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II. Bericht » des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1914).

(Vom 24. November 1914.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten Ihnen über nachfolgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen : 15. Fritz Braun, geb. 1894, Fabrikarbeiter, und Fritz Gammenthaler, geb. 1895, Landarbeiter, beide in der Stegmatte bei Uttigen.

(Übertretung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz.)

Die Obgenannten machten am 26. September 1914 gegen Abend, bewaffnet je mit einem Flobertgewehr, in der Gemeinde Uttigen Jagd auf Eichhörnchen. Als sie vom Polizisten betroffen wurden, hatten sie bereits ein solches Tierchen erlegt, und von einem ändern, das sie noch bei sich trugen, behaupteten sie, es tot in einem Wassertümpel aufgefunden zu haben. Sie gestanden ihre Tat vor dem Polizeilichter von Seftigen ohne weiteres ein unter der Begründung, sie hätten beabsichtigt, die Tiere ausstopfen zu lassen. In Anwendung des Art. 21, Ziffer 5, lit. «, des Jagdgesetzes verurteilte sie der Richter wegen Jagens ohne Jagdberechtigung und während der geschlossenen Jagdzeit am 6. Oktober 1914 zu je Fr. 40 Geldbusse und je Fr. 3 Staatskosten. Das Urteil nahmen beide an.

Gammenthaler und Braun kommen nun um gnadenweisen Erlass der Hälfte der auferlegten Bussen ein, da sie gegenwärtig mittel- und arbeitslos seien. Die Ortspolizeibehörde schliesst sich dem Gesuche an. Der Regierungsstatthalter von Seftigen beantragt ebenfalls Entsprechung.

Der Straftatbestand ist gesetzlich einwandfrei festgelegt; die Übertretung wurde von beiden in Gemeinschaft begangen in

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der offenbaren Absicht, ihrer Jagdlust zu genügen. Ihr gegenwärtiger Mangel an Vermögen und die vorübergehende Verdienstlosigkeit sind nicht derart, dass sie einen teilweisen Erlass der vom Richter auf das Mindestmass bemessenen Geldbusse zu rechtfertigen vermöchten.

A n t r a g : Fritz Braun und Fritz Gammenthaler seien mit ihren Begnadigungsgesuchen abzuweisen.

16. Albert Eggenschwiler, geb. 1887, Bahnarbeiter, wohnhaft in Basel.

(Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz.)

Albert Eggenschwiler erlegte am 26. Oktober 1914 in der Nähe des S. B. B.-Depots in Basel einen zwischen den Geleisen vom "Wolfbahnhof her ihm entgegenlaufenden Hasen, und zu Hause verzehrte er ihn. Wie er behauptet und der vorzeigende Polizeimann bestätigt, hatte sich der Hase bei dem raschen Laufe auf dem Bahngeleise mehrmals überschlagen und blutete derselbe aus schweren Verletzungen. Wegen Übertretung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz, Art. 21, wurde Eggenschwiler am 5. November 1914 infolge Erlegens von Wild ohne Jagdberechtigung durch das Polizeigericht des Kantons Basel-Stadt zu Fr. 40 Geldbusse verurteilt.

Er ersucht um Strafnachlass, da er sich einer strafbaren Handlung nicht bewusst gewesen sei. Der geschädigte Jagdpächter habe keine Entschädigung verlangt. Er selber sei vermögenslos und erhalte geringen Verdienst.

Da es sich um ein bereits verwundetes Tier handelte, das zu töten durch die Umstände geboten war, erscheint es gerechtfertigt, die auferlegte Busse auf die Hälfte zu ermässigen.

A n t r a g : Es sei die dem Albert Eggenschwiler auferlegte Geldbusse von Fr. 40 durch Begnadigung auf Fr. 20 festzusetzen.

17.

Julius Schindler, geb. 1895, Lehrling in Studen bei Biel.

(Übertretung des Jagdgesetzes.)

Im vergangenen Sommer fing Schindler an der Aare bei Studen einen aufgescheuchten, jungen Hasen ein und hielt denselben trotz Abratens eines Kameraden zu Hause gefangen. Nach erfolgter Vorzeigung und in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz verurteilte ihn der Polizeirichter von Nidau am 7. Oktober 'J914 wegen Ein-

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fangens von Jagdwild während der geschlossenen Jagdzeit zu Fr. 40 Geldbusse und Fr. 8. 50 Gerichtskosten.

Julius Schindler bittet nunmehr, ihm die Strafe ganz oder teilweise zu erlassen, da er kein Vermögen besitze, im Jahre bloss Fr. 100 Verdienst habe und sich der Grosse seines Vergehens nicht klar gewesen sei. Das Gesuch wird vom Gemeinderat von Studen warm empfohlen, ebenso vom Regierungsstatthalter von Nidau.

Schindler verteidigte sich vor Gericht mit der Angabe, er habe das Wild nachträglich wieder in Freiheit gesetzt, was aber durch die von ihm angerufenen Zeugen nicht bestätigt wurde.

Die Einwendung ist zudem ohne Bedeutung, da das Jagdgesetz schon das blosse Einfangen von Jagdwild, abgesehen von einer nachfolgenden weiteren Verwendung, unter Strafandrohung stellt.

Der Richter hat für die Tat das Mindestmass der vom Gesetze aufgestellten Bussenhöhe ausgesprochen. Schindler war zur Zeit der Begehung vollkommen straffähig, und geringer Verdienst und gänzliche Vermögenslosigkeit entschuldigen die Polizeiübertretung keineswegs.

A n t r a g : Julius Schindler sei mit seinem Begnadigungsgesuch abzuweisen.

18. Johann Plazis Benz, von und in Neuenhof (Kanton Aargau) geb. 30. Mai 1899, ohne Beruf.

(Vorsätzliche Gefährdung eines Eisenbahnzuges.)

Am 19. Mai 1914 wurde ein sogenannter Probezug mit sechs neuen Personenwagen von Zürich nach Brugg geführt, begleitet von Zugführer Anton Hasler. Bei der Blockstation zwischen Killwangen und Wettingen schaute Hasler aus einem geöffneten Wagenfenster und bemerkte dabei einen Knaben, der eben im Begriff war, von der erhöhten Böschung einen Stein gegen den Zug zu werfen auf eine Entfernung von zirka 8 Bieter. Hasler drohte dem Knaben mit der geballten Faust, im nämlichen Momente aber holte dieser zum Wurfe aus, Hasler bückte sich, und der Stein flog an seinem Kopfe vorbei durch das Fenster in den Wagen. Ein zweiter Stein, der unzweifelhaft von dem nämlichen Knaben geworfen wurde, prallte am Dache eines Wagens ab.

Nach Ankunft in Brugg fuhr Hasler sofort nach Wettingen zurück, um den Täter festzustellen. Er fand in der Nähe des Tatortes den Knaben Johann Plazis Benz und erkannte ihn bestimmt als denjenigen, der den Stein geworfen. Ein Bahnwärter

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Widmer bestätigt, dass zur kritischen Zeit aiemand auf dem Platze gewesen sei, dem die Tat zugerechnet werden könnte, als der Knabe Benz, und dieser legte gegenüber dem Zugführer Hasler und dem Stationsvorstand Rüegg von Wettingen, zu dem er geführt wurde, das Geständnis ab, die Steine geworfen zu haben. Später widerrief er allerdings dieses Geständnis mit der Behauptung, es sei ihm durch Drohungen erpresst worden, was aber von Hasler und Rüegg bestritten wird.

Vom Bezirksgericht Baden wurde Benz der vorsätzlichen Eisenbahngefährdung schuldig erklärt und nach Feststellung seiner Zurechnungsfähigkeit verurteilt zu zwei Tagen Gefangenschaft und Tragung der Kosten mit Inbegriff einer Staatsgebühr von 10 Franken. Das jugendliche^ Alter des Täters wurde als Milderungsgrund berücksichtigt.

Benz stellt das Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe, wobei geltend gemacht wird, dass der Richter nach der Novelle zu Art. 67 des Bundesstrafrechtes vom 5. Juni 1902 blosse Geldbusse hätte aussprechen können und dies mit Rücksicht auf die Jugend des Fehlbaren auch hätte tun sollen.

Diese Argumentation trifft aber deswegen nicht zu, weil sich jene Gesetzesänderung nur auf die Fälle der fahrlässigen Gefährdung der Sicherheit des Eisenbahnverkehres bezieht und es sich im vorliegenden Fall urn eine vorsätzliche Tat handelt, durch welche ein Mensch in erheblicher Weise gefährdet wurde.

Gegenüber solchen Vergehen droht der Gesetzgeber Gefängnisstrafe an, und was die Ausmessung anbetrifft, so sind vom Richter die für Strafmilderung sprechenden Tatsachen in durchaus genügender Weise berücksichtigt worden.

W i r b e a n t r a g e n : Das Begnadigungsgesuch des Johann Plazis Benz sei abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 24. November 1914.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der ßund'espräsident:

Hoffmann.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1914). (Vom 24. November 1914.)

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