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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Änderung des Bundesbeschlusses über Annäherung von Tarifen konzessionierter Bahnunternehmungen an jene der Schweizerischen Bundesbahnen (Vom 3.Dezember 1962)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

0

Der Bundesbeschluss vom 5. Juni 1959 über Annäherung von Tarifen konzessionierter Bahnunternehmungen an jene der Schweizerischen Bundesbahnen (Tarifannäherungsbeschluss) ist am 1.Oktober 1959 für den Personen-, Gepäck und Expressgutverkehr (AS 1959, 801) und am 1.Januar 1962 für den Güterverkehr (AS 1961,1058) in Kraft getreten. Um auf gewissen, bis jetzt nicht unter die Bestimmungen des Bundesbeschlusses fallenden Bahnunternehmungen Einheimischenbillette einführen zu können, beantragen wir Ihnen die Änderung von Artikel 2, Absatz l in dem Sinne, dass die unter Buchstabe a aufgeführten Bedingung für die Anwendung des Bundesbeschlusses fallen gelassen wird.

I. Die geltende Abgrenzung des Bundesbeschlusses in bezug auf das Tarifniveau konzessionierter Bannunternehmungen

Eine Bahnunternehmung muss drei Voraussetzungen erfüllen, damit sie : unter die Tarifannäherung fällt : - sie muss eine wirtschaftlich wenig oder nur einseitig entwickelte Landesgegend in Berggebieten bedienen; - sie müssen in der Regel eine Betriebslänge von wenigstens 20 Kilometern aufweisen ; - die Tarife müssen jene der Schweizerischen Bundesbahnen um durchschnittlich mehr als 40 Prozent übersteigen.

Diese letzte Bedingung steht im folgenden allein zur Diskussion. Sie hat zu einem Ergebnis geführt, das wir an einem Beispiel erläutern.

Die Distanzzuschläge der Berner Alpenbahn-Gesellschaf t Bern-Lötschberg-Simplon (BLS) und der Bodensee-Toggenburg-Bahn (BT) zu den effektiven Entfernungen betragen auf den einzelnen Teilstrecken bei der BLS:

1443 Prozent

Spiez-Frutigen 20 Thun-Bönigen 50 Frutigen-Brig 50 Haupttunnel 100 bei der BT: Komanshorn-St. Gallen 3-24 St. Gallen-Wattwil 31 Wattwil-Ebnat-Kappel 0 Ebnat-Kappel-Nesslau-Neu St. Johann 40 Daraus erhellt, dass die mittlere Überhöhung bei der BLS mehr, bei der BT weniger als 40 Prozent beträgt.

Der Bundesrat konnte daher den Bundesbeschluss ohne weiteres auf die BLS anwendbar erklären, nicht aber auf die BT, obschon diese die übrigen gesetzlichen Bedingungen ebenfalls erfüllt (mit Ausnahme einiger Teilstrecken, welche Besonderheiten hier aber nicht von Bedeutung sind).

Die Einheimischen der durch die BLS bedienten Berggebiete kommen folglich in den Genuss der auf das SBB-Niveau ermässigten Taxen, und zwar auch auf der Strecke Spiez-Frutigen, wo die Überhöhung nur 20 Prozent beträgt, während den Bewohnern des Toggenburg trotz Distanzzuschlägen bis zu 40 Prozent keinerlei Ermässigung auf der BT eingeräumt wird.

Diese offensichtlich ungleiche Behandlung ist nicht auf einen Irrtum zurückzuführen, sondern ergibt sich aus der konsequenten Anwendung eines im Beschluss aufgestellten Grundsatzes. Mit dem Erfordernis der durchschnittlichen Tarifüberhöhung von wenigstens 40 Prozent und der Betriebslänge von (in der Regel) wenigstens 20 Kilometern sollte vermieden werden, dass die Aufwendungen des Bundes für nur geringe Taxreduktionen, die auf die wirtschaftliche Entwicklung der bedienten Landesgegend keinen fühlbaren Einfluss auszuüben vermöchten, zu Unrecht erfolgten. Bei der BT z. B. würde sich die Herabsetzung der Taxen für die Strecke Nesslau-Neu St. Johann-St. Gallen auf das Niveau der SBB-Tarife wie folgt auswirken: Tarifkilometer

Heute Bei Angleichung Unterschied

59 45

Einfache Fahrt Fr.

Hin- und Rückfahrt Fr.

6.80 5.20 1.60

10.20 7.60 2.60

Übrigens wären bei Anwendung des Tarifannäherungsbeschlusses auf Unternehmungen mit durchschnittlichen Überhöhungen von 40 oder weniger Prozenten Taxermässigungen nur im Einheimischenpersonenverkehr eingetreten, weil im allgemeinen Personenverkehr, für Gepäck, Expressgut, Güter und lebende Tiere die Annäherung auf 140 Prozent beschränkt worden ist. In diesen Verkehrsarten blieben die Tarifentfernungen auf Linien, auf denen der Distanz-

1444 Zuschlag beim Inkrafttreten des Bundesbeschlusses 40 Prozent nicht überstieg, gestützt auf Artikel 3, Absatz 2, letzter Satz, ohnehin unverändert.

u. Neue Beurteilung auf Grund der Auto-Tarifannäherung Am 1. Januar 1963 tritt der Bundesratsbeschluss vom 16. Juli 1962 über Annäherung von Personentarifen der Post-, Telephon- und Telegraphenbetriebe und konzessionierter Automobilunternehmungen (Auto-Tarifannäherungsbeschluss, AS 1962, 861) in Kraft. Es handelt sich dabei um eine Ergänzung zur Bahntarifannäherung im Sinne der Interpellation Germanier im Nationalrat zugunsten von Berggebieten, die durch den Strassenverkehr bedient werden.

Die Auswahl der durch die neuen Massnahmen berührten Automobillinien wurde durch sinngemässe Anwendung der im Beschluss vom 5. Juni 1959 enthaltenen Kriterien vorgenommen.

Wo diese Strassentransportbetriebe gewissermassen Fortsetzungen von Eisenbahnlinien darstellen, kann man sich nun nicht darauf beschränken, den Beförderungspreis nur des einen Transportmittels zu würdigen. Es muss vielmehr die von den Bergbewohnern auf dem Weg ins Tal zurückgelegte Gesamtstrecke in Betracht gezogen werden, damit Personen, die zwei verschiedene Transportmittel benützen müssen, gegenüber jenen, die mit einem Transportmittel auskommen, gleich behandelt werden.

Mehrere im Bundesratsbeschluss vom 16. Juli 1962 aufgeführte Automobillinien schliessen - um nochmals auf das Toggenburg zurückzukommen - an das Netz der BT an. Infolgedessen sind die für die Strecke Nesslau-Neu St. Johann-St. Gallen erwogenen Taxreduktionen nicht mehr für sich allein zu beurteilen, sondern sie sind zu den auf den anschliessenden Automobillinien gewährten Ermässigungen hinzuzuzählen.

Für die Strecke Wildhaus-St. Gallen ergeben sich folgende Preisdifferenzen für Einheimischenbillette zweiter Klasse : ohne Annäherung PTT BT

Einfache Fahrt

Fr.

Fr.

4.80 10.20

3.-- 6.80

Total mit Annäherung PTT BT

Hin- und Rückfahrt

9.80

1.80 5.20

15.--

2.80 7.60

Total 7.-- 10.40 Unterschied 2.80 4.60 Überhöhung in Prozenten der niedrigsten Taxen 40 Prozent 44 Prozent Preisüberhöhungen von dieser Grössenordnung sind schon in verschiedenen Regionen für die Tarifannäherung berücksichtigt worden. Es entspricht folglich der Absicht des Gesetzgebers, auch konzessionierte Bahnunternehmungen, mit

1445 den vorerwähnten Merkmalen der BT in die Tarifannäherung einzubeziehen, doch lässt dies der Text von Artikel 2, Absatz l, Buchstabe a des Bundesbeschlusses nicht zu. Wir beantragen Ihnen daher, diese Bedingungen der minimalen Überhöhung fallen zu lassen.

III. Finanzielle Auswirkung, Form und Inkrafttreten der Änderung , Wenn Sie unserem Vorschlag zustimmen, werden wir prüfen, welche konzessionierte Bahnunternehmungen dem heutigen Verzeichnis beigefügt werden können, und diese gemäss Artikel 2, Absatz 8 des Bundesbeschlusses durch Verordnung bezeichnen. Ausser der als Beispiel aufgeführten BT dürfte jedenfalls auch die Chemin de fer Eégional du Val-de-Travera (EVT) in Frage kommen, die ausschliesslich im Berggebiet liegt und an die ebenfalls Automobillinien anschliessen.

Es ist demnach eine Erweiterung der Eegionen 5 und 11 in Erwägung zu ziehen. Die zusätzliche Belastung für den Bund hält sich jedoch in bescheidenem Eahmen, da die Neuerung nur den Einheimischenpersonenverkehr berührt. Wir schätzen sie auf 200 000 Franken pro Jahr. Diese Summe kann in dem für die Tarifannäherung budgetierten Globalbetrag, der für das Jahr 1963 26 Millionen Franken beträgt, als Inbegriffen betrachtet werden.

Mit Eücksicht auf die kleine Zahl der in Frage kommenden Unternehmungen haben wir verzichtet, den Bundesbeschluss durch eine Sonderbestimmung zu ergänzen, worin auf die Auto-Tarifannäherung Bezug zu nehmen gewesen wäre. Da diese letzte Massnahme mit einem Bundesratsbeschluss eingeführt worden ist, musste vermieden werden, zwei Erlasse verschiedener Gesetzgebungsstufen miteinander zu verbinden.

Der Entwurf sieht vor, dass der Zeitpunkt des Inkrafttretens durch uns zu bestimmen ist, wobei dieser Zeitpunkt mit dem Beginn einer Abrechnungsperiode der Bahnen zusammenfallen muss.

Zur Verfassungsmässigkeit der Vorlage haben wir keine Bemerkungen anzubringen.

Gestützt auf diese Darlegungen haben wir die Ehre, Ihnen den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zur Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den S.Dezember 1962.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : P. Chaudet Der Bundeskanzler: Ch. Oser

1446 (Entwurf)

Bimdesbeschluss betreffend

die Änderung des Bundesbeschlusses über Annäherung von Tarifen konzessionierter Bahnunternehmungen an jene der Schweizerischen Bundesbahnen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom S.Dezember 1962 1), beschliesst : I

Der Bundesbeschluss vom 5. Juni 1959 2) über Annäherung von Tarifen konzessionierter Bahnunternehmungen an jene der Schweizerischen Bundesbahnen wird wie folgt geändert : ,, Art. 2, Abs. l Die Bestimmungen dieses Beschlusses finden Anwendung auf die Tarife konzessionierter Bahnunternehmurigen, welche wirtschaftlich wenig oder nur einseitig entwickelte Landesgegenden in Berggebieten bedienen.

1

II

Der Bundesrat wird beauftragt, gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmungen über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranlassen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festzusetzen.

!)

BEI 1962, II, 2 ) AS 1959, 801.

7022

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Änderung des Bundesbeschlusses über Annäherung von Tarifen konzessionierter Bahnunternehmungen an jene der Schweizerischen Bundesbahnen (Vom 3.Dezember 1962)

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1962

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8625

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13.12.1962

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