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Bundesbeschluß betreffend

Bewilligung von Nachtragskrediten an den Bundesrat für das Jahr 1897 (II. Serie).

(Vom 2. Juli 1897.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 1. Juni 1897, beschließt: Es werden dem Bundesrate für das Jahr 1897 folgende Nachtragskredite bewilligt :

Zweiter Abschnitt.

Allgemeine Verwaltung, E. Bundesgericht.

III. Allgemeine Ausgaben.

e. Armenrechtliche Auslagen f. Betreibungsstatistik

Fr.

Fr.

2500 3500 6,000 Übertrag

6,000

842 Übertrag

Fr.

6,000

Dritter Abschnitt.

Departemente.

A, Politisches Departement.

I. Politische Abteilung.

15. Repräsentationskosten

18,000

B. Departement des Innern.

I. Kanzlei.

fr.

3,000

4. Kanzlist VII. Beiträge an Ansialten. Fr.

1. Polytechnische Schule . . . 20,000 4. Anstalt zur Prüfuog von Baumaterialien 2,500 11. Schweizerische Landesbibliothek 700

23,200 IX. Oberbauinspektorat.

4. Beiträge an Kantone für öffentliche Werke.

47. Korrektion der Aare von BöttFr.

stein b i s z u m Rhein . . . . 60,000 48. Ausbau des Linthwerkes. . . 14,500 74,500 X. Direktion der eidgenössischen Bauten.

IV. Hockbauten.

b. Umbau- und ErweiteruogsFrarbeiten 43,900 c. Neubauten 551,400 795^300 XL Mieisinse für die Centralver·waUung und Verschiedenes .

750 596,050 Übertrag 696,750

24,000

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Fr.

Übertrag 696,750 XI. Forstwesen, Jagd und Fischerei.

III. Fischerei.

2. Beiträge an Fisehereiaufsicht und Fischereikurse etc

Fr.

24,000

5,000 701,750

D. Militärdepartement.

II. Verwaltung.

A. Verwaltungspersonal.

i. I n f a n t e r i e : I*1c. Sekretär 75 4. G e n i e : d. Elektrotechniker 100 14. M u n i t i o n s k o n t r o l l e : b. Controleure 450

Fr.

625

B. Instruktionspersonal.

4. G e n i e

281 D. Bekleidung.

I. E n t s c h ä d i g u n g für R e k r u t e n ausrüstung.

Fr.

1. Infanterie 4050 X. Modelle und Verschiedenes . .

800 4.850

H. Unterstützung freiwilliger Schieß- und Militärvereine

40,000

J. Kriegsmaterial.

Fr.

7. Möblierung der Kaserne Brugg 80,000 8. Versuche zur Neubewaffnung der Artillerie 100,000 180,000 Übertrag 225,756

725,750

844 Fr.

Übertrag 225,756

L. Befestigungen.

Fr.

725,750'

Fr.

49,530 5,400

a. St. Gotthard b. St. Maurice

54,930 280,686

£. Finanz- und Zolldepartement.

I. Finanzverwaltung.

VII. Liegenschaften.

Fr-

C. Unterhalt des Waöeaplatzes Frauenfeld .

H. Ankäufe von Liegenschnften: Landerwerb zum Waffenplatz FrThun 389 Expropriationen in der Gemeinde Pfyn bei Frauenfeld . . . 81,414

1,400

81,803 83,203 VIII. MUnzverwaltung.

2. M ü n z f a b r i k a t i o n :

Fr.

c. Metallbeschaffung

5200

G. Post- und Eiseubahndepirtement.

II. Postverwaltung.

IV. Dienstkleidung VIII. Transportkosten

Fr.

51,700 300,000

Fr.

351,700

III. Telegraphenvervvaltung.

V. Bau und Unterhalt der Linien : a. Material und Werkzeug

323,000 674,700

VIII. Münzverwaltung

Fr.

5200

1,764,339

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 26. Juni 1897.

Der Präsident: Raschein.

Der Protokollführer: Schatzmann.

Also beschlossen vom National rate, B e r n , den 2. Juli 1897.

Der Präsident: Grieshaber.

Der Protokollführer: Ringier.

Der schweizerische Bundesrat beschließt: Aufnahme des vorstehenden Bundesbeschlusses in das Bundesblatt B e r n , den 5. Juli 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Deucher.

.Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Protokoll der

Kommission des Nationalrates für das Traktandum Lohnzahlung, Arbeitszeit an Samstagen, internationaler Arbeiterschutz.

Die Kommission des Nationalrates hat in ihren Sitzungen vom 23. und 24. April 1897 im Schwurgerichtssaal in Zürich, an welchen im Beisein des Herrn Bundesrat Lachenal und der Herren Fabrikinspektoren Dr. Schuler, Rauschenbach und Campiche teilnahmen die Herren Nationalräte Grieshaber, Decurtins, Degen, Favon, Sourbeck, Théraulaz, Tissot, Wild und Wunderly unter dem Vorsitz des Herrn Grieshaber, in der Frage der Freigebung des Sanistagnachmittags an die weiblichen Arbeiter einvernommen : 1. neun Arbeiterinnen, 2. don Arbeitersekretär H. Greulich, 3. sechs Arbeitgeber.

!.. Die Arbeiterinnen, in der Nähterei, dem Buchdruck, der Buchbinderei, dem Lichtdruck, der Seidenweberei, dein Sacknähen und der Vernicklorei thätig, teils alleinstehend, teils mit kränklichen Müttern, teils mit Geschwistern zusammenwohnend sprachen sich folgendermaßen aus : Frage : Welches sind, frei und unumwunden geäußert, die Gefühle, welche der Gedanke an die Freigebung des Samstagnachmittags in Ihnen erweckt?

Den einen ist diese Neuerung erwünscht, für andere ist sie notwendig, für alle eine Wohlthat. Nach der Lohnarbeit kommen die Hausgeschäfte, für die einen in kleinerem, für die anderen in

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größerem Maße. Alle haben z. B. Wäsche zu besorgen, denn der Arbeitslohn ist zu klein, als daß sie ausgegeben werden könnte.

Die Woche durch kann dieses Geschäft nicht verrichtet, es muß auf den Sonntag verschoben werden ; denn abends nach der Heinv kehr von der Lohnarbeit ist die Arbeiterin ermattet. Derjenigen,, welche für Familienglieder zu sorgen hat, nehmen die häuslichen Arbeiten den ganzen Sonntag weg. Zum Besuch der Kirche hat sie keine Zeit; einen Spaziergang in Wald und Flur zu machen, ist ihr unmöglich ; sie sieht andere sich im Freien ergehen, muß aber selber zu Hause bleiben und arbeiten. Sie weiß nichts von Sonntagsruhe, wird stumpf, schaßt sich ab und verfallt dem Siechtum.

Wäre die Arbeiterin am Samstagnachmittag frei, so könnte sie dann ihre Hausgeschäfte verrichten.

Eine Einbuße läge hierin für den Arbeitgebor nicht; denn die Arbeiterin würde, wenn sie am Sonntag sich erholen könnte, Montags gestärkt in ihren Werkraum zurückkehren. In der Gesundheit des Arbeiters liegt für den Arbeitgeber ein Kapital.

Zu gunsten der Saison-Arbeit könnte eine Beschränkung eingeführt werden.

Frage : Schätzen Sie den Vorteil, der in der Freigebung des Samstagna.chmittags liegt, so hoch, daß Sie auch eine gewisse ökonomische Einbuße mit in den Kauf nehmen würden?

Mehrere der Befragten beantworteten diese Frage gar nicht, einige ausweichend und unklar; zwei entschieden verneinend mit der Begründung, der Arbeitgeber büße durch die Freigebung nichts ein, indem die verlorene Arbeitszeit wieder eingebracht werden könne ; drei entschieden bejahend, wobei gesagt wurde, die Arbeiterin ersetze den entgehenden Lohn dadurch, daß sie zu Hause Verrichtungen besorgen könne, die sonst entweder ruhen oder von fremden Leuten gegen Entschädigung gemacht werden müßten.

Frage : Was sagen Sie zu dem Vorschlag, es solle Ihnen gestattet sein, Samstag nachmittags um 4 Uhr den Geschäftsraum zu verlassen, nicht nach Einreichung eines Gesuchs, sondern einfach unter Anzeige, und in .der Meinung, daß Ihnen der Samstag voll bezahlt werde?

Antwort: Dieser Vorschlag ist für beide Teile unvorteilhaft und deshalb zu verwerfen. Die zwei eroberten Freistunden nützen der Arbeiterin und die zwei Arbeitsstunden dem Geschäftsherrn wenig. In einigen Branchen wäre die Neuerung nach der Natur des Betriebs auch unmöglich; dort muß die Arbeit den ganzen Nachmittag entweder im Gang sein oder ruhen.

Eine der Befragten ist ohnehin außerhalb der Saison Samstags von Mittag an frei.

Frage : Wie äußern Sie sich über den weitern Vorschlag, daß die Samstagsarbeit nicht nur für die weiblichen, sondern auch für die männlichen Arbeiter bloß sechs Stunden dauern solle?

Dieser Vorschlag ist ebenfalls zu verwerfen.

Frage : Wenn Sie am Samstagnachmittag frei sind, haben Sie dann Sonntagsruhe ?

Antwort der Mehrheit: In diesem Fall hat die Ledige den ganzen Sonntag Ruhe, die Verheiratete wenigstens am Nachmittag ; aber dies ist schon ein großer Gewinn, da wenigstens am Sonntag kein Putzlumpen mehr in Funktion und etwa ein Kirchenbesuch möglich ist. Eine Befragte äußerte sich, es komme keine Arbeiterin zu voller ganztägiger Sonntagsruhe.

Frage : Warum haben Sie in den Ihnen zugegangenen Bogen die Frage, betreffend Freigebung des Samstagnachmittags nicht beantwortet ?

Wir haben keinen Fragebogen erhalten.

Einige erklärten : Wir hätten aus Furcht nicht geantwortet.

Wir hörten verheiratete Frauen sagen, daß sie besorgten, entlassen za werden, wenn ihnen der Samstagnachmittag geschenkt würde.

II. Der Arbeitersekretär Greulich referierte: Nachdem seit 20 Jahren die Wirkungen des Fabrikgesetzes beobachtet worden sind, und nachdem ein Anstoß zur Verkürzung der Arbeitszeit gegeben worden, ist, empfiehlt es sich, in dieser

849 Richtung einen neuen Schritt zu thun. Am besten geschieht die Verkürzung durch die Freigebung des Samstagnachmittags.

Der Effekt wird folgender sein : Vorausgesetzt wird hier, daß, wenn die Arbeitszeit zunächst nur zu gunsten des weiblichen Geschlechts verkürzt wird, die Männer nachfolgen werden. Die Verminderung würde nach der jetzigen Einrichtung 4x/2 Stunden betragen; die Arbeitgeber werden aber die Arbeitszeit etwas anders einteilen und es einzurichten wissen, daß die Verkürzung nur 4 Stunden ausmacht. Die Stücklohnarbeiter werden bald erfahren, daß die Produktion keine Schmälerung erleidet, daß vielmehr die Leistungsfähigkeit gehoben wird ; dies ist zur Stunde schon durch eine Schrift von Dr. Schuler und durch andere Arbeiten nachgewiesen. Die Taglohnarbeiter haben eine Verminderung der Löhne zu befürchten, und für den Anfang ist dieselbe wahrscheinlich, wie sie von den Arbeitgebern auch früher schon versucht worden ist. Für den Arbeitslohn giebt es zwei Maßstäbe, den Standard, d. h. das übliche Minimum, und den Grad der Leistung. Unter den Standard hinab wird man auf die Dauer nicht gehen können, weil man beobachten wird, daß die Verkürzung der Arbeitszeit die Leistungsfähigkeit des Arbeiters erhöht.

Die elfstündige Arbeitszeit (in welche eigentlich die Freistunden eingerechnet werden sollten) ist zu groß. Der Arbeiter hat seine Kinder eigentlich nie um sich ; morgens, wenn er fort geht, schlafen sie noch, und abends, wenn er heim kommt, gehen sie zu Bette. Mußezeit zu seiner Ausbildung hat er nicht.

Diese Arbeitszeit etwas abzukürzen, ist durchaus geboten und wird auch so gute Folgen haben, daß der Wochenlohn nicht geschmälert werden kann ; es ist der Industrie ohne weiteres zuzumuten, daß sie die vollen Löhne zahle.

In der Seidenindustrie, besonders in der Weberei, werden, wie sich aus der Statistik über die Besetzung der Stühle und besonders darüber, wie oft ein Arbeiter statt zwei Stühlen nur einen besetzt hält, ergiebt, 15--20% der Arbeitszeit vergeudet. Dies kommt davon her, daß das Vorwerk nicht immer im richtigen Verhältnis zum Weben steht.

Mit einer Arbeitszeit von 61 Stunden, unter möglichster Ausnutzung derselben, ist die Saison-Arbeit leichter zu bewältigen, als mit der bisherigen Einrichtung ; es können aber auch zu gunsten dieser Saison-Arbeit zwölf Samstagsnachmittage im Jahre eingeräumt werden ; diese sollen dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, ohne

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daß er befürchten muß, mit seinem Gesuch abgewiesen zu «'erden.

Ein solcher Zuschuß genügt für die Saison. Wenn z. B. die Weberinnen sich einmal eingerichtet haben, in 61 Stunden so viel zu leisten, als sie jetzt in 65 Stunden vollbringen, so werden sie mit der Zuschußzeit ein bedeutendes Mehrquantum liefern.

Die Baumwollindustrie klagt immer über Arbeitermangel bringt wagenweise fremde Leute ins Land und verliert sie in kurzer Zeit wieder. Die Schuld kann nicht am Fabrikgesetz liegen.

Die (mgiischen Baumwollspinner sind, mit den unsrigen verglichen, Herren ; sie arbeiten 54 Stunden in der Woche, verdienen in dieser Zeit nicht selten zwei Pfund und sind in moralischer und körperlicher Hinsieht eine Elitebevölkerung. Und diese englische Bauinwollindustrie konkurriert mit der unsrigen. Es wird eben falsch gerechnet, wenn man möglichst geringe Löhne zahlt; n schweizerische Arbeiter kommen auf 3 englische. Es ist kein Wunder, daß die Fabrikanten keine Leute haben. Mit den angeblichen Wohlthaten, die man dem Arbeiter erweist dureh Beschaffung billiger Wohnungen, Lebensrnittel etc., ist es nicht gethan; er will keine Wohlthaten, sondern seinen Lohn, und lieber, als daß er den bisherigen Zustand erträgt, geht w zu einer andern Berufsart über. Hier muß dem mangelnden Verständnis der Arbeitgeber nachgeholfen werden.

Früher stand der englische Arbeiter auf dem jetzigen tiefern Niveau des schweizerischen ; seither hat er sich gehoben, und heute besteht ein Unterschied zwischen ihnen, wie der von Tag und Nacht. Unsere Leute sind aber nicht bildungsunfähig; es braucht nur etwas mehr Einsicht, um sie auf die Höhe der englischen gelangen zu lassen. Man hat es in andern Branchen erfahren, was eine gute Behandlung der Arbeiter ausmacht ; unsre Masehiuenindustrie hat ihren guten Ruf nur dem Umstände zu verdanken, daß sie seit 20 Jahren die Arbeiter gut beló'hnt und ihre Rechte respektiert.

Jetzt stellen wir eine sehr bescheidene Forderung, und es ist betrübend, daß wir so große Anstrengungen maehen müssen, um mit derselben durchzudringen. Geht es im alten Stil weiter, so wird es einmal bei den Baumwollspinnern scu einer Explosion kommen, wie Henneberg eine erlebt hat. Die Herren bauen zu viel auf die Ruhe und auf den passiven Widerstand des Arbeiters.

Einstweilen wird eine Verkürzung der Arbeitszeit nur für
weibliche Arbeiter verlangt, dies auf die Gefahr hin, daß auch männliche Arbeiter in Mitleidenschaft gezogen werden. Was den Wochenlohn betrifft, so darf gefordert werden, daß er bleibe.

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Die verkürzte Arbeitszeit wird so verteilt werden, daß auf die fünf ersten Werktage je 11. auf den Samstag 6 Stunden fallen.

Die Frage, welche Folge die Neuerung in hygieinischer Beziehung haben werde, ist dahin zu beantworten, daß jede Hebung der Lebenshaltung eine bessere Ernährung nach sieh zieht, wie sich in England gezeigt hat, und wie eigentlich auch bei uns zu beobachten ist, indem z. B. feststeht, daii heutzutage die Vieltrinkerei bei den Arbeitern viel wenieer ·sc verbreitet ist als früher.

III, Die Arbeitgeber, Ein Vertreter der Seidenzwirnerei trug vor : Wir haben beinahe nur weibliche Arbeiter. Die Freigebung des Samstagnachmittags an diese bewirkt, daß wir überhaupt an diesem Nachmittag die Arbeit einstellen müssen.

Die Einführung des 11 stündigen Arbeitstages hat den Preis ·der Produktion nicht geändert. Die Zeit wird nicht pünktlich innegehalten; die Leute kommen unregelmäßig, namentlich am Montag, wo sich die Nachwehen der Sonntagsfreuden geltend machen. Die Arbeit ist leicht.

Die Konkurrenz mit Prankreich drückt die Löhne herunter.

-- "Wir nehmen bei unsern Leuten kein Bedürfnis nach Reduktion der Arbeitszeit wahr und können ihr nur im Fall internationaler Regelung der Sache zustimmen.

Frage : Wie groß ist der Prozentsatz der JBlauenmacherinnen ?

Manchmal 8--10, manchmal weniger, Null gar nie.

Frage : Würde der freie Samstagnachmittag nicht helfen?

Im Gegenteil.

«

* *

Ein Vertreter der Seidenstoffweberei : 5 °/o unserer Produktion setzen wir in der Schweiz, das Übrige im Auslande ab.

Die Freigebung des Samstagnachmittags an die Arbeiterinnen erhöht die Produktionskosten. Bei uns machen die Spesen 40 bis Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. 111.

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852 50 °/o der Arbeitslöhne aus. Effektiv haben wir nicht 65 Stunden Arbeitszeit. Durch die Reduktion aber verlieren wir 1/13 was die Produktionskosten um li 13 verteuert.

Unsere Arbeiter, besonders die verheirateten Frauen, verlangen die Reduktion nicht; die Frau ist die fleißigste Arbeiterin.

90% unseres Personals haben Accordlohn, Taglohn erhalten nur die Lehrlinge und die geringen Arbeiter. Die Reduktion schafft hier eine Belästigung. Wir leben unter paritätischer Bevölkerung; die katholischen Feiertage werden von den Arbeitern wegen des Lohnausfalls als starke Schädigung empfunden.

In der Spuhlerei haben wir nur Ehefrauen angestellt; sind diese frei, so haben auch die Weber nichts zu thun. Es wäre Abhülfe gedenkbar: aber diese würde die Kosten des Betriebs vergrößern. Auf Vorrat spulen zu lassen, ergäbe ein ungesundes Verhältnis.

Die englisch-amerikanischen Zustände können nicht als Muster dienen ; die Verschiedenheit ist zu groß. Unsere Bevölkerung ist nicht den ganzen Tag in der Kirche.

Geben wir den Samstagmittag den Arbeitern frei, so werden die Handwerksgesellen und die Bauernknechte Gleiches verlausen.

Ein zweiter Vertreter der Seidenindustrie : Ton unsern Arbeitern sind zwei Drittel verheiratete Frauen.

Sind diese am Samstagnachmittag irei, so kann überhaupt zu dieser Zeit nicht gearbeitet werden. Diesen Frauen kann es nicht eingefallen sein, die Reduktion zu verlangen ; denn sie sind die Ersten und die Letzten in der Fabrik und wollen keine Lohnverminderung Die Verkürzung der Arbeitszeit schwächt uns im Konkurrenzkampf.

Fraye : Welche Wirkung werden die schutzzöllnerischen Bestrebungen der Vereinigten Staaten von Amerika haben ?

Xach der Union gehen zur Zeit 16--20 Millionen unserer Seidenproduktion. Die genannten Bestrebungen bedeuten für uns eine derartige Abnahme, daß wir nur noch etwa 4 Millionen werden ausführen können, so daß wir suchen müssen, einen Siebentel unserer gesamten Produktion anderswo zu placieren. Nun ist England für uns noch frei : allein es geht nich an, den englischen

853 Markt mit unseren Produkten zu überschwemmen, und wir werden einen Teil gar nicht mehr anbringen. In der Schweiz sind etwa 48,000 Arbeiter beschäftigt und an der Arbeit derselben sind etwa 250,000 Menschen interessiert. Auf diese wirkt die Schädigung der Industrie zurück. So verhindert uns das Ausland, der Arbeiterschaft die an sich wohlgemeinte Verkürzung der Arbeitszeit zu gewähren.

Auch steht eine weitere Auswanderung unserer Seidenindustrie in Aussicht.

Frage : Kann die Arbeit nicht so organisiert werden, daß die Zeit besser, als es faktisch geschieht, ausgenutzt wird?

Wir können die Leute nicht zwingen, zu fixer Zeit anzufangen ; das wäre Tyrannei. Bei dem Charakter unserer Schweizer bringen wir die 65 Stunden nicht heraus. Die Frauen haben begehrt, mittags eine halbe Stunde früher fortgehen zu dürfen ; wir haben nachgegeben, aber zu unserem Schaden.

Frage : Wie viel Zeit büßen Sie durch die Unregelmäßigkeit im Kommen und Gehen der Arbeiter ein?

Es giebt da große Schwankungen, was hauptsächlich vom Wetter abhängt; auf jeden Fall verlieren wir 6--7 Stunden per 'Woche.

Fraye : Wären durch bessere Benutzung der übrigen Zeit die 4 Stunden des Samstagnachmittags einzubringen?

Nein, wir müssen die ganze Woche haben.

Frag e : Stehen Ihre Maschinen auf der Höhe?

Ja.

* * * Ein Vertreter der Konfektion : Ich habe wenig Maschinen ; bei mir wird zumeist Handarbeit gemacht. Die Freigebung dos Samstagnachmittags wäre eine Schädigung der einheimischen Arbeiter, weil sie Lohn verlieren würden.

854 Auf ledige Arbeiter wirkt die Freigebung aucli soust schadlieh : sie werden leichtsinnig und kommen auch am Montag nicht mehr.

Bei mir wird nur in der Saison streng gearbeitet ; außerhall) derselben kommen und gehen die Leute nicht pünktlich. Das behagt ihnen, und sie verlangen deshalb nichts anderes.

Eine Hebung der Produktion ist von der Verkürzung der Arbeitszeit nicht zu erwarten, und wir müssen die Neuerung vorwerfen.

Frage : Dies auch dann, wenn eine Anzahl von Samstagnaehmittagen für die Arbeit eingeräumt werden?

Den verheirateten Frauen könnten wir entgegenkommen ; allein sie verlangen die Verkürzung gar nicht.

Frage : Was für einen Taglohn geben Sie?

'2--4 Franken, je nach der Leistung. Arbeiter, die nur 2 Fr.

verdienen, hält man nur aus Mitleid ; sie sind schlecht, und sie zu behalten, gereicht dem Arbeitgeber zum Schaden.

Ein Vertreter der Baumwollweberei : Ich habe 300 Arbeiter, wovon vier Fünftel weiblichen Geschlechts sind.

Ist der Samstagnachmittag für die Frauen frei, so müssen wir den Betrieb ganz einstellen. Wir geben hauptsächlich Accordarbeit. Die Frauen wollen die Freigebung nicht. Sie bitten oft, um Zulassung zur Arbeit in einer Zeit, wo sie nicht arbeiten sollten. Sie wollen eben erwerben. Diese Frauen sind deshalb der solideste Teil unserer Arbeiter.

In der Schweiz ist das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter immer noch besser als anderwärts, wo der Markt so überfüllt ist, daß auf den Einzelnen gar keine Hucksicht genommen und wo der Untaugliche einfach entlassen wird. Hier behält mau Leute, die eigentlich für den Arbeitgeber unrentabel sind.

Viele von den in unserm Geschäft angestellten Arbeitern haben kleinere Gütchen, wohnen in der Nähe und können deshalb

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in ihrer. l ^-stündigen Mittagspause viele häusliche Geschäfte verrichten ; auch am Samstagabend bleibt ihnen hierzu viel Zeit.

In unsrer Organisation fehlt nichts; denn es liegt in unserm Interesse, bezüglich der Maschinen und in jeder anderen Hinsicht auf der Höhe zu sein. Bei uns wird 65 Stunden per Woche gearbeitet ; einen Stillstand giebt es nicht.

Wegen unsrer guten Organisation können wir mit dem Auslande konkurrieren, und auf das letztere sind wir zum Teil angewiesen ; denn hätten wir nur die Schweiz, so ständen viele Webstille still. Bei den Zollverhandlungen zogen wir Weber immer den kürzern, und auch das Abkommen mit Frankreich wird uns keinen Vorteil bringen.

Von der Freigebung des Samstagnachmittags ist für uns nichts Gutes zu erwarten. Wir haben beobachtet, daß der Betrieb geringer und die Disciplin schwieriger ist, wenn ein Teil der Arbeiter fehlt, was 'L. B. an katholischen Feiertagen der Fall ist ; solche Tage haben wir wiederholt ganz frei gegeben, worüber dann stets die protestantischen Arbeiter zornig wurden. Die Neuerung nützt aber auch den Arbeitern nichts. Im ganzen ist zu sagen, daß heute der Baumwollweber nicht auf die Produktionskosten kommt.

(Von andrer Seite wird hervorgehoben, daß das englische Gesetz keine Bestimmung enthalte des Inhalts, daß die Frau mittags früher heimgehen dürfe und in der Schwangerschaft eine Schonzeit habe.)

Der englische Arbeiter konzentriert sich besser als der schweizerische und ist darum leistungsfähiger.

Frage : Kann dem Arbeiter wirklich zugemutet werden, abends noch Geschäfte zu verrichten?

Ein bißchen kann er im Sommer ganz gut noch zu Hause arbeiten.

Frage : Woher kommt es, daß der Engländer mehr als 10 Stunden weniger arbeiten muß als der Deutsche?

Der Engländer ist sozusagen von Geburt Arbeiter; er kennt nichts als seine Arbeit und seine Maschine.

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Ein Vertreter der Baumwollspinnerei in kleinorm Maßstabe : Die Arbeiter, namentlich die verheirateten Frauen, «'ansehen die Verkürzung der Arbeitszeit nicht. Sie sind die tüchtigsten unter ineinen Leuten. Sie beschäftigen sich mit Vorliebe an den Vorwerken. Fehlen sie, so kann nicht gearbeitet werden.

Klar ist, daß wenn sie den Samstagnachmittag frei bekommen, die übrigen Arbeiter, auch die agrikolen, ein Gleiches begehren werden.

Meine weiblichen Arbeiter haben den Lohn der männlichen.

Bleiben sie weg, so ist mit dem Vorwerk das Spinnen abgestellt.

Ersatz wäre möglich durch Vermehrung der Maschinen : allein dies erheischt Vergrößerung der Räume und verteuert die Produktion.

Nationalrat Wunderly : Der Engländer stellt für den Export nach Indien billige Garne her. Er hat in seinen Schiffen, seiner Kohle u. s. w. große Vorteile. Wir können diese billigen Garne nicht machen. Wir werfen uns auf bessere Qualitäten, auf das, was sonst nirgends hergestellt werden kann, weil sich nirgends Arbeiter dafür finden. Diese Industrie erfordert kolossale Vorwerke, vorzügliche Maschinen, große Kapitalien und vermehrte Aufsicht. Wer anders vorgeht, ist ruiniert. Unsere Kalikots konkurrieren im Elsaß mit den englischen.

O i schlechtem.

Auf die Frage, ob unsere Organisation auf der Höhe stehe und ob die Ausnützung auch 95 % betrage, wie in England, oder wirklieh nur 85 %, wie behauptet wird, ist zu antworten : Beim Dampfbetrieb ist die Ausnützung eine vollkommener als beim Wasserbetrieb ; aber die erstere ist auch teurer. Wir verwenden Dampfmaschinen nur, weil die Wasserkräfte nicht ausreichen. In England laufen die Maschinen schneller als hei uns, weil anders produziert wird ; wir haben ganz die gleichen Maschinen, und können sie so viel Touren machen lassen, als sie iii England machen ; allein wir thun es nicht, weil wir eben ein ganz anderes Garn herstellen.

857 Frage an sämtliche Arbeitgeber: Was sagen Sie zu dem Vorschlag, am Samstag die Arbeit um 4 Uhr zu schließen?

Wir können gar keinen Abbruch dulden ; käme er, so wären wir schließlich gezwungen, auf die verheirateten Frauen gänzlich zu verzichten.

Frage : Was ist an der Behauptung der Arbeiterinnen, daß sie keine Fragebogen erhalten hätten? Machen Sie einen Einfluß geltend gegen die Organisationen der Arbeiterinnen?

Bei uns besteht kein Bedürfnis nach Organisation. Die Bogen kamen in auffallender Weise. Die Inspektoren haben ja stets Zutritt und sind am Fragen nicht gehindert.

Wir beeinflussen die Organisationen nicht.

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1897

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.07.1897

Date Data Seite

841-857

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