden müssen, beziehungsweise ob der Bund an jedes derartige Unternehmen den gleichen Prozentsatz an die Kosten der Ausführung zu leisten habe, ohne Rücksicht auf die größere oder geringere Subventionsbedürftigkeit der einzelnen Gebiete.

Hier belehrt uns der Art. 9, lit. c und d, in folgender Weise : ,,Die vom Bunde zu leistenden Beiträge sollen in der Regel 40% der wirklichen Kosten nicht überschreiten.

Ausnahmsweise können dieselben, wo die Kräfte der Kantone nicht ausreichen und ein namhaftes öffentliches Interesse an dem Zustandekommen eines Werkes in Fragett liegt, bis auf die Hälfte der Kostensumme erhöht werden.

Dieser letztere Fall scheint uns hier nicht zuzutreffen, da die stattgefundenen Ueberschwemmungen und Verheerungen glücklicherweise nicht einen solchen Grad und Umfang erreicht haben, daß eine eigentliche Landeskalamität daraus entstanden ist, und die Kräfte der Kantone Aargau, Zürich, Thurgau und St. Gallen nur dann ausreichen würden, um die vorhandenen Uebelstände nachhaltig zu heben, wenn der Bund wenigstens die Hälfte der Kostensumme übernimmt.

Das Maximum, das mithin der Bund hier zu leisten hat, darf 40% nicht übersteigen; der Beitrag kann aber auch ein geringerer sein, und es haben die Bundesbehörden jeweilen von Fall zu Fall zu bestimmen, in welchem Maße und Umfang jede einzelne Korrektion zu Subventioniren ist.

Wir können daher der in der Botschaft des Bundesrathes (pag. 8) ausgesprochenen Ansicht, es sei damit nicht ausgeschlossen, daß die Beiträge auch unter 40% angesetzt werden, nur beipflichten.

Wenn dann aber der Bundesrath im Weitertl nur zwischen den beiden Kategorien der Gewässerkorrektionen im untern Laufe und

«o den Verbauungen zur Verhinderung von Erosionen im obersten.

Laufe der Gewässer in der Weise unterscheiden will, daß bei erstem über das bisher übliche Drittelsverhältniß überhaupt nicht; .gegangen werden, sondern dies nur bei den letztern geschehen soll, so müssen wir denn doch finden, es könne Veranlaßung zu einem verschiedenen Beitragsmaßstab auch innert dieser ersten Kategorie bestehen.

Gewiß ist es aber schwierig, bestimmte Prinzipien aufzustellen zur gerechten und unparteiischen Bemessung dieser Beiträge, Prinzipien,- welche als sichere Wegleitung für den Entscheid in den einzelnen Fällen dienen könnten, und doch läßt sich nicht bestreiten, ·daß ein ganz wesentlicher Unterschied besteht in der Subventionsbedürftigkeit der verschiedenen schweizerischen Korrektionswerke und ihrem Nutzeffekte.

Es gibt Fälle, wo nicht nachgewiesen werden kann, daß der Nutzen einer Flußkorrektion die aufzuwendenden Kosten deckt, und doch muß das Werk als eine unabweisbare Nothwendigkeit ausgeführt werden, wenn man den Fluß nicht verwildern und die betreffende Landesgegend nicht vollends zu Grunde gehen lassen will.

Solche Werke verdienen vorab die Bezeichnung ,,gemeinnützig"', weßhalb die Gesammtheit, die Kantone und der Bund, in Mitleiden.Schaft gezogen werden müssen, und zwar in höherm Maße als bei Flüssen, deren Korrektion den Betheiligten einen unmittelbaren, oft sofortigen Nutzen bringt und ihnen deshalb wohl zugemuthet werden darf, solche Werke mit verhältnißmäßig geringern Staatsbeiträgen auszuführen. Offenbar gebietet also Gerechtigkeit und Billigkeit, daß diese erstere Kategorie von Flußgebieten höher subveritionirt wird als die letztern.

Man vergleiche nur die st. gallische Rheinkorrektion mit der Korrektion der Sihl, Limmat und Glatt und theilweise auch der Töß im Kanton Zürich. Das st. gallische Rheinthal ist zum größten Theil Sumpfland, das nur nach und nach und mit großen Kosten durch Kolmatirung und Düngung in Kulturland umgewandelt werden kann, auch bietet hier der Rhein den Anwohnern keinen Nutzen für die Schiffahrt oder irgend einen Industriezweig und hat den Charakter eines ungezähmten großartigen Wild wassers, während Glatt und Limmat als Ausflüsse des Greifensees und des Zürichsees diesen Charakter nicht besitzen und viel geringere Wasserniengen führen, dagegen aber sehr werthvolle
Motoren für die vielen anliegenden industriellen Etablissemente bilden. Aehnlich verhält es sich mit dem untern Theil def Sihl, wo von einer Flußkorrelttion im eigentlichen Siane des Wortes kaum die Rede sein kann, die bezüglichen

81 Arbeiten vielmehr den ganz gewöhnlichen Uferunterhalt betreffen, welcher allerdings nach Hochwassern ein sehr bedeutender werden kann und eine rasche und kostspielige Wiederherstellung erfordert, damit die Fabriken ungehindert weiter arbeiten können. Im obern Gebiete nimmt die Sihl allerdings schon mehr den Charakter eines Wildbaches an ; seine Geschiebe dienen aber wieder zum großen Theil der Stadt Zürich zu Pflasterungen und Bekiesungen.

Was daher die Subventionsbedürftigkeit anbelangt, so ist dieselbe doch offenbar bei kleinern und zähmern Flüssen, deren Korrektion, oder besser gesagt, deren sorgfältiger Ûferschutz im hohen und unmittelbaren Interesse der zunächst Betheiligten liegt, geringer als bei großen wilden Strömen, welche meist nur Schaden verursachen und nur selten nutzbringend ausgebeutet werden können.

Gewiß lassen sich die großen Werke der Rhein-, Rhone- und Juragewässerkorrektion, abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, auch in Beziehung auf ihren gemeinnützigen Charakter und ihre Subventionsbedürftigkeit nicht auf die gleiche Linie setzen, wie die Uferschutzbauten an der Sihl, Limmat und Glatt. Diese Anschauungsweise muß wohl die Bundesversammlung getheilt haben, als sie in Art. 9 c des Wasserbaupolizeigesetzes festsetzte, daß die Bundesbeiträge in der Regel 40 °/o nicht übersteigen sollen, mit andern Worten, bis auf 40 % gehen dürfen, mithin ein Unterschied zwischen den einzelnen Korrektionsgebieten zu machen sei. Man wollte durch Verabfolgung von Beiträgen die allgemeine Verbesserung der Zustände unserer gemeingefährlichen Gewässer anstreben und damit das Interesse des öffentlichen Wohles fördern. An denjenigen Orten aber, wo die Korrektion mehr den Privatinteressen dient, sollten die Beiträge geringer sein, oder gar keine verabfolgt werden. Dieser Anschauung gemäß dürften die Korrektionen der Aare und Thur füglich mit 35 bis 40 % subventionirt werden.

"5* Indessen gibt es auch Gründe, welche dafür sprechen, daß die Bundesbeiträge an Flußkorrektionen nicht zu strenge abgewogen werden, sondern jeder Kanton, beziehungsweise jedes Korrektionsgebiet im gleichen Verhältniß subventionirt werde, ohne Rücksicht auf die größere oder geringere Subventionswürdigkeit.

Diese Gründe sind: 1) Die bisherige Praxis, nach welcher die bis jetzt ausgeführten größern Werke innerhalb und außerhalb des eidg. Forstgebietes nicht höher als mit 1la der Ausführungskosten bedacht wurden; Bandesblatt. 34. Jahrg. Bd. III.

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2) der Umstand, daß in der Verabfolgung gleicher Subventionsquoten an jedes der betreffenden Gebiete eine gewisse gleichmäßige Behandlung der Kantone liegt, in der Meinung, daß esdann ihre Sache sei, durch entsprechend größere Anstrengungen dafür zu sorgen, daß die betheiligten Grundbesitzer und Gemeinden nicht über Gebühr in Anspruch genommen werden ; 3) die Schwierigkeit der Ausmittlung des richtigen Maßstabes zur Festsetzung der einzelnen Subventionen.

Diese Gründe scheinen uns sehr schwer in's Gewicht zu fallen und für den vorliegenden Fall entscheidend zu sein.

Der erste 'Grund gestattet uns nicht wohl, für die unserer Ansicht nach subventionsbedürftigeren Gebiete höher als 1ls der Ausführungskosten zu gehen, und die beiden letztern Gründe sind zureffend, um denjenigen Gebieten, welche wir als minder berechtigt bezeichneten, gleichwohl eine Subvention von 1la der Ausführungs^ kosten zu verabfolgen.

Immerhin würden wir es als durchaus angezeigt erachten, wenigstens für die Zukunft die Arbeiten der größern und subventionsbedürftigeren Wasserbauwerke auch außerhalb des Forstgebietes mit 35 bis 40 % zu Subventioniren. Namentlich gilt dies auch für diejenigen Ergänzungsarbeiten, welche zur bleibenden Sicherung der ausgeführten Werke und zur Erhaltung des gewonnenen Nutzens absolut nothwendig sind, öfters aber am Schluß der Bauperiode wegen Mangel an verfügbaren Mitteln unterlassen werden müssen.

Solche Unternehmungen sind nur dann ein Segen für das Land^ wenn die Kosten ihrer Ausführung die Gemeinden und Grundbesitzer nicht übermäßig und auf zu lange Zeit hinaus mit Extrasteuern belasten.

III.

Was das Begehren der S u b v e n t i o n i r u n g b e r e i t s a u s g e f ü h r t e r A r b e i t e n anbelangt, so halten auch wir dasselbe, angesichts des klaren Wortlautes des Wasserbaupolizeigesetzes und der vom Bundesrathe und der standeräthlichen Kommission angeführten Gründe, für absolut unstatthaft. Bekanntlich könnten auch .andere Kantone, als Zürich und Thurgau, mit gleichem Fug und Recht das nämliche Begehren stellen, und wohin würde das führen?

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Uebrigens können sich diese Kantone wohl zufrieden geben, wenn ihnen dann für die noch auszuführenden Bauten eine Subvention von Va statt für einzelne Gewässerstrecken bloß 25 °/o zuerkannt wird, was leicht der Fall sein dürfte, wenn man den Maßstab der größern oder geringern Subventionsbedürftigkeit anlegen wollte.

IT.

In Zusammenfassung alles Angebrachten beehren wir uns zu b e a n t r a g e n , der Nationalrath wolle dem Beschlüsse des Ständerathes beistimmen.

Wir können jedoch unsern Bericht nicht schließen, ohne noch den Wunsch auszusprechen, es möchte der Bundesrath von dem ihm gesetzlich zustehenden Oberaufsichtsrecht vollen Gebrauch machen und schon von vornherein keine Ausführungspläne genehmigen, welche in h y d r o t e c h n i s c h e r B e z i e h u n g nicht alle Garantie für ein rationelles und solides Korrektionswerk bieten.

B e r n , den 30. Mai 1882.

Der Berichterstatter der n a t i o n a l r äthlichen Kommission: ßohr.

Mitglieder der Kommission: Rohr (Bern).

Baud.

Beck-Leu.

Brosi.

Hermann.

Morel.

Sonderegger (App. l.-Rh.)

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.Bericht der

Minderheit der nationalräthlichen Commission über den Rekurs der Eheleute Emmenegger von Schüpfheim, zur Zeit in Bukten, betreffend Entzug der Niederlassung.

(Vom 2. Juni 1882.)

Tit.

Wie Ihnen bereits bekannt ist, theilt sieh Ihre Commission betreffend das vorliegende Traktandum in zwei Parteien, von welchen die eine Ihnen die Gutheißung, die andere die Abweisung des sachbezüglichen Rekurses beantragt. Die Commissionsminderheit, vertreten durch den Unterzeichneten, billigt in Uebereinstimmung mit dem Ständerathe den angefochtenen Entscheid des Bundesrathes und stützt sich hierbei im Wesentlichen auf die Argumente, welche in dem zweiten bundesräthlichen Berichte enthalten sind. Ich habe deßhalb ursprünglich geglaubt, von der Abfassung eines eigenen schriftlichen Berichtes absehen zu können ; die Art und Weise jedoch, wie die Commissionsmehrheit ihren Antrag begründet, nöthigt mich, auch meinerseits meinen Standpunkt klarer darzulegen.

Der gegnerische Bericht besteht nämlich der Hauptsache nach in einer längeren geschichtlichen Auseinandersetzung, wie bei den Berathungen der neuen Bundesverfassung ein weitherziger Geist betreffend das Niederlassungswesen gewaltet habe und wie namentlich ein nicht bloß interkantonales, sondern ein individuelles Recht

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Bericht der Kommission des Nationalrathes, betreffend Subvention für Gewässerkorrektionen in den Kantonen Aargau, Zürich, Thurgau und St. Gallen. (Vom 30.

Mai 1882.)

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Bundesblatt

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1882

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3

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31

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10.06.1882

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