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Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Vollziehung des vorstehenden

Bundesbeschlusses.

B e r n , den 24. Dezember 1913.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend Massnahmen gegen Viehseuchen.

(Vom 30. Dezember 1913.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

In letzter Zeit haben Kantons-, Bezirks- und sogar Gemeindebehörden Veranlassung genommen, gegenüber den bedauerlicherweise von der Maul- und Klauenseuche heimgesuchten Kantonen oder Kantonsteilen ausserordentliche, den Verkehr hemmende Massnahmen verschiedenster Art zu ergreifen. Kantone erliessen Vieheinfuhrverbote gegen einander, sowie gegenüber Bezirken oder Gemeinden anderer Kantone, selbst Gemeinden gegenüber den Nachbarkantonen. Andere Erlasse zielten ab auf Quarantänemassregeln oder tierärztliche Untersuchungen an den Kantonsgrenzen, auf das Verbot der Fleisch-, Futter- und sogar Futtermitteleinfuhr aus einem Kanton nach dem anderen, auf die Zurückweisung gesunder Tiere nach dem Herkunftsort, auf die Beschränkung des Viehverkehrs im Innern durch das Mittel besonders zu erteilender Ausnahmebewilligungen. Schliesslich gab

35 sich noch die Absicht kund, auch den Verkehr mit Heu und Stroh über die Kantonsgrenzen von amtlichen Zeugnissen darüber abhängig zu machen, dass diese Waren nicht aus früher verseucht gewesenen Gehöften herkommen.

Wir waren schon wiederholt in der Lage, Ihnen die Auffassung der eidgenössischen Behörde über die gesetzliche Zulässigkeit, die Bedeutung und den Wert solcher Verkehrserschwerungen kundzugeben. Erstmals war dies der Fall, als wir Ihnen unter einlässlicher Begründung mit Kreisschreiben vom 12. Juni 1885 (Bundesbl. 1885, III, 376) mitteilten, dass eine Beschränkung des interkantonalen Viehverkehrs beim Auftreten der Maul- und Klauenseuche mit den Ansichten des Bundesrates überhaupt nicht im Einklang stehe. Noch im Jahr 1911 haben wir anlässlich wiederholter kantonaler Sperrmassregeln · die nämliche Haltung eingenommen und uqser Landwirtschaftsdepartement ermächtigt, unsern Standpunkt auch in Zukunft geltend zu machen. Die nähere Begründung hierzu ist in Nr. 19, Jahrgang 1911, der ,,Mitteilungen des schweizerischen Landwirtschaftsdepartements1'1 enthalten.

Die eingangs erwähnten Verhältnisse zwingen uns, neuerdings auf die Angelegenheit zurückzukommen und Ihnen unter Bestätigung unserer früheren Erlasse in Erinnerung zu rufen, dass nach dem Wortlaut des Artikels 15 des Bundesgesetzes über polizeiliche Massregeln gegen Viehseuchen, vom 8. Februar 1872, ohne Bewilligung des Bundesrates keine Erschwerung des Verkehrs zwischen den Kantonen stattfinden darf.

Alle derartigen Massnahmen sind geeignet, immer weitergehenden Einschränkungen und damit in Stadt und Land einer vollständigen Lahmlegung des Verkehrs- und Erwerbslebens zu rufen, ohne gleichzeitig den beabsichtigten Zweck zu erreichen.

Sie1 sind vielfach bloss der Ausfluss übertriebener Ängstlichkeit und ein offensichtliches Zeichen des Misstrauens gegenüber den seitens der betroffenen Kantone verfügten Anordnungen zur Eindämmung und Tilgung der Seuche. Der Bundesrat muss und darf voraussetzen, dass jede Kantonsregierung von der Notwendigkeit strenger und zweckmässiger Massnahmen auf eigenem Gebiet überzeugt und bestrebt ist, mit allen gesetzlich zulässigen Mitteln eine Schädigung der Nachbarkantone zu verhindern. Sollten die Behörden eines Kantons ihre Pflicht versäumen, so könnte unsere Intervention angerufen werden. Wir wären daher nur in Ausnahmsfällen in der Lage, interkantonale Verkehrsverbote nach Art. 15 des Gesetzes vom 8. Februar 1872 zu genehmigen. Sollte

36 eine Kantonsregierung glauben, eine solche Massregel einführen zu müssen, so hätte sie uns ihre Verfügung zur Genehmigung zu unterbreiten.

Soweit in jüngster Zeit solche Verkehrsbeschränkungen zu unserer Kenntnis gelangt sind, könnten wir denselben mit Rücksicht auf die Verhältnisse und die Form des Erlasses die Genehmigung nicht erteilen. Wir ersuchen Sie, allfällig noch bestehende interkantonale Verkehrserschwerungen, die von uns nicht genehmigt wurden, aufzuheben.

Dagegen halten wir darauf, dass die Bekämpfung der Seuche an Ort und Stelle, wo sie auftritt, wirksam gestaltet und ihrer Verschleppung dort erfolgreich vorgebeugt wird. Zur Erreichung dieses Ziels laden wir Sie ein, jede Ausstellung von Gesundheitsscheinen in den verseuchten oder seuchenverdächtigen Gemeinden zu verbieten und jede Ausfuhr aus solchen von Klauenvieh, Hunden, Geflügel, tierischen Rohstoffen (Häuten etc.), Milch, Heu, Stroh, Streue, Mist und von im landwirtschaftlichen Betriebe gebrauchten Werkzeugen und Geräten zu verhindern. Eine Ausnahme kann nur zugelassen werden für die Ausfuhr von Schlachtvieh, frischem Fleisch und von Milch, falls von Ihnen im einzelnen Falle zu bestimmende, genügende Vorsichtsmassregeln getroffen werden.

Dieser Verfügung ist bei allfälligen Neuausbrüchen vom ersten Seuche- oder Seucheverdachtsfall an strengste Nachachtung zu verschaffen. Hat die Seuche mehrere Gemeinden eines Bezirks ergriffen, oder erscheinen Nachbargemeinden gefährdet, so ist die Massnahme auch auf diese auszudehnen. Fällt das Nachbargebiet eines Kantons in Betfacht, so sind mit der zuständigen Behörde desselben ohne Verzug geeignete Massnahmen zu vereinbaren.

Die Organe der eidgenössischen Viehseuchenpolizei stehen zur Unterstützung der kantonalen Behörden und zur Besprechung und eventuellen Schlichtung von Verkehrsanständen jederzeit zur Verfügung.

Im übrigen empfehlen wir Ihnen nach wie vor die genaue Anwendung der Vorschriften der eidgenössischen Vollziehungsverordnung vom 14. Oktober 1887, insbesondere auch des Artikels 33, der Sie ermächtigt, über Vieh aus den von der Seuche betroffenen Kantonen die Quarantäne am Bestimmungsort zu verhängen. Im fernem erscheint dringend geboten, dass die den Kantonen zustehenden Bewilligungen zur Abhaltung von Viehmärkten während der gegenwärtigen kritischen Periode auf das allernotwendigste beschränkt werden. Dazu soll man sich in jedem einzelnen Fall über das übliche Einzugsgebiet des be-

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treffenden Marktes mit Bezug auf die Seuche- und Verschleppungsgefahr genaue Rechenschaft geben, und es sollen dabei stets auch die Verkehrsverhältnisse der mitbeteiligten Nachbarkantone in gebührender Weise berücksichtigt werden. Dass Viehmärkte und Ausstellungen in verseuchtem und verdächtigem Gebiet einzustellen und, wo sie überhaupt abgehalten werden, tierärztlicher Kontrolle zu unterwerfen sind, ist gegeben. Auch die periodische Anwendung dieser letzteren auf .die Ställe berufsmässiger Viehhändler ist in hohem Grad empfehlenswert.

Ein Hauptaugenmerk ist auf die Überwachung der Reinigung · und Desinfektion des Eisenbahntransportmaterials zu werfen ; wir bitten Sie angelegentlichst, nach dieser Richtung hin Ihre Bemühungen mit den unserigen zu vereinigen.

Schliesslich laden wir Sie noch ein, dafür besorgt zu sein, dass Widerhandlungen gegen die auf Grundlage dieses Kreisschreibens getroffenen Anordnungen nach Massgabe des Artikels 103 der Vollziehungsverordnung vom 14. Oktober 1887 bestraft werden.

Indem wir gerne Ihre Rückäusserung darüber gewärtigen, dass Sie die im Widerspruch mit unserer Auffassung stehenden Erlasse aufgehoben haben, empfehlen wir Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz.

B e r n , den 30. Dezember 1913.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend Massnahmen gegen Viehseuchen. (Vom 30. Dezember 1913.)

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