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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Drahtseilbahn von Locarno zur Madonna del Sasso.

(Vom 4. Oktober 1897.)

Tit.

Mit Schreiben vom 21. April 1896 übermittelte uns der Staatsrat des Kantons Tessin einen von ihm unterm gleichen Datum gefaßten Beschluß des Inhalts, es sei ein K o n z e s s i o n s g e s u c h der Herren M u s c h i e t t i , V a r e n n a und R i g o l a in Locamo für eine Drahtseil bahn von Locamo biszur Madonna del Sasso, welches Gesuch dem Schreiben der Regierung ebenfalls beilag, an den Bundes rat zu leiten. Da dem Konzessionsgesuche die vorgeschriebenen Vorlagen fehlten, wurde der Staatsrat des Kantons Tessin zu Händen der Konzessionsbewerber auf diesen Mangel aufmerksam gemacht.

Mittelst Eingabe vom 6. Juni 1896 reichte er dann die von den Petenten unterzeichneten Vorlagen ein, welchen zu entnehmen war, daß es sich um eine Drahtseilbahn handle, welche von der Brücke der Kantonsstraße Locarno-Orselina über die Ramogna ausgehen und auf dem linken Ufer dieses Flusses zum Sanktuarium deiMadonna del Sasso führen solle. Die obere Bndstation sei an der Straße Monti-Orselina, je eine Zwischenstation beim Hotel Belvedére und bei dem genannten Sanktuarium vorgesehen. Eventuell solle die Bahn thalwärts bis zur untern Ramognabrücke erweitert werden, was auf dem Situationsplan durch eine punktierte Linie angemerkt sei.

Die projektierte Bahn, wird im allgemeinen Berichte weiter Ausgeführt, entspreche einem Bedürfnis; denn einerseits nehme die

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Zahl der Pilger, welche zum Sanktuarium der Madonna del Sasso wallfahren, alljährlich zu, und anderseits erweise sieh der Fußpfad, welcher gegenwärtig zu dem sich fast täglich mehr entwickelnden, prächtigen Aussichtsorte ,,dei Monti" führe, als sehr mühsam filidie Touristen.

Dem technischen Berichte zufolge soll die Bahn eingeleisig, mit Spurweite von l Meter und mit einer Abtschen Zahnstange gebaut werden. In der Mitte finde die Ausweichung statt. Die Wagen erhalten je 24 Sitzplätze. Als Betriebskraft solle Wasserübergewicht verwendet werden; eine Quelle befinde sich ganz in der Nähe der obern Endstation.

Die Länge der ganzen Linie betrage 630 Meter, der Höhenunterschied zwischen den beiden Endpunkten 174,i Meter. Als Minimalradius seien 110 Meter, als Maximalsteigung 52 °/o vorgesehen.

Der Kostenvoranschlag, der sehr large gerechnet sein soll, sieht folgende Ansätze vor: \. Schienen, Kabel, Zahnschiene, Schwellen, Bollen und Zubehörden Fr. 40,950 2. Kunstbauten (Viadukt) ,, 48,000 3. Mauerwerk für den Unterbau und Bahndamm . ,, 23,460 4. Erdarbeiten und Felsbrüche ,, 25,400 5. Stationen und Rollmaterial ,, 26,000 6. Expropriationen ,, 3,000 7. Wasserreservoir und -leitung ,, 5,000 8. Studien, Bauleitung und Unvorhergesehenes . ,, 34,190 Total

Fr. 206,000

Auf einen Kilometer berechnet, würden die Baukosten Fr. 383,000 betragen, was den kilometrischen Kosten der drei Drahtseilbahnen Biel-Magglingen. Bürgenstock und Gießbach entspreche.

Die Betriebseinnahmen werden auf Fr. 30,000, die Ausgaben (inklusive 5 % Verzinsung des Kapitals und 4 °/o für Amortisation) auf Fr. 27,000 berechnet, so daß das Projekt als finanziell sehr günstig bezeichnet werden müsse.

Die kantonale Regierung hatte sich vorbehalten, sich über das Projekt nach Anhörung der Lokalbehörden zu äußern ; ihre Vernehmlassung erfolgte erst mittelst Schreibens vom 19. Juni 1897 und ging dahin, sie unterstütze das Konzessionsgesuch, da sie von dem Nutzen der zu bauenden Drahtseilbahn überzeugt sei.

Bei den konferenziellen Verhandlungen, welche am 1. dieses Monats stattfanden, wurde der nachstehende, vom Eisenbahndeparte-

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ment aufgestellte Entwurf allseitig gebilligt. Derselbe entspricht im allgemeinen den für Drahtseilbahneu üblichen Konzessionen. lu Artikel 8 wird die Betriebskraft nicht genannt, damit, falls die Gesellschaft vom Wasserübergewicht zur Elektricität oder zu einem ändern System überzugehen wünscht, dies ohne Konzessionsänderung geschehen könne.

Wir empfehlen Ihnen den Beschlußentwurf zur Annahme und benützen auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 4. Oktober 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

365 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer Drahtseilbahn von Locamo zur Madonna del Sasso.

Dio Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Herren Muschietti, Varenna und Rigola in Locamo vom 20. April 1896 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Oktober 1897, beschließt: Den Herren Francesco M u s c h i e t t i , Giuseppe V a r e n n a und Domenico R i g o l a in Locamo wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und Betrieb einer Drahtseilbahn von Locarno zur M a d o n n a del S a s s o unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt : Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung linden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Art. 4.

oder weitern Wohnsitz in

Der Sitz der Gesellschaft ist in Locamo.

Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren der Schweiz haben, bestehen.

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Art. 5. Binnen einer Frist von 18 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betriebe der Bahn erforderlichen Einrichtungen, darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrate vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind.

Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8.

Die Bahn wird als Drahtseilbahn erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Tessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt,' hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt nur die Beförderung von Personen und Gepäck.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Ände-

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rangen nötig findet, können solche nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrates eingeführt werden.

Art. 14. Der Gesellschaft 'ist im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzusetzen.

Immerhin sind alle dahcrigen Projekte, welche sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, mindestens 14 Tage vor dem zu ihrer Ausführung bestimmten Zeitpunkte dem Eisenbahndepartèmente vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Die Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit bleibt dem Bundesrate vorbehalten.

Art. 15. Es wird nur eine Wagenklasse eingeführt, deren Typus durch den Bundesrat genehmigt werden muß.

Art. 16. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : 30 Rappen für die Bergfahrt, 15 ,, ,, ,, Thalfahrt.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, nach mit dem Bundesrate zu vereinbarenden Bedingungen Abonnementsbillete zu ermäßigter Taxe auszugeben.

5 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 30 Rappen per 100 Kilogramm bezogen werden.

Bei Festsetzung der Taxen wird das Gewicht nach Einheiten von 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg. für eine ganze Einheit gilt. Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch fünf ohne Rest teilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaften besitzt, erfolgen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 20 Rappen festgesetzt werden.

Art. 17. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

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Art. 18. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens 2 Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 19. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reingewinn abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 20. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 21. Für die Geltendmachung des Rückkaufrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons T cssin, gelten folgende Bestimmungen : «. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufs ist der Konzessionärin drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugohörcn. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung keine Genüge gethan werden und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

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e. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen 10 Jahre,7 die dein O ·> o Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen, -- sofern der Rückkauf zwischen dem J. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 221/2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages, -- unter Abzug der Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller ändern etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche'Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 22. Hat der Kanton Tessin den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es in Art. 24 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 23. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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06.10.1897

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