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"Vertragzwischen

der Schweiz und Frankreich über die Niederlassung der Schweizer in Frankreich und der Franzosen in der Schweiz.

(Unterzeichnet den 23. Februar 1882.)

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft und Der Präsident der französischen Republik, von dem Wunsche beseelt, die Freundschaftsbande zu befestigen und die freundnachbarlichen Beziehungen zu fördern, welche beide Länder verbinden , haben beschlossen, die Bedingungen für die Niederlassung der Schweizer in Frankreich und der Franzosen in der Schweiz in beidseitigem Einverständniß durch einen besondern Vertrag zu regeln, und zu diesem Zweke zu Bevollmächtigten ernannt, nämlich:

Her Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft: Herrn J. C. K e r n , außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister der schweizerischen Eidgenossenschaft in Paris; Herrn K. E. L a r d y , Dr. jur., Legationsrath der schweizerischen Gesandtschaft in Paris; und

Der Präsident der französischen Republik: Herrn C. von F r e y c i n e t , Senator, Präsident des Ministerrathes, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ; Herrn T i r a r d , Abgeordneter, Minister des Handels; Herrn Moriz R o u v i e r , Abgeordneter, gewesener Minister des Handels und der Kolonien;

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welche, nach gegenseitiger Mittheilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, sich über folgende Artikel geeinigt haben: Art. 1. Die Franzosen sind in jedem Kantone der Eidgenossenschaft in Bezug auf ihre Personen und ihr Eigenthum auf dem nämlichen Fuße und auf die gleiche Weise aufzunehmen und zu behandeln , wie es die Angehörigen der andern Kantone sind oder noch werden sollten. Sie können daher in der Schweiz abund zugehen und sich daselbst zeitweilig aufhalten, wenn sie den Gesezen und Polizeiverordnungen nachleben. Jede Art von Gewerbe und Handel, welche den Angehörigen der verschiedenen Kantoae erlaubt ist, wird es auf gleiche Weise auch den Franzosen sein, und zwar ohne daß ihnen eine pekuniäre oder sonstige Mehrleistung überbunden werden darf.

Art. 2. Um in der Schweiz Wohnsiz zu nehmen oder sich dort niederzulassen, müssen die Franzosen mit einem ihre Staatsangehörigkeit bezeugenden Immatrikulationsscheine versehen sein, der ihnen von der Gesandtschaft der französischen Republik, oder durch die von Frankreich in der Schweiz errichteten Konsulate und Vizekonsulate ausgestellt wird.

Art. 3. Die Schweizer werden in Frankreich die nämlichen Rechte und Vortheile genießen, wie sie der Art. l des gegenwärtigen Vertrages den Franzosen in der Schweiz zusichert.

Art. 4. Die Angehörigen des einen der beiden Staaten, welche im andei'n wohnhaft sind, stehen nicht unter den Militärgesezen des Landes, in dem sie sich aufhalten, sondern bleiben denjenigen ihres Vaterlandes unterworfen.

Ebenso sind sie frei von jedem Dienste in der Nationalgarde sowohl als in den Ortsbürgerwachen.

Art. 5. Die Angehörigen des einen der beiden Staaten, -welche im andern wohnhaft sind und in die Lage kommen sollten, durch gesezliche Verfügung, oder gemäß den Gesezen oder Verordnungen über die Sittenpolizei und über den Bettel, weggewiesen zu werden, sollen sammt Familie jederzeit in ihrer ursprünglichen Heimat wieder aufgenommen werden , vorausgesezt, daß sie ihre Heimatrechte beibehalten haben.

Art. 6. Jeder Vortheil, den einer der vertragschließenden Theile bezüglich der Niederlassung der Bürger und der Ausübung der industriellen Berufsarten in irgend einer Weise einem andern Staate gewährt hätte oder in Zukunft noch gewähren sollte , wird

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in gleicher Weise und zu gleicher Zeit auch gegenüber dem andern Kontrahenten zur Anwendung kommen, ohne daß hiefür der Abschluß einer besondern Uebereinkunft nöthig wäre.

Art. 7. Die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages sind auch auf Algerien anwendbar.

Was die andern überseeischen Besizungen Frankreichs betrifft, so sind dieselben Bestimmungen dort ebenfalls anwendbar, mit denjenigen Beschränkungen jedoch, welche die besondere Verwaltung, welcher diese Besizungen unterstellt sind, mit sich führt.

Art. 8. Der gegenwärtige Vertrag tritt mit dem 16. Mai 1882 in Kraft und bleibt vollziehbar bis zum 1. Februar 1892.

Für den Fall, daß keiner der hohen vertragschließenden Theile zwölf Monate vor Ablauf des genannten Zeitraumes seine Absicht kundgegeben hat, vom Vertrage zurükzutreten , bleibt dieser von dem Tage ab, an welchem einer der hohen vertragschließenden Theile ihn gekündigt hat, noch ein weiteres Jahr lang verbindlich.

Der gegenwärtige Vertrag ist zu ratifiziren und die Ratifikationsurkunden sind vor dem 12. Mai 1882 gleichzeitig mit denjenigen des unter dem heutigen Datum abgeschlossenen Handelsvertrages in Paris aussuwechseln.

D e s s e n zur U r k u n d e haben die beiderseitigen Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und demselben ihre Siegel beigedrükt.

So geschehen in doppelter Ausfertigung zu P a r i s , am 23. Februar 1882.

CL. S.) (SigO Kern.

(L. S.) (Sig.) Lardy.

(L. S.) (Sig.) C. de Freycinet.

(L. S.) (Sig.) M. Rouvier.

(L. S.) (Sig.) P. Tirard.

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Vertrag zwischen der Schweiz und Frankreich über die Niederlassung der Schweizer in Frankreich und der Franzosen in der Schweiz. (Unterzeichnet den 23. Februar 1882.)

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