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Konvention zwischen

der Schweiz und Frankreich über die nachbarlichen Verhältnisse und die Beaufsichtigung der Grenzwaldungen.

(Unterzeichnet den 23. Februar 1882.)

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft und

Der Präsident der französischen Republik,

in der Absicht, zwischen der Schweiz und Frankreich die nachbarlichen Beziehungen und die Beaufsichtigung der Grenzwaldungen zu sichern und zu regeln, O ~ J haben beschlossen, > zu diesem Zweke eiüe besondere Konvention einzugehen, und zu ihren Bevoll m ächtigten ernannt,i nämlich: ~

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft : Herrn J. C. K e r n , außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister der schweizerischen Eidgenossenschaft in Paris; Herrn K. E. L a r d y , Dr. jur., Legationsrath der schweizerischen Gesandtschaft in Paris; und

Her Präsident der französischen Republik: Herrn C. von F r o y e i n e t , Senator, Präsident des Ministerrathes, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ; Herrn T i r a r d , Abgeordneter, Minister des Handels ; Herrn M o r i a R o u v i e r , Abgeordneter, gewesener Minister des Handels und der Kolonien ; Bundesblatt. 34. Jahrg. Bd. I.

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welche, nach gegenseitiger Mittheilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, sich über folgende Artikel geeinigt haben: Art. 1. Um die Bewirtschaftung der an der Grenze liegenden Güter und Wälder zu erleichtern, werden von allen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrgebühren befreit: Getreide in Garben oder in Aehren, Heu, Stroh und Grünfutter, die Roherzeugnisse der Wälder, Holz, Kohlen und Pottasche, sowie im Fernern Dünger.

Sämereien, Pflanzen, Stangen, Rebsteken, Thiere und Werkzeuge jeder Art, die zur Bewirtschaftung der innerhalb eines Umkreises von zehn Kilometern auf beiden Seiten der Grenze gelegenen Güter dienen, vorbehaltlich der in beiden Ländern zur Verhütung von.

Defraudationen bestehenden reglementarischen Kontrole.

Art, 2. In dem, im vorhergehenden Artikel angegebenen Umkreise und unter den daselbst angeführten Garantien sind ebenfalls von allen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrgebühren befreit : Korn und Holz, welches von Bewohnern des einen der beiden Länder in eine auf dem Gebiete des andern gelegene Mühle oder Sägemühle geführt wird, sowie, die daherigen Produkte Mehl und Bretter.

Die gleiche Begünstigung wird den Angehöligen beider Länder gewährt für die Gewinnung des Oels aus den auf ihren Gütern eingesammelten Sämereien, für das Bleichen der rohen Garne und Leinwand, welche aus den Erzeugnissen der von ihnen bebauten GrrundstUke hergestellt werden, sowie für die Lohnspinnerei des im genannten Umkreise geernteten Flachses und Hanfes.

Art. 3. Die Feld- oder Walderzeugnisse sind auf den öffentlichen Wegen zu transportireu, ohne einer weitern Entschädigung zu unterliegen, als wie sie die Landesgeseze den Ortsbewohnern auflegen.

Die längs der Grenze hinlaufenden oder je nach der Bodenbeschaffenheit von einem Gebiet ins andere übergehenden Grenzwege dürfen in keinem Falle für die Zirkulation besagter Erzeugnisse gesperrt oder geschlossen werden.

Art. 4. Bei enklavirten Waldungen oder andern Liegenschaften, welche von einem Nicht-Landesangehörigen bewirthschaftet werden, soll in jedem der beiden Länder gegen Entschädigung eine Durchfahrt über die umliegenden Grundstüke geöffnet werden.

Diese Entschädigung ist, wenn die Parteien sich nicht gütlich verständigen sollten, durch die Gerichte zu betimmen.

735 Art. 5. Die französichen Eigenthümer oder Bebauer von Grundstüken in der Schweiz und umgekehrt die schweizerischen Eigenthümer oder Bebauer von Grundstüken in Frankreich, genießen in Bezug auf die Bewirtschaftung ihrer Güter insgesammt die nämlichen Vortheile, wie die Landesangehörigen des gleichen Ortes, unter der Bedingung, daß sie sich allen für die Laiidesangehörigen geltenden Verwaltungs- oder Polizeiverordnungen unterziehen.

Art. 6. Durch die vorstehenden Bestimmungen soll keine der Uebereiukünfte, welche zwischen den Grenzmunizipalitäten bestehen könnten, alterili werden.

Art. 7. Wenn eine schweizerischerseits dem Staat, oder einer Gemeinde, oder einer öffentlichen Anstalt, oder einem Privatmann gehörende Waldung auf französischem Gebiete gelegen ist, oder umgekehrt, so können von den Eigentümern Waldhüter zur Beaufsichtigung solcher Waldungen bestellt werden.

Diese Waldhüter haben in Bezug auf Staatsangehörigkeit und Qualifikation den Bedingungen zu genügen, welche durch die Geseze oder Verordnungen des Landes, wo der Wald gelegen ist, vorgeschrieben sind; sie werden von der zuständigen Behörde dieses nämlichen Landes angestellt und beeidigt.

Ihre Befugnisse und Obliegenheiten sind die gleichen, wie diejenigen der Waldhüter für Waldungen, deren Eigenthümer nicht Ausländer sind.

Die durch ihre Ernennung und durch die Ausübung ihrer Funktionen veranlaßten Kosten sind von den Eigenthümern der Waldungen zu tragen.

Art. 8. Um den Vergehen und Uebertretungen, welche in den Waldungen an der Grenze begangen werden, wirksamer entgegenzutreten, verpflichten sich die beiden hohen vertragschließenden Theile, gegen diejenigen ihrer Angehörigen einzuschreiten, welche solche Vergehen oder Uebertretungen auf dem andern Gebiete begangen hätten, und zwar in gleicher Weise und unter Anwendung der nämlichen Geseze, wie wenn jene in den Wäldern des eigenen Landes stattgefunden hätten.

Die Strafeinleitung erfolgt -- wofern nicht bereits ein Urtheil in dem Lande gefällt wurden ist, wo die Uebertretung begangen wurde --, nachdem der betreffende Verbalprozeß durch die zuständige Behörde des lezteru Landes an die Behörde desjenigen Landes, welchem der Beschuldigte angehört, amtlich übermittelt worden ist.

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Der Staat, in welchem das Urthcil gefällt wird, bezieht allein den Betrag der Bußen und Kosten ; die Entschädigungen hingegen sind an die Kassen des Staates einzuzahlen, wo die Uebertretungen stattfanden.

Die von den beeidigten Waldhütern in einem der beiden Länder vorschriftgemäß gefertigten Verbalprozesse sind bis zur Erbringung des Gegenbeweises vor den Gerichten des andern Landes beweiskräftig.

Art. 9. Behufs erfolgreicherer Beaufsichtigung der Waldbesizungen können die Waldhüter, wenn sie auf dem ihnen angewiesenen Revier ein Vergehen oder einen Frevel feststellen, die entwendeten Gegenstände -- selbst über die Grenze hinaus, also auf Gebiet des Nachbarstaates -- bis an den Ort, wohin sie gebracht worden, verfolgen und deren Beschlagnahme bewerkstelligen.

Sie dürfen jedoch Häuser, Gebäude, Hofräume und Einfriedungen nur im Beisein eines öffentlichen Beamten betreten, welcher hiefür durch die Geseze des Landes, wo die Durchsuchung stattfinden soll, bezeichnet ist.

Die zuständigen, mit der Ortspolizei betrauten Behörden sind verpflichtet, den Waldhütern in ihren Aufsuchungen beizustehen, ohne daß hiefür die Erlaubniß eines obern Beamten eingeholt werden muß.

Die zuständigen Behörden eines jeden der beiden Staaten werden einander gegenseitig die Namen der mit der Beaufsichtigung der Grenzwaldungen beauftragten Angestellten mittheilen.

Art. 10. Sollten in der Strafgesezgebung des einen oder des andern Staates Aenderungen nöthig erscheinen, um die Ausführung der Artikel 8 und 9 zu sichern, so verpflichten sich die beiden hohen vertragschließenden Tb eile, so bald wie möglich das behufs Einführung dieser Reformen Erforderliche vorzukehren.

1882

Art. 11. Die gegenwärtige Konvention tritt mit dem 16. Mai in Kraft und bleibt vollziehbar bis zum 1. Februar 1892.

Für den Fall, daß keiner der beiden hohen vertragschließenden Theile zwölf Monate vor Ablauf des genannten Zeitraumes seine Absicht kundgegeben hat, von der Konvention zurükzutreten, bleibt diese von dem Tage ab, an welchem einer der hohen vertragschließenden Theile sie gekündigt hat, noch ein weiteres Jahr lang verbindlich.

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Art. 12. Die gegenwärtige Konvention ist zu ratilkireu und die Ratifikationsurkunden sind vor dem 12. Mai 1882 gleichzeitig mit denjenigen des unter dem heutigen Datum abgeschlossenen Handelsvertrages in Paris auszuwechseln.

D e s s e n z u r U r k u n d e haben d i e beiderseitigen Bevollmächtigten die gegenwärtige Konvention unterzeichnet und derselben ihre Siegel beigedrükt.

So geschehen in doppelter Ausfertigung zu P a r i s , am 23. Februar 1882.

(L. S.) Kern.

(L. S.) Lardy.

(L. S.) C. de Freycinet.

(L. S.) P. Tirard.

(L. S.) M. Rouvier.

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