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Bericht der

Kommission des Nationalrathes über die am 23. Februar 1882 mit Frankreich abgeschlossenen Verträge.

(Vom 6./14. April 1882.)

Tit.

Entgegen dem Verfahren von 1864, wonach der Bundesrath über die mehrern mit Frankreich am 30. Juni 1864 abgeschlossenen Verträge in e i n e r Botschaft mit Unterabtheilungen Bericht erstattete, liegen dieses Mal mehrere Botschaften vor, d. i. für jeden der sogen. Annexverträge eine besondere. Da für die bevorstehende gleiche Sitzung der Bundesversammlung noch weitere Konventionen internationaler Natur mit Frankreich zur Ratifikation vorliegen, so halten wir es am Orte, diejenigen zu bezeichnen, mit denen wir uns zu befassen hatten. Es sind außer dem H a n d e l s vertrag: 1) ein N i e d e r l a s s u n g s v e r t r a g : 2) eine Uebereinkunft zum gegenseitigen S c h ü t z e des l i t e r a r i s c h e n u n d k ü n s t l e r i s c h e n Eigenthums; 3) eine Uebereinkunft zum gegenseitigen Schütze der F a b r i k und H a n d e l s m a r k e n , der Handelsnamen und der gewerblichen. Zeichnungen und Modelle; 4) eine Uebereinkunft betreffend die n a c h b a r l i c h e n V e r h ä l t n i s s e und die Aufsicht über die G r e n z W a l d u n g e n ; mit andern Worten und kurz zusammengefaßt die Verträge, welche mit dem am 30. Juni 1864 abgeschlossenen und nunmehr gekün-

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digten Handelsvertrag in Konnex gestanden haben und deßhalb ebenfalls zu erneuern sind. Sobald jedoch dieses Mal die Ratifikation ausgesprochen sein wird, wird jeder Vertrag für sich allein in Kraft bestehen und kann nach Auslauf der Vertragsdauer für sich allein gekündet oder verlängert werden. -- Das Reglement betreffend die Zollverhältnisse des Pa,ys de Gex ist kein sogenannter Annexvertrag, sondern ein Zusatz zum Handelsvertrag selber, und wir werden deßhalb dasselbe auch dort besprechen.

A. Die Annexverträge.

Wenn wir die Berichterstattung über dieselben vorausschicken und nicht mit derjenigen über den Handelsvertrag beginnen, so geschieht es, weil bezüglich jener bei den Mitgliedern der Kommission, allerdings nur eventuell unter Hinweisung auf die Stirnmgebung über den Handelsvertrag, Uebereinstimmung besteht, während dieses bezüglich dieses letztern selber nicht der Fall ist. Was demnach über die Annexverträge gesagt wird, geschieht als Berichterstattung der ganzen Kommission, während über den Handelsvertrag ein Bericht im Namen der Mehrheit und ein solcher im Namen der Minderheit vorgelegt werden wird.

1. Der Niederlassungsvertrag.

Der Botschaft des Bundesrathes vom 31. März 1882 haben wir nur Weniges beizufügen. In der Hauptsache ist der neue Vertrag vom 23. Februar 1882 eine Reproduktion des bisherigen vom 30. Juni 1864, wie denn überhaupt keine Veränderung in den seit mehr als Jahrzehnten bestehenden Zuständen geschaffen wird. Die wenigen Modifikationen sind in der Botschaft selber angegeben; was wir noch beizufügen haben, kann und wird bei Anlaß der mündlichen Berichterstattung geschehen.

Als wichtiger heben wir hierorts die bei der Besprechung in der Kommission aufgeworfene und vom Chef des Justizdepartemeuts beantwortete Frage hervor, wie es sich in Bezug auf die Vormundschafts- und Erbschaftsverhältnisse der Schweizer nach dem neuen Niederlassungsvertrag in Frankreich verhalte. Nach der Ansicht des Berichterstatters ist diesfalls mit vollem Rechte von

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Seite des Vorstehers des Justiz- und Polizeidepartements geantwortet worden, daß die daherigen, sowie noch andere Verhältnisse durch den zwischen Frankreich und der Schweiz abgeschlossenen Vertrag vom 15. Juni 1869 über den G e r i c h t s s t a n d u n d die V o l l z i e h u n g von U r t h e i l e n in C i v i l s a c h e n geordnet sein und bleiben und daß dieser Vertrag ein für sich selbstständiger sei und mit den andern Verträgen in keinem äußern Zusammenhange stehe. Die Kommission hat von dieser Erklärunggerne Notiz genommen , obscbon sie wohl weiß , daß der Vertrag selber in seiner Vollziehung hie und da bei den untergeordneten Behörden in Frankreich Widerstand findet.

2. Die TJebereinkimft betreffend künstlerisches und literarisches Eigenthum.

Die Bemerkungen, die wir anzubringen haben, sind formeller und materieller Natur.

Formell ist zu bemerken, daß die Uebereiukunft von 1864 auch über das gewerbliche Eigenthum Bestimmungen enthalten hat; in den Verträgen von 1882 sind diese Arten des Eigenlhums besonders behandelt und bilden für sich den Gegenstand je eines Vertrages. In materieller Beziehung ist hervorzuheben, daß durch die Bundesverfassung von 1874 (Art. 64) die Kompetenzen des Bundes andere geworden sind, und daß die Einwendungen dahinfallen, zu welchen die mangelnde Kompetenz des Bundes im Jahre 1864 der damaligen Minderheit der Kommission Veranlassung gegeben hat.

Auch trägt der Wortlaut des zweiten Lemmas von Art. 34 sehr den Charakter eines Provisoriums, indem der Vertrag vor Ablauf von 10 Jahren gekündet werden kann , sobald in der internen Gesetzgebung eines der kontrahirenden Staaten derartige Veränderungen getroffen worden sind, daß eine Revision auch des Vertrages wünschbar erscheint. Die Kommission ist mit diesem Vorbehalt durchaus einverstanden; nur erlaubt sich der Berichterstatter der Minderheit für den Handelsvertrag die Anfrage, warum eine derartige Klausel nicht für den Fall einer Abänderung der internen Gesetzgebung in Zollsachen angemessen sein sollte? In dem einen wie im andern Fall würde die Rücksichtnahme auf das Einheimische in den Vordergrund treten. In Betreff der Behandlung wegen des literarischen und künstlerischen Eigenthums würde dann wieder eine Ausnahmebestimmung fallen. Der Schweizer würde durch alle Kantone gleich behandelt und der Franzose nicht,

518 günstiger als der Schweizer. Die Anlage eines Vertrages mit der Eintheilung in Bestimmungen, welche in Frankreich, und in Bestimmungen, welche in der Schweiz anwendbar seien, würde wesentlich anders werden ; wir könnten uns auf ein n a t i o n a l e s System beziehen. Weiteres behalten wir der mündlichen Diskussion vor, auch in Betreff der Anschauung, daß vor Erlaß einer nationalen Gesetzgebung nie die Rede von einem Vertrag auf einem so neuen Gebiete sein sollte. Denn gerade die Gesetzgebung muß ja sagen, inwieweit die Schweiz ein literarisches uud künstlerisches Eigenthum anerkennen will. Die Reception von Anschauungen und Definitionen aus ausländischen Staaten und Gesetzgebungen ist nicht am Orte. Die in der bundesräthlichen Botschaft enthaltene Mittheilung, daß der Erlaß eines bezüglichen Gesetzes bevorstehend sei, kann daher von uns nur begrüßt werden.

3. Die Konvention über den gegenseitigen Schutz der Fabrik- und Handelsfirmen und der industriellen Zeichnungen und Modelle.

Theilweise ist, was wir am Schlüsse des vorangehenden Abschnittes zu Vertrag 2 gesagt haben, für den vorliegenden Vertrag der Fall. Dadurch, daß die Schweiz eine Gesetzgebung betreffend d e n Schutz d e r F a b r i k - u n d H a n d e l s m a r k e n besitzt (Bundesgesetz vom 19. Dezember 1878 [A. S., neue Folge, V, 35]), weiß man, über was man sich vertraglich verpflichtet. Dadurch, daß die kontrahirenden Staaten auch die gegenseitigen Gesetzgebungen anerkennen und auf denselben sich bewegen, wird die Gleichheit, resp. die Reziprozität auch nicht gefährdet; es ist demnach ein rechtmäßiger Vertrag nach Form und Inhalt vorhanden.

Gleiches können wir nicht von dem Abschnitte über industrielle Zeichnungen und Modelle sagen. Die Anlage nach Bestimmungen , welche in Frankreich, und solchen, welche in der Schweiz anwendbar sind, ist in gleicher Weise gemacht, wie sie ans dem Vertrag von 1864 herübergebracht ist. Deßhalb hätte materiell der Vertrag mehr zu 2 gepaßt; jedoch besteht die Klausel wegen Aufkündung vor Ablauf der Vertragsfrist nicht. Eine schweizerische Gesetzgebung über diesen Gegenstand ist wahrscheinlich nicht so bald zu gewärtigen ; ein gleicher Vorbehalt hätte übrigens auch hieher gepaßt.

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4. Die Konvention über die nachbarlichen Verhältnisse und die Beaufsichtigung der Grenzwaldungen.

Mit ganz geringen Modifikationen, worüber die Botschaft des Bundesrathes sich genügend ausspricht, ist der diesmalige Vertrag die Reproduktion des bisherigen, der übrigens auf die Vereinbarung vom Jahr 1828 zurückgreift. Die Bestimmungen über die nachbarlichen Verhältnisse sind solche, welche in andern Verträgen, .z. B. in dem mit Deutschland, Erleichterungen im G r e n z - u n d V e r e d l u n g s v e r k e h r bezwecken. -- Die Bestimmungen über die Beaufsichtigung der G r e n z w a l d u n g e n sind, wie die Botschaft sagt, auch aus dem Grunde fast wörtlich reproduzirt, weil dieselben sich seit Jahrzehnten als richtige bewährt haben.

Daß nicht in diesem Vertrage auch über die Jagdfrevel und über die Frevel in der Ausübung der Fischerei verfügt worden ist, hält die Kommission für eine nicht gut zu erklärende Unterlassung , nachdem durch die Bundesverfassung (Art. 25) Kompetenzen für den Bund begründet worden sind , von welchen dieser durch das Gesetz vom 13. September 1875 über die Fischerei (Neue Folge II, 90) und durch dasjenige über Jagd- und Vogelschutz vom 17. September 1875 (Neue Folge II, 39) Gebrauch gemacht hat. -- Neben vieler Berechnung bestehen halt in der Diplomatie auch viele Nachäffereien und viele gedankenlose Abschreibereien.

In S u m m a kann und muß von den A n n e x ve r t r ä g e u gesagt werden, daß in den bestehenden Rechtszuständen und Rechtsverhältnissen zwischen Frankreich und der Schweiz nichts verändert wird, und daß die bis jezt bestehenden Verträge zu Klagen und Beschwerden, denen nicht gut und beförderlich hätte abgeholfen werden können, keinerlei Veranlassung gegeben haben.

Deßhalb nimmt die Kommission keinen Anstand, die vom Bundesrathe vorgeschlagene R a t i f i k a t i o n zu empfehlen; die Minderheit muß beifügen : immerhin unter Vorbehalt dessen , was bezüglich des Handelsvertrages beschlossen werden wird.

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B. Der Handels- resp. Zolltarif-Vertrag.

(Bericht der Minderheit der Kommission.)

I. Verfassungsrechtliche Betrachtungen.

Das Resultat der Berathungen und Abstimmungen in der Kommission ist ein eigenthümliches gewesen ; man kann, ohne zu befürchten, bekämpft zu werden, sagen, daß nur wenige Mitglieder, vielleicht kein einziges, mit freudiger Ueberzeugung für die Ratifikation des Vertrages gestimmt haben ; eine Minderheit, welche mit Einschluß des Berichterstatters allerdings nur vier Mitglieder zählt, hat geglaubt, weiter gehen und sagen zu sollen, daß der Vertrag nicht annehmbar und daher nicht zu ratifiziren sei. Gestatten Sie uns, die Gründe hiefür in Kürze anzugeben, da zu einer langen Berichterstattung die uns zur Verfügung stehende Zeit nicht genügend ist. -- Gründe, welche sich einerseits auf dem Standpunkt der nicht befriedigten Interessen bewegen, anderseits aus Betrachtungen anderer Natur abgeleitet sind. Diese Betrachtungen sind solche des öffentlichen Rechtes und der Gesetzgebungspolitik.

Die Gründe der erstem Art, welche besonders Wesen und Zweck der Handelsverträge dadurch in's Auge fassen, daß man sich fragt, ob der Vertrag mit Frankreich der Schweiz ein neues oder ein weiteres A b s a t z g e b i e t verschaffe und sichere, ohne die M a r k l v e r h ä 11 n i s s e im I n n e r n der Schweiz empfindlich zu stören, wären eigentlich genügend, um einen Entscheid fällen zu können; sie sollten deßhalb allen weitern Betrachtungen vorausgeschickt werden, wenn wir nicht die Ansicht zunächst zur Geltung bringen wollten, daß die B e u r t h e i l u n g d e r . I n t e r e s s e n , wenn sie auch noch so günstig wäre, speziell bei dem zur Ratifikation vorliegenden Vertrage erst in die zweite Linie gehört.

Deßhalb schicken wir die politischen Betrachtungen voraus und fragen, ob eigentlich ein Vertrag, d. i. die freiwillige lieber-

521 einstimmung zweier Willen, vorhanden -sei oder ob nicht bloß die F o r m eines Vertrages vorliege, um zu verhüllen, daß ein einseitiger Wille allein sich geltend mache nach dem bekannten Ausspruche : Sic volo, sic jubeo, stai pro ratione voluntas ! Dieses ist unsre Ansicht, die wir beweisen wollen, indem wir zeigen, daß durchaus nicht G l e i c h h e i t d e r P a r t e i e n besteht. W o eine Gleichheit der Parteien nicht vorhanden ist, da mangelt auch die Gerechtigkeit.

Betrachten wir zuerst unsern Mitkontrahenten, Frankreich, der allerdings sagt, daß er bestehende Freundschaftsbande erhalten und die gegenseitigen Handelsinteressen ausgleichen wolle, wobei wir jedoch die Ansicht haben, daß die Freundschaft sich in besserer Weise äußern und die Ausgleichung der Interessen günstiger sich vollziehen könnte. In dieser Beziehung sei uns gestattet, darauf hinzuweisen, daß Frankreich begonnen hat, den auch auf Freundschaft, aber auch auf die Verbesserung und Ausdehnung der Handelsinteressen sich stützenden Vertrag vom Jahr 1864 aufzukünden und nach der Aufkündung einen Zolltarif (tarif général) zu entwerfen, der geradezu eine Verminderung und Verschlechterung der Handelsverbindungen im Gefolge gehabt hätte. Die Freundschaft soll wahrscheinlich darin liegen, daß Frankreich in diesem tarif général einige Modifikationen zu Gunsten der Schweiz eintreten läßt. Wäre aber die Freundschaft nicht größer gewesen, wenn Frankreich, wenn es einmal seinen Zolltarif ändern wollte, seine Aenderung im Sinne der Verminderung der Zölle durchgeführt hätte? Dann hätte es sich in Wirklichkeit der Schweiz genähert; in dieser Annäherung und möglichsten Uebereinstimmung der Einrichtungen besteht die wahre Freundschaft der Völker. Eine Herabminderung der Zölle wäre aber auch aus dem von den schweizerischen Experten und Unterhändlern wiederholt nachgewiesenen Grunde gerecht gewesen, daß der Werth der Handelsobjekte seit 1864 geringer geworden ist, die Umänderung der droits ad valorem in droits spécifiques auf Grundlage des Vertrages von 1864 daher eine materielle Unrichtigkeit involvirt.

Und die S c h w e i z ! Was hat sie gethan ? Sie, die n a c h dem Vertrag von 1864 ihre Verfassung zu Gunsten der Israeliten geändert hat, ist wenigstens sehr bescheiden gewesen. Ihr Zollsystem, das auf den Grundsätzen des freien Handels,
und der freien Güterzirkulation sich bewegt, ist das gleiche geblieben und sie hat Frankreich recht freundlich ersucht, von seinen auf die Protektion sich stützenden und die Protektion im Innern des Landes bezweckenden Ansätzen einige Milderung eintreten zu lassen. Sie hat Ln recht christlicher Weise nicht Gleiches mit Gleichem vergolten ;

522 sie hat noch die linke Wange dargereicht, nachdem man sie auf die rechte geschlagen; sie hat sich sogar in Paris aushöhnen lassen, daß sie keinen Zolltarif zu Stande gebracht habe, mit dem sie Frankreich wenigstens in einigen recht empfindlichen Ansätzen hätte entgegentreten können. Was Wunders, daß die Schweiz in Paris hat vernehmen müssen, daß die Franzosen eines Vertrages gar nicht bedürften, um nach der Schweiz handeln zu können, während ohne Vertrag die Schweizer ihre Waaren nicht nach Frankreich bringen könnten !

So ist es gekommen, daß Frankreich eine Gefälligkeit aus freiem Willen der Schweiz hat erweisen können, welche für diese eine Notwendigkeit war. F r a n k r e i c h h a t die N o t h l a g G der Schweiz benutzt.

Wir könnten nun allerdings fragen, wie sich die Schweiz in diese Situation gebracht habe. Allein mit der Antwort auf diese Frage wären wir nichts gescheid ter und der Vertrag nichts besser.

Statt dieser Frage stellen wir deßhalb die andere, ob es nicht ehrenvoller wäre, auf einen Vertrag solcher Art zu verzichten und sich dafür mit der internen Gesetzgebung zu behelfen. Die Minderheit der Kommission ist dieser Ansicht und zwar um so mehr, wenn sie in Erwägung und Zweifel zieht, ob die seit einem Vierteljahrhundert abgeschlossenen Verträge der Schweiz von Vortheil gewesen seien. Insbesondere läßt sich, was den französischschweizerischen Vertrag von 1864 betrifft, behaupten, daß die Hoffnungen, welche damals der Berichterstatter der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission (Hr. Dr. Heer) auf den Vertrag und auf die Fortschritte Frankreichs im Freihandelssystem gesetzt hatte, sich durchaus nicht erfüllt haben.

Wenn wir dieses sagen, so wollen wir diese Bemerkung durchaus nicht auf die gleiche Stufe stellen, auf der jene in Frankreich und Italien oft aufgeworfene Frage steht, ob man dein System der Handelsverträge, das man mit dem Jahre 1860 begonnen hat, treu bleiben wolle. Frankreich und Italien mögen sich so fragen, und es darf wohl zugegeben werden, daß in diesen Staaten durch die Verträge mancher Schritt zum Bessern gethan worden ist. Aber für Staaten wie die Schweiz und England hat diese Frage einen ganz andern Sinn. Für sie kann es fast gleichgültig sein, indem sie in den Verträgen schwerlich Abweichungen von ihren freisinnigen Zollgrundsätzen machen; die
Gleichgültigkeit muß aber aufhören, sobald sie wahrnehmen, daß sie ihrerseits die wünschbaren Konzessionen nicht erreichen. Für diese Staaten kann man daher sagen, daß für sie Handelsverträge die Rückkehr zu einem veralteten System seien, während eine einseitige interne

52a Gesetzgebung den Vorzug verdiene. Die neuen Schriftsteller über Volkswirtschaft beurtheilen deßhalb Handelsverträge nicht günstig; anstatt Mittel zu Annäherungen der Völker zu werden, würden sie die Mittel der Entfernungen, indem sie Uebervortheilungen und Ueberlastungen versuchten; sie 'würden sogar gefährlich, wenn die Aufrichtigkeit in der gegenseitigen Gewährung von Vortheilen fehle.

In dieser Beziehung betonen wir besonders die Aenderungen, welche in der internen Gesetzgebung der Schweiz eingetreten sind.

Haben wir oben gesagt, daß die Schweiz zu den i n t e r n a t i o n a l e n Verhandlungen mit keinen Veränderungen getreten sei, so müssen wir auf der andern Seite die Frage aufwerfen, ob wohl das Gleiche in Bezug auf die nationale G e s e t z g e b u n g der Fall auch sei. Diese Frage müssen wir verneinen, wir führen den Beweis hiefür in Folgendem, indem wir zugleich die Konstitutionalität des gegenwärtigen Vertrages in noch ausgedehnterer Weise bestreiten, als es für den Vertrag von 1864 geschehen ist.

Damit soll zunächst durchaus nicht auf die partielle Revision der Bundesverfassung von 1866 abgestellt, aber doch aufmerksam gemacht werden, daß sofort nach Annahme des Vertrages von 1864 eine Bewegung zur Revision der Bundesverfassung von 1848 begonnen hat, welche erst mit der revidirten Verfassung von 1874 zum Abschluß gekommen ist. Dieselbe hat gerade für die Behandlung von Handelsverträgen nach zwei Richtungen Aenderungen gebracht.

Beginnen wir mit der formellen Behandlung. In Anbetracht, der geschichtlichen Verhandlungen der Revision wollen wir durchaus nicht die Frage aufwerfen, ob Verträge der Schweiz mit andern Staaten dem R e f e r e n d u m unterliegen; wir müssen diese Frage, wenn sie von anderer Seite aufgeworfen würde, sogar verneinen.

Dagegen ist für Gegenstände der Gesetzgebung (sowie für Bundesbeschlüsse nicht dringlicher Art) Art. 89 der revidirten Verfassung voll und ganz vorbehalten. Dieser Artikel steht der Ratifikation des Vertrages durchaus entgegen. Denn dieser Vertrag ist andei-er Natur, als derjenige mit Deutschland vom 29. Juni 1881, der übrigens auch richtiger unterblieben wäre, da er, wenn der Vertrag mit Frankreich ratifizirt wird, durchaus zum Nachtheil der Schweiz ausfällt. Der Vertrag mit Frankreich ist wesentlich ein T a r i f v e r t r a g . Wie will
aber der Bundesrath einen solchen abschließen, die Bundesversammlung denselben ratifiziren, da die legislatorischen Verhandlungen zur Aufstellung eines neuen Tarifes bis jetzt nur zur ersten Berathung geführt haben? Wer aber daraus schließen wollte, daß, da ein neuer Tarif noch nicht zu.

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Staude gekommen, derjenige von 1851 mit dem Konventionaltarif von 1864 für neue Vertrags Verhandlungen noch in Kraft bestehe, würde einen Fehlschluß begehen. Es ist durchaus ein anderer Rechtsboden vorhanden. Derselbe ist durch den Bundesbeschluß vom 28. Juni 1876 geschaffen, der in seinem Art. l also lautet: ,,Der B u n d e s r a t h kann -- auch vor Ink r a f t t r e t e n des neuen Z o l l t a r i f e s -- u n t e r V o r b e h a l t der G e n e h m i g u n g durch die Bundesversammlung, Erzeugnisse solcher S t a a t e n , w e l c h e d i e S c h w e i z n i c h t a u f d em Fuße der meist b e g ü n s t i g t e n N a t i o n beh a n d e l n , o d e r d e r e n allgemeiner Tarif Schweiz.

Produkte mit besonders hohen Zöllen beschwert, mit e i n e r e n t s p r e c h e n d e n Z u s c h l a g s t a x e a u f den Aus ä t z e n des n e u e n T a r i f e s b e I e g e n."

Ist dieser Beschluß mit Rücksicht auf den neuen französischen Zolltarif nicht durchaus anwendbar, der die Broderien und die Seidenstoffe und Seidenbänder mit Beimischung von Baumwolle mit Zöllen belegt, welche einem Prohibitivzoll gleichkommen ? Wer in dieser Beziehung noch irgend welchen Zweifel hegt, der möge die betreffenden Verhandlungen in den Räthen, sowie die Begründung durch den Antragsteller (der verstorbene Feer-Herzog) nachlesen. Gerade für den Verfasser des vorliegenden Berichtes, der bei Anlaß der ersten Berathung des Zolltarifes mit dem Antragsteller viel verkehrt hat, besteht in dieser Beziehung nicht der geringste Zweifel, und er hält sich zum Schluß berechtigt, daß bis zur endgültigen Feststellung eines neuen Zolltarifes, an dem alle verfassungsmäßigen Faktoren mitzuwirken haben, Verträge mit Konventionaltarifen gar nicht abgeschlossen werden dürfen. Denn gerade für diese wird der neue Zolltarif den richtigen Fingerzeig geben; er wird sagen, ob und wieweit die neuen Zollansätze als Maxima oder Minima zu betrachten seien, ob und inwieweit Modifikationen gestattet werden dürfen. Ohne diese gesetzlichen Fingerzeige haben die Räthe für ihr Benehmen und ihre Beschlüsse gar keinen Haltpunkt. Gleichzeitig wäre auf diese Weise auch erreicht worden, daß in Bezug auf Anordnung der Generaltarif und der Konventionaltarif Übereinstimmung gezeigt hätten, was gerade bei ·dem neuen Vertragstarif nicht der Fall ist. Irrt sich
übrigens der Verfasser dieses Berichtes nicht, so ist bei der ersten Berathung des Zolltarifes und bei der Diskussion über die Fortsetzung der Verhandlungen ausdrücklich gesagt worden, daß der allgemeine Tarif und der Konventionaltarif bei Verträgen gleichzeitig festgestellt werden sollen.

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Und warum konnte uud mußte solches gesagt werden? Gerade wegen der Beschaffenheit, welche der neue schweizerische Tarif nach den Vorschriften der Verfassung von 1874 haben mußte.

Dieselbe lautet nämlich etwas anders als diejenige von i 848, indem sie und zwar auf den Antrag des Verfassers dieses Berichtes, bei der Aufstellung der Grundsätze über die Zollerhebung den ganz bezeichnenden Zusatz erhielt: ,,Diese G r u n d s ä t z e sind auch bei Abschließung von Handelsverträgen mit dem A u s l a n d e z u b e f o l g e n."

Es ist bemerkenswert!!, daß dieser Zusatz, der bei dem Projekte von 1872 gerade mit zwei Drittheilen der Stimmenden (44 gegen 22) angenommen worden, im Entwurfe von 1874, der die Gutheißung des Volkes gefunden hat, wiederum bestätigt worden ist, obschon der Bundesrath, sowie die Mehrheit der Revisionskommission den Antrag gestellt hatten, den Zusatz zu streichen. Begreiflich, er mag etwas Hemmendes enthalten haben, indem er an die Stelle des freien Ermessens und Beliebens bindende verfassungsmäßige Bestimmungen setzte. Freilich hat ihm das Amendement, ,,sofern nicht zwingende Gründe entgegens t e h e n 1 1 , scheinbar viele Kraft benommen 5 ich sage aber : nur scheinbar, indem zwingende Gründe nicht so leichthin angenommen werden können, sondern bewiesen werden müssen.1) Da wir die !) Zum besseren Verständniß der Bedeutung des Zusatzes halten wir es für angemessen, nach den von Herrn Kanzler S c h i e ß veröffentlichten Protokollen die daherigen Verhandlungen im Schöße des Nationalrath.es näher anzuführen.

"Wir citiren zunächst das Protokoll von 1871/72, in welchem gesagt ist, daß nach den Anträgen der Kommission noch von Herrn K a i s e r (Solothurn) beantragt worden ist, als weiteres Alinea aufzunehmen: ,,Diese Grundsätze sind auch bei Abschließung von Handelsverträgen ,,mit dem Auslande zu befolgen."

In Beziehung auf diesen Antrag wird bemerkt: ,,Es liegen Petitionen vor, welche verlangen, daß Handelsverträge nur auf Grand völliger Reziprozität eingegangen werden sollen.

Dieses Prinzip lasse sich aber nicht durchführen. Denn bei der Verschiedenheit der Verhältnisse könne man, wenn man etwas erreichen wolle, nicht verlangen, daß der andere Staat gerade das einräume, was man ihm gewähren wolle, indem dieser Staat nach seiner Lage vielleicht absolut verhindert wäre, hierauf
einzugehen, und somit die Verhandlung, weil zu nichts führend, wieder abgebrochen werden müßte. Dagegen lassen sich die Grundsätze des Antrages ohne Schwierigkeit geltend machen, indem man darauf bestehen dürfe, daß die Rohstoffe möglichst günstig gestellt werden sollen.

Man könne sich nicht verhehlen, daß wir mit unsern Handelsverträgen nicht immer glücklich gefahren seien. So habe man namentlich gegenüber Bundesblatt. 34. Jahrg. Bd. II.

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526 Ansicht durchaus nicht theilen können, daß bei dem in Rede stehenden Vertrage ^zwingende Gründe01 vorhanden gewesen, so glauben wir, daß sowohl beim Bundesrathe als bei seinen Unterhändlern fragliche Bestimmung in Vergessenheit gerathen war.

Das Erinnern genügt unseres Erachtens, um behaupten zu dürfen, daß die Verfassung nicht richtig beobachtet worden ist. Nicht richtig, weil durch den erwähnten Bundesbeschluß vom 28. Juni Belgien und Italien Erschwerungen des Verkehrs in den Kauf genommen, die man künftig nach Möglichkeit vermeiden müsse, weßhalb es angemessen erscheine, gleich bei diesem Artikel die erforderliche Direktion zu.

gaben, wie bei künftigen Unterhandlungen über Handelsverträge vorzugehen sei.

Von anderer Seite (HH. J e n n y und F e er) wird die Angemessenheit dieses Vorschlages bestritten. Die Verhandlungen über einen Handelsvertrag seien eben ein Markten, wobei der eine Staat anbiete, der andere erwäge, ob und was er dagegen zu leisten im Falle sei. Wolle man sich an eine strikte Kegel binden, von welcher dem andern Staate gegenüber unter allen Umständen nicht abzugehen wäre, so wäre die Folge eben die, daß die Verhandlungen zu keinem Ziele gelangen könnten.

Die fremden Staaten müßten in Beziehung auf die Eohstoffe für ihre Industrie dieselben Postulate stellen, wie die Schweiz, die sich daher zufrieden geben könne, wenn ihre verarbeiteten Produkte wenigstens im andern Staate zu einem verhältnißmäßigen Zolle eingeführt werden dürfen, und es werde vollkommen genügen, wenn der Artikel, wie er vorgeschlagen sei, beibehalten werde und wenn man sich darauf bescheide, die Grundsätze desselben nach Möglichkeit geltend zu machen, ohne daß man so zu sagen eine Mauer aufstelle, welche geeignet wäre, die Unterhandlungen über einen Zollvertrag mit andern Staaten in Frage zu stellen, vielleicht unmöglich zu machen.

In der Abstimmung werden sämmtliche Abänderungsanträge zum Artikel mit Mehrheit angenommen, insbesondere litt, e (Herr K ai s e r) mit 44 gegen 22 Stimmen."

Aus dem Protrokoll zur K e v i s i o n v o n 1873/74 tragen wir Folgendes nach: Sowohl nach dem Antrage des Bundesrathes, als nach demjenigen der Kommission soll dieser Artikel übereinstimmend mit dem Entwurfe vom 5. März gefaßt werden, nur wird Streichung des Alineas in der Mitte beantragt, welches so lautet: ,,Diese
Grundsätze sind auch bei Abschließnng von Handelsverträgen mit dem Auslande zu befolgen."

Von Herrn Kaiser (Solothurn) wird nunmehr vorgeschlagen, dieses Lemma, welches im Jahr 18Y1/72 nicht beanstandet und mit zwei Drittel der Stimmen angenommen worden sei, wieder herzustellen. Der darin enthaltene Grundsatz stehe mit der Volkswohlfahrt näher in Verbindung, als mancher andere der bereits angenommenen Artikel.

Man sage freilich, eine solche Bestimmung gehöre nicht in die Verfassung und man müsse den Behörden die Freiheit geben, in dieser Beziehung zu verfahren, wie es Ihnen angemessen erscheine. Allein der Grundsatz, welcher die Bewegung des öffentlichen Konsums regulire, dürfe in dem Grundgesetze unmöglich fehlen.

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1878, sowie durch den obigen Zusatz deutlich der Wille des Volkes und des Gesetzgebers ausgesprochen worden ist, daß es an die Stelle der Willkür und der Interessen eine feste Z o l l p o l i t i k setzen wolle. Mit einer solchen wird für einen freihändlerischen Staat die so wünschenswerthe Stabilität in Handel und Verkehr viel richtiger erreicht, als durch Verträge, die nach einer bestimmten Anzahl Jahren gekündet und modifizirt werden.

Der Tenor der Verfassung stelle in Art. 27 für die Eingangsgebühren folgende Gesichtspunkte auf: einmal möglichst geringe Taxirung der Rohstoffe im Dienste der Industrie und Landwirthschaft, sowie der Lebensbedürfnisse, und sodann höchste Taxen für Luxusgegenstände. Das Bedürfniß einer solchen Bestimmung sei beim Abschlüsse des französischen Handelsvertrages recht fühlbar geworden und bei der letzten Revision hätten viele Petitionen die Aufnahme einer solchen Vorschrift ausdrücklich nachgesucht, namentlich im Hinblicke auch darauf, daß gewisse Gebühren, welche von den Kantonen erhoben werden, infolge solcher Verträge mit dem Auslande beseitigt oder modifizirt werden.

Hier handle es sich um eine Rechtsfrage, nämlich darum, daß in einen Vertrag keine Bestimmungen sollen aufgenommen werden dürfen, welche mit der Bundesverfassung nicht im Einklänge stehen. Gerade die Vernachläßigung dieses Grundsatzes habe im Jahr 1865 .den ersten Anstoß zur Bundesrevision gegeben, sofern durch die französischen Verträge vom 30. Juni 1864 einer Alasse von Franzosen, nämlich den Israeliten, vertragsgemäß bessere Rechte eingeräumt worden wären, als die schweizerischen Israeliten selbst genossen hätten.

Man wende zwar freilich ein, solche (Konzessionen an das Ausland seien nicht ganz zu vermeiden und bei derartigen Vertragsunterhandlungen müsse man Differentialzölle gewähren, wenn man überhaupt etwas erreichen wolle. Inzwischen wäre es besser und der Sache förderlicher, wenn statt auf diese "Weise, auf dem Wege der Gesetzgebung nachgeholfen würde.

Im Widerspruche mit unserer Zollgesetzgebung seien Belgien Zollerleichterungen gewährt worden, z. B. für Glas- und Töpferwaaren, Waffen und dgl. ; Italien für Südfrüchte, Strohhüte, Seidenwaaren, -- und doch habe es sich hiebei weder um Rohstoffe, noch um eigentliche Lebensmittel gehandelt.

Wie in den französischen Verträgen die Kompetenzen
überschritten worden seien, habe man bereits früher nachgewiesen.

Zu einer Weglassung jener Bestimmung im Artikel vom 5. März 1872 sei um so weniger Grund vorhanden, weil die mit dem Auslande abgeschlossenen Verträge erst mit dem Jahr 1876 völlig auslaufen und erst dann die Schweiz ihre volle handelspolitische Freiheit wieder erlangen werde.

Alsdann werde es unbenommen sein, durch Aufstellung eines neuen Zolltarifes den Abschluß von Verträgen überflüssig zu machen. Bis dahin aber sei es ein Gebot der Pflicht, darauf zu sehen, daß die Grundsätze, welche Verfassung und Gesetzgebung aufstellen, beim Abschlüsse "etwaiger neuer Handelsverträge ihre volle Beachtung finden.

Hierauf wird jedoch erwidert (Hr. Fee r - H e r z o g ) , daß wenn man mit dem Auslande Zoll- und Handelsverträge abschließen wolle, man sich unvermeidlich zu einigen Konzessionen entschließen müsse, denn kein Staat würde sich zu einem vertrage herbeilassen, welcher ihm bloß Lasten und keine Vortheile brächte. Inzwischen sei noch niemals die Erhöhung unserer

528 Fragen wir nun aber, in welcher Weise im Uebrigen der Art. 29 seine Vollziehung gefunden hat, so müssen wir sagen, daß es noch nicht geschehen und daß die Gesetzgebung, welche die Grundsätze der Verfassung prägnanter auszuführen hat, in Bezug auf den Zolltarif ihren Abschluß noch nicht gefunden hat. Wir wollen in dieser Beziehung schon Gesagtes nicht wiederholen, aber hervorheben, daß nach unserer Ansicht die Anordnung einer neuen und festen Zollpolitik folgenden Gang zu nehmen hat: 1) Zunächst ist ein neuer Zolltarif auf dem Wege der Gesetzg e b u n g festzustellen, welche auch die nöthigen Modalitäten anzugeben hat, nach welchen von jenem Tarif 2) durch V e r t r ä g e Abweichungen gestattet werden können.

Bei den sog. Meistbegünstigungsverträgen kommen Abweichungen in 8ieser Richtung nur ausnahmsweise vor; diese Art Verträge sollten aber aus andern Gründen gar nicht abgeschlossen werden.

3) Als ein Provisorium stellt sich zwischen l und 2 der erwähnte B u o d e s b e s c h l u ß vom Juni 1878 hinein, welcher dem Zölle in Beziehung auf Kollstoffe oder Lebensbedürfnisse verlangt worden.

Somit könne es sien lediglich um litt, c des Artikels, nämlich um Luxusgegenstände handeln, und hier ginge man zu weit, wenn man nach den eben vorgeschlagenen Grundsätzen verfahren wollte.

Bei jedem Vertrage gehe das Bestreben der Kontrahenten dahin, für ihre eigenthümliehen Produkte sich einen möglichst großen Absatz zu verschaffen. Hätte nun die Schweiz, Belgien oder Italien nicht gewisse Zugeständnisse gemacht, so hätte sie von der andern Seite auch nicht Erleichterungen in Anspruch nehmen dürfen. Werden aber dem Bundesrathe die Hände in der vorgeschlagenen Weise gebunden, so daß er dem andern Staate nicht entgegenkommen könne, so werde es unmöglich sein, auf dem bisherigen Fuße weiter Verträge abzuschließen. Erst wenn die bestehenden Verträge zu Ende gehen, werde es uns möglich sein, ein der Theorie entsprechendes Zollsystem aufzustellen und dasselbe an den Platz der bisherigen Verträge treten zu lassen, so daß den andern Staaten lediglich angeboten werden könnte, mit den am meisten begünstigten Staaten auf gleiche Stufe gestellt zu werden, sofern von jenen gegenüber der Schweiz das Gegenrecht beobachtet würde. Bis dahin aber werde man bei dem jetzigen Verfahren stehen bleiben müssen, indem sonst Vorträge
mit andern Staaten nicht möglich wären.

Von dritter Seite (Hr. P h i l i p p in) wird als Mittelweg vorgeschlagen, den erwähnten Zwischensatz mit der Einschaltung aufzunehmen: ,,Diese Grundsätze sind auch bei Handelsverträgen zu befolgen, ,,,,sofern nicht zwingende Gründe entgegenstehen.""

In der Abstimmung wird 1) eventuell diese Einschaltung mit 56 Stimmen gegenüber einer Minderheit genehmigt, und sodann 2) das Lemma mit diesem Amendement, gegenüber dem Antrage auf Streichung desselben, mit 40 gegen 34 Stimmen wieder aufgenommen.

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Bundesrath für den Fall Mittel an die Hand gibt, als die Gesetzgebung aus irgend welchen Gründen nicht zur Vollendung kommen sollte, die Schweiz aber gedrängt oder gar zu ungünstigen Verträgen gezwungen werden wollte.

Dieser Weg erscheint uns auch aus dem Grunde als der einzig richtige, weil nur nach demselben alle Factoren der Gesezgebung richtig wirken können. Formell liegen die Verträge in dem Willen der Räthe; materiell ist es aber eine Unzukömmlichkeit, um nicht mehr zu sagen, wenn in den Verträgen ein Zustand niedergelegt werden soll, welcher die Gesetzgebung nicht will. Auf diese Weise entsteht ein Dualismus, welcher auf die Dauer nicht Bestand haben kann. Der verfassungsmäßige Zustand muß wiederum hergestellt werden ; der Artikel ö9 ist nicht ein bloßer Buchstabe, über den sich die Räthe hinwegsetzen können. Das geschieht "aber, wenn auf dem Wege des Vertrages Tarifsätze aufgestellt werden, die auf dem Wege der Gesetzgebung das Volk verwirft. Auf diese Weise wird das Volk um ein verfassungsmäßiges Recht gebracht.

Neben diese formelle Seite stellt sich in sehr dringender Weise die materielle, die will, daß Gegenstände des Luxus den höchsten Taxen, die Rohstoffe und Lebensmittel aber den niedrigsten Taxen unterworfen werden müssen. Für die zwischen diese Grenzen fallenden Halbstoffe, Fabrikate und Konfektionen sollte die Gesetzgebung freie Hand haben. Wo ist aber diese freie Hand, wenn sie für eine längere Dauer von Jahren gebunden ist, der Art, daß während dieser Zeit Aenderungen nicht möglich und weder den Bedürfnissen des Fiskus noch den allgemeinen Zuständen der Industrie Rücksicht getragen werden kann ? Wo bleibt die Verfassung, wenn Gegenstände des Luxus ohne Rücksicht auf die Gesezgebung vertraglich anders behandelt werden sollen, als jene vorschreibt?

Offen gestanden, es fällt uns schwer, nicht zu behaupten, daß der Vertrag wegen Umgehung der Art. 29 und 89 der Verfassung gegen diese schwere Angriffe führt.1) ') Es ist gewiß als lobenswerth zu bezeichnen, wenn den Unterhandlungen und Abschlüssen von Verträgen jetzt eine größere Aufmerksamkeit gewidmet wird als früher. Als besonders einläßlich erwähnt der Berichterstatter der Minderheit die ,,kritischen Bemerkungen zum französischschweizerischen Handelsvertrag" im Winterthurer Landboten. Ein Theil seiner Aussetzungen bezieht sich
auf die soeben erwähnte, ungenügende Klassifikation mit Hinweisung auf den Werth oder Unwerth der Behauptung, daß Prankreich der Schweiz für viele Artikel freie Hand gelassen habe.

Er sagt u. A.: ,,Wenn die Parfümerieseife mit 150 Centimes Zoll auf 200 Pfund in die Schweiz eingelassen werden muß, was ist dann auf den uns freigelassenen Droguen, die als Rohprodukte dienen, auf Schuhwichse, Tinte, Waschschwämme, Wagenschmiere etc. noch durch Zollerhöhung zu holen ?

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Dieses ist unsere Ansicht, und wenn sich andere nicht dazu bekennen, so gestehen sie doch zu, daß durch einen solchen Dualismus ein unhaltbarer Zustand geschaffen werde, dem so bald als möglich ein Ende gemacht werden müsse. Deßhalb hat die Kommission mit Einmuth folgendes Postulat gefaßt, das wir Ihnen zur Annahme empfehlen: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, Anträge über die Feststellung des definitiven Schweiz. Zolltarifes so beförderlich zu stellen, daß sie auch im Laufe dieses Jahres den Rätheu vorgelegt werden können.'1 Die Annahme dieses Postulates ist am Orte, ob der Vertrag angenommen oder verworfen werde. Im erstem Falle wird beabsiclitigt, dem Dualismus, resp. der Vielgestultigkeit in den Zollzuständen ein Ende zu machen; im zweiten Falle soll der Weg zu Vertragsunterhandlungen angebahnt werden. Auf diese Weise gelangen wir wieder zu verfassungsmäßigen Zuständen und es ist vom Bundesrathe eine Erläuterung über das Verhältniß eines vertragsmäßigen oder Konventionaltarifes zu dem gesetzlichen Tarife zu gewärtigen, da in dieser Beziehung gar verschiedenartige Ansichten Wenn die mit den feinsten Bordeaux- und Champagner-Weinen gefüllten Glasnaschen mit 350 Centimes Zoll auf 100 Kilogramm in die Schweiz eingehen, was stellt man sich vor, daß man auf Glasziegel, Bodenplatten aus Glas etc. wird legen können?

Wenn Luxusspiegel mit Rahmen 30 Fr. per 100 Kilogramm zahlen, was ist dann an den leeren Goldrahmen zu holen ?

Wenn den J uwelier- und Goldsehmiedwaaren für 30 Fr. per 100 Kilogramm sich unsere Grenze öffnet, was werden wir künftig dem A ckergeräthe an der Grenze abnehmen ?

Feinste Korbwaaren gehen für 16 Fr. auf 100 Kilogramm ein, wie hoch wird man den Zoll auf Brenn- und Bauholz, auf Gabeln, Rechen etc.

steigern können?

Künstliche Blumen zahlen auf das Pfund 15 Centimes, was wird man Butter, Eier, Getreide, Fleisch, Kaifee, Reis etc. zahlen lassen?

Façonnirte BaumwoUgewebe, auch der allerfeinsten Art, kommen beim Eintritt in die Schweiz mit 16 Fr. Zoll auf 100 Kilogramm weg, während Frankreich für g l a t t e Baumwollgewebe sich Zölle bis auf 540 Fr. ausbedungen hat: wer wird in der Schweiz das Herz haben, auf Baumwollgarne und gemeine Baumwollartikel, auf Flachs, Hanf und Jute einen hohen Zoll zu legen ?

Die feinsten fertigen Wollkleider zahlen 40 Fr. per 100 Kilogramm; was wird
auf Rohwolle und Halbwollstoffen, Halbwoll- und Baumwollkleidern herauszuschlagen sein?

Leder und Schuhwaaren, auch der feinsten Art, kommen mit 30 Fr.

davon ; wie viel wird man an Häuten, Haaren, Borsten, Fischbein, Hörnern, gewinnen wollen?

531 bestehen. Die verfassungsmäßigen Zustände sind im Weitem gefährdet durch eine Spezialbestimmung des Vertrages, die der Substanz nach zwar schon im alten Vertrag enthalten, deren zweckmäßige Aenderung aber den schweizerischen Unterhändlern nicht gelungen ist. Scheinbar wird die Handelsfreiheit nach Art. 31 der Bundesverfassung zu verwirklichen gesucht ; in Wirklichkeit wird litt, c dieses Artikels in eigentümlicher Weise, die nach unserer Ansicht unrichtig ist und ein konstitutionelles Recht der Kantone antastet, interpretirt. Es geschieht dieses durch den Art. 22 des Vertrages, der also lautet: ,,Die schweizerischen Handelsreisenden, welche für Rechnung eines schweizerischen Handelshauses Frankreich bereisen, und umgekehrt die französischen Handelsreisenden, welche für Rechnung eines französischen Handelshauses die Schweiz bereisen, können, ohne dafür eine Patenttaxe entrichten zu müssen, auf Vorweisung einer Legitimationskarte nach dem in Beilage H zu gegenwärtigem Vertrag enthaltenen Muster, oder auf den einfachen Ausweis ihrer Identität hin, Einkäufe für das von ihnen betriebene Geschäft inachen und -- mit oder ohne Muster -- Bestellungen annehmen, jedoch ohne mit Waaren zu hausiren."

Scheinbar stellt dieser Art. 22 den Grundsatz der Reziprozität oder der gegenseitigen Gleichheit auf; in Wirklichkeit thut er es aber nicht, wie wir später zeigen werden. Die Gründe jedoch, welche uns zu Einwendungen veranlassen, sind aus andern Betrachtungen gezogen.

Fürs Erste kann allerdings zugegeben werden, daß diese Bestimmung auf Art. 31 der Bundesverfassung, betreffend die Freiheit des Handels und der Gewerbe, sich stütze; es isf aber auch entgegenzuhalten, daß litt, c den Kantonen Verfügungen über die Ausübung von Handel und Gewerbe, sowie über die Besteuerung des Gewerbebetriebes gestattet und daß bei dem Gebrauch, welcher einerseits nach 1874 von Handels- und Gewerbefreiheit gemacht worden ist, andrerseits mehrere Kantone in die Nothwendigkeit versetzt worden .sind, die ihnen gestatteten Verfügungen speziell durch H a u s i r g e s e t z e zu erlassen, abgesehen davon, daß diese Hausirgesetze sowohl den Staats- als Gemeindekassen eine Einnahmequelle eröffneten, welche eigentlich aber nur eine Kompensation dafür war, daß niedergelassene Gewerbetreibende der gesetzlichen Bestimmung unterworfen
waren. Die Minderheit der Kommission hat sich gefragt, ob der Bund auf dem Wege des Vertrages die nach Verfassung den Kantonen gestatteten Verfügungen und die damit zusammenhängende Einnahmequelle entziehen könne. Die

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Frage stellen und sie verneinen war das Gleiche. Sie verneint und verwirft auch die in vielen Kreisen beliebte Ansicht, wornach die Bundesbehörden auf dem Wege des internationalen Vertrages nach Belieben schalten und walten könnten; sie hält dagegen die verfassungsgemäßen, also vom Volke gutgeheißenen Zustände aufrecht.1) Insbesondere bestreitet sie, daß sie sich die französische Auslegung vom Hausirwesen gefallen lassen müsse. Nach den schweizerischen Begriffen, denen auch die Gesetze entsprechen, fällt unter den Begriff des Hausirens nicht nur das Feilbieten durch Umhertragen (colportage) und durch die Liquidation von wandernden Waarenlagern, sondern auch das A u f s u c h e n von B e s t e l l u n g e n bei andern als solchen Personen, welche mit dem betreffenden Artikel Handel treiben oder denselben in ihrem Gewerbe verwenden. Läßt man die französische Interpretation zu, so fallen diese und ähnliche Bestimmungen in den schweizerischen Gesetzen weg, und den französischen Handelsreisenden ist mit ihren Weinen und Flanellen u. s. w. Thür und Thor geöffnet; der Schweizer hat kein Hausrecht mehr. Bedenkt man, daß die Wohlthat des Art. 22 des Handelsvertrages auch den deutschen Handelsreisenden gestattet werden muß, so erhalten die Kantone den unerquicklichen Zustand wieder, den die Hausirgesetze beseitigt hatten. Die Schweiz hat wiederum eine Landplage mehr.

Dieses scheint uns nicht wünschbar und durchaus unzuläßig, daß die Franzosen die schweizerischen Gesetze interpretiren. Deßhalb hat eine Minderheit in die Ratifikation auch die bedingende Interpretation nach hierseitiger Anschauung aufnehmen und die Freiheit nur den Handelsreisenden gestatten wollen, welche Bestellupgen nur bei solchen Personen suchen, welche mit dem betreffenden Artikel Handel treiben oder denselben in ihrem Gewerbe gebrauchen. Wir glauben zu wissen, daß diese Auffassung vom Hausirwesen auch diejenige des gegenwärtigen Chefs des Justizund Polizeidepartements ist, wenn dieser auch zur Ansicht hinneigt, daß auf dem Vertragswege der Bund auch weiter gehende Bestimmungen zulassen kann.

') Die Minderheit der Kommission befindet sich in dieser Beziehung durchaus auf dem Boden des Berichtes, welchen die Minderheit im Jahre 1864 durch das Organ des Herrn P h i l i p p i n , heute Berichterstatter der Mehrheit, ausgesprochen hat. In
Bezug auf die konstitutionellen Differenzen äußerte er sich. ,,Un autre principe non moins évident pour nous c'est qu'il n'est pas permis à la confédération d'exercer son droit de faire des traités en sacrifiant des droits constitntionnellement garantis aux cantons. En d'autres termes, que les traités faits par la confédération ne peuvent plus être préjudiciables aux droits des cantons que, d'après l'art. 9 de la constitution, les traités faits par les cantons ne peuvent porter atteinte aux droits de la confédération ; c est là une réciprocité élémentaire et de hon sens."

533 Was bleibt bei einer solchen Auffassung aber von den kantonalen Hausirgesetzen? Das M i ß v e r h ä l t n i ß , daß die französischen und die denselben gleichgestellten Handelsreisenden der meist begünstigten Nationen, resp. auch die deutschen, keine Hausirgebühren zu zahlen haben, die schweizerischen es aber thun müssen. Wir haben also eine zweite Auflage des früher so berüchtigten Judenartikels, nach welchem die französischen Israeliten in der Schweiz besser gestellt waren, als die schweizerischen.

Ueber dieses Mißverhältniß hat die neueste Verfassungsgeschichte der Schweiz den Stab gebrochen. Wir haben also nur die Alternative zwischen der Aufrechthaltung der schweizerischen Gesetzgebungen oder später die unbedingte Freistellung a l l e r Handelsreisenden , wodurch der Zustand sanktionirt wird, den wir eben geschildert haben. Bei einer solchen Alternative konnte der Entscheid nicht schwer fallen.

Sprechen wir noch ein Wort von der oben erwähnten Rez i p r o z i t ä t und G l e i c h b e r e c h t i g u n g . Warum soll der französische Handelsreisende in der Schweiz nicht frei sein, während es der schweizerische in Frankreich ist ? Diese scheinbar berechtigte Frage ist aber nur eine Redensart und eitle Flunkerei, denn in Wirklichkeit besteht eine Gleichheit nicht. Wie kann ein schweizerischer Reisender in Frankreich Bestellungen auf Waaren aufnehmen, die er wegen der hohen Zölle nicht einführen kann?

Bevor die Zölle in Frankreich auf den gleichen niedrigen Sätzen sind, wie in der Schweiz, kann von einer Gleichheit kaum die Rede sein. Deßhalb sehen wir auch, daß das Quantum der französischen Einfuhr nach der Schweiz viel größer ist, als das der Schweiz. Einfuhr nach Frankreich. Uns will bedünken, daß diese Antwort den französischen Unterhändlern hätte gegeben werden sollen, als sie von Gleichheit und Reziprozität faselten.

Wir unsrerseits sagen, daß ohne G l e i c h h e i t der Z ö l l e di e G l e i c h h e i t d e r H a n d e l s r e i s e n d e n e i n U n d i n g sei.

Zudem kommt noch, daß, wie wir uns aus glaubwürdiger Quelle haben versichern lassen, die Handelspraxis in Frankreich eine ganz andere sei, als in der Schweiz, indem die Reisenden in Frankreich nur die Handels- und Fabrikgeschäfte, die also die Waaren gewerbsmäßig verkaufen oder bei ihrer Fabrikation gebrauchen, zu
besuchen pflegen. In der Schweiz ist die Praxis der Handelsreisenden bekanntlich anders. Eine Gleichheit ist also in der wirklichen Gewerbsübung bei den beiden Ländern nicht vorhanden. Wir kommen daher zum Schluß, daß die Schweiz.

Unterhändler bei dieser Bestimmung eine zu große Nachgiebigkeit gezeigt haben. Man hat uns gesagt, daß der Bundesrath wegen

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dieser Bestimmung den Abschluß eines Handelsvertrages nicht habe zum Scheitern bringen wollen. Hätte es aber Frankreich gethan?

Dana bedauern wir, daß der Bundesrath resp. die Schweiz. Unterhändler nicht entschlossener gewesen sind. Dieser Unentschlossenheit und Nachgiebigkeit sind, nach unserer Ansicht, überdicß noch weitere Bestimmungen zur Last zu schreiben.

II. Die Erörterung der materiellen Interessen.

Wie schon im Eingang angedeutet worden ist, so stellt die Minderheit der Kommission als Kriterien jedes Handelsvertrages auf: 1) Wird das A b s a t z g e b i e t (débouchées) erweitert, d. i. die Ausfuhr in den Vertragsstaat für die einheimischen Erzeugnisse, seien sie Naturprodukte, seien sie Fabrikate?

2) Werden die inländische P r ö d u k t i o n und die M a r k t v e r h ä l t n i s s e durch die vom Vertragsstaat kommende, resp.

auch durch Zollvergünstigungen erleichterte Einfuhr nicht gestört?

Die Minderheit stellt diese Kriterien um so mehr auf, als es nicht an sehr gewichtigen Stimmen fehlt, welche behaupten, daß eine derartige Prüfung bis jetzt nicht geschehen sei, und die Vortheile des Regimes der Handelsverträge in Zweifel ziehen, annähernd das Räsonnement führend, daß seit dem Handelsvertrag mit Belgien der Handel mit Belgien, seit dem Handelsvertrag mit Italien der Handel mit Italien, seit dem Vertrag mit Deutschland der Handel mit Deutschland u. s. w. aufgehört habe. Sie befürchten, daß es nach dem Handelsvertrag mit Frankreich mit dem Handel in diesen Staat auch der Fall sein werde. Dabei weiß die Kommission sehr wohl, daß bei einem Vertrage die V ortheil e zweiseitige, d. i. b e i d e n Staaten entsprechende sein müssen; nichtsdestoweniger äußert sie Bedenken, ob die Wirklichkeit den Voraussetzungen auch entspreche und ob nicht durch das System des Marktens und der Konzessionen dieses in Vergessenheit gerathen und irgendwo ein einseitiger Löwenantheil (pars leonina) doch entstanden sei.

1. Die Ausfuhr nach Frankreich wird durch die französischen Zölle, also Tarif A , bestimmt ; bei der Beurtheilung wird begreiflicher Weise die Vergleichung mit

535 dem Handelsvertrag von 1864 eine sehr große Rolle spielen. Die drei Fragen, die sich naturgemäß darbieten, lauten, ob Erleichterungen, resp. Reduktionen stattgefunden haben, ob die Ansätze 1864 und 1882 gleichgeblieben oder ob gar Erschwerungen, resp.

Erhöhung der Zölle eingetreten sei. Aber schon das Gleichbleiben wird von uns verdächtig beurtheilt, indem, wie schon angedeutet worden, der Kaufpreis vieler Waaren beträchtlich gesunken ist.

Die vielfach besprochene Umwandlung der Werthzölle in Gewichtszölle im General tarif, welche von Seite Frankreichs als Basis des Konventionaltarifes erklärt worden ist, hat durchaus nicht im Sinne der Ermäßigung gewirkt ; fehlt es ja nicht an Stimmen, welche in der Umwandlung eine List der französischen Schutzzöllner erblicken, besonders dann, wenn zwischen Gewicht und Werth ein großes Mißverhältniß besteht. Für uns ist so viel sicher, daß eine Vergleichung mit dem Vertrage von 1864 dadurch sehr erschwert ist; an und für sich glauben wir wegen unseres eigenen Zolltarifsystemes nicht, daß wir so viele Bedenken zu haben brauchen, als Großbi'itannien.

Doch treten wir auf die Erörterungen über das französische Absatzgebiet ein, bei welcher Besprechung wir das Résumé des Tarifes A in der Botschaft des Bundesrathes zu Grunde legen wollen.

Vor Allem ist auffallend, daß Frankreich über einige Artikel vertraglich sich nicht hat binden wollen, wie es übrigens auch bezüglich einiger Einfuhrzölle in der Schweiz der Fall ist. Ueber letzteres, was als ein Vorzug des neuen Vertrages oft gerühmt wird, wollen wir später sprechen; nach unserer Ansicht wäre es sogar richtig gewesen, für keinen Staat irgend etwas bezüglich des Tarifes Bindendes zu stipuliren. Wenn man aber auf dem entgegengesetzten Boden steht, so ist es auffallend, daß gei-ade solche Artikel aus dem Vertragstarife weggelassen werden, auf die der andere Theil Gewicht zu legen Ursache hat. Dieses gilt von den beiden Artikeln, welche der Bundesrath erwähnt: Viehwaare und Bier. Es ist dieses eine S c h w ä c h u n g des A b s a t z g e b i e t e s in Frankreich. Umgekehrt ist es auch auffallend, wenn man über solche Gegenstände Bindendes aufstellt, die der andere Theil lieber freilassen würde. Solches ist für die Schweiz mit dem Alkohol der Fall. Der Vertrag hat also auch in dieser Beziehung den von uns gerügten
einseitigen Charakter; Frankreich gebietet und die schweizerischen Unterhändler verstummen in einem erhabenen Schweigen.

Welches und wie ist aber das vertraglich gesicherte Absatzgebiet? Beginnen wir mit der L a n d w i r t h s c h a f t , welche in

536 Folge des Ausschlusses der Viehwaare aus dem Vertrage erheblich geschädigt werden kann und in Folge der Ansätze des Generaltarifes auch erheblich geschädigt wird. Frankreich will s e i n e Viehzüchter schützen. Der Ansatz bezüglich des frischen Fleisches kann kaum als Kompensation betrachtet werden, indem die Vergünstigung dem Metzger für einige Theile des geschlachteten Viehes zu gute kommt, nicht aber dem. schweizerischen Landwirthe für das ganze lebende Thier. Dagegen sollen ihm die Vergünstigungen auf der kondensirten Milch (zollfrei statt Fr. 3--15 -die 100 Kilo), auf dem Käse (wie 1864) und auf der Butter (die frische wie 1864, die gesalzene Fr. 2 statt Fr. 2. 50) zu gute kommen. Für das Verkaufsobjekt liegt hier jedenfalls eine Vergünstigung vor; wie viel davon dem Landwirth, wie viel dem Händler zufällt, wollen wir jetzt nicht erörtern, obwohl man wohl weiß, daß trotz des erhöhten Zolles noch immer Ausfuhr nach Deutschland stattfindet.

Als Kaufsobjekt sind die besagten Gegenstände als Lebensmittel für die Franzosen zu betrachten und deßhalb die Konzession gar nicht hoch anzuschlagen. Als Produkt der Schweiz mag der Moralist seine Bedenklichkeiten äußern, indem der schweizerischen Bevölkerung an guten Nahrungsmitteln gerade so viel entzogen wird, als Milch und Käse ausgeführt werden. Wenn kein genügender Ersatz gefunden werden kann, so ist in andern Kreisen eine Entartung und Verschlechterung zu befürchten, welche in Betreff der Fabrikbevölkerung gerügt worden ist und welche das Fabrikpolizeigesetz sehr gefördert hat.

Für den Moralisten und Volkswirth ist es jedenfalls wichtiger, daß andere Gegenstände der Urproduktion, wie Baumaterialien (Steine, Kalk, Cément und Gyps), durch den Generaltarif begünstigt sind ; möchten es die Töpferwaaren auch sein. Gegen beide ist ihr Gewicht oder Volumen nachtheilig und deßhalb sind die Transportkosten zu groß; sie können auf dem französischen Absatzgebiet nie von Bedeutung werden.

Anders ist es mit den sog. großen E x p o r t i n d u s t r i e n der Fall, deren Ansprüche, bei den Fragen der Handelsverträge gehört zu werden, sehr große sind. Man sollte fast meinen, daß die Verträge nur ihretwegen abgeschlossen werden. Ohne den Werth derselben unterschätzen zu wollen, indem sie .uns, wie man zu sagen pflegt, Brod in's Haus bringen, so wäre es doch
höchst gewagt, den Profit, den einzelne Exporteure aus ihrer Thätigkeit ziehen, für das Vaterland halten zu wollen. Sie haben, damit ihre Stimmgebung beim Hand eis vertrage eine entscheidende werde, zu zeigen, wie groß im Verhältniß ihrer Gesammtindustrie ihr Absatz in Frankreich speziell sei. Diesen Beweis hat der Berichterstatter der

537 Minderheit nirgends gefunden. Und zwar verlangt er den Beweis nach zweifacher Richtung. Einmal ist das Verhältniß ihres Absatzes nach Frankreich nach den gegenwärtigen Zuständen zu zeigen; zum zweiten haben sie auf eine Vermehrung durch den neuen Vertrag hinzuweisen. Können sie das ? Wenn sie es nicht können, so ist auf ihre Behauptungen um so weniger zu geben, als auf der andern Seite sehr gut nachgewiesen wird, wie sehr die an Frankreich gemachten Konzessionen, d. i. das Binden unseres eigenen Einfuhrtarifes, unsere eigene Industrie schädigen und in ihrer Entwicklung hemmen. Um dem fremden Absatzgebiete, d. i. dem Vogel in der Luft, nachzujagen, wird der in der Hand, d. i. das interne Absatzgebiet, fliegen gelassen. Das Abwägen der eigenen Interessen wäre sehr am Platz gewesen.1) !) Der mehrerwähnte Kritiker im Winterthurer Landboten, mit dem der Verfasser des gegenwärtigen Berichtes in keinerlei Verkehr gestanden ist, sagt dießfalls: ,,Wenn in diesen Tagen, vielfach in etwas gespreizter Weise, Vertreter der Exportindustrie dergleichen thun, als ob nur diese in's Auge zu fassen wäre, als ob alle ökonomischen Mittel des Landes nur aas ihr strömen, so ist das gewiß nicht recht; aber eben so unrecht wäre es, wenn man auf der andern Seite sorglos über die Interessen und Lebensbedingungen der Exportindustrie hinwegschreiten wollte. Die Arbeit für den eigenen Bedarf und die für den fremden Markt stehen an sich ebenbürtig und in unsern Verhästnissen gleich nothwendig neben einander.

Eine richtige Staatskunst wird die Linie zu suchen und mit Fleiß und Kraft festzuhalten haben, auf welcher beide Arten der Arbeit sich entwickeln und gedeihen können. Vergessen dürfen wir aber nicht, daß der Theil der Aufgabe, welcher der Exportindustrie zufällt, wirklich ein sehr bedeutender ist. Bei Beurtheilung der Ziffern unserer Einfuhr und Ausfuhr haben wir zu beachten, daß, was uns von Außen an Verdienst zufließt, sich in die Export-Industrie und den Export-Handel theilt. Häufig muß die Industrie um knappen Gewinn arbeiten, während der Handel aus dem Vollen schöpft und einheimst. Nach den Publikationen der auswärtigen Staaten -- unsere eidgenössische Zollstatistik hat es bis jetzt nur zur Angabe der Massen ohne Berücksichtigung der Werthe gebracht -- betrug der Verkehr mit Frankreich, Deutschland, Oesterreich
und Italien in Millionen Franken Werth: Anno 1875 1876 1877 Schweizerische Einfuhr 678,* 709,9 710,!

,, Ausfuhr 337,6 377,9 338,9 Der starke Unterschied zwischen dem Werth unserer Einfuhr und Ausfuhr wird theilweise durch den Verkehr mit andern Ländern, die uns verhältnißmäßig mehr abnehmen, als sie uns zuschicken, ausgeglichen, zu einem sehr großen Theil spiegelt er das Benefice des Export-Handels, welches in den Zolltabellen sich entweder gar nicht, oder nur in ganz minimem Maß verzeichnet findet.

Je bedeutungsvoller und nothwendiger der Export für die Gewinnung und Behauptung unseres nationalen Wohlstandes erscheint, desto wünschenswerther ist es aber auch, daß dießfalls nicht Alles an einige wenige Nägel gehängt wird. Vom Standpunkt des allgemeinen Landesinteresses aus

538 Besprechen wir die einzelnen Zweige der Exportindustrie, die bis jetzt eine Bedeutung haben erlangen können.

In der M e t a l l i n d u s t r i e hätten wir gerne gesehen, wenn Frankreich sich zu einigen Konzessionen bei den Eisenzöllen herbeigelassen hätte, weil mehrere unserer schweizerischen Etablissemente, denen die französische Industrie zusetzt, gerade an der Grenze sich befinden. Frankreich wiegt aber wobl ab, was ihm die Klausel der meistbegünstigten Nation auf diesem Gebiete schaden könnte. -- Für M e s s e r s c h m i e d w a a r e n ist der französischbelgische Tarif entscheidend. ·-- Sehr zu gönnen sind der Mas chi n eni n d u s t r i e einige erlangte Erleichterungen; welchen Wertfc sie in Bezug auf die Ausdehnung der Industrie haben , vermag der Berichterstatter nicht zu ermessen; von Vielen wird die Bedeutung bestritten ; doch scheint uns immer das Fazit zu resultiren, daß die Maschinenindustrie nicht unzufrieden mit den erreichten Resultaten ist. Interessant ist in der Botschaft die Darstellung der Verhandlungen wegen der einzelnen Maschinenbestandtheile, der rohen Gegenstände aus Weichguß, der Heizapparate, wegen der Eisenbahnund Tramwaywaggons, wegen der Waffen. Die Anstrengungen der Unterhändler sind einfach dem ,,non possumus u der Franzosen begegnet, ein Wort, zu dem die Schweizer nie sich haben entschließen können.

Auch als Zweig der Metallindustrie ist die U h r m a c h e r ei (horlogerie) zu betrachten ; über die erreichten Resultate (Botschaft S. 32--36) sind die Urtheile sehr getheilter Natur, die mit demjenigen in Zusammenhang gebracht werden müssen, was oben über die Exportindustrie im Allgemeinen gesagt worden ist. Bereits bei der Entwerfung des Tarifes von 1878 hat man sehen können, daß die Interessen durchaus nicht gleichartig wären; bei dem Vertrage von 1882 tritt dieses noch mehr in den Vordergrund. Man muß zwischen U h r h a n d e l und U h r f a b r i k a t i o n unterscheiden. Der erstere ist besonders in Chauxdefonds und theilweise auch im benachbarten St. Immerthale zu Hause, während die Uhrfabrikation sich weiter hinab, in die Gegenden des Münsterthaies und der Kantone Bern (Biel und Seeland) und Solothurn gezogen hat. Wie es scheint, findet der Uhrhandel seine Befriedigung, während das Gleiche von der Fabrikation nicht gesagt werden kann. Deßhalb ist
können daher nicht die für die Ausfuhr gegenwärtig arbeitenden Großindustrien allein und ausschließlich in Betracht Kommen, sondern eine richtige ökonomische Politik muß das Ziel anstreben, die Zahl der exportfähigen Industriezweige zu vermehren und durch größere Vielseitigkeit dieser wichtigen Seite unserer Existenzquellen eine größere Stätigkeit und Sicherheit zu geben."

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der Widerstand in den letzt erwähnten Gegenden begreiflich. Eine Stimme im ,,Solothurner Tagblatt" hat sich in folgender Weise vernehmen lassen: ,,Die Gründe, die von vertragsfreundlicher Seite in's Feld geführt werden, sind zum größten Theil gesuchte, beruhen auf Vermuthungen und sind in Bezug auf die U h r e n i n d u s t r i e geradezu falsch, insofern behauptet werden will, dieselbe werde durch Verwerfung des Handelsvertrages ruinirt.

Man läßt es zwar kühn bei dieser Behauptung bewenden und geht selbst dem Versuche einer Beweisführung säuberlich aus dem Wege. Gerade das Gegentheil'ist zutreffend. Seit unsern Handelsverträgen mit Frankreich geht der Absatz von Uhren nach diesem Lande stetig zurück; mit mathematischer Sicherheit läßt sich berechnen, daß in Zeit von wenigen Jahren derselbe vollständig aufhören wird.

Die Uhrenindustrie in Frankreich steht der schweizerischen bald nicht nur ebenbürtig da, sondern wird Dank dem für sie so günstigen Zollvertrage, der ihre Ausfuhr frei läßt, die Einfuhr aber beschwert, unsere Industrie überflügeln und derselben in kurzer Zeit in unsern hauptsächlichsten Absatzgebieten, wie England etc., eine empfindliche Konkurrenz bieten.

Wie schon berührt, ist der Absatz von Uhren nach Frankreich gering ; ausgeführt wurden hauptsächlich billige Metalluhren, welche aber allem Anscheine nach bald wieder den Uhren mit silbernen Gehäusen Platz machen werden; um sich nun diese vom Halse zu halten, waren die Herren Franzosen nicht faul, den Zoll auf eine Höhe zu fixiren, die dem ungefähren Nutzen, womit die silbernen Uhren verkauft werden, gleichkommt.

Noch ungünstiger gestaltet sich die schweizerische S c h a l e n m a e h e r ei (Gehäusefabrikation). Der Zoll ist gerade so hoch oder noch höher als der Arbeitslohn, der schweizerischer Seits bezahlt werden muß. Der Export von Uhrengehäusen nach Frankreich ist somit geradezu verboten, während die französischen Schalenmacher vollständig freie Hand haben.

Gleichermaßen verhält es sich mit der sogenannten E b a u c h e s f a b r i k a t i o n . Die Produkte der französischen Fabriken können sozusagen frei in die Schweiz eingeführt werden, während auf das schweizerische Produkt ein solcher Zoll gelegt ist, der die Ausfuhr unmöglich macht. Nichtsdestoweniger wird von vertragsfreundlicher Seite behauptet, es sei dies von keiner Bedeutung, indem die schweizerischen Ebauchesfabriken ohnehin gegen das mächtige Haus

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Japy nicht aufkommen können. -- Nun ist es aber Thatsache, daß, als vor einem Jahre die Fabriken des oben zitirten Hauses zum größten Theile abbrannten, die schweizerischen Fabriken (es sind deren, beiläufig gesagt, 25 mit zirka 10,000 Arbeitern) den Bedarf an Rohwerken ohne die geringste Preiserhöhung vollständig deckten. -- Mit Sicherheit darf daher behauptet werden : Die schweizerischen Ebauchesfabriken können dem inländischen Bedarf an Rohwerken nicht nur vollständig genügen, sondern sie wären im Stande, auch noch zu exportiren, wenn -- ja %venn die verzwickten Zollschranken es erlauben würden.

Ueber die verwandten Industrien ( B i j o u t e r i e und M u s i k d o s e n ) sprechen wir uns nicht aus; aus den betheiligten Kreisen haben wir keine Bemerkungen vernommen.

Dagegen können wir hierorts nicht umhin, aufmerksam zu machen, daß die wiederholten Versuche der schweizerischen Unterhändler, die Werthzölle, statt der Gewichtszölle (bei der Uhrmacherei, Stickerei, Waggonsfabrikation) auf einzelnen Gebieten zu retten, meist gescheitert sind, und zwar, wie der Berichterstatter glaubt, meist auf den Zweigen, auf denen Frankreich die Konkurrenz besonders fürchtet und wo die Gewichtszölle wie erfunden scheinen, eine Erschwerung herbeizuführen. Es läßt sich übrigens fragen, ob das öftere Zurückkommen auf die Werthzölle ein kluges gewesen sei; die schweizerischen Unterhändler haben dabei zu oft erfahren müssen, daß sie gerade das erreichen könnten, was die Franzosen gerne gewährten.

Ueber die c h e m i s c h e n P r o d u k t e , die Erzeugnisse eines in der neuen Zeit zu großer Entwicklung kommenden Industriezweiges, wollen wir uns nur kurz aussprechen; was in der bundesräthlichen Botschaft über Weinsteinsäure, Theerfarben, Oelfirniß und gemeine Seifen gesagt ist, scheint uns nicht zum Schlüsse anangethan zu sein, daß Frankreich ein sonderliches Absatzgebiet werden solle. -- Gut ist, daß dagegen auf dem Gebiete des Tarifes B die freie Gesetzgebung betreffend die Einfuhr der französischen Medikamente (Geheimmittel) erreicht worden ist; es ist zu hoffen, daß die Schweiz von dieser Freiheit einen ausgiebigen Gebrauch machen werde.

Auf das große Gebiet der T e x t i l i n d u s t r i e (Spinnerei und Weberei) übergehend, wird es dem Berichterstatter schwierig, durch die vielen Behauptungen, Uebertreibungen und Widersprüche sich hindurch zu winden; er will es versuchen, so objektiv als möglich zu bleiben.

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Die S p i n n e r e i hat die Erhöhung auf den Garnen aus F l o r e t s e i d e zu beklagen. Frankreich wollte hier mit Absicht und Entschiedenheit schutzzöllnerisch vorgehen und die bereits im Rückgang befindliche Ausfuhr noch mehr drücken. Die Botschaft des Bundesrathes sagt "o" diesfalls: ,,Im Jahre 1866 exportirte die Schweiz nach Frankreich 2600 q.

von Chappegarn, im Jahre 1868 3400 q., von da an nahm die Ausfuhr successive ab und betrug im Jahre 1880 noch 1300 q.

Gleichzeitig stieg der Import von floretseidenen Garnen aus Frankreich nach der Schweiz von 84 q. im Jahre 1877 auf 155 q. im Jahre 1880 (nach französischen Angaben).

·Der französische General- und Konventionaltarif belegen diesen Artikel mit einem Zoll, welcher in ganz Europa der höchste ist.

Wir ließen es an den mannigfaltigsten Anstrengungen, wenigstens die Rückkehr zum status quo zu erreichen, nicht fehlen und wurden hiebei von Italien und England kräftig unterstützt. Es gelang iudeß nur, an Stelle der Zölle von Fr. 93 und 149 des Generaltarifs die bisherigen von Fr. 75 und 120 zu setzen, dagegen konnte leider die Aufstellung einer Zuschlagstaxe von 15 % auf gezwirnte Garne, welche beinahe unsern gesammten Export nach Frankreich ausmachen, nicht verhindert werden.a Die Minderheit der Kommission bedauert diese Erhöhung, welche eine Beschränkung der französischen Marktes ist, um so mehr, als jener Industriezweig in Entwicklung begriffen ist, während die B a u m w o l l s p i n n e r e i ihre schönen Tage gesehen hat. Diese ist mit Ausnahme der gezwirnten und gefärbten Baumwollgarne auf dem status quo von 1864 geblieben und hat Aussicht auf eine noch bessere Stellung, wenn ein Vertrag mit England zu Stande kommen sollte. Mit Recht hat zwar die Schweiz eine Reduktion gegen 1864 angestrebt; allein sie hat sie nicht erreicht; es ist ein eigentümlicher Trost, wenn nach der Botschaft Frankreich uns auf die eigene Gesetzgebung verwiesen hat. Das heißt : ,,auf dem eigenen Markt könnt Ihr Schweizer punkto Baumwolle machen, was Ihr wollt; das hierseitige Absatzgebiet dehnen wir nicht aus."1 Wenn sich die schweizerischen Unterhändler diese Lektion doch auch für Anderes zu Herzen genommen hätten!

Daß bezüglich der W o l l g a r n e die Botschaft auf den französisch-belgischen Vertrag sich beruft, können wir begreifen. Dagegen müssen wir
die angemeldete Argumentation, die man auch bei andern Zweigen Gelegenheit hat, zu vernehmen und welche auch von Seite der schweizerischen Unterhändler gehört wird, zurückweisen, welche ungefähr sagt, weil der und der Artikel in der Bundesblatt. 34. Jahrg. Bd. II.

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542 Einfuhr nach Frankreich keine große Bedeutung hat, so haben wir auf eine Behandlung im Konventionaltarif verzichtet. Wir entgegnen denen, die solches behaupten, mit der Frage, ob die Bedeutung der Einfuhr nicht größer wäre, wenn eben die Zölle kein Hinderniß und tiefer wären. Sie bewegen sich in einem Circulus vitiosus.

Die W e b e r e i . Was die Seide betrifft, so sind reine Seidengewebe, gemischte Seidengewebe und die Bandfabrikation zu unterscheiden. In Bezug auf die erstem haben wir nicht viel zu sagen, da die betheiligten Kreise selber zufrieden sind. Wir wollen nicht päpstlicher sein als der Papst. Dagegen ist aufmerksam zu machen, daß dieser Industriezweig seine Stellung nicht dem Vertrag, sondern dem französischen Generaltarif verdankt; es ist mehr das Gefühl der Barmherzigkeit, als das der Gerechtigkeit, welche die französische Seidenindustrie uns gegenüber hat. Es wäre jedenfalls Wichtigeres erreicht worden, wenn eine Herabsetzung auf gemischte Seidengewebe bewilligt worden wäre; für diese ist der französische Markt verschlossen. -- In den Kreisen der Bandfabrikation scheint ein gemischtes Gefühl zu bestehen. Die Einen scheinen zufrieden zu sein nach dem bekannten Liede: ,,Freund, ich bin zufrieden, geh' es, wie es will;" richtiger seheinen die zu urlheilen, welche dem Vertrag nicht günstig sind, weil er das französische Absatzgebiet beschränke und also an Bedeutung verliere. Sie können so urtheilen, weil der Vertrag die reinen Seidenbänder nicht vom Zolle befreit und die gemischten Seidenbänder, bei welchen Baumwolle vorherrscht, mit einem Zolle belegt, der geradezu prohibitiv genannt werden muß. Die Minderheit muß deßhalb zum Schlüsse kommen, daß der Vertrag als solcher für die Seide sozusagen ohne Bedeutung ist.

Auch in Betreff der B a u m w o l l g e w e b e haben nicht Alle Ursache, ,,Hosiannah"1 zu rufen. Die Minderheit schließt vor der durch die Statistik bewiesenen Thatsache die Augen nicht, daß seit 1864 eine Vermehrung der Einfuhr nach Frankreich stattgefunden hat. Allein sie erlaubt sich, aufmerksam zu machen, daß die Produktion der Baumwollweber im Allgemeinen sich vermehrt und daß nicht nur die Einfuhr nach Frankreich zugenommen hat. -- Was sie aber besonders bedauert, ist die Stellung, welche den Fabrikanten der minder gewichtigen Tücher, auch F e i n w e b e r o i
genannt (Wald), gemacht worden ist. Es hat eine Erhöhung des Zolles, d. i. Verminderung des Absatzgebietes von Frankreich stattgefunden. Einige glauben, daß nicht nur eine Verminderung des Absatzes nach Frankreich, sondern ein gänzlicher Ausschluß folgen werde. Die diesfalls gehörte Bemerkung, daß auch die Spinner, welche den betreffenden Webern die Garne liefern, betroffen wer-

543 den, ist sehr richtig. Ob der Trost, daß die Weber von Wald u. s. w.

in der Produktion von Cnmbrics, die bei der Stickerei verwendet werden, einen Ersatz finden können, ein genügender sei, vermögen wir nicht zu beurtheilen; es hängt dieses theilweise von der Revision unseres Zolltarifes ab.

Bei den Wo 11 g e w e b e n wollen wir uns hierorts nicht mehr lange aufhalten; wir beziehen uns auf das oben bei der Spinnerei Gesagte. Nur erlauben wir uns die Frage, warum Frankreich für die belgischen, englischen und schweizerischen Tücher nicht die gleichen niedrigen Zollansätze gewährt, welche es für seine Ausfuhr verlangt. Ist doch bekannt, daß die Wollindustrie in Frankreich auf einer sehr hohen Stufe steht, während wir in der Schweiz darauf halten müssen, sie zur Entwicklung zu bringen. Vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus behaupten wir, daß hier die Möglichkeit vorliegt, theilweisen Ersatz dafür zu finden, was uns bei der Baumwollindustrie nach und nach abgehen wird.

Gehen wir nun zur S t i c k e r e i über, welche zum Pivot des Vertrages geworden ist, indem ein ermäßigter Ansatz nur mit einer bedeutenden Gegenkonzession von Seite der Schweiz erreicht worden ist und weil die Verhandlungen oft so geführt worden sind, daß sie für den Schweizer mehr Beschämendes als Erhebendes haben. In letzterer Hinsicht haben wir besonders die Stelle in der bundesräthlichen Botschaft im Gedächtniß, in welcher gesagt ist, daß in der Sitzung der Konferenz vom 10. Februar 1882 der französische Ministerpräsident persönlich erschienen sei und im Namen der Regierung erklärthabe, daß er sowohl einen Eingangszoll von Fr. Sauf Stickereien, als einen schweizerischen Eingangszoll von Fr. 3.50 auf Wein verlange.

Wem fällt bei einem solchen Auftreten nicht der Gallier Brennus ein, der auf dem Forum in Rom noch sein Schwert in die Wagschale geworfen und es mit Gold hat aufwägen lassen? In der Sache selber halten wir dafür, daß die von der Schweiz gemachte Konzession eine zu große -- ein unerhörtes Opfer nennt es die Eingabe der Versammlung zu ,,Zimmerleutena in Zürich -- sei.

Wir sagen dieses aus dem Grunde, weil auch mit der gemachten Konzession (von 450 auf 100 kg.) die Ausfuhr von Rideaux nach Frankreich als prohibitirt, also vernichtet, betrachtet wird und weil die Ausfuhr der Stickerei nach Frankreich nur ein
kleiner Theil der gesammten Produktion ist: nach den Angaben des Hrn. SteigerMeyer in der Tonhalleversarnmlung in Zürich der fünfte (von 50 Zentnern 10). Wir hätten deshalb vorgezogen, daß entweder, wie es die Handelskammer von Appenzell A.-Rh. wünscht, eine größere Herabsetzung stattgefunden hätte, wodurch auch der grobem Stickerei

544 vergönnt gewesen wäre, in Frankreich zu konkumren, 1 ) oder weun man sich einfach dem G-eneraltarif unterworfen hätte, welcher wegen des Werthes in den Objekten der Feinstickerei es dieser doch möglich gemacht hätte, in Frankreich zu konkunii-en, besonders wenn, wie es wahrscheinlich, die französische Industrie in Folge des Zolles sich auf die Herstellung mittlerer und gröberer Waare werfen wird.

Es soll ein ostschweizerischer Stickereifabrikant in dieser Beziehung den Ausspruch gethan haben, daß von Jahr zu Jahr die feine Maschinenstickerei in Frankreich verschwinden und der ostschweizerischen Waare das schweizerische Absatzfeld überlassen werde.

') Wir halten die daherige Eingabe für wichtig genug, um sie als Note abdrucken zu lassen. Sie datirt vom 2. April 1. J. und sagt u. A. : ,,"Wir anerkennen recht sehr die Bemühungen und Anstrengungen der schweizerischen Abgeordneten, denen es gelungen ist, für die Posit. 381 bis und mit 385 reduzirte Ansätze zu erwirken. Allein trotz dieser Reduktionen ist die Gefahr, daß für unsere sämmtliche Textilindustrie Frankreich als Absatzgebiet verloren geht, keineswegs gehohen; sie ist auch bei den neu propomrten Ansätzen vorhanden und schreitet mäßig, den Ruin unserer Industrie herbeiführend, vorwärts. Zur Erhärtung dieser Thatsache bringen wir nachstehende Punkte zu gefälliger Berücksichtigung : 1. Der Ansatz für Plumetis und gemusterte Gaze (Nr. 381) beträgt per 100 kg. Fr. 400. Während bei dem frühern Ansätze von 10 °/o des Werthes von der aus der Schweiz nach Frankreich ausgeführten Waare per Stück Fr. 1.10 bis höchstens Fr. 2. 40 Eingangszoll bezahlt werden mußte, was per l kg. Fr. 1. 50 bis Fr. 2 ergibt, trifft es nach dem neuen Ansätze von Fr. 400 per 100 kg. einen Zoll bis auf 25 °/o des Werthes. Der Verkaufspreis für den Hauptexport (Moyenne) in diesem Artikel nach Frankreich betsägt p e r K i l o nöchstens Fr. 18 und bezahlt daher dieser Artikel in Zukunft 22 °/° statt der bisherigen 10 °/o, was nach gemachten Erfahrungen beinahe totalen Ausschluß bedingt ; denn schon der seit zwei Jahren, Dank der verstärkten amerikanischen Nachfrage, erzielte Aufschlag hat den Export nach Frankreich auf ein Minimum reduzirt, indem eben Tarare für die feinen, schönen und St. Quentin für die schweren, billigen Plumetis bei 10 °/o Zoll schon konkurrenzfähig sind,
sie in Masse zu erstellen.

2. Vorhänge aus gestickter Mousseline, nicht abgepaßte (Posit.

383) : a. im Gewichte von weniger als 10 kg. per 100 m2 Fr. 140. Beim Ansätze von 10 °/o des Werthes betrug der Zoll für l Stück von Fr. 1. 05 bis Fr. 2. 20, nach dem Ansätze von Fr. '140 trifft es bei den nämlichen Stücken einen solchen von 15--20 °/o, resp. einen solchen von Fr. 2. 10 und Fr. 3. 30, was bei der Massenproduktion von Tarare und der gegenwärtigen Ueberlegenheit bei 10 % Zoll absoluten Ausschluß in sich schließt.

b. im Gewichte von 10 kg. und darüber, sowie Vorhänge ausa gestikter Mousseline, abgepaßte, im beliebigen Gewichte per 100 m , einzelne oder am Stück, Fr. 280 per 100 kg. Bei dem Ansätze von 10 °/o varirte der Zoll von 75 Ep. bis auf Fr. 3. 80 per Stück. Beim Ansätze von Fr. 280 per 100 kg. dagegen ergibt sich auf die nämlichen Stücke ein Zollansatz von Fr. 2 und Fr. 8. 45, oder 22--27 °/o-

545

Die Minderheit der Kommission kann diese Eventualität nicht beurtheilen ; so viel scheint ihr aber sicher zu sein, daß die der Stickerei gemachte Konzession den Abschluß eines Vertrages nicht gerechtfertigt hat.

Auch über die Konzessionen in der R o ß h a a r - u n d S t r o h i n d u s t r i e -- hier speziell wegen der garnirten und geformten Strohhüte -- sind in der Kommission Zweifel geäußert worden.

Dagegen gibt sie zu, daß die P a p i e r i n d u s t r i e ihr allerdings nicht leicht errungenes Absatzfeld in Frankreich, da für die Ausfuhr der Ansatz von 1864 beibehalten worden ist, wird behaupten können und überdies noch dadurch eine Vergünstigung findet, daß c. Verlange aus Tüllapplikation, aus Henadine, Grenadine, aus gesticktem Tüll Fr. 650. Bei diesen Artikeln betrug der Zoll 15 °/o des Werthes und waren für solche Stücke von Fr. 1. 87 bis Fr. 6. 45 Zoll zu bezahlen. Beim Ansätze von Fr. 650 aber steigt der Zoll für die nämlichen Stücke auf Fr. 5. 35 und Fr. 16. 30 oder 37--43% vom Werthe.

3. Hand- oder MascMnenstickerei Fr. 450 per 100 kg. Beim Ansätze des alten Zolles von 10 °/o des Werthes waren für solche Waaren Fr. 1. 55 bis Fr. 5. 10 zu bezahlen. Beim Ansätze von Fr. 450 hingegen beträgt für die nämliche Waare der Zoll Fr. 4.26 und Fr. 6. 40 oder 12--27 °/o per Lingerie-Waare auf Cambric, resp. auf dem Hauptexport. Alle diese Ansätze sind auf den s. Z. eingelegten Tabellen erhoben.

Die Franzosen haben in den letzten Jahren hinsichtlich der Grobstickerei, die früher ausschließlich unsere Industrie war, gewaltige Fortschritte gemacht und durch Errichtung großartiger Etablissements hauptsächlich in Tarare (ca. 3500 Cornery-Maschinen am Dampf) unsere Artikel zum größten Theile verdrängt; der Beweis hiefür liegt schon darin, daß der Import nach Frankreich nur noch ca. lx/2 Millionen Franken beträgt, während er früher über 3 Millionen Franken ausmachte. Trug dieses Geschäft bei dem Ansätze von 10°/o des Werthes in dea letzten Jahren nur noch ein ganz kleines Benefice ein, so kann hei den proponirten Ansätzen von einem solchen gar keine Bede mehr sein und wird dieser Zweig unserer Industrie hei der Annahme des Vertrages, gern oder ungern, das Feld räumen müssen.

Aehnlich verhält es sich mit der Maschinenstikerei (Posit. 385), wenn der Effekt auch nicht so schnell ersichtlich ist,
wie bei der Grobstickerei, wo die französische Produktion dem Consumo Genüge leisten kann. Wir zu, daß die feinere "Waare auch fernerhin für einige Zeit in der §eben chweiz gemacht werden wird. Die erobe und mittlere Waare dagegen wird bereits in Frankreich in großen Quantitäten erstellt. Wenn man nun bedenkt, wie Frankreich auch auf diesem Gebiete eine so wirksame, für uns nachtheilige Thätigkeit entfaltet hat, so gelangen wir zur vollsten Ueberzeugung, daß bei Fortsetzung dieser Anstrengungen und bei Benutzung der großen Kapitalien, die daselbst in so reichem Maße zur Verfügung stehen, noch vor Aolauf der 10 Jahre, welche der Vertrag dauern soll, die Maschinenstickerei das gleiche Loos erfahren wird, wie die Grobstickerei, und dann ist unser Land doppelt geschlagen."

546 Frankreich den Ausfuhrzoll auf Lumpen aufgehoben hat. Anläßlich müssen wir es bestreiten, daß die freie Einfuhr des Holzstoffes (pâte de bois) nach Frankreich für irgend wen als gerade für die Fabrikanten dieses Stoffes von irgend welchem Werthe sei, denn Frankreich hat die Holzmasse als Rohstoff für seine Papierindustrie nothwendig. In gleicher Weise halten wir die Vergünstigung auf den Maschinen für die Papierindustrie für nicht von großem Werthe.

Frankreich macht seine großen Anstrengungen, um uns in der Papierindustrie zu überflügeln. Nur aus diesem Grunde können wir es begreiflich finden, daß Frankreich Werth darauf gelegt hat, die bezügliche Position im schweizerischen Zolltarif zu binden.

2.

Die Einfuhr nach der Schweiz.

(Das schweizerische Absatzgebiet.)

Zum formellen Verstäadniß muß vorausgeschickt werden, daß bei den daherigen Erörterungen der Tarif B für die Einfuhr nach der Schweiz in Frage ist und daß dieser es auch ist, welcher die größte Opposition erregt, nach dem man die Erleichterungen finden Absatz nach Frankreich als ungenügend befunden hat. Soll man für diese ungenügenden Erleichterungen, so wird mit Recht gefragt, Frankreich so weitgehende Zugeständnisse machen, welche viele interne Industriezweige beinträchtigen und gefährden? Nein!

wird geantwortet.

Indem die Minderheit der Kommission sich diesem Nein anschließt, erlaubt sich ihr Berichterstatter, einige theoretische Erörterungen vorauszuschicken.

Er beginnt damit, daß er sich als Anhänger derjenigen volkswirtschaftlichen Richtung bekennt, welche den Werth des einheimischen Marktes sehr hoch anschlägt und nicht nur auf das Gedeihen einiger weniger Exportindustrien abstellt. Dabei weiß er sehr wohl, daß Frankreich mit seinem ausgedehnten Gebiete, in dem es die reiche Produktion des Südens mit der thätigen Industrie des Nordens verbindet, und mit seiner Bevölkerungszahl von 35 Millionen viel günstiger gestellt ist, als die geographisch kleine Schweiz mit einer Bevölkerung, welche nicht der zehnte Theil derjenigen Frankreichs ist. Hinwider vermag er nicht einzusehen, was Gescheidtes darin liegen soll, daß die Schweiz für die Konsumenten entferntester Länder produzirt, für sich aber nicht, sondern vielmehr für sich durch Andere schaffen läßt. Es ist dem Berichterstatter zwar wohl bekannt, daß sich auch Gründe für diese Verfahrensart angeben lassen, sobald das, was die Schweiz gebraucht, anderwärts

547 billiger erstellt werden kann, während sie vielleicht in ihrer Thätigkeit für Andere auch wohlfeiler arbeiten kann. Allein diese Ansicht, welche sich auf die Wohlfeilheit allein stützt, wird auch vielfach bekämpft und muß jedenfalls ganz schweigen, wenn die Voraussetzung wegfällt. Dafür tritt dann die Bedeutung des einheimischen Marktes, den man sich nicht entgehen lassen darf, auf. Es wird in dieser Beziehung vielfach von den Konsumenten gesprochen, denen man das Leben nicht vertheuern solle. Der Berichterstatter kann diese Ausscheidung zwischen Konsumenten und Produzenten nicht gelten lassen, indem er behauptet, daß jeder Konsument, wenn er nicht gerade Rentier ist, auch zu produziren hat. Was kann es ihm helfen, wenn er für einen vom Ausland gelieferten Strumpf oder Schuh viel weniger zu zahlen hat, als für ein inländisches Fabrikat, wenn er selbst dieses Wenige nicht hat? Wenn er kaufen und ausgeben will, muß er eben verdienen und einnehmen. Wie soll dieses aber geschehen, wenn die heimische Industrie Nichts zu thun hat, und der Konsument seine Arbeitskraft nicht verwenden kann, sondern wie ein Faulleuzer unthätig bleiben muß? Von diesem Standpunkte aus liegt das Richtige nicht in der W o h l f e i l h e i t des ausgebotenen Objektes, sondern in der K a u f k r a f t des Subjektes. Die schweizerische Produktion ist deshalb in allen Theilen, soweit der Rohstoff erhältlich gemacht worden, zu heben und selbst zu schützen.

In dieser Rücksicht liegen auch die Bemühungen für eine Aenderung im bestehenden Zolltarif. Wenn man zugeben kann, daß über die Bedürfnisse der Staatskasse mit den Einnahmen nicht gegangen werden darf, so schließt diese Rücksicht nicht aus, daß man nicht eine a n d e r e K l a s s i f i k a t i o n der z o l l p f l i c h t i g e n G e g e n s t ä n d e aufstellen kann und soll, bei welcher eben den Vorschriften des Art. 29 besser und anders, als es 1851 geschehen ist, Rücksicht getragen werden kann. Dabei ist aber nicht zu vergessen, daß es sich bei der Staatskasse um andere Summen handelt, als um diejenigen, welche durch die Vertragsänderung mit Frankreich erreicht werden können. Nach Beilage IV der bundesräthlichen Botschaft bewegt sich die Summe, welche die Schweiz in Folge Vermehrung erheben darf, um anderthalb Million Franken herum ; der Berichterstatter nimmt aber
eine Summe von drei Millionen an, welche nothwendig ist, um das G l e i c h g e w i c h t auf die Dauer zu erhalten, ohne der Ausgaben für die Landesbefestigung auch nur zu gedenken. Vielleicht ist die Summe auch noch größer. Welche sie übrigens sein werde, das zu entscheiden steht der Schweiz selber zu. Nehmen wir den französischen Vertrag an, so kann diese Summe nicht erreicht werden und die schweizerischen Finanzen befinden

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sich fortwährend in einem precäreu Zustande. Dann ist zu befürchten, daß das nothwendige Mehr auf andern Zweigen der eidgenössischen Verwaltung gesucht wird, wie es auch schon geschehen ist, z. B.

auf der Post- und Telegraphenvenvaltung. Die Schweiz geräth auf solche Weise ganz in ein Abhängigkeitsverhältniß von einem fremden Staate ; dann machen die Franzosen nicht nur unsern Zolltarif, sondern auch unser Budget. Ist ein solcher Zustand zuläßig? Ist ein solcher Zustand eines freien Volkes und eines unabhängigen Staates würdig?

Werden wir nicht zu einem förmlichen Vasallenverhältniß erniedrigt?

Es liegen deshalb zwei Gründe vor, warum allem und jedem Vertrag vorgängig die interne Gesetzgebung in Ordnung gestellt und der Vertrag abgelehnt werden muß. Einerseits ist es die volkswirthschaftliche Bedeutung in der industriellen Thätigkeit der Schweiz, sowie ihre staatswirtbschaftliche Stellung nach den internen Einrichtungen und nach den völkerrechtlichen Verpflichtungen ; andererseits sind es die oben geltend gemachten politisch-rechtlichen Betrachtungen. Das Volk darf nicht um das verfassungsmäßige Recht des Referendums gebracht werden. Solches ist aber der Fall, wenn der Vertrag vor der Feststellung des Tarifes auf dem gesetzlichen Wege ratilizirt wird. Sollte die Ratifikation ausgesprochen werden, dann tritt nach 5 oder 6 Jahren, wenn neue Ausgaben bevorstehen, die Frage an das Volk heran, wie es sich die Einnahmen verschaffen wolle? Vielleicht durch Monopole auf diesem oder jenem Gebiete.

Die Freihändler à outrance mögen dann sehen, wie sie mit i h r e n Prinzipien auskommen; das Schweizervolk wird sich nicht mehr sehr um dieselben bekümmern.

Damit ist es aber noch nicht genug. Wir haben zu bedenken, daß es sich nicht um e i n e n Vertrag allein handelt, sondern daß z w e i Verträge in's Gewicht fallen. Hat man wohl bei der Ratifikation des Vertrages mit Deutschland vom 23. Blai 1881 daran gedacht, daß man mit Frankreich nicht mehr erreichen werde und daß also die sehr niedrigen Zollansätze auch für die Einfuhr aus Deutschland gelten sollen, während Deutschland uns keine Vergünstigungen gewährt? Dann ist die heimische Industrie, soweit sie nicht Exportindustrie ist, von zwei Seiten, von Frankreich und Deutschland, bedrängt. Was Wunders, wenn dann die schweizerische Industrie in,'s Stocken und
so mancher thätige schweizerische Gewerbsmann in Verlegenheit geräth! Von dem einziehenden Pauperismus wird uns dann nur noch die Auswanderung retten. Der Vertrag mit Deutschland wird dann nicht nur nicht mehr das Papier werth sein, auf dem er geschrieben und gedruckt ist, sondern er ist und wird von notorischer Schädlichkeit für die Schweiz. Die Minderheit würdigt deßhalb sehr gut die Eingabe, welche von der schon er-

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wähnten Versammlung auf ,,Zimmerleuten" in Zürich gemacht worden ist.1) Doch kehren wir nun zum Vertrage selber zurük ; wir werden sehen, daß seine Bestimmungen so wenig zur Ratifikation bewegen können, als die soeben gemachten Betrachtungen.

!) Diese Eingabe sagt U.A.: ,,Der Vertrag, den wir mit Frankreich abschließen, gilt auch denjenigen Ländern gegenüber, die mit uns M e i s t b e g ü n s t i g u n g s - V e r t r ä g e abgeschlossen haben. Vorab kommen unsere Beziehungen zu D e u t s c h l a n d in Betracht, mit welchem wir höchst unüberlegterweise in ein solches Meistbegünstigungs-Verhältniß getreten sind. Das Opfer, welches die Schweiz einem minimen Veredlungsverkehr von sehr zweifelhaftem Werthe gebracht hat, wird nun erst, da wir die Folgen der Meistbegünstigung unmittelbar zu fühlen bekommen sollen, gewürdigt, und wir zweifeln nicht, daß sich die Ansichten hierüber auch auf Seiten der Exportenthusiasten korrigirt haben werden."

,,Um den sehr prekären V e r e d l u n g s v e r k e h r behaupten zu können, ist der Vertrag mit Deutschland abgeschlossen. Die Folgen zeigen sich nun.

Daß wir von Deutschland im Laufe des nächsten Dezenniums oder nach Ablauf desselben einen Tarifvertrag erhalten, davon träumt in der Schweiz Niemand mehr. Der Vertrag ist also nur zum Vortheile Deutschlands abgeschlossen; denn jetzt, da wir einen Vertrag mit Frankreich vereinbart haben, tritt Deutschland in den Genuß der Zugeständnisse, die wir Frankreich gewährt haben, und einzelne Positionen sind in unserem Tarife gerade so gebunden, als ob wir Deutschland zu dem früher erwiesenen Gefallen ein zweites Mal, aber nur um so splendider, unsere Großmnth beweisen wollten.

Die Bindung des Branntweinzolles hat gegenüber Frankreich keine Bedeutung, aber gegenüber Deutschland fast ausschließliche; denn wir beziehen unsern Branntwein ganz überwiegend von deutschen Plätzen. Wie der Branntwein, so haben die Wollenwaaren und fertigen Kleider aus Wolle ihren Ursprung in Deutschland. Wir beziehen 3--5 mal so viel an diesen Waaren. aus Deutschland, als uns Frankreich liefert. Aehnlich verhält es sich mit den Verhältnissen der Kleingewerbe. Wir unterlassen es, dieß mit Zahlen zu belegen. Die Thatsaehe ist genngsam bekannt-und kann nicht bestritten werden.

Für die Entscheidung über den Handelsvertrag mit Frankreich ist der
Meistbegünstigungs-Vertrag mit Deutschland von hervorragendem Einfluß, wir würden sagen von maßgebendem Einfluß, wenn nicht schon das Verhältniß zu Frankreich mehr Gründe gegen als für den Vertrag brächte. Es kann unmöglich übersehen werden, dató wir unserem einheimischen Gewerbe mit der Konkurrenz der französischen Nation noch diejenige mit dem ungeheuren deutschen Produktionsgebiete aufbürden. Sie erkennen gewiß, wie schwerwiegend dieses Moment ist, und wie dieser Vertrag einseitig nur die Chancen des ausländischen Gewerbefleißes anf unserem inländischen Absatzgebiete erhöht, während die E x i s t e n z b e d i n g u n g e n des i n l ä n d i s c h e n G e w e r b e s immer schwieriger werden, und von einer Aussicht, sich des deutschen Absatzgebietes zu bemächtigen, keine Eede sein kann."

550 Muß es nicht als eine große Sonderbarkeit betrachtet werden, daß als ein Vortheil des Vertrages von dessen Verteidigern angeführt wird, daß er eben über gewisse Sachen nichts bestimme, sondern der Schweiz volle Freiheit belasse, ihren internen Zolltarif zu normiren, wie sie wolle? Sehen wir uns nun diese Freiheit ein wenig an und fragen uns zunächst, warum gerade für diese Gegenstände Freiheit walten solle, für andere aber nicht. Auch hier haben die schweizerischen Unterhändler wiederum glücklich erreicht, was die Vertreter Frankreichs gerne geben wollten.

Für die Beurtheilung des wirklichen Werthes der Freiheit machen wir aufmerksam, daß dieselbe ein zweischneidiges Schwert ist, soweit auch Frankreich nicht gebunden wird ; die schweizerische Einfuhr unterliegt dann dem Generaltarif oder denjenigen Gesetzen, welche Frankreich zu erlassen für gut finden wird.

Welches sind nun übrigens diese Waaren? Sie sind in Beilage I aufgeführt. Außer Zierpflanzen in Kübeln und Töpfen, Garnen und Geweben aus Baumwolle, Wollengeweben mit Baumwolle gemischt, Droguerie- und Apothekerwaaren, Instrumenten und einigen Quincaillerie- oder Kurzwaaren sind es Gegenstände des täglichen Gebrauches (Holz und Holzwaaren, Etiquetten und Papierdüteu, Petroleum und andere Mineralöle), Nahrungsmittel (Eier, Fleisch Fische, Brod- und Teigwaaren, Reis, Salz und Schmalz, feinere Eßwaaren, sowie Thee und Zucker), Brennmaterialien (Steinkohlen, Torf u. s. w.), Rohstoffe (Lumpen, Holzfasernstoff, elastische Gewebe aus Kautschuk, Sämereien, rohe Metalle, Oele, Baumwolle, Flachs und Hanf, Seide, Jute, Wolle, Schmirgel, Schreibsand, Häute, Felle und Haare, Thierhörner u. dgl.). Was heißt eine solche Freiheit anders als ungefähr Folgendes : ,,Wenn Ihr Schweizer solche Lalenburger sein wollet, daß Ihr diese Gegenstände hoch besteuern wollet, so wollen wir Franzosen Euch daran nich hindern."1 Warum sind die Wollengewebe, Leinen- und Hanfgewebe, Kleider, Töpferwaaren, Parfumerien, Wein und Alkohol nicht freigelassen? Warum besonders Alkohol nicht, was doch durchaus nothwendig wäre, damit Bund und Kantone in ihrer Gesetzgebung gegen die Schnapspest vorgehen können. Wir behaupten, daß dieses eine Lebensfrage für die Schweiz sei, von noch größerer und allgemeinerer Wichtigkeit als das Fabrikpolizeigesetz.

Insbesondere wollen wir jetzt
noch die Gewerbe bezeichnen, welche durch die niedrigen Zollansätze der Schweiz durch den Vertrag auf eine längere Dauer gebunden werden sollen. Es ist vor Allem das K l e i n g e w e r b e , das nicht die Prätention hat, in den Ausfuhrzöllen große Berücksichtigung zu finden. ,,Vielmehr -- sagt die Eingabe von ,,Zimmerleuten" -- hat dasselbe den schweizerischen

551 Zolltarif im Auge. Demgemäß hat auch der ,,Schweizerische Gewerbeverein a bei der Zollrevision die Stellung eingenommen, welche das sogenannte ,,Zürcher Zollprogramm a vom 8. April 1881 präzisirt.

Wir bitten Sie, die Bedeutung dieses jungen Vereins nicht unterschätzen zu wollen. Er setzt. sich zusammen aus 36 Sektionen, welche durch die ganze Schweiz verbreitet sind und eine Mitgliedschaft von über 30UO Vertretern des Gewerbes umfassen. Man kann mit Recht sagen, daß dieser Verein das schweizerische Gewerbe vertritt, denn die Kantone Zürich, St. Gallen, Appenzell, Glarus, Thurgau, Aargau, Luzern, Bern, Schaffhausen sind durch eine Reihe von Haupt- und Lokalsektionen vertreten.tt Die fragliche Petition fährt weiter fort: ,,Wir bitten Sie aber auch, die Bedeutung des Handwerks gegenüber Industrie und Landwirthschaft nicht unterschätzen zu wollen. Es wird freilich behauptet, daß das schweizerische Handwerk von dem Gedeihen der Großindustrie abhänge; allein wir glauben, es sei hier doch ein gut Theil Ueberhebung der letztern, wenn sie sich für das gesammte Land als die Basis des Handwerks betrachtet. Wo sich die Großindustrie konzentrirt, wie in Zürich, Basel, St. Gallen und Glarus, da wird der Wohlstand des Handwerks durch die Industrie freilich wesentlich beeinflußt; allein die übrige Schweiz? Gibt es nicht eine Reihe von Kantonen, wo das Handwerk ganz auf sich angewiesen ist und wo die Großindustrie entweder gar nicht oder doch nur so sporadisch vertreten ist, daß von einem Einfluß auf das Gewerbe gar keine Rede sein kann?

Der Zolltarifentwurf von 1878 hat auch der außerordentlich schwierigen Stellung des Kleingewerbes wenigstens einigermaßen Rechnung zu tragen gesucht, indem er die Erhöhung einer großen Zahl von Positionen vorsah, welche die gewerbliche Produktion betreffen. Allein der neue Handelsvertrag hat diese gewonnenen Posten wieder alle preisgegeben, mit einer Rücksichtslosigkeit, die wir vergeblich in der Botschaft des Bundesrathes motivirt suchen.

Es sind sonach die Begehren des ,,Schweizerischen Gewerbevereins" und des gesammten Handwerks und Kleingewerbes unberücksichtigt gelassen. Es ist also der alte, so sehr beklagte und für das Gewerbe so unheilvolle Zustand auf weitere 10 Jahre sanktionirt, sofern Sie dem Vertrage die Ratifikation ertheilen. Allein es ist nicht bloß mit diesen 10 Jahren, es ist mit weiteren 5 bis 6 Jahren zu rechnen, welche nach Ablauf des neuen Vertrages für die dannzumalige Zollrevision wieder nöthig werden.'0

552 Eine Spezifikation der v e r s c h i e d e n e n Gewerbe1) wird in folgenden Worten gegeben: ,,Modeartikel, künstliche Blumen, Posamenteriewaaren, Kurzwaaren, Seilerwaaren, Parfümerien, Buchbinderarbeiten, Korbwaaren, Schirtnwaaren, alle diese kleingewerblichen Erzeugnisse sichert der Handelsvertrag wieder der französischen und natürlich auch deutschen Produktion. Sämmtliche Begehren der Gewerbe sind unberücksichtigt, ja nicht einmal die bescheidenen Ansätze des 1878er Entwurfes wurden respektirt. Der alte Zustand dauert fort.

Das Gewerbe hat also keine Ursache, mit dem Handelsvertrage zufrieden zu sein. Die wenigen Artikel, welche der Vertrag nicht gebunden hat und deren Erhöhung uns noch frei steht, können das Gewerbe nicht beruhigen. Es ist für dasselbe entscheidend die Bindung der Positionen: Fertige Kleider und Konfektion, Kurzwaaren, Sehuhwaaren, Seilerwaaren, Kunstschreinerarbeiten, Parfümerien, Drechslerarbeiten, Buchbinderarbeiten, Neue Möbel, Feine Korbwaaren, Modeartikel, Schirmwaaren, baumwollene Künstliche Blumen, und seidene, Posamenteriewaaren, und die Zusicherung, daß der alte -- das Ausland begünstigende -- Zustand fortdauern soll.

Von einer Begünstigung der Produkte schweizerischen Gewerbefleißes bei der Einfuhr in Frankreich ist natürlich weder im Vertrage noch im französischen Generaltarif die Rede.

Der Handelsvertrag muß also vom Standpunkt des Kleingewerbes abgelehnt werden.a Neben dieser summarischen Aufzählung werden in der gleichen Fingabe einzelne Geschäfte in folgender Weise besprochen : ,,Schreiner- und D r e c h s l e r a r b e i t e n , Möbel. Die schweizerische Kunstschreinerei leidet an den Importen aus Paris, Stuttgart und Karlsruhe. Alle Versuche, die Leistungsfähigkeit unserer Schreiner durch Gewerbemuseen zu heben, sind fruchtlos, wenn nicht gleichzeitig die erdrückende Konkurrenz des Auslandes erschwert wird. Auch hier hat der Handelsvertrag -- ohne daß J ) Die Minderheit ist in der Aufzählung des durch den Vertrag geschädigten Kleingewerbes aus dem Grunde ausführlich gewesen, weil in der Kommission von einein Mitgliede die Frage nach den Geschäftszweigen gestellt worden ist, die sich beklagen.

553

die bundesräthliche Botschaft ein Motiv angibt -- die alten Ansätze beibehalten und die Erhöhungen des Tarifentwurfes umgangen."

,, S c h u h e und S c h u h w a a r e n . Auch diese Position hat der Handelsvertrag gebunden. Der Tarifentwurf sah eine Progression voü 25 bis 100 Franken vor. Die Schusterei der Schweiz ist in der nämlichen Lage wie das Schneiderhandwerk. Uebermäßige Importe vorwiegend ganz geringer Waare bestechen den inländischen Käufer und entfernen ihn vom inländischen Handwerk. Unsere Schuhwaarenmagazine sind Ausstellkasten geworden für die ausländische Massenproduktion. Am meisten hat vielleicht der Kanton Thurgau in dieser Beziehung zu leiden, indem von Konstanz her in periodischen Stößen (zur Zeit der Messe) ungeheure Massen von geringen billigen Schuhwaaren über die Grenze importirt werden."

Ein ziemlich neuer und in der Entwiklung begriffener Industriezweig in der Schweiz ist die Erstellung fertiger Kleider, Konf e k t i o n , welche nach dem Dafürhalten der Minderheit große Berücksichtigung verdient. Erstens kann darin das Handwerk thätig sein, indem die nothwendigen Gerätschaften und allfälligen Maschinen doch nicht jenen großen Kapitalaufwand erfordern, wie es in den Geschäften der Großindustrie der Fall ist, und zweitens, weil sich darin die nicht genug zu berücksichtigende H a u s i n d u s t r i e thätig zeigen kann. Im Weitern folgen wir auch hier wieder der eingegebenen Petition, die sagt : ,,Der alte Tarif verlangt Fr. 30. -- per 100 kg.

der Entwurf von 1878 ,, 100. -- ,, ,, ,, der Vertrag von 1882 ,, 40. -- ,, ,, ,, Die Fr. 100 des Tarifentwurfes sind noch immer sehr bescheiden gehalten. Sie waren ein Begehren des Konfektionsgewerbes, des Schneidergewerbes und der Wollenindustrie ; denn der schweizerische Markt wird von den fremden, namentlich den deutschen und französischen Billigmagazinen förmlich überschwemmt. Nicht nur, daß die ,,Printemps", ,,Bon Marché", ,,St. Joseph" u. s. w. von Paris aus ihre verführerischen Kataloge direkt in jede Haushaltung zu Stadt und Land werfen, um daselbst ihre allerdings billige, aber ebenso geringe Waare anzupreisen, sondern auch deutsche Kleiderhändler werfen ihre fertige geringe Waare, die zumeist aus Kunstwolle besteht, über unsere Grenzen zu Spottpreisen, die aber noch immer zu hoch sind für die geringe Qualität. Was aber
das inländische Konfektionsgeschäft vollends ruinirt, das sind die Kleidermagazine, welche sich in erschreckender Menge in allen Städten und theilweise sogar auf dem Lande festgesetzt haben und mit dem herausfordernsten Reklamenschwindel das Volk anzuziehen suchen.

554

Die Lage des Schneidergewerbes ist in Folge dessen eine sehr bedenkliche, und ein Blick in dasselbe würde uns bald belehren, daß.

dasselbe, mit Ausnahme einer kleineren Anzahl älterer Geschäfte, zum Flikgewerbe heruntergesunken ist, und daß die Lehrlinge, der Nachwuchs, aus demselben fast ganz verschwinden."· « Mit der Konfektion in einigem Zusammenhang stehen zwei Industriezweige, die zwar nicht mehr zu dem kleinen Gewerbe gezählt werden können, aber wie diese durch den Vertrag dadurch geschädigt worden sind, daß man ihre heiniische Entwicklung durch niedrige Konventionalzölle, die nicht etwa auch für den andern Theil, Frankreich, sondern nur für die Schweiz gelten, hemmt, ohne ihr das ausländische Absatzgebiet zu öffnen : es sind dieß die Leinen- und die Wollenindustrie.

Wir sprechen zuerst von der L e i n e n i n d u s t r i e , die aus zwei Gründen unsere vollsten Sympathien hat. Sie kultivirt erstens einen Rohstoff, welcher in unserm Lande wächst, und zweitens beschäftigt sie in großem Maße die Hausindustrie und mit ihr nicht eine einseitige und oft precär gestellte Arbeiterbevölkerung, sondern viele tausend Haushaltungen, von denen nach seinen Kräften und Fähigkeiten das eine Glied Landwirtschaft betreibt, das andere im Gewerbe thätig ist und einen schönen Batzen verdient; es braucht wohl nicht gesagt zu werden, daß Landwirtschaft und Hausindustrie das kräftigste Gegengewicht gegen Verarmung ist. Wir begreifen daher ganz gut, daß die Industriellen auf diesem Zweige, 30 an der Zahl, sich zu einer besondern Eingabe an die Bundesversammlung veranlaßt gesehen haben, in welcher sie die Ablehnung der Ratifikation verlangen. Unter Anderm beklagen sie sich in ihrer Eingabe, daß sie während der Verhandlungen und bei dem Abschlüsse des Vertrages so wenig Berücksichtigung gefunden haben; sie sind auch mit der Art und Weise der Besprechung in der Botschaft nicht einverstanden. In letzterer Beziehung zitiren wir einige Stellen aus der Eingabe J) ; unsererseits scheint jedenfalls eine eigen*) ,,Unsere Nachbarstaaten ohne Ausnahme haben durch die successive Erhöhung ihrer Eingangszölle, welche beinahe überall auf Leinengewebe einer Prohibition gleichkommen, die Ausfuhr schweizerischer Leinenartikel so außerordentlich erschwert, daß wir für unsern Absatz vorzugsweise auf das Inland angewiesen sind.
Nichtsdestoweniger darf konstatirt werden, daß seit einer Keihe von Jahren die Produktion von Leinenwaaren nicht abgenommen hat, wie die Botschaft des hohen Bundesrathes es anzunehmen scheint. An die Stelle des Exportes ist ein vermehrter Absatz im Inland getreten.

Ebensowenig ist die in der Botschaft ausgesprochene Ansicht gerechtfertigt, daß das Fehleu von mechanischen Webstühlen ein. Absterben der Leinenindustrie voraussehen lasse; denn viele Leinenartikel eignen sich

555 thümliche Behandlung vorzuliegen. Bei der Besprechung der Ausfuhr nach Frankreich betont die Botschaft die geringen Ziffern, wogegen wir uns die Frage erlauben, ob die Ziffern nicht anders wären, wenn die Zölle niedriger gestellt gewesen wären. Was den Passus betrifft: ,,Es gelang unsern Unterhändlern, für Leinengarne vollständig freie Hand betreffend unsern Eingangszolltarif zu erhalten a -- so gestehen wir uns, daß uns derselbe etwas unverständlich vorkömmt. Was nützt uns eine Freiheit für die Garne, wenn der Tarif für die Leinwand gebunden ist? Man wird für die Garne wohl nicht höher gehen wollen oder können, als für die Leinwand.

Bezüglich des Einfuhrtarifes in die Schweiz ist gesagt, daß die schweizerischen Unterhändler sich zwar alle Mühe gegeben haben,, die Streichung aus dem Tarif oder die Einschreibung mit erhöhten Zollansäzen zu erlangen, aber an der absoluten Weigerung von Seite Frankreichs gescheitert haben -- für uns ein Beweis mehr dafür, welche Sorte ,,Vertrag" wir vor uns haben. Die Frage ist gerechtfertigt, ob sich der Bund den Apparat von Expertenkommissionen und Unterhändlern nicht hätte ersparen können.

Wir kommen nun auf die Einfuhr von W o l l g e w e b e h.

Indem wir uns auf schon Gesagtes beziehen, haben wir hier zunächst einen Punkt richtig zu stellen, welcher nach der Botschaft des Bundesrathes zu Mißverständnissen Anlaß geben kann und auch schon gegeben hat. Es wird gesagt, daß für die Einfuhr eine durchschnittliche Erhöhung von 60 °/o gegenüber den Ansätzen von 1864 erlangt werden konnte, obgleich Frankreich seit etwa 20 Jahren durchschnittlich für circa 14 Millionen Franken Wollwaaren nach der Schweiz exportirt hat. Man sollte nun Wunder meinen, welche Erhöhung bewirkt worden sei, allein in der Wirklichkeit ist die Sache nicht halb so wichtig, indem die Grundsumme, von welcher die 60 °/o berechnet worden sind, eine sehr geringe ist. Sechszig von Hundert auf Zero berechnet geben eben wieder Zero = 0. Nun ist die Grundsumme zwar nicht gerade 0,, sondern auf Garnen 4--7 Franken; in Zukunft sollen 5--9 Franken berechnet werden dürfen; rohe Wollengewebe haben bis jetzt 7 Franken vom Zentner bezahlt, während der neue Tarif 12 Franken erlaubt; aufgebleichten, gefärbten und bedruckten Wollentrotz der neuesten Erfindungen der Technik wegen der geringen Elastizität der
Leinenfaser immer noch weit besser für die Handweberei als für dea Maschinenbetrieb. Deutschland beschäftigt neben seinen 8000 mechanischen Webstühlen heute noch mehr als 100,000 Handstühle und ebenso Frankreich 60,000 der Letztern, gegenüber 20,000 mechanischen. Nur dem Umstände, daß unser schweizerisches Absatzfeld ein beschränktes ist, muß es zugeschrieben werden, daß bis heute die mechanische Leinenweberei für Eonvenienz bietende Artikel noch nicht eingeführt wurde."

556 gewebeu ist der neue Tarif 25 Franken, während der alte nur 16 Franken gewesen; wollene Kleidungsstücke haben bis jetzt ·30 Franken bezahlt, in Zukunft sollen es 40 Franken sein. -- Diesen Ansätzen stellen wir den Tarif von 1878 gegenüber, welcher von Garnen 6--10 Franken, von rohen Wollentüchern 25 Franken, von gebleichten, gefärbten und gedruckten 40 Franken, von Kleidern 100 Franken verlangt hat. .Welche Notwendigkeit ist vorhanden gewesen, vom Tarif von 1878 abzugehen, wenn die Franzosen über 60 Franken von den Garnen, über 100 Franken von den Stoffen berechnen? Die Franzosen werden ,,Non possumus a gesagt haben und die schweizerischen Unterhändler sind wiederum abgefertigt gewesen. Die Minderheit der Kornmission kann sich mit diesem Verzieht gar nicht befriedigt erklären, da der schweizerische Konsum von Wollenwaaren sehr groß und die Schweiz befähigt ist, 'das Meiste zu leisten. Wir schließen uns wiederum der Eingabe der Versammlung von ,,Zimmerleuten"' a n , welche nachweist, daß die Einfuhr an Wollengeweben aus Frankreich in die Schweiz betragen hat : ,,1875 .

.

Fr. 16,376,261 1876 '.

.

,, 14,074,818 1877 .

.

,, 12,512,730 Die Einfuhr aus Deutschland beträgt aber ungefähr drei bis vier Mal mehr, als diejenige aus Frankreich, so daß sich eine Totaleinfuhr von über 40 Millionen Franken ergibt.a Die Eingabe weist im Weitern auch die Ziffern der Gesammteinfuhr der Schweiz dem Gewichte nach und sagt : ,,Die Höhe der Einfuhrziffer zeigt, welches schöne Arbeitsfeld hier preisgegeben ist und welche Bedeutung die schweizerische Wollenindustrie erlangen könnte, würde diese rücksichtslose bisherige Zollpolitik der Phrase aufgegeben. Wir setzen der Einfuhr gleichzeitig die Ausfuhr an Wollenwaaren gegenüber, um dadurch nachzuweisen, wie die überwältigende Einfuhr nicht nur das inländische Absatzgebiet hinwegstiehlt, sondern auch der Industrie die Exportfähigkeit nimmt. Die fünfjährigen Durchschnittsziffern sind in metrischen Zentnern folgende : 1851--1855 1856--1860 . 1861 -- 1865 1866-1870 1871 -- 1875 1876--1880

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Einfuhr.

Ausfuhr.

13,314 16,802 19,445 22,079 29,012 25,885

881 1,051 1,413 1,578 2,521 2,579

557

Der Import beträgt dem Gewichte nach mehr als die Hälfte ·der Menge des gesammten Baumwollwaarenexportes der Schweiz und doch handelt es sich hiebei bloß um die Versorgung des inländischen, schweizerischen Bedarfes. Diese Thatsache beweist zur Genüge, wie hohl jene Phrase von der Beschränktheit des schweizerischen Absatzgebietes ist, wie sehr diejenigen Unrecht thun, welche es der Pflege für unwerth halten, und welche das einzige Heil unserer Industrien im Exporte sehen.

Aber noch eine andere Irrlehre wird durch obige Zahlen widerlegt. Es gilt gleichsam als Grundlage der alten schweizerischen Handelspolitik, daß wir die Zölle deßhalb möglichst tief halten sollten, weil hiedurch der Export befördert werde, oder mit andern Worten, der Export unter der Ei-höhung der Zölle leide.

Die obigen Zahlen beweisen gerade das Gegentheil. Die Niedrigkeit der Zölle hat zur Folge gehabt, daß die Importe sich von einer erheblichen Stufe aus noch immer steigern konnten, und daß die Ausfuhr fortwährend auf der tiefen Stufe vollständiger Bedeutungslosigkeit blieb; denn bei so niedriger Exportziffer hat es nichts zu bedeuten, wenn sie sich auch verdoppelt oder verdreifacht, und 2000 Zentner sind noch so nichtssagend wie 800 Zentner, wenn ihnen gegenüber eine Vermehrung der Einfuhr von 13,000 auf 29,000 Zentner steht.

Die Erhöhung der Einfuhrzölle auf Wollenwaaren hätte zur nothwendigen Folge, daß in erster Linie die schweizerische Industrie ermuthigt und befähigt würde, mit der fremden in Kampf zu treten. Die Einfuhrziffer würde sinken, und in kurzer Zeit eine Steigerung der Ausfuhr an den Tag treten, und es hätte die Wollenindustrie eine für das schweizerische Erwerbswesen noch wichtige Rolle zu übernehmen; wir müssen nach neuen lebensund entwicklungsfähigen Industrien suchen, um den Ausfall an Arbeit zu decken, der durch den unausbleiblichen Niedergang eines Theiles unserer anderen Industrien entsteht und ohne die Einführung neuer Gewerbe nicht gedeckt werden kann. Die Wollenindustrie scheint nun in erster Linie berufen zu sein, diesen Dienst zu leisten; allein nur eine praktische Zollpolitik und die Ueberwindung eines thörichten Phrasenthums werden zu diesem Ziele führen. So lange wir uns davor scheuen, die Zollansätee auf Wollenwaaren zu erhöhen, so lange sind wir unpraktische Leute, die wohl verdienen, recht
gezüchtigt zu werden, und eine solche Züchtigung wird uns treffen, wenn wir nicht einsehen lernen, daß wir das Mittel, unsere Erwerbsthätigkeit zu erhöhen, in unsern Händen .haben, um es zu nutzen."· ßundesblatt. 34. Jahrg. Bd. II.

37

558

3. Die Reziprozität der Zölle, resp. die gleichen und ungleichen Bedingungen der Konkurrenz.

Haben wir unter 1. nachgewiesen, daß die Erleichterungen von Seite Frankreichs uns das französische Absatzgebiet gar nicht in genügender Weise eröffnen und erweitern, und nachdem wir unter 2. gezeigt, daß die schweizerischen Konzessionen ungesetzliche seien und die inländische Produktion und den inländischen Markt schädigen und zwar doppelt, weil wegen des Vertrages mit Deutschland sämmtliche Konzessionen auch diesem Staate gewährt werden müssen, so wollen wir noch einen Blick auf die Zolltarife der drei Länder Schweiz, Frankreich und Deutschland in vergleichender Weise werfen, uns vorbehaltend, bei der mündlichen Diskussion ausführlicher zu sein.

Wenn wir dieß thun, so sagen wir im Allgemeinen, daß die Konkurrenz der produzirenden Industriezweige auf dem Markte der drei Länder eine ganz verschiedene ist und durchaus zum Nachtheil der schweizerischen Gewerbsthätigkeit ausfällt. Die Freihandelstheorie bekommt eine eigentümliche Interpretation. Wer Freiheit des Handels sagt, der muß auch die gleiche Konkurrenz, zugeben, sonst haben wir nur ein Zerrbild. Es ist weder Gleichheit noch Reziprozität, sondern höchstens eine verwerfliche Kompensation na.ch dem trivialen Sprüchworte : ,,Brätst du mir die Wurst, so lösche ich dir den Durst"1 vorhanden. Wir glauben,, daß der Bundesrath diesen Verhältnissen um so mehr hätte Aufmerksamkeit widmen sollen, als in der Schweiz wegen des zu berathenden Zolltarifes eine weit verbreitete und tiefe Bewegung sich geltend macht, welche den Grundsatz der R e z i p r o z i t ä t in ausgedehnter Weise zur Geltung bringen und Handelsverträge nur nach demselben zum Abschluß bringen will (vide auch das sogen.

Zürcher Programm vom 8. April 1881).

Unsererseits können wir diesem Satze nur mit Vorbehalt die Zustimmung ertheilen, obschon wir ihm soweit Recht geben, daß jedenfalls die Einseitigkeit der Verträge aufhören und dafür die Gesetzgebung ihre Thätigkeit in richtiger und ausgedehnter Weise entfalten muß. Wir sagen mit, Vorbehalt : aus dem Grunde, weil die Zölle auch im Zusammenhang mit der ganzen Steuergesetzgebung eines Landes betrachtet werden müssen, bei welcher bekanntermaßen die Ueberwälzung eine sehr große Rolle spielt.

Wir finden uns vor die große Frage hingestellt, welche
auch s. Z.

im deutschen Parlamente behandelt worden ist, als der Fürst Bismark seine Aenderungen in der deutschen Volkswirthschaftspolitik vorgeschlagen h a t : W e r b e z a h l t d i e Z ö l l e ?

Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß die Frage' da am geschwindesten gelöst ist, wo nach dem reinsten Freihandelssystem

559

gar keine Zölle bestehen ; wo sie aber, wenn auch noch so geringfügig, vorhanden sind, tritt eben die Frage auf. Der Berichterstatter hat früher wiederholt die Meinung ausgesprochen, daß der Konsument jedenfalls die Zölle auf Lebensmitteln bezahlen müsse, während bei den Produkten der Industrie der auswärtige Produzent es sei, sofern es sich um Luxusartikel handle. Es sind ihm dießfalls zwei Berichtigungen gemacht worden : die eine, welche sagte, daß der Satz selbst bei den Lebensmitteln nicht so rigoros aufgestellt werden könne, indem die Konkurrenz entscheidend sei : der Russe unterbiete z. B. beim Getreide den Amerikaner und dieser wieder umgekehrt, der Art, daß der Zoll gar kein den Preis bestimmendes Element sei. Aus dem gleichen Grunde zahle auch beim Käse der konkurrirende Käshändler den Zoll und keineswegs die produzirende Landwirtschaft. Auf dem Gebiete der Industrie sei unbedingt die Konkurrenz entscheidend und bezahlend, besonders wenn im Inlande ein Theil des Bedarfes geschaffen werde und im Uebrigen die Bedingungen für die Entwicklung, resp. die Produktionsfähigkeit, vorhanden seien. Nach dieser Ansicht werden die Zölle zum geringsten Theil. vom inländischen Konsumenten bezahlt. Der Zoll sei einfach eine Frage und Sache der Konkurrenz. Wir sind daher neuerdings auf die Vergleichung zurückgeworfen.

Es wäre jedoch ein Ding der Unmöglichkeit, a l l e Ansätze eines noch so kleinen Zolltarifes abschreiben zu können; wir müssen uns deßhalb hier auf die wichtigsten beschränken, die wir übrigens' der Eingabe des Gewerbevereins Liestal entnehmen ; es wird Sache der Diskussion sein, diese Angaben zu ergänzen; wir fügen bei, daß sowohl das als Annex I bezeichnete Tableau comparatif, als auch die ausgedehnteren Tableaux des Zolldepartementes die meisten verzollbaren Gegenstände angeben. Wegen der Meistbegüustigungsklausel im deutschen Vertrage ist zu bedauern, daß nicht jeweilen die deutschen Zollansätze angegeben sind. Die Konkurrenz, welche die deutsche Einfuhr der einheimischen Produktion macht, wird dann besonders auffallend, während die Schweiz im Verkehr mit Deutschland gehemmt ist. Giebt es ja schweizerische Industriezweige, welche ihre Thätigkeit wegen des deutschen Zolles ganz einstellen müssen. Dann würde Jedermann ersichtlich sein, welche Bedeutung der französisch-schweizerische Vertrag
auch für den schweizerisch-deutschen Verkehr, resp. auch für die an der deutschen Grenze zu erhebenden Zolleinnahmen hat.

Beispielsweise würden sich bei Annahme des Vertrags einige Einfuhrzölle im Vergleich zu Frankreich und Deutschland folgendermaßen stellen:

Für 100 Kilos: Seife (gewöhnliche, wie Parfumerie-) .

Zugerichtete Häute, Haut-und Lederwaare Käse w W e i.n

560

Glas und Krystalle Leder aller Art Sehuhwaaren (pr.Paar) Feine Metall-(Messerschmied-)Waaren .

Uhren (Taschen-) . . . . (pr. Stück) Kürschnerwaaren Leinengewebe, roh ,, gefärbt und gebleicht .

Bastili, Tüll, Spitzen, auch gestickte Taschentücher Baumwolltücher, rohe Wollenstoffe und -Tücher Seidengevvebe, gemischte und Posamentirwaaren Kurzwaaren, Quincaillerie.

Stickereien Konfektion (fertige Kleider, Wäsche, Handschuhe etc.)

Französisch 1 ) Franken.

6--8 0-60 4 9 ' 0-20 20-60 0. 50--1. 60 100--480 0. 50-3. 50 160--500 (t. g.)

22--300 25 °/o Zuschlag 360 50-540 161-211 (t. g.)

150--1200 30--350 (t. g.)

450

Deutsch

Schweiz

(Entwurf 1878)

1.50 30 4 s ö 7--16 8 30 20 30 16 4--16 16

(4--20) (50-100 2) (5) (6 Faß) (20/Flasche) (30--40) (8-15) (30--60) (20) (0. 50-5"pr.St.)

(100) \ ("12- 301J l ^

100-600 80 135-220

30 4--16 25

(70) (15-20) (40)

600 600 250

16-30 16 30

(100) (50) (100)

40

(100)

Mark.

5-30 50-1002) 20 i 2 4 Faß i 48 Flaschen 1-30 18--36 50--70 24 600 150 6--60 60--120

Zoll des höchstbelegteu 150--300 Gewerbes + 10 °/o (Halbseide 450, Seide 800)

Franken.

(Franken.)

'} In Folge der Meistbegünstigungsklausel sind einige Ermäßigungen möglich, ^wenn der belgisch-französische und italienisch-französische Handelsvertrag angenommen werden sollte. -- a) Handschuhe.

561 Die Minderheit der Kommission hält die Betrachtung über diese Verschiedenheit, die nicht nur an einigen, sondern bei Hunderten von Artikeln nachgewiesen werden kann, für sehr wichtig und bedenklich; sie zeigt, wie sehr die Entwicklung und Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Industrie durch ihre Nachbarn beschränkt ist, während wir diesen ohne Noth und gegen unsere heimische Industrie Thür und Thor öffnen. Man kann selbst zur Ansicht kommen, daß mit Absicht die Schweiz zu jener Z o l l u n i o n gezwungen werden soll, von welcher vor etwa zwei Jahren viel gesprochen worden ist. Es hat den Schein, als ob die Schweiz dann selbst dazu als zu einem Nothbrett greifen müßte.

Dann bedenke man aber, welchen Einfluß eine solche Union auf die Unabhängigkeit und die ganze übrige politische Gestaltung der Schweiz haben müßte. -- Zu weiterm Verständniß muß beigefügt werden, daß die Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Industrie nicht nur durch die Zölle der Nachbarstaaten, sondern noch durch andere ungünstige Verhältnisse gehemmt ist. Solche Verhältnisse sind die F r a c h t e n und die übrigen mit denselben zusammenhängenden Spesen, welche auf der Herbeischaffung der Rohstoffe und der Versendung der Fabrikate gemacht werden müssen, -- die Noth wendigkeit der größern V o r r ä t h e , die von den schweizerischen Industriellen gehalten werden müssen, um in kurzer Zeit allfällig aufgegebene Bestellungen ausführen zu können und nicht auf Zufuhren warten zu müssen, - schließlich der Mangel der S t e i n k o h l e n als wohlfeilen Brennmaterials, auf deren Zufuhr begreiflich auch Frachten bezahlt werden müssen. Wir betrachten die Wasserkräfte nicht als durchweg genügenden Ersatz für das mangelnde Brennmaterial. Es ist bekannt, daß jene oft kostbare Aulagen jährliche Unterhaltungskosten erfordern, und daß es dabei doch an der für die Industrie so nothwendigen Regelmäßigkeit gebricht. -- Jenen ungünstigen Faktoren kann nicht abgeholfen werden; sie sind zum Theil eine Naturnothwendigkeit und zum Theil eine Folge der geographischen Lage der Schweiz; -- die Zölle sind dieses nicht; hier können wir am ehesten Abhülfe treffen.

4. Das Zusatzreglement betreffend das Pays de Gex.

Die Besprechung desselben hat der Kommission viele Zeit weggenommen ; wir müssen uns in der Berichterstattung auf die mündliche
Auseinandersetzung berufen, einerseits weil die Zeit zu längern schriftlichen Erörterungen mangelt, andererseits weil in der Kommission in der Behandlung und Beurtheilung dieses Reglements keine Mehrheit und Minderheit besteht. Fügen wir in aller

562

Kürze bei, daß das Reglement theils den Grenz- und Veredlungsverkehr, theils die freie Ein- und Ausfuhr von und nach der Schweiz, theils die Verminderung der Zollansätze behandelt. Nach den Mittheilungen des Zolldepartements wäre die Folge der französischen Begehrlichkeiten eine Mindereinnahme auf den Zöllen von etwas über Fr. 100,000 gewesen. Durch das Markten ist die Summe auf Fr. 30,000 herabgemindert worden. Die Kommission hat gefunden, daß die gestatteten Erleichterungen zum Theil auch der Schweiz in anderer indirekter Weise, speziell dem Platze Genf, zu Gute kommen, und sie hat deßhalb schließlich die Zustimmung gegeben.

5. Die Petitionen.

Sowohl schon während der Verhandlungen, als hie und da eine Position besprochen worden ist, als nach der Unterzeichnung des höchst ungünstigen Vertrages hat sich in der Schweiz ein starker Widerstand gegen die Ratifikation zu zeigen angefangen, der bis in die letzten Tage nicht kleiner geworden ist, wie denn andererseits aber auch die Anhänger des Vertrages nicht müßig gewesen sind. Es war zu gewärtigen, daß die Bundesversammlung, resp. schon die Kommission eine ziemliche Anzahl Eingaben erhalten werde. Um dieselben allseitig prüfen zu können, hat die Kommission aus einigen ihrer Mitglieder eine besondere Sektion gebildet, für welche mündlich referirt werden wird; eine. Zahl von Petitionen ist seit der Beendigung der Sitzungen eingelaufen; der Berichterstatter hat auf dieselben jeweilen bei der Besprechung des betreffenden Industriezweiges Rücksicht genommen.

Im Großen und Ganzen behandeln nur einige der gemachten schriftlichen Eingaben den Handelsvertrag; die Mehrzahl macht Bemerkungen, die dann am Platze sein werden, wenn es sich um die Aufstellung eines schweizerischen Zolllarifs handelt; sie mußten aber doch in Berathung gezogen werden, weil immer gefragt werden mußte : was kann dann noch gethan werden, wenn heute der Vertrag mit Frankreich ratifizirt und die Mehrheit der Zollsätze für eine längere oder kürzere Zeit mit Frankreich und Deutschland vertraglich gebunden sind ? Welches wird dann auch die Stellung der Räthe sein ? Welches wird dann aber auch die Haltung des Volkes sein, welchem kein ganzer, für sich abgeschlossener Tarif, sondern mehr oder weniger zusammenhängende Bruchstücke von nur theilweiser Anwendbarkeit vorgelegt werden müssen, wenn es das Referendum verlangt ? Der Berichterstatter fürchtet sehr, daß sich dann ein Zwiespalt zwischen Behörden und Volk einstellen dürfte.

563 Eine von dritter Seite in den letzten Tagen gemachte Bemerkung ist ihm sehr auffällig vorgekommen. Es ist gesagt worden , daß man die Positionen, die durch den Vertrag nicht gebunden werden, benützen müsse, um für das Handwerk Etwas zu thun. Der Berichterstatter kann sich über den Sinn der Bemerkung; nicht recht orientiren. Einmal weist er auf das oben über die freien Positionen Gesagte hin; zum Zweiten spricht er Zweifel darüber aus, ob das dem kleinen Gewerbe recht sein wird, was die Bundesversammlung beabsichtigt zu thun; dasselbe verlangt kein Almosen, sondern Gleichberechtigung mit andern Industriezweigen und Arbeit. Sie werden sich an den bekannten lateinischen Spruch erinnern: ,,timeo Danaos et dona ferentes". Es könnte ein gewisser Sinn in der Bemerkung liegen, wenn man annehmen wollte, daß die schon längst besprochene C e n t r a l stelle für Gewerbe und Handel endlich einmal errichtet und daß dieselbe dann von belangreichem Nutzen sein würde.

o O

III. Schlußanträge und Schlußbetrachtungen.

Aus dem Gesagten ist unschwer zu entnehmen, daß die Minderheit zu ganz andern Schlüssen kommt, als zu denjenigen, welche ·der Bundesrath am Ende seiner Botschaft zieht. Sie beantragt Ihnen, die R a t i f i k a t i o n zu v e r w e i g e r n , also den Vertrag zu verwerfen. Sie schließt sich der Ansicht an, welche aus verfassungsrechtlichen und Zweckmäßigkeitsgründen zum Schlüsse kommt : ,,Es sei die R a t i f i k a t i o n des V e r t r a g e s bis nach erfolgter A u f s t e l l u n g eines s c h w e i z e r i s c h e n Z o l l t a r i f s abzulehnen",, in welchem Gedankengange sie das Seite 17 besprochene Postulat wiederholt : ,,Der r B u n d e s r a t h w i r d e i n g e l a d e n , A n t r ä g e über die Feststellung des definitiven schweizerisch en Zoll tarifs 30 b e f ö r d e r l i c h z u s t e l l e n , d a ß s i e n o c h i m L a u f e d i e s e s J a h r e s d e n Räthenn vorgelegt w e r d e n können."

Eventuell für den Fall der Annahme erlaubt sie sich, Sie aufmerksam zu machen, daß gewisse Vorsorge getroffen werden müsse, um den Vertrag erträglicher zu machen. Diese Vorsorge besteht darin, daß der Vertrag für kürzere Zeit abgeschlossen werde, wofür mehrere Gründe sprechen : der Dualismus mit dem allgemeinen Tarif, die ungünstigen Resultate des Vertrages selber und

564

das gesammte vertragliche Regime, -- ferner darin, daß Art. 22 des Vertrages in beschränkendem Sinne interpretirt werde. Unsere e v e n t u e l l e n Anträge für den Fall der Genehmigung lauten deßhalb : ,,1) Es sei der Vertrag nur auf eine Zeitdauer von 5 Jahren zu ratifiziren.

,,2) Es sei der Art. 22 in dem Sinne zu interpretiren, daß die Freiheit von der Patenttaxe nur für die Handelsreisenden bestehe, welche die Häuser besuchen, die aus dem Verkaufe der bestellten Handelsartikel ein Geschäft machen oder sie für ihre Industrie gebrauchen.1'1' Die Minderheit der Kommission ist nicht der Ansicht, daß, diese zwei Modifikationen den Vertrag gefährden, indem die Zustimmung Frankreichs leicht eingeholt werden könne; das französische Parlament wird vom 2. Mai an wiederum zusammen sein und es können bezüglich der Ratifikation alle nöthigen Schritte gethan werden.

Schwieriger ist allerdings die Frage für den Fall der Ablehnung des Vertrages. Es sind zwei Fälle möglich. Frankreich kann am 16. Mai den Generaltarif in Anwendung bringen, wenn es will; oder es können die Verhandlungen zu einem neuen Vertrag wieder aufgenommen werden, jedoch erst dann, wann gesetzliche Zustände auf dem Boden der Verfassung hergestellt sein werden. Von dieser Ansicht kann die Minderheit nicht abgehen.

Sie kann aber nicht der Ansicht sein, daß das Verlangen nach einem Vertrage auf dem alleinigen Boden der Meistbegünstigung so scharf formulirt werden solle, wie es meist von den Gegnern des Vertrages geschieht. "Wir wollten von dieser Klausel am liebsten nichts wissen, indem man nie weiß, was man gibt (vide Vertrag mit Deutschland), noch was man erhält. Auch ist ein solcher Vertrag nicht genügend, sobald solche Gegenstände in Frage stehen, welche in andern Verträgen gar nicht berührt werden , z. B. die Uhrmacherei. Was in der Zwischenzeit bis zu einem neuen rechtsgültigen Vertrage Geltung haben soll und wird, darüber wird man sich wohl verständigen müssen und können. Das kann beidseitig auf dem Boden der Gesetzgebung geschehen, wenn man ein interimistisches Abkommen nicht vorziehen will. Für die Eidgenossenschaft ist der Boden gegeben, wie wir oben (Seite 15) vorgeschlagen haben ; der Bundesbeschluß vorn 28. Juni 1878 wird dem Bundesrathe genügende Mittel an die Hand geben, ,, wie er denselben ja auch hätte in Anwendung bringen müssen, wenn ein Vertrag nicht zum Abschlüsse gekommen wäre. Die Vertheidiger

565 des Vertrages (wir dürfen nicht sagen : Freunde) lieben es, die Frage aufzuwerfen, was man thun wolle, wenn der Vertrag nicht ratifizirt würde. Unsere Antwort ist einfach die, daß man thun müsse, was man gethan hätte, wenn ein Vertrag nicht zu Stande gekommen wäre. Und daß dieses nicht unmöglich gewesen wäre, ist männiglich bekannt. Wir gestehen aufrichtig, daß dieses uns lieber gewesen wäre, als der Abschluß eines Vertrages, der nach aller Seite die Kritik herausruft.

Ohne einen Tadel äußern zu wollen, müssen wir doch die Vermuthung aussprechen, daß die schweizerischen Unterhändler es viel zu sehr haben merken lassen, daß man einen Vertrag einem vertragslosen Zustande vorziehe. Die Franzosen haben diese Gesinnung benutzt. Deßhalb sollen die schweizerischen Räthe nun das Gegentheil thun ; sie sollen kühn und laut erklären, daß sie lieber auf einen Vertrag verzichten, als einen solchen -- entwürdigenden -- Vertrag annehmen wollen.

Was trifft dann ein? Wenn Frankreich den Generaltarif in Anwendung bringen will, so tritt für einige -- aber auch nur für einige -- Exportindustrien eine Verminderung oder selbst ein Stillstand ein; Käse, Uhren, die ja in mehreren Ansätzen nur den Generaltarif haben , Seide werden gleich gehen, wenn vielleicht auch mit weniger Gewinn für die Händler; Baumwolle, die ja auch bei den jetzigen Tarifen nur theilweise thätig sein kann, und Stickerei werden eine schwierigere Stellung haben; wir glauben aber nicht, daß die Differenz zwischen Generaltarif und Konventionaltarif so groß sei, um eine Thätigkeit ganz auszuschließen.

Wir sagen daher, daß uns auch ein solcher Zustand gegenüber den andern Nachtheilen des Vertrages nicht erschreckt.

Die Frage läßt sich aber ganz gut aufwerfen , ob Frankreich die einfache Anwendung des Generaltarifs w o l l e n werden wird.

Bange machen gilt nicht, entgegnen wir einem Theile der Vertheidiger des Vertrages. Allerdings fallen viele der p o l i t i s c h e n Rücksichten weg, welche Frankreich den größern Staaten, England und Italien, gegenüber haben muß. Dafür tritt aber die w i r t h s e h a f t l i c h e Rücksicht helfend und unterstützend ein. Frankreich weiß ganz wohl, daß die Schweiz ein starker Käufer von französischen Erzeugnissen ist. Und in dieser Beziehung sagen wir, daß nicht die geographische Kleinheit der Schweiz, noch
die geringere Bevölkerungszahl den Ausschlag geben werde, sondern daß die W e r t h g r ö ß e der verkauften Gegenstände in Berücksichtigung fällt. Dabei kommt es gar nicht darauf an, ob die Verkaufsobjekte Gegenstände der Konsumtion sind, die wir haben müssen, sondern es kommt darauf an, daß diese Gegenstände gekauft und bezahlt

566 werden. Frankreich weiß sehr wohl, daß gerade diese Konsumtionsgegenstände nach der Eröffnung der Gotthardbahn von anderwärts bezogen werden können.

Wir schließen daher mit der Aeußerung der Ansicht, daß auch nach der Verwerfung des Vertrages die Schweiz nicht machtlos und wehrlos dastehen werde, ob nun der Abschluß eines neuen günstigem Vertrages die Folge sein oder ob die gegenseitige Gesetzgebung das den eigenen wohlerwogenen Interessen Angemessene beschließen werde.

Mit Hochachtung !

B e r n und 8 o l o t h u r n , den 6./14. April 1882.

Die Minderheit der Kommission: Dr. Simon Kaiser, Solothurn, Berichterstatter.

J. J. Keller, Nationalrath, Zürich.

Arnold Künzli, Nationalrath, Aargau.

Andreas Schmid, Nationalrath, Bern.

Beilage zu Seite 566.

Vergleichende Uebersicht von Einfuhrzöllen.

Tableau comparatif de droits d'entrée.

(Artikel vom Tarif B

des Vertrages.) -- (Articles du tarif B du traité.)

Fraulireich . lieutHchlaiitì.

Frutice.

Allemagne.

S ch-vr e i z .

iS w i vue.

Artikel.

Article*.

Tarif 1878.

*)

Blattgold u n d Blattsilber . . . .

Or et argent battu en feuilles .

Eisengußwaaren Ouvrages en fonte de fer

1

Generaltarif.

Gemìraltarif.

Traité de 4882.

Tarif général.

Tarif général.

*) Fr. Ct.

Fr. Ct.

*) Fr. Ct.

1

70. -

16. -

j

2.7 50

2. 50 5. --

( 2. 50 3. 1 7. 20. --

3. 7. -- 20. --

8. -- à 20. --

3. 75 à 30. --

20. --

37 50 75. --

--- 20. --

!

j

Waaren aus Schmiedeisen Ouvrages e n f e r e t acier . . . .

1

Vertrag 1882.

*)

Fr.

Ct.

2500.

2000.

3.

à 10.

-- -- -- --

150.

750.

3.

30.

-- -- 12 Va --

Kupferschmiedwaaren Chaudronnerie

|

30. --

16. --

Zinkwaaren Ouvrages en zinc

1 f

20. -- 30. --

Zinnvvaaven Ouvrages en étain

1 }

25. -- 40.-

7.

16.

7.

16.

Nikelwaaren Ouvrages en nickel

1

80. --

16. --

30. --

75. --

100. --

30. --

500. --

750. --

4. 50 1. 50 1. -- boîtes 1. 20 -- . 50 mouvem. 2. 50 -- . 20

750. -- 250

Gold- und Silberwaaren : falsch und acht Orfèvrerie et bijouterie en or et argent; plaqué

g

-- -- _ --

30. --

7 50 30 7 50 30. --

Stük pièce

[ i Uhren 1 Montres

1 1 1 1 i

. . . .

Uhrenbestandtheiltì Fournitures

Stük pièce

Pendiilen Pendules

I Gewebe und Arbeiten aus Roßhaar l Tissus et ouvrages de crin .

|

1 Baumwollgewebe: Piqués, Damast, 1 Brillantes . . . .

1 Tissus de coton : piqués , basins 1 façonnés,- damassés ou brillantes

1|

1 Baumwolldeken 1 Couvertures de coton . .

1>

*) Zollbetrag per 100 kg.

*) Droits pour 100 leg.

16

30

\ 100 kg. 50. -- >

\ \ ) 1 Leinen- u n d Hanfgewebe . . . . | 1 1 Tissus de lin ou de chanvre .

1

1 1

3 50 1 -- -- . 50

. ·.

.

16. --

50. --

16 30

2. 12. -- 30. --

1. 50 4. -- 16. --

80. --

,n20.

- 20.

TM --

--

16. -- .

100 kg. 50. --

15 --

25 28. -- à 530. --

7. 50 à 150. --

gefärbt 689. -- teints

496. --

60. -- .

16. --

111 à 737. -

100 à 287. 50

4. --

68. --

125. --

2 Frankreich. Deutschland.

Allemagne.

france.

S e h vr e i z .

S u l .t » e.

Artikel.

Article».

Tarif 1878.

Fr. Ct.

Wolle, gefärbt, gekämmt . . . .

Laine teinte, peignée

Vertrag 1882.

Traité de Ì882.

Fr. Ct.

Generaltai-if.

Generaltarif.

Tarif général.

Tarif gén ér al.

Fr. Ct

Fr. Ct.

-. 60

25. -

2. 50

i J \ /

8. 10 --

5. -- 8 9 --

18. 50 à 'IM. --

10. a 30. --

25. -- 40. -

12 -- 25. --

75. -- à 211. --

135. à 220. --

Wolldeken Couvertures de laine

\ /

25. -- 40. --

16. --

87. --

125. --

Teppiche Tapis de laine

) f

25. -- 40. --

12. -- 30. --

74. -- à 186. --

125. --

>

1 00. --

40. --

Gewebe plus 10 °/o Tissus plus 10 %

375. --

70. -

16. --

rein (pur) -- . -- gemischt 186. -- mélangé à 434. --

375. -- 750. --

100. -

16. --

Wolleng'arne Fils de. lai»e

.

Wollengewebe . . .

Tissus de laine

Kleider, wollene Vêtements confectionnés

. . .

. . . .

Seidengewebe (Stoffe) Tissus de soie Seidenbänder .

Rubans de soie

.

'6.· -- '

i,

1 ,,._

. .

Farbholzextrakte .

Extraits de bois de teinture

Ì

Seifen, gewöhnliche Savons ordinaires Seifen, parfümirte Savons parfumés

. . . .

Glasflaschen, grüne, braune .

Bouteilles ordinaires

. .

P«nsf:prD'las gewöhnliches

5

Q 3.

1. 50

.

6. 25 12. 50

]

20. --

1. 50

12. --

d7. 50

1. 50

3. --

\\ *-

Ifrei.

| f J

10. -- 15. --

16. --

i

40. --

16. --

8; 12- -

8. --

Schuhwaaren Chaussures Möbel Meubles

·~

1 ,,._ f )·

50. --

i I j | [ I j

30. -- 60. -- 10. 20. -- 30. -- 50. --

3. 75

.50} 10; 12. 50 1 1. 25

*· 5. --

)

}

4r^ì5--

7. -- "

Töpferwaaren, feine Poterie fine

Lederwaaren Ouvrages en cuir

3. 75

1

\ i

Leder aller Art Cuirs de toute espèce

20. -- 30. -

"j

Töpferwaaren, gemeine .

Poterie commune

Töpferwaaren, Porzellan . . . .

Porcelaines

375. -- 750. --

. -- 7.-

Verre « vitres ordinaire

. . . .

620. -- 496. -

30 --

30. --

16. --

( frei.

MO. -- (lo. (12. 50 15. _ I nv \ 2o. -- 50; 56; 74; 10,

200.

50.

100.

150.

Paar la paire

l 1

12. 50; 20;

l

. J 17. 50 1 37. 50

I 1

22. 50; 45. - 1

-- -- --

o2. 50; 8«. oO l

2. -- 1. 25 0. 75

o2. 50; 87. 50 1

7.

10.

15.

25.

-- -- -- -

12. 50 1 o7. 5U 1 50. -- 1

3

Artikel.

.

Article».

Tarif 1878.

Fr. Ct.

Modenwaaren Ouvrages de mode

\

Kurzewaaren, Mercerie Quincaillerie, mercerie

. . .

. .

Posamenterie, wollene Passementerie e n laine

. . . .

. . . .

Branntwein Alcool

.

Lioueure

.

.

. . .

Parfümerien Chokolade . . · l Chocolat

Vertrag 1882.

Traité de Ì882.

Generaltarif.

Generaltarif.

Tarif général.

Tarif général.

Fr. Ct.

Fr. Ct.

30. --

--. --

. ~T

Fr. Ct.

375. --

190. 300. 625. --

87.

150.

250.

62.

50 -- -- 50

16. --

20.

50 150.

350.

30.

150 250.

750.

-- -- -- --

16. --

-- -- -- --

i

20. -

30. -- 100. --

16 --

)

149. -- 236. --

150. -- 125. --

}

40. -

25. --

248. --

375. --

\ /

12. 30. -- ,, 5, 20. --

100.

200.

3.

18.

22.

16 -- 3. -- 16. --

-- -- 75 50 50

112 50

7. 50 30. --

1 I

20 --

6. -- à 20. --

30. --

60. -

1 /

20 --

16. --

40. -

60. --

|

50 --

16. --

19.

5 20.

30.

35.

140.

240.

i

Korkwaaren

Bleistifte Crauont

30. --

I

Ouvrages de cordiers

100. -- 50. 30. --

. . . .

. . . .

Knöpfe aller Art Boutons d e toute espèce . . . .

Posamentei'ie Passementerie

Frankreich. Deutschland.

Allemagne, frutice*

Solicir e i z .

S u i i» è e.

-- -- -- -- -- --

250. -- 12. 50 37. 50

10. -

7. --

I \ 1

25 --

16. --

; |

_,,, 70. --

30. --

37. 50

125. --

j

20. --

16. --

135. --

75. --

3. -- 7

11. -- 25. --

12. 50 30. -- 75. --

I

3.

6.

7.

15.

iPapier aller Art

50 -- -- --

16. -

7. 50

BCartonagearbeiten ·Ouvrages en cartonnages

i i

20. --

16. -

36. -- 70. --

·Snielzeus' MBimbeloterie ·Korbwaaren feine «.

. . . .

1 Vannerie fine .

. . . .

[Sonnen- und Regenschirme: 1 Parasols et parapluies : 1 seidene und baumwollene 1 en soie et en coton

i i

30. --

16. --

60. --

TM -- 50.

16. --

5. --

50. --

30. --

20. --

16. --

1} J

2o. --

Stük pièce ,,

12. 50; 30; 37.50 75; 250. -- 37. 50

1. 25

250. --

-. 25

150. --

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Nationalrathes über die am 23. Februar 1882 mit Frankreich abgeschlossenen Verträge. (Vom 6./14. April 1882.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1882

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

20

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.04.1882

Date Data Seite

515-566

Page Pagina Ref. No

10 011 468

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.