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Bundesrathsbeschluß in

Sachen des Rekurses von Hrn. Jean Gilliéron-Dafflon, von Servion, wohnhaft zu Villeneuve, betreffend Verweigerung der Bewilligung zum Betriebe einer Wirthschaft.

(Vom 14. März 1882.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h hat in Sachen des Johann G r i l l i èro n - D a f f i o n, von Servion (Waadt), wohnhaft zu Villeneuve (Freiburg), betreffend Verweigerung der Bewilligung zum Betriebe einer Wirthschaft ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartementes und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben :

I. Der Staatsrath des Kantons Freiburg verweigerte, unterm 23. März 1881, dem Jean Gillieron-Dafflon die von ihm nachgesuchte Bewilligung, eine Schenkwirthschaft in dem unter Artikel 556 B des Katasters von Villeneuve bezeichneten, dem Herrn Louis Corthésy daselbst gehörenden Gebäude zu eröffnen. Der Staatsrath führte in der Begründung seines Beschlusses unter Anderem an, dieses Gebäude liege abseits von jeder Wohnung, an einem einsamen Orte, 3 Kilometer von den Ortschaften Surpierre und Villeneuve entfernt, was jede wirksame Ueberwachung desselben unmöglich mache. Es könnte sich nach der Meinung des Staatsrathes überdies leicht ergeben, daß der Eigenthümer, welcher

361 die obern Stockwerke des Hauses belohne, und dem unterm 21. Juni 1879 ein gleiches Gesuch, wie das vorliegende, wegen Nichterfüllung der nothwendigen moralischen Bedingungen abgeschlagen worden sei, an dem Gewerbebetrieb, um den es sich hier handle, interessirt bleiben würde.

II. Herr Gilliéron-Dafflon rekurrirte gegen diesen Entscheid an den Bundesrath, und indem er sich auf den Artikel 31 der Bundesverfassung berief, verlangte er, daß derselbe ungiltig erklärt und der Staatsrath des Kantons Freiburg eingeladen werde, ihm die nachgesuchte Bewilligung zu ertheilen.

Der Rekurrent behauptet, daß der vorerwähnte Artikel der Bundesverfassung zu seinem Nachtheile auf die augenscheinlichste Weise verletzt worden sei, und hält dafür, daß die Frage, ob die vom Staatsrath angerufenen rechtlichen Gesichtspunkte auf den vorliegenden Fall billiger und gerechter Weise angewendet werden können und dem Geiste der Bundesverfassung entsprechen, ohne allen Zweifel entschieden verneint werden müsse. Diese Erwägungen einläßlich besprechend, machte der Rekurrent zunächst geltend, daß das Gebäude nicht vereinsamt stehe, sondern sich im Gegentheil in der unmittelbaren Nähe einer sehr lebhaft benutzten Kantonsstraße, in einer höchst malerischen und angenehmen Lage befinde; es sei dasselbe von dem Gendarmerieposten nicht weiter entfernt, als die beiden Wirthschaften in Villeneuve; aber noch mehr, dasselbe liege an dem Wege, den die Landjäger nehmen müssen, wenn sie sich von Supierre in die umliegenden Gegenden begeben.

Gegenüber dem Einwände, Herr Corthésy könnte sich ein Interesse an der Betreibung der Wirthschaft wahren, sei zu bemerken, daß das Gebäude in der bestimmten Absicht erstellt worden sei, es mehreren Familien als Wohnung anzuweisen, und daß deßhalb die obern Stockwerke vom Erdgeschoß und von dem ersten Stockwerk, welche beide an den Rekurrenten vermiethet, vollständig unabhängig seien. TJeberdies würden die Gebäude, in denen Wirthschaften bestehen, nicht ausschließlich von dem Wirthe und seiner Familie bewohnt. Diese Erwägung des Staatsrathes von Freiburg bestehe demnach mehr in der Einbildung als in der Wirklichkeit, und könne in keiner Weise als Grund zu einer Verweigerung angebracht werden.

III. Der Staatsrath des Kantons Freiburg beantragt in seiner Antwort, den Rekurs abzuweisen. Die Straße, welche der Rekurent erwähne, werde nur selten von Fuhrwerken benutzt, die Fußgänger hätten nähere, von dem in Frage stehenden Hause sehr entfernte

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Pfade, welches, wie nachgewiesen, abgesondert und darum sehr schwer zu überwachen sei.

Was das Einverständniß mit dem Eigenthümer anbetreffe, so beschränke sich der Rekurrent auf den Nachweis, daß das Gebäude für zwei Haushaltungen erstellt und mit besonderu Ausgangen versehen sei ; indessen bestimme der Miethvertrag, daß sich Corthésy den freien Zutritt in die untern Stockwerke ausbedungen, von denen er sich zudem einen Theil vorbehalten habe. Der Rekurreut bestreite übrigens nicht, daß Herr Corthésy unter dem Namen eines vorgeschobenen Anderà die Konzession benutzen werde, welche er für sich selbst nicht zu erlangen'im Staude war.

Kurz, es wäre nach der Regierung von Freiburg festgestellt, daß die Erwägungen zum vorerwähnten Entscheide vollständig in Kraft verbleiben und daß die Garantien, welche sie im Interesse der Moralität und der öguten Ordnung zu verlangen berechtigt sei.i O O O im gegebenen Falle fehlen, um so mehr, als Herr Corthésy, welcher zur Führung einer Wirthschaffc unfähig erklärt worden, seine Wohnung im Hause behielte und dessen Betheiligung an der Betreibung der Wirthschaft keineswegs ausdrücklich bestritten worden sei; in E r w ä g u n g : 1) Nach Artikel Kantone unbestreitbar Wirthschaftsbetrieb an bestimmten Lokale zu

31, Litt, c der Bundesverfassung sind die berechtigt, irn öffentlichen Interesse den gewisse Bedingungen in Bezug auf die dazu knüpfen.

2) In letzterer Hinsicht sagt der Artikel 84 des Freiburger Gesetzes vom 14. Mai 1864 : ,,Der Staatsrath läßt durch die Polizeidirektion konstatiren, daß das Lokal, wo das Recht ausgeübt werden soll, seiner Bestimmung entspricht und durch seine Lage eine gehörige Ueberwachung möglichst erleichtert." Das vom Staatsrath am 10. Dezernber 1879 erlassene Reglement schreibt ferner im Artikel 9 vor, daß das Lokal leicht zugänglich und von der Polizei ohne Schwierigkeit zu überwachen sein solle.

3) Nach der Vernehmlassung des Staatsrathes entspricht nun das Lokal des Rekurrenten dieser Vorschrift keineswegs, da das Haus Corthésy abseits jeder Wohnung, an einem einsamen Orte, drei Kilometer von den Ortschaften Surpierre und Villeneuve entfernt Hegt, welche Entfernung jede wirksame Beaufsichtigung unmöglich macht.

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4) Demnach ist Rekurrent, was sein Lokal betrifft, nicht in der Lage, die im Kanton Freiburg für das Wirthschaftgewerbe allgemein vorgeschriebenen Bedingungen zu erfüllen.

beschlossen:

1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Gegenwärtiger Beschluß ist der Regierung des Kantons Freiburg, sowie dem Herrn Gilliéron-Dafflon in Vigny bei Villeneuve, Kantons Freiburg, mitzutheilen, unter Rückstellung der Akten.

B e r n , den 14. März 1882.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Bavier.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Bundesblatt. 34. Jahrg. Bd. III.

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