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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde der Kantonalbank von Bern betreffend Verweigerung einer Eintragung in das Gläubigerregister des Grundbuches.

(Vom 19. Mai 1914.)

Der schweizerische Bundesrat hat über die Beschwerde der Kantonalbank von Bern betreffend Verweigerung einer Eintragung in das Gläubigerregister des Grundbuches, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Die Kantonalbank von Bern ist Forderungspfandgläubigerin an zwei Schuldbriefen, lautend auf Christian Reber in Menznau.

In dieser Eigenschaft verlangte die Kantonalbank von Bern am 12. Januar 1914 bei der Hypothekarkanzlei Willisau, dàss ihr Forderungspfandrecht im Gläubigerregister oder im entsprechenden Hypothekarprotokoll angemerkt werde.

Durch Verfügung vom 31. Januar 1914 verweigerte die Hypothekarkanzlei Willisau die Behandlung dieses Gesuches und begründete ihre Haltung damit, dass im Kanton Luzern solche Anmerkungen nicht üblich seien, und dass das dem eidgenössischen Grundbuchsystem angehörende Gläubigerregister erst mit dem Grundbuch selbst im Kanton Luzern eingeführt werde.

Gegen diese Verfügung führte die Kantonalbank von Bern bei der Justizkommission des luzernischen Obergerichts Beschwerde, wurde aber durch Beschluss vom 23. Februar 1914 abgewiesen.

Die Justizkommission anerkennt zwar die Bedeutung des Art. 66 der eidgenössischen Grundbuehverordnung, wonach Namen und Wohnort der Grundpfandgläubiger, sowie der Pfandgläubiger und Nutzniesser an Grundpfandforderungen, auf Begehren der Beteiligten in einem besondern Register angegeben werden sollen.

Allein die kantonale Aufsichtsbehörde über die Grundbuchführung;

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hält mit der Hypothekarkanzlei Willisau dafür, dass die Kantone bis zur Einführung des eidgenössischen Grundbuches nicht verpflichtet seien, die Namen und Adressen der genannten Personen in den Registern anzugeben, und damit diesen Personen die Sicherheit für die richtige Zustellung der amtlichen Mitteilungen der Grundbuchverwalter zu verschaffen. Nach der Ansicht der Justizkommission, die sich hierbei auf den Kommentar von Osl;ertag, Seite Ilo, Note 36, beruft, können die Art. 942 und 969 ZGB, sowie der sich daran schliessende Art. 66 der Grundbuchverordnung, im Kanton Luzern noch nicht als anwendbar gelton.

Dem Eintrag in das Gläubigerregister komme keine Grundbuehwirkung zu; nach Art. 48, Schlusstitel ZGB, seien die Kantone aber nur verpflichtet, diejenigen Formen zu bezeichnen, denen sofortige Grundbuchwirkung zukommen soll.

n.

Mit Eingabe vom 14. März 1914 beschwert sich die Kantonalbank von Bern über den Entscheid der Justizkomrnission des luzernischen Obergerichts, vom 23. Februar 1914, beim Bundesrat und verlangt Aufhebung dieses Entscheides.

Zur Begründung beruft sich die Beschwerdeführerin vor allem auf den Zweck des Art. 66 der Grundbuchverordnung.

Diese Bestimmung wolle nicht nur dem Grundbuchverwalter die Erfüllung der ihm obliegenden Anzeigepflicht erleichtern, sondern auch den Pfandgläubigern und Forderungspfandgläubigern die Sicherheit bieten, dass ihnen die wichtigen Anzeigen über Handänderung, Schuldübernahme, Pfändung des Grundstücks, Anordnung der Zwangsversteigerung usw. zukommen. Ohne die Führung eines Gläubigerregisters oder ohne anderweitige Anmerkung der Übertragung oder Verpfändung einer Grundpfandforderung in einem entsprechenden kantonalen Register bestehe dieser dringend notwendige Schutz für den Pfandgläubiger nicht, und eine wirksame Überwachung eines Grundpfandschuldners werde yollkomme:a unmöglich gemacht. Sodann macht die Beschwerdeführerin geltend., dass mit Rücksicht auf die von der eigentlichen Grundbuchwirkimg unabhängige Bedeutung des Art. 66 der Grundbuchverordnung1 dessen Anwendung in den Kantonen nicht bis zur Einführung des Grundbuches aufgeschoben werden sollte.

Die Justizkommission des luzernischen Obergerichts stellt in ihrer Vernehmlassung vom 1. April 1914 den Antrag auf Abweisung der Beschwerde, unter Verweisung auf die im angefochtenen Entscheid enthaltene Begründung.

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B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Die erste Rechtsfrage, die für die Beurteilung der Beschwerde der bernischen Kantonalbank von Bedeutung ist, geht dahin, ob Art. 66 der Grundbuchverordnung auch in denjenigen Kantonen zur Anwendung gelangen muss, die das eidgenössische Grundbuch noch nicht eingeführt haben. Diese Frage kann nun weder schlechtweg bejaht noch verneint werden; denn diese Verordnungsbestimmung weist einen doppelten Inhalt auf: Einerseits wird die Führung eines besondern Gläubigerregisters angeordnet, anderseits wird die dem Grundbuchverwalter obliegende Mitteilungspflicht geregelt. Da nun nach der bisherigen Praxis des Bundesrates (vergi. Bundesbl. 1913, H, 303) die eidgenössische Grundbuchverordnung in allen Kantonen insoweit zur Anwendung gelangen muss, als deren Bestimmungen nicht die Führung des Grundbuches nach dem eidgenössischen System zur Voraussetzung haben, so ist mit Bezug auf Art. 66 dieser Verordnung für beide Teile des Inhalts g e t r e n n t zu untersuchen, inwieweit diese Voraussetzung zutrifft.

II.

Was die Führung des Gläubigerregisters anbelangt, so macht die Justizkommission des luzernischen Obergerichts mit Recht darauf aufmerksam, dass es sich hier um ein Hülfsregister zum Hauptbuch handelt. Wenn daher die Kantone, gestützt auf die Bestimmungen des Schlusstitels zum ZGB, mit der Einführung des Grundbuches nach eidgenössischem Muster zuwarten dürfen, so muss diese Ordnung sowohl für das Hauptbuch als für die Hülfsregister (Gläubigerregister) gelten. Eine Pflicht zur Führung des Gläubigerregisters nach eidgenössischem System besteht somit erst vom Zeitpunkt der Einführung des eidgenössischen Grundbuches an.

III.

Anders verhält es sich aber mit der Pflicht der kantonalen Behörden, die in Art. 66 der Grundbuchverordnung vorgesehenen Anzeigen an die Pfandgläubiger vorzunehmen. Diese Anzeigepflicht bei Handänderung, Schuldübernahme, Pfändung des Grundstücks, Anordnung der Zwangsversteigerung usw. ist durch das m a t e r i e l l e Sachenrecht und durch das Betreibungs- und Konkursrecht aufgestellt worden ; sie gehört nicht dem formellen Grundbuchrecht an und besteht daher, unabhängig von der EinBundesblatt.

66. Jahrg. Bd. III.

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führung des Grundbuches, in allen Kantonen. In dieser Beziehung kann im Hinblick auf Art. 47 des Schlusstitels zum ZGB, wonach das Sachenrecht im allgemeinen in Kraft tritt, auch ohne class die Grundbücher angelegt sind, kein Zweifel bestehen.

MUSS aber die Anzeigepflicht der kantonalen Behörden in vollem Umfang anerkannt werden, so folgt hieraus ohne weiteres auch die Verpflichtung der Kantone, diejenigen Massnahmen zu treffen, die zur Erfüllung der Anzeigepflicht unerlässlich sind.

Hierzu gehört nun unzweifelhaft die Aufzeichnung aller Abtretungen und Verpfändungen von Grundpfandforderungen, die von den Pfandgläubigern dem zuständigen Grundbuchamt oder der Hypothekarkanzlei angezeigt werden. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, haben die übrigen Kantone, ohne Rücksicht auf den Stand der Einführung des eidgenössischen Grundbuches, regelmässig solchen Begehren um Anmerkung der Rechtsgeschäfte (Abtretung und Verpfandung von Grundpfandforderungen) entsprochen. Dabei ist es dann allerdings Sache des Kantons, die Form zu bestimmen, in welcher Weise diese Anmerkung zu geschehen hat. Am einfachsten wird dies durch eine Randbemerkung in den kantonalen Hypothekarprotokollen geschehen.

Dio Hypothekarkanzlei Willisau war somit im vorliegenden Fall nicht berechtigt, die Anmerkung der Verpfändung der beiden Schuldbriefe zugunsten der Kantonalbank von Bern abzulehnem.

Auf Grund dieser Erwägungen wird er k an nt: Die Beschwerde wird begründet erklärt, und die Aufsichtebehörde des Kantons Luzern über das Grundbuch wird eingeladen, dafür zu sorgen, dass dem Begehren der Beschwerdeführerin um Anmerkung ihrer Forderungspfandrechte durch die Hypothekarkanzlei Willisau in geeigneter Weise Folge gegeben werde.

B e r n , den 19. Mai 1914.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Hoffmann.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

^KO^

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde der Kantonalbank von Bern betreffend Verweigerung einer Eintragung in das Gläubigerregister des Grundbuches. (Vom 19. Mai 1914.)

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27.05.1914

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