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Schweizerisches Bundesblatt 66. Jahrgang.

6. Mai 1914.

Band III.

Jahrespreis (postfrei in der ganzen Schweiz): 10 Franken.

Einrückungsgebühr: 15 Eappen die Zeile oder deren Raum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Kündigung der am 12. Juni 1902 im Haag abgeschlossenen internationalen Abkommen über Eheschliessung, Ehescheidung und Vormundschaft über Minderjährige durch Frankreich.

(Vom 1. Mai 1914.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Wir beehren uns, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, dass Frankreich die Haager Abkommen vom 12. Juni 1902 betreffend die Eheschliessung, die Ehescheidung und die Vormundschaft über Minderjährige auf den 1. Juni 1914 gekündigt hat. Mit diesem Zeitpunkte treten daher die genannten Abkommen im Verhältnis zu Frankreich ausser Kraft.

Über die Frage, wie sich nach dem 1. Juni 1914 die schweizerisch-französischen Beziehungen in bezug auf die von den gekündigten Abkommen beherrschten Rechtsgebiete gestalten werden, erlauben wir uns, Ihnen folgendes mitzuteilen : 1. Eheschliessung. Durch den Rücktritt Frankreichs vou dem Haager Abkommen betreffend Eheschliessung tritt der Rechtszustand wieder in Kraft, der vor dem Abkommen gegolten hatte (vgl. die Kreisschreiben des Bundesrates vorn 16. Juli/23. August 1877, Bundesbl. 1877, III, S. 532 und 569, und 24. Juli 1911, Bundesbl. 1911, III, S. 868). Auf die Eheschliessungen von Franzosen in der Schweiz wird vom 1. Juni 1914 an jedoch an Stelle des Art. 31, Absatz 4 und 5, des alten Zivilstandsgesetzes der Art. 59, Ziff. 7, lit. e, Absatz l und 2 des Schlusstitels des schweizerischen Zivilgesetzbuches zur Anwendung kommen.

Bundesblatt.

66. Jahrg. Bd. III.

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Der Franzose kann das Ehefähigkeitszeugnis erst beibringen, nachdem die Verkündung am tatsächlichen und nötigenfalls auch am gesetzlichen Wohnsitze stattgefunden hat; demnach kann, sofern der Trauung nicht offenbare Hinderungsgründe entgegenstehen, dem französischen Verlobten die in Art. 59, Ziffer 7, lit. e, des Schlusstitels des schweizerischen Zivilgesetzbuches vorgesehene Bewilligung zur Eheschliessung von vornherein unter der Bedingung erteilt werden, dass das im Jahre 1877 mit Frankreich vereinbarte Zeugnis noch vor der Trauung beigebracht wird.

2. E h e s c h e i d u n g und -Trennung. Der Franzose, der nach dem 1. Juni 1914 in der Schweiz als Kläger auftritt, wird nachzuweisen haben, dass die in Art. 59, Ziffer 7, lit. 7j, des Schlusstitels des schweizerischen Zivilgesetzbuches vorgesehenen Voraussetzungen gegeben sind. Der Schweizer in Frankreich kann beim Richter seines Wohnsitzes klagen ; jedenfalls steht ihm das Recht zu, vor dem Richter seiner Heimat als Kläger aufzutreten (Art. 59, Ziffer 7, lit. gi des Schlusstitels des schweizerischen Zivilgesetzbuches).

3. Vormundschaft über Minderjährige. In dieser Hinsicht sind vom 1. Juni 1914 an die Art. 10 und 11 des schweizerisch-französischen Gerichtsstandsvertrages vom 15. Juni 1869 anzuwenden. Es gelten daher für die Schweizer in Frankreich, und ebenso für die Franzosen in der Schweiz, in bezug auf die Vormundschaft das heimatliche Recht und der heimatliche Gerichtsstand.

Wir ersuchen Sie, vom Inhalt dieses Kreisschreibens die daran Interessierten in Kenntnis zu setzen und unserem Justizund Polizeidepartement bis 20. Mai 1914 mitzuteilen, wie viele Exemplare des vorliegenden Kreisschreibens Sie zu diesem Behufe benötigen.

Wir benutzen diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in den Machtschutz Gottes zu empfehlen.

B e r n , den 1. Mai 1914.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Hoffmann.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Kündigung der am 12. Juni 1902 im Haag abgeschlossenen internationalen Abkommen über Eheschliessung, Ehescheidung und Vormundschaft über Minderjährige durch Frankreich. (V...

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Jahr

1914

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18

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

06.05.1914

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1-2

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10 025 363

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