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Bericht des

Bundesrates an die Kommission des Ständerates über einzelne Artikel des vom Nationalrat behandelten Entwurfes für ein Fabrikgesetz und dessen Anpassung an die internationalen Arbeitenschutzverträge.

(Vom 23. Januar 1914.)

Anlässlich der Beratung des Fabrikgesetzentwurfes im Nationalrate haben wir in Beziehung auf verschiedene Gesetzesbestimmungen eine nochmalige Prüfung in Aussicht gestellt.

Überdies haben wir erklärt, dass eine Anpassung gewisser Vorschriften des Entwurfes an die internationalen Verträge über Arbeiterschutz erforderlich sei. Wir beehren uns nunmehr, Ihnen darüber nachstehend Bericht zu erstatten.

I.

Eine Nachprüfung haben wir eintreten lassen für folgende Bestimmungen : 1. Zu Art. l hat Herr Nationalrat Burckhardt eine andere Redaktion vorgeschlagen, die er indessen selbst als eine Anregung bezeichnet. Sein Antrag lautet folgendermassen :

,,Art. 1. Dieses Gesetz ist anwendbar auf alle in der Schweiz bestehenden Fabriken.

Als Fabrik im Sinne dieses Gesetzes kann nur eine industrielle Anstalt bezeichnet werden, die mehrere Arbeiter ausserhalb ihrer Wohnräume beschäftigt, sei es in den Fabrikräumen in Zusammenhang stehen.

156 Die nähern Merkmale der diesem Gesetze unterstellten Anstalten werden innerhalb der von Absatz l gezogenen Schranken vom Bundesrate im Wege der VolIziehungsVerordnung festgesetzt."

Obwohl wir anerkennen, dass diese Fassung vieles für sich hat, so können wir uns doch nicht entschliessen, eine Änderung, des Wortlautes von Art. l zu befürworten, da dieser die Frucht langer und mühsamer Beratungen, namentlich auch im Schosse der nationalrätlichen Kommission, ist und da jede Redaktionsänderung geeignet ist, in den beteiligten Kreisen Anstosszu erregen.

2. Bei Beratung von Art. l hat Herr Nationalrat Göttisheim auf die Stellung der Depot- und Betriebswerkstätten der Eisenbahnen zum Fabrikgesetz hingewiesen (Stenogr. Bulletin 1913, Seite 514). Sollen, so stellt sich die Frage, die Depots und Werkstätten, sowie andere mit dem Bahnbetriebe zusammenhängende Anstalten, wie namentlich auch Kraftstationen, dem Fabrikgesetz unterstellt werden oder nicht? Über die Anwendung dieses Gesetzes auf die grossen Reparaturwerkstätten dürfte wohl Einigkeit bestehen. Diese stehen mit dem Bahnbetrieb direkt nicht in Beziehung. Anders verhält es sich aber mit den Depots, Werkstätten und Kraftzentralen, die direkte Wechselbeziehungen mit dem Bahnbetrieb haben. Die Frage wurde vom Bundesrate am 1. März 1901 zufolge eines Rekurses der schweizerischen Centralbahn in Beziehung auf die eine Kategorie solcher Betriebe durch folgenden Beschluss gelöst: ,,1. Das Gesuch des Direktoriums der schweizerischen Centralbahn betreffend Streichung der Reparaturwerkstätte in Basel von der Fabrikliste wird abgelehnt.

2. Für die Regelung der Arbeits- und Ruhezeit in genannter Werkstätte werden die Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Transportanstalten als anwendbar erklärt.

3. Die Departemente der Eisenbahnen und der Industrie werdenermächtigt, im Bedürfnisfalle auch andere Eisenbahn- oder Dampfschififwerkstätten im Sinne von Ziffer 2 zu behandeln."

(Vergi. Geschäftsbericht des Industriedepartements von 1901.)

Es mag fraglich sein, ob diese Lösung den Bestimmungen der gegenwärtigen Gesetzgebung entspricht. Unbestreitbar ist dagegen, dass die vollständige Anwendung des Fabrikgesetzes, namentlich in seinen Bestimmungen über Arbeits- und Ruhezeit, tatsächlich für solche-Anstalten als unmöglich erscheint, und dieser Umstand

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drängte zu einer transaktionellen Regelung. Ob die im Jahre 1901 getroffene Lösung eine vollständig befriedigende ist, und namentlich, ob sie auf Kraftstationen unveränderte Annahme finden kann, bleibt dahingestellt.

So viel steht fest, dass die Vorschriften des Fabrikgesetzes über Nachtarbeit, ununterbrochenen Betrieb und ähnliche Verhältnisse sich für Betriebe, die mit dem Eisenbahnverkehr in direktem Zusammenhang stehen, nicht eignen, und dass Bewilligungen der kantonalen Behörden oder des Industriedepartements nicht in Frage kommen können, wo der Bahnbetrieb, der vom Bunde speziell beaufsichtigt wird, seine Forderungen stellt. Anderseits ist es nicht ausgeschlossen, dass gewisse Bestimmungen des FabrikgeseUes auch für Anstalten, die mit dem Eisenbahnbetrieb zusammenhängen, passend sind. Für andere jedoch wird vielleicht die Anwendung der Eisenbahngesetzgebung allein angemessen sein und genügen.

Wir halten nun dafür, dass alle drei Lösungen, die Anwendung des Fabrikgesetzes, die der Eisenbabngesetzgebung und endlich eine Kombination der beiden Gesetzgebungen möglich sein und durch den Wortlaut des Entwurfes nicht ausgeschlossen werden sollte. Nur wenn diese drei Auswege offen stehen, kann den praktischen Bedürfnissen auf alle Fälle Genüge geschehen.

Nach dem vorliegenden Texte ist eine Lösung, wie wir sie vorsehen, eigentlich nicht zulässig. Eine elektrische Kraftstation beispielsweise fällt zweifellos unter den Begriff der Fabrik.

Keine gesetzliche Bestimmung erlaubt, die Fabrikgesetzgebung dann nicht oder nur zum Teil anzuwenden, wenn eia Kraftwerk einer Eisenbahnunternehmung gehört und von ihr in Zusammenhang mit der Bahn betrieben wird. Und doch ist es absolut notwendig, dass eine solche Verfügung getroffen werden kann.

Unseres Erachtens ist es durchaus unmöglich, die Vielgestaltigkeit der Bedürfnisse in einem Gesetzesartikel zu berücksichtigen. Es bleibt nur ein befriedigender und praktischer Ausweg: er besteht darin, dass der Bundesrat ermächtigt wird, nach Massgabe der Verhältnisse über die Anwendung der Eisenbahn- und Fabrikgesetzgebung zu entscheiden. Diese Lösung erscheint um so unanfechtbarer, als es sich um Unternehmungen handelt, die bereits unter einem ändern Gesichtspunkte vom Bunde beaufsichtigt werden. Mit dem Entscheide über die Anwendung der materiellen Gesetzgebung soll dem Bundesrate auch die Ordnung der Kontrolle anvertraut werden. Eine doppelte Beaufsichtigung durch die Organe des Eisenbahndepartements und die Behörden,

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die sich mit dem Vollzuge des Fabrikgesetzes befassen, solltetunlichst vermieden werden, da sich sonst die eine Kontrolle auf die andere verläset und schliesslich niemand gehörig zusieht.

Wir schlagen Ihnen daher vor, als Art. 2bis eine Bestimmung, aufzunehmen mit folgendem Wortlaut: ,,Art. 2bis. Für W e r k s t ä t t e n , Depots, K r a f t s t a t i o n e n und ähnliche Anstalten, die zu Verkehrsanstalten gehören und mit deren Betrieb in direktem Zus a m m e n h a n g s t e h e n , e n t s c h e i d e t d e r B u n d e s r a t nach M a s s g a b e d e r V e r h ä l t n i s s e ü b e r d i e A n w e n d u n g der Eisenbahn- und Fabrikgesetzgebung und über die A u s ü b u n g der Aufsicht."

Selbstverständlich wird das Eisenbahndepartement und die Verwaltung der Bundesbahnen beim Erlass der Bestimmungen, die sich auf diesen Gresetzesartikel stützen, mitzuwirken haben.

3. Im Anschluss an Art. 4 und 5 gestatten wir uns noch eine Anregung zu machen. Sie bezieht sich auf das Verhältnis zum Starkstromgesetz. Art. 4 sieht vor, dass der Fabrikinhaber zur Verhütung von Krankheiten und Unfällen alle Schutzmittel einzuführen hat, die nach der Erfahrung notwendig und nach dem Stande der Technik und den gegebenen Verhältnissen anwendbar sind.

Nach Art. 5 steht den Kantonsregierungen die Genehmigung der Anlage zu, und es werden die kantonalen Bauvorschriften noch besonders vorbehalten.

Es erscheint ohne weiteres als gegeben, dass für Fabrikanlagen und Einrichtungen, soweit elektrische Installationen irgendwelcher Art in Betracht kommen, die Vorschriften des Starkstromgesetzes und der in dessen Vollzug erlassenen Verordnungen zur Anwendung gelangen. Es dürfte aber angemessen sein, noch ausdrücklich darauf hinzuweisen und einen bezüglichen Vorbehalt anzubringen, um die Möglichkeit von Kompetenzkonflikten auszuschliessen. Wir schlagen vor, als Art. 5biB eine Bestimmung aufzunehmen, mit folgendem Wortlaut: ,,Art. 5 bis . Die V o r s c h r i f t e n des B u n d e s über e l e k trische Anlagen bleiben vorbehalten."

4. Bei Art. 31, ,,eidgenössische Werkstättenkommission"', wurde bereits im Nationalrate geltend gemacht, dass die Verbände der Werkstättenarbeiter der Bundesbahnen wünschen, es solle die vorgesehene Bestimmung auf die Werkstätton der Bundes-

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bahnen keine Anwendung finden. Seither haben wir mit Vertretern des Personals konferiert, die uns den gleichen Wunsch aussprachen. Der Verband der ändern eidgenössischen Werkstättenarbeiter (namentlich Militärwerkstätten) dagegen ist grundsätzlich mit der Institution einverstanden.

Da seinerzeit die eidgenössische Werkstättenkommission im Fabrikgesetz auf Wunsch und im Einverständnis der Vertreter der organisierten Arbeiterschaft, und um dieser entgegenzukommen, Aufnahme gefunden hat, so besteht kein Grund, sie für die Werkstätten der Bundesbahnen aufrechtzuerhalten, nachdem die Beteiligten nichts davon wissen wollen. Es ist ja auch zuzugeben, dass bei den Bundesbahnen, wo die Werkstätten besondern Ingenieuren und den sachverständigen Kreisdirektionen unterstellt sind, das Bedürfnis nach einer Kommission, die Konflikte begutachtet, weniger vorhanden ist, als für die ändern, ähnlichen Anstalten des Bundes. Bei diesen letztern ist es für 'den Departementschef und den Bundesrat oft schwierig, sich ein zuverlässiges Bild zu machen. Da wird die eidgenössische Werkstättenkommission Dienste leisten können, und für diese Betriebe möchten wir sie aufrechterhalten.

Selbstverständlich muss für die Werkstätten der Bundesbahnen die Kompetenz der kantonalen Einigungsstellen ausgeschlossen bleiben, aus Gründen, die wir in unserm Berichte vom Juni 1913 entwickelten.

Diese Ausführungen haben zur Folge, dass Art. 31--33 folgendermassen zu fassen sind : ,,Art. 3 1 . D e r B u n d e s r a t b e s t e l l t e i n e e i d g e n ö s s i s c h e W e r k s t ä t t e n k o m m i s s i o n , w e i c h e Beschwerden zu untersuchen und zu begutachten hat, die von ein er M e h r z a h l v on A r b e i t e r n e i d g e n ö s s i s c h er W e r k stätten ausgehen und sich auf allgem eine Ar beitsv e r h ä l t n i s s e b e z i e b e n . D i e U n t e r s u c h u n g t r i t t ein, wenn eine direkte B e i l e g u n g d e r M e i n u n g s v e r schiedenheiten zwischen der Verwaltung und den A r b e i t e r n n i c h t m ö g l i c h ist.

Die Beschlussfassung über die Beschwerden der A r b e i t e r steht dem B u n d e s r a t e zu.

Der Bundesrat kann die eidgenössische Werks t ä t t e n k o m m i s s i o n j e d e r z e i t und o h n e 'dass Beschwerden eingegangen wären beauftragen, die Verhältnisse in Werkstätten zu untersuchen und

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allgemein oder über bestimmte Fragen Bericht zu erstatten.

Art. 32. Die e i d g e n ö s s i s c h e W e r k s t ä t t e n k o m mission besteht aus einem Präsidenten und zwei weitern ständigen, sowie vier im einzelnen Falle zugezogenen Mitgliedern. Eines der ständigen Mitglieder soll V e r t r a u e n s m a n n der Arbeiterschaft s e i n ; z w e i d e r i m e i n z e l n e n F a l l e z u g e z o g e n e n M it g l i e d e r s i n d , n a c h E n t g e g e n n a h m e e i n e s V o r s c h i âges d e r Arbeiterschaft, d e n W e r k s t ä t t e n z u e n t n e h m e n , a u f d i e s i c h d i e Tätigkeit d e r K o m m i s s i o n b e z i e h e n wird.

Art. 3 3 . D i e w e i t e r n V o r s c h r i f t e n ü b e r d i e O r g a n i s a t i o n , sowie die Befugnisse und d a s Ver f a h r e n der eidgenössischen Werkstättenkommission werden durch V e r o r d n u n g des Bundesrates aufgestellt.

A r t . 33bis. A u f d i e W e r k s t ä t t e n d e r s c h w e i z e rischen Bundesbahnen finden weder dieV o r schriften über die kantonalen Einigungsstellen ( A r t . 26--30bis), n o c h d i e ü b e r d i e e i d g e n ö s s i s c h e W e r k s t a t t en ko m m i s s i on Anwendung."

5. In Art. 75 wird bestimmt, dass der Bundesrat als Kontrollorgane eidgenössische Fabrikinspektorate einrichte.

Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass sich jetzt schon andere Inspektorate an der Aufsicht über Fabriken beteiligen, und zwar insbesondere für die Dampfkessel- und Starkstromanlagen.

Die Verordnung des Bundesrates betreffend Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln und Dampfgefässen, vom 16. Oktober 1897, bestimmt in Art. 27 : ,,Die Kantonsregierungen bezeichnen die Prüfungsbeamten, -die zur Vornahme der in der gegenwärtigen Verordnung aufgeführten amtlichen Handlungen ermächtigt sind.

Sie können dem schweizerischen Verein von Dampfkesselbesitzern die Vornahme aller gemäss gegenwärtiger Verordnung erforderlichen Begutachtungen, Prüfungen, Revisionen usw. übertragen.

Die von diesem Verein bei seinen Mitgliedern ausgeführten Prüfungen und Untersuchungen werden, sofern sie der gegen-

161 wärtigen Verordnung entsprechen, bis auf weiteres als amtlich gültig anerkannt.a In der Tat wird die Revision der Dampfkessel in der Hauptsache durch das Inspektorat des schweizerischen Vereins von Dampfkesselbesitzern besorgt.

Das Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und .Starkstromanlagen, vom 24. Juni 1902, sieht in Art. 21 eine Kontrolle vor über die Ausführung seiner Vorschriften hinsichtlich der Vermeidung der Gefahren und Schädigungen, die aus den Starkstromanlagen entstehen. Der Bundesratsbescbluss vom 23. Januar 1903 überträgt einen Teil dieser Kontrolle bis auf weiteres dem Starkstrominspektorat des schweizerischen elektrotechnischen Vereins.

Diese beiden Inspektorate haben auf ihrem jeweiligen besondern Gebiete ausgesprochen fachlichen Charakter, während dem Fabrikinspektorat diese Eigenschaft in der gleichen Sache nicht zukommt. Die Zuziehung der Inspektorate geht auf die Zeit seit Entstehung des Fabrikgesetzes von 1877 zurück. Anlässlich seiner Revision erscheint es als geboten, der Tätigkeit der Fachinspektorate, soweit sie sich auf Fabriken erstreckt, ausdrücklich ihren Platz einzuräumen. Dies sollte in allgemeiner Weise geschehen, da in Zukunft neue derartige Einrichtungen entstehen und bestehende in veränderter Weise zugezogen werden können. Die Beziehungen der verschiedenen Organe unter sich sind auf dem Wege des Vollzugs zu ordnen. Es muss möglich sein, einzelne Inspektorate nicht nur für die den Bundesbehörden zustehende Oberaufsicht, sondern schon für den direkten Vollzug herbeizuziehen. Das ist z. B. jetzt schon für das Inspektorat der Dampfkesselbesitzer tatsächlich der Fall.

Wir beantragen, folgende Bestimmungen aufzunehmen: ,,Art. 74- bis : D e r B u n d e s r a t k a n n f ü r e i n z e l n e t e c h n i s c h e Z w e i g e des Aufsichtsdienstes Fachinspektorate zur Mitwirkung herbeizieben.a 6. Zu Art. 77 stellte Herr Nationalrat Zürcher folgenden Antrag: ,,Der Weiterzug schiebt die Vollziehung nicht auf; indessen kann die Oberbehörde, an die der Weiterzug geht, oder deren Präsident die Vollziehung einstellen"1. Der Antrag verfolgt einen doppelten Zweck: die Frage der Wirkung der Beschwerde im Gesetze zu normieren und grundsätzlich festzustellen, dass die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung habe.

Bundesblatt. 66. Jahrg. Bd. I.

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162 Art. 77 unterscheidet zwischen zwei Beschwerden: der Beschwerde von der kantonalen Unterbehörde an die Kantonsregierung und der Beschwerde von der Kantonsregierung an den Bundesrat. Wir wollen diese beiden Rechtsmittel auseinanderhalten : a. Die Beschwerde von der k a n t o n a l e n U n t e r b e h ö r d e an die K a n t o n s r e g i e r u n g liegt grundsätzlich auf kantonalem Boden. Die Frage, ob dieser Beschwerde, aufschiebende Wirkung zukomme, wäre daher eigentlich vom kantonalen Gesetzgeber zu beantworten. Der eidgenössische Fabrikgesetzgeber scheint aber diese Auffassung nicht zu teilen und sich als kompetent zu erachten, nicht nur die Beschwerde vorzusehen, sondern deren Voraussetzungen zu regeln ; sonst würde er nicht in Art. 77 die Beschwerdefrist und den Beginn des Laufes der Frist normieren. Ist er aber zur Regelung der Voraussetzungen des Rekurses kompetent, so ist er auch anständig, dessen Wirkungenzu normieren.

Ist der Bundesgesetzgeber hierzu zuständig, so kann er vonseiner Kompetenz Gebrauch machen, indem er entweder die Frage der Suspensiv- oder Nichtsuspensivwirkung der Beschwerde selbst materiell regelt oder die Regelung auf den Verordnungsweg verweist. Schweigt sich dagegen der Bundesgesetzgeber -- wie es nach dem jetzigen Entwurf der Fall ist -- darüber aus, so wird daraus mit Recht der Schluss gezogen werden, dass esSache des kantonalen Gesetzgebers ist, zu bestimmen, welcheWirkung diesem im Prinzip kantonalen Rekurse zukommt.

b. Die B e s c h w e r d e der K a n t o n s r e g i e r u n g an dea B u n d e s r a t ist unseres Erachtens eine Abart der in Art. 189, Absatz 2, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vorgesehenen Beschwerde, d. h. der ,,Beschwerden betreffend die Anwendung der auf Grund der Bundesverfassung erlassenen Bundesgesetze"'. Der Umstand, dass die Rekursfrist nur 20 und nicht 60 Tage beträgt, und dass der Weiterzug an.

die Bundesversammlung ausgeschlossen ist, ändert hieran nichts; denn Art. 189, Absatz 2, spricht ausdrücklich von dei Möglichkeit abweichender gesetzlicher Bestimmungen, und Art. 192 regelt den Weiterzug an die Bundesversammlung, ,,sofern die Weiterziehung nicht durch das Gesetz ausgeschlossen ista (vgl. Bundesbl.

1895, III, 622). Daraus, dass die vorliegende Besehwerde zu den Besehwerden des Art. 189, Absatz 2, gehört, folgt nun aber, dass, wenn das Fabrikgesetz selbst über die Suspensivwirkung des Rekurses nichts sagt, diese Frage durch Art. 191 und 185

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des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege geregelt wird.

Danach hat die Beschwerde keinen Suspensiveffekt ; es ist aber dem Bundesrate als Gesamtbehörde das Recht zum Erlass vorsorglicher Verfügungen eingeräumt, durch welche die Vollziehung in angemessener Weise gehemmt wird.

Unseres Erachtens ist aber diese in Art. 191 und 185 des Organisationsgesetzes vorgesehene Regelung der Frage für die Beschwerde aus Fabrikgesetz nicht zweckmässig. Der Bundesrat ist zu wenig mobil zum Erlass der meist rasch zu treffenden provisorischen Verfügungen. Als hierzu kompetent sollte der Chef des Industriedepartements bezeichnet werden. Will man aber die Anwendung des Art. 191 und 185 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege ausschliessen, so kann das nur in der Weise geschehen, dass der Fabrikgesetzgeber entweder die Frage der Suspensiv- oder Nichtsuspensivwirkung der Beschwerde selbst materiell regelt oder deren. Regelung ausdrücklich auf den Verordnungsweg verweist.

Ad a und b. Der Vertreter des Bundesrates hat im Nationalrat die Meinung vertreten, es sei die Frage der Suspensi^- oder Nichtsuspensivwirkung der kantonalen und eidgenössischen Beschwerde in einer Vollziehungsverordnung des Bundesrates zu regeln. Wir schliessen uns dieser Meinung an, möchten aber darauf hinweisen, dass der Bundesrat diese Frage nur dann auf dem Verordnungswege lösen kann, wenn ihm das Gesetz hierzu die Kompetenz ausdrücklich einräumt. Wir erlauben uns daher, Ihnen vorzuschlagen, in Art. 77 zwischen Absatz 2 nnd 3 einen neuen Absatz einzuschieben, in dem vorgeschrieben wird, dass der Bundesrat für beide Fälle auf dem Verordnungswege bestimmt, ob die Beschwerde aufschiebende Wirkung hat.

Erst bei Erlass dieser Verordnungsbestimmungen wird man dann die Frage zu beantworten haben, welcher Inhalt ihnen zu geben ist (vgl. Art. 65 des Organisationsgesetzes einerseits und Art. 89,' 164, Absatz 3, 185, 191, 193 und 95 und 99 des Organisationsgesetzes und Art. 196 und 198 des Bundesgesetzes über das Verfahren bei dem Bundesgericht in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten anderseits).

Wir stellen somit zu Art. 77 folgenden, zwischen Absatz 2 und 3 einzuschiebenden Zusatzantrag: ,,Der B u n d e s r a t b e s t i m m t i m W e g e d e r Vollzugsverordnung, ob und inwieweit die Beschwer de aufs c h i e b e n d e W i r k u n g hat."

164 7. Die in den Artikeln 79 und 80 niedergelegten Strafbestimmungen sind in der Diskussion des Nationalrates von den Herren Zürcher und Gobat kritisiert worden. Wir haben eine nochmalige Prüfung und Begutachtung durch das Justizdepartement zugesagt, die indessen im Augenblicke, da dieser Bericht fertig gestellt werden muss, noch nicht als allseitig abgeschlossen betrachtet werden kann. Wir werden Ihnen hierüber anhand der eingeholten Gutachten referieren und eventuell Anregungen dort vorbringen. Es handelt sich dabei im wesentlichen um redaktionelle, nicht materielle Differenzen.

8. Auf Antrag des Herrn Dr. Ullmann hat der Nationalrat in Art. 63 beschlossen, das Eintrittsalter für Mädchen auf 15 Jahre festzusetzen. Wir befürchten, es könnte dieser gewiss humanen Absichten entsprungene Antrag dem Gesetze gefährlich werden, und möchten die Frage aufwerfen, ob es nicht klüger wäre, den Text der nationalrätlichen Kommission, also die Gleichstellung der Geschlechter, bei einem Eintrittsalter in die Fabrik von 14 Jahren wieder herzustellen. Auch die eidgenössischen Fabrikinspektoreu sprechen sich in diesem Sinne aus.

II.

Über die Anpassung an die internationale Konvention von 1906 betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen und an die projektierten Konventionen betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der jugendlichen Arbeiter und betreffend die Festsetzung einer Höchstarbeitszeit für die in der Industrie beschäftigten Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter gestatten wir uns, das folgende zu bemerken: Auf dem Gebiete des internationalen Arbeiterschutzes wurde im Jahre 1906 ein erster Erfolg erreicht durch den Abschluss der Konventionen über das Verbot der Verwendung des weissen Phosphors und über das Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen. Diese beiden Konventionen wurden von der Bundesversammlung im Jahre 1907 genehmigt. Die Phosphorkonvention fällt ausser den Kreis unserer Betrachtungen. Dagegen haben wir uns mit dem Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen zu beschäftigen.

Wir haben von diesem Vertrage in unserm Berichte vom 14. Juni 1913 absichtlich noch nicht gesprochen, weil der Zusammentritt einer neuen internationalen Konferenz bevorstand, welche die Grundzüge für zwei weitere Übereinkommen vorbereiten sollte, und wir es deshalb für angemessen hielten, die An-

165 passung an die internationalen Verträge einheitlich zu besprechen. Inzwischen hat im September letzten Jahres die neue Arbeiterschutzkonferenz stattgefunden und ein praktisches Resultat gezeitigt, indem sie die Grundzüge für zwei weitere Staatsverträge im Gebiete des internationalen Arbeiterschutzes festsetzte, die den Regierungen der an der Konferenz vertretenen Staaten zugestellt worden sind, und die anlässlich einer diplomatischen Konferenz vom September 1914 in die Form von Staatsverträgen gebracht werden sollen. Selbstverständlich können die Ergebnisse dieser Konferenz zurzeit nicht Gegenstand einer Diskussion bilden. Hierzu wird sich Gelegenheit bieten, wenn einmal die Staatsverträge vorliegen. Dagegen erscheint es als erlaubt, ja sogar geboten, bei der Redaktion eines neuen Fabrikgesetzes nicht nur auf den bereits abgeschlossenen Staatsvertrag von 1906, sondern auch auf den mutmasslichen Inhalt der sich in Vorbereitung befindlichen neuen Konventionen Rücksicht zu nehmen. So können wir vermeiden, dass unmittelbar nach dem Erlass des neuen Fabrikgesetzes mit Rücksicht auf die Konventionen zu einer Änderung unserer Gesetzgebung geschritten werden muss. Wir haben in den Verhandlungen des Nationalrates dahinzielende Anträge bereits in Aussicht gestellt.

Der sachlichen Besprechung der Anträge ist eine formelle Feststellung vorauszuschicken.

Das Übereinkommen von 1906 schafft nicht Recht, das ohne weiteres in den einzelnen Ländern anwendbar ist. Es spricht vielmehr bloss den Grundsatz aus, dass die industrielle Nachtarbeit der Frauen unter Vorbehalt gewisser Ausnahmen verboten sein soll. Der nationalen Gesetzgebung wird die Feststellung des Begriffes der industriellen Unternehmung -- immerhin unter Beachtung gewisser Grundsätze -- überlassen. Die Konvention setzt das Verbot der Nachtarbeit auch nicht ohne weiteres für gewisse Fälle ausser Kraft; sie bestimmt vielmehr, es könne unter bestimmten Voraussetzungen ausser Kraft treten. Damit ist bereits deutlich auf die Gesetzgebung der einzelnen Staaten verwiesen.- Der Art. 5, Absatz l, spricht sogar ausdrücklich von den Massnahmen, welche die vertragschliessenden Staaten zu treffen haben, um auf ihrem Gebiete die genaue Ausführung der Bestimmungen des Übereinkommens zu sichern, und sieht vor, ,,dass die Regierungen auf diplomatischem Wege die
auf ihrem Gebiete in Kraft tretenden G e s e t z ^ und V e r o r d n u n g e n betreffend den Inhalt des gegenwärtigen Übereinkommens gegenseitig austauschen, ebenso auch die zeitweiligen Berichte über die Anwendung

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dieser Gesetze und Verordnungen". Dieses Vorgehen, dass der Staatsvertrag den Erlass von Gesetzen und Verordnungen vorsieht, ist verständlich, ja sogar das einzig mögliche, indem die Systeme, welche die verschiedenen Vertragsstaaten für die Durchführung ihrer Arbeiterschutzgesetze anwenden, durchaus verschiedene sind.

Den einzelnen Staaten muss auch vorbehalten werden, den Vollzug der Grundsätze des internationalen Übereinkommens, die ja nur einen Teil der Arbeiterschutzgesetzgebung bilden, durch verwaltungsrechtliche oder strafrechtliche Sanktionen zu sichern.

In gleicher Weise, wie 1906, wird, das lässt sich heute schon mit Sicherheit sagen, beim Abschlüsse der weitern zwei Übereinkommen vorgegangen werden, welche die technische Konferenz von 1913 in ihren Grundzügen vorbereitet hat. Für sie gilt in Beziehung auf ihre Durchführung alles das, was wir vom Vertrage von 1906 gesagt haben.

Diese Darlegungen dürften zur Genüge beweisen, dass wir die Grundsätze der internationalen Übereinkommen über Arbeiterschutz in unserer Gesetzgebung verwirklichen müssen. Es genügt nicht,, einfach die Verträge durch die Bundesversammlung ratifizieren zu lassen.

Was die Konvention von 1906 betrifft, die bereits im Jahre 1907 von der Bundesversammlung genehmigt worden ist, so besteht ohne weiteres die Pflicht, ihren Inhalt, soweit er durch die schweizerische Gesetzgebung noch nicht verwirklicht ist, jetzt in diese aufzunehmen. Die schon mehrfach erwähnten, in ihren Grundzügen bereits vorbereiteten weitern Übereinkommen über das Verbot der Nachtarbeit der Jugendlichen und über die Höchstarbeitszeit der Frauen und jugendlichen Arbeiter können durch ganz kleine Änderungen unseres Entwurfes zum voraus berücksichtigt werden. Es handelt sich dabei, wie wir sehen werden, um durchaus untergeordnete Punkte, da unser Entwurf in wesentlichen Punkten über die Projekte für die beiden Staatsverträge im Siane eines intensivem Arbeiterschutzes hinausgeht. Es besteht anderseits auch keine Gefahr, dass die definitiven Verträge von den bereits bekannten Grundziigen im wesentlichen abweichen werden, da die vereinbarten Grundzüge das Ergebnis einer eingehenden Beratung sind. Allfällige Meinungsverschiedenheiten, die noch zu einer Abänderung führen könnten, werden aller Voraussicht nach nicht in Beziehung auf Punkte eintreten, die uns Veranlassung zu Abänderungsvorschlägen geben.

Zum Staatsvertrag von 1906 und den Grundzügen von 1913 ist vorab zu bemerken :

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Der Art. l des Übereinkommens von 1906 lautet: .,,Die industrielle Nachtarbeit der Frauen soll ohne Unterschied des Alters, unter Vorbehalt der nachstehend vorgesehenen Ausnahmen, verboten sein.

Das gegenwärtige Übereinkommen erstreckt sich auf alle industriellen Unternehmungen, in denen mehr als zehn Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt sind. Es findet in keinem Falle Anwendung auf Anlagen, in denen nur Familienglieder tätig sind.

Jeder der vertragschliessenden Staaten hat den Begriff der industriellen Unternehmungen festzustellen. Unter allen Umständen sind hierzu zu rechnen die Bergwerke und Steinbrüche, sowie ·die Bearbeitung und Verarbeitung von Gegenständen ; in letzterer Hinsicht sind die Grenzen zwischen Industrie einerseits, Handel und Landwirtschaft anderseits durch die einheimische Gesetzgebung zu bestimmen."

Eine wörtlich gleiche Bestimmung enthalten die Grundzüge von 1913 für die neuen Konventionen.

Der Art. l des Entwurfes für ein neues Fabrikgesetz lautet : ,,Dieses Gesetz ist anwendbar auf jede industrielle Anstalt, die eine Mehrzahl von Arbeitern ausserhalb ihrer Wohnräume beschäftigt, sei es in den Fabrikräumen und auf den dazu gehörenden Werkplätzen, sei es anderwärts bei Verrichtungen, die mit dem industriellen Betriebe in Zusammenhang stehen.

Eine- solche Anstalt ist eine Fabrik im Sinne des Gesetzes.1'Aus der Vergleichung der beiden. Texte ergibt sich, dass unser Gesetzesentwurf in einem wichtigen Punkt viel weiter geht, als der Staatsvertrag von 1906 und die Grundzüge von 1913.

Er fordert nur eine Mehrzahl von Arbeitern, nicht zehn oder mehr. Anderseits ist ebenso klar, dass der Staatsvertrag durch ausdrückliche Einbeziehung der Bergwerke und Steinbrüche die Schranken unseres Fabrikgesetzentwurfes überschreitet. Weniger klar ist es, ob noch industrielle Unternehmungen mit mehr als zehn Arbeitern vorhanden sind, die sich mit der Bearbeitung und Verarbeitung von Gegenständen befassen, ohne ,,Fabriken"1 im Sinne unseres Entwurfes zu sein. Wir möchten es eigentlich bezweifeln, da der Begriff der ,,Fabrik"1 bei uns sehr extensiv interpretiert worden ist. Indessen besteht unseres Erachtens kein Bedenken, eine besondere Bestimmung aufzunehmen, um eine absolut korrekte Durchführung des Staatsvertrages zu sichern.

Darin wäre zum Ausdruck zu bringen, dass die Bestimmungen

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des Fabrikgesetzes, s o w e i t sie a u c h in i n t e r n a t i o n a l e » V e r e i n b a r u n g e n e n t h a l t e n s i n d , durch Beschluss der Bundesversammlung auf ,,industrielle Unternehmungen" im Sinne des Staatsvertrages anwendbar, erklärt werden können.

Eine solche Vorschrift würde erlauben, anlässlich der Genehmigung der Staatsverträge durch die Bundesversammlung einen solchen Beschluss zu fassen. Wir fügen jedoch die weitere Einschränkung bei, dass diese Möglichkeit nur bestehen soll für diejenigen Bestimmungen des Fabrikgesetzes, die auf weibliche Personen und jugendliche Arbeiter Bezug haben. Es kann dies geschehen, da der jetzt geltende Vertrag wie die in Vorbereitung befindlichen. nur von diesen beiden Kategorien von Arbeitern, handeln.

In der Definition der ,,industriellen Unternehmungen"1 schliessenwir uns dem Wortlaut des Staatsvertrages an, und sehen im einzelnen Falle, dem Entwurf des Fabrikgesetzes folgend, de» Entscheid des Bundesrates über die Unterstellungspflicht vor, da es schwierig erscheint, über die Abgrenzung zu legiferieren.

Eine grosse praktische Tragweite kommt dieser Ausdehnung des Anwendungsgebietes nicht zu, da in Bergwerken und Steinbrüchen Frauen und jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren kaum verwendet werden.

Wird unser Antrag angenommen, so kann die Bundesversammlung ohne Schwierigkeiten und Gesetzesänderungen nicht nur die Konvention von 1906 durchführen, sondern auch die in Vorbereitung befindlichen Verträge ratifizieren.

Wir beantragen daher die Aufnahme folgender Bestimmung : ,,Art. 73bis. Die B e s t i m m u n g e n d i e s e s G e s e t z e s , über den Schutz der weiblichen und der jugendl i c h e n P e r s o n e n k ö n n e n d u r c h Beschluss d e r Bundesversammlung insoweit auf industrielle Unternehm u n g e n , d i e n i c h t F a b r i k e n sind, a n w e n d b a r erklärt w e r d e n , als diese B e s t i m m u n g e n auch in i n t e r n a t i o nalen Verträge n üb er A r b e i t e r s c h u t z e n t h a l t e n sind, denen die Schweiz beigetreten ist oder noch beitré ten wird.

Als industrielle Unternehmungen, die nicht F a b r i k e n sind, k ö n n e n bloss solche angesehen werden, in denen mehr als zehn Arbeiter und Arb e i t e r i n n e n beschäftigt sind, und die sich mit der Bearbeitung und Verarbeitung von Gegenständen

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befassen. I n b e g r i f f e n sind B e r g w e r k e und Steinbrüche. Ausgeschlossen sind H a n d e l s g e s c h ä f t e und landwirtschaftliche Betriebe, sowie alle Unternehm u n g e n , i n d e n e n n u r F a m i l i e n m i t g l i e d e r t ä t i g sind.

Der Bundesrat entscheidet d a r ü b e r , ob ein Bet r i e b a l s i n d u s t r i e l l e U n t e r n e h m u n g i m Sinne dieser B e s t i m m u n g e n zu betrachten sei und erlässt die nötigen Vollzugsvorschriften."

Was den sachlichen Inhalt des Staatsvertrages von 1906 und die Grundzüge für die beiden künftigen Konventionen betrifft, so ist das folgende zu sagen : 1. Der Staatsvertrag von 1906 schreibt für Frauen, d. h.

für weibliche Personen jeden Alters, das Verbot der industriellen Nachtarbeit vor mit dem Beifügen, dass die Nachtruhe eine Dauer von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden haben solle, und dass der Zeitraum von abends 10 Uhr bis morgens 5 Uhr inbegriffen sein müsse (Art. 2).

Unser Entwurf geht in einer Beziehung weiter, als die Konvention. Indem er die Nachtarbeit der weiblichen Personen verbietet (Art. 59), untersagt er die Arbeit ausserhalb der Tagesarbeit, d. h. die Arbeit zwischen 8 Uhr abends und 5 resp. 6 Uhr morgens (Art. 37). Eine Ausnahme hievon bewilligt er für die Fälle der Verschiebung von Beginn und Schluss der Tagesarbeit und beim zweischichtigen Tagesbetrieb (Art. 41, a und c). Aber für diesen Fall schreibt das Gesetz bereits ausdrücklich eine elfstündige, den Zeitraum von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens umfassende Nachtruhe vor (Art. 60). Für den Fall der Bewilligung der schichtweisen Abhaltung der Pausen ist eine Ausdehnung der Arbeit über den Rahmen von Art. 37 nicht vorgesehen ; das Gesetz verordnet aber überdies, dass die Arbeitsdauer innert eines Zeitraumes von 12 Stunden liegen müsse (Art. 41, Absatz 2).

Damit ist die elfstündige Ruhe und natürlich auch die volle Nachtruhe sogar von 8 Uhr abends bis 5 resp. 6 Uhr morgensgewährleistet.

Die Hülfsarbeit ist weder an die Grenzen noch an die Dauer der normalen Tagesarbeit gebunden (Art. 58), und die von der Konvention geforderte Nachtruhe wäre also in diesem Falle ges e t z l i c h nicht garantiert, mit Ausnahme der Arbeiterinnen, die ein Hauswesen zu besorgen haben. Solche dürfen für die Hülfsarbeiten, soweit diese die Dauer der normalen Tagesarbeit überschreiten, nicht verwendet werden. Manche Hülfsarbeiten fallen überhaupt nicht unter den Staatsvertrag, wie z. B. die

170 Spedition. Wo aber unter den Staatsvertrag fallende Hülfsarbeitea von Arbeiterinnen in Frage kommen, könnte der Bundesrat von sich aus die entsprechende Vorschrift aufstellen, da er nach Art. 58, Absatz 2, bei Hülfsarbeiten ermächtigt ist, die zum Schütze der Arbeiter nötigen Bestimmungen, insbesondere über die Zahl der Ruhestunden, zu erlassen. Indessen ist es doch wünschenswert, eine gesetzliche Lösung zu treffen. Einer solchen stehen auch keine praktischen Bedenken entgegen, wie wir gleich zeigen werden.

Bei der normalen Tagesarbeit bestünde nach dem Entwürfe allerdings die theoretische Möglichkeit, dass die Arbeitszeit von 10 Stunden an den Beginn und das Ende der in Art. 37 festgesetzten Zeit verlegt würde. Dann ergäbe sich bloss eine Ruhe von 8 Uhr abends bis 5 Uhr resp. 6 Uhr morgens, also von 9 resp. 10 Stunden. Allein von dieser Fakultät wird kaum Gebrauch gemacht werden, da sonst eine vier- bis fünfstündige, weder dem Fabrikanten noch dem Arbeiter dienende, Pause herauskäme. Praktisch ist somit die Anwendung der normalen Arbeitsdauer mit der Innehaltung der elfstündigen Nachtruhe identisch.

Eine Friktion ist bloss denkbar bei der Überzeitarbeit (Art. 42).

Wenn zu der zehnstündigen Arbeitszeit zwei Stunden Überzeit treten, so verkürzt sich bei einer Pause von l1/« Stunden die Nachtruhe auf lO'/s Stunden. Für solche Fälle gibt die internationale Konvention die Möglichkeit, während 60 Tagen im Jahr unter Voraussetzungen, die mit denen für Bewilligung von Überaeit tatsächlich identisch sind (Art. 4), eine Abkürzung der Nachtruhe auf 10 Stunden eintreten zu lassen. Nach Art. 3 des Vertrages kann das Verbot der Nachtarbeit sogar für ganz wichtige Kategorien von Fabriken ausser Kraft treten. Nach unserm gegenwärtigen Fabrikgesetz besteht das Verbot der Nachtarbeit für Frauen. Diese hat nach Art. 15 in Verbindung mit Art. 13 eine Nachtruhe von 10 resp. 9 Stunden zur Folge. Diese Bestimmung entspricht also den Anforderungen der Konvention nicht vollständig.

Wir schlagen nun vor, es sei, um der schon im Jahre 1907 genehmigten Konvention in durchaus korrekter Form nachzuleben, Art. 60 etwas abzuändern und ausdrücklich eine Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, wonach die Nachtruhe weiblicher Personen allgemein 11 Stunden betragen und in allen Fällen die Zeit von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens umfassen müsse.

Abgesehen davon, dass dies internationales Recht ist, stehen dieser Vorschrift begründete Bedenken nicht entgegen.

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Anderseits soll aber von der im Staatsvertrag gegebenen Fakultät Gebrauch gemacht werden können, die Nachtruhe an 60 Tagen im Jahre auf 10 Stunden zu kürzen, falls Überzeit bewilligt wird. Dies muss geschehen, da sonst die Bewilligung von Überstunden nach dem Entwurfe unmöglich würde.

,,Für die Verarbeitung von Rohmaterialien oder von in Verarbeitung begriffenen Materialien, die einem sehr raschen Verderben ausgesetzt sinda, kann nach Staatsvertrag, wie schon ·erwähnt, das Verbot der Nachtruhe ausser Kraft treten, ,,wenn es zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an diesen Materialien erforderlich ist". Andere Länder haben die Aufnahme ·dieser Bestimmung namentlich zugunsten der Konservenfabriken verlangt, in denen also Frauen auch nachts unbeschränkt arbeiten dürfen. Für die Schweiz, die schon im bestehenden Gesetz die Nachtarbeit der Frauen allgemein verboten hat, kann nicht die Rede davon sein, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen.

Dagegen halten wir es für angemessen, dem Bundesrat das Recht zu geben, für Fabriken, für die das internationale Verbot der Nachtarbeit nicht besteht, die Nachtruhe für längere Zeit als 60 Tage im Jahre auf 10 Stunden zu kürzen. Es kann dies geschehen entweder anlässlich der Bewilligung von Überzeit, die in Art. 42 geregelt ist, oder anlässlich der Verschiebung des Beginnes und des Schlusses der Arbeit oder beim zweischichtigen Tagesbetriebe (Art. 41, lit. a und c).

Mit dieser Vorschrift von Art. 60 gehen wir zugunsten der Arbeiterinnen weiter als das bestehende Fabrikgesetz und weiter als die internationale Konvention, endlich sogar etwas weiter als der derzeitige Entwurf, tragen aber den Verhältnissen und Bedürfnissen der Industrie Rechnung.

Wir beantragen, Art. 60 so zu fassen : ,,Art. 60. Die N a c h t r u h e für w e i b l i e h e P e r s o n e n m u s s w e n i g s t e n s 11 a u f e i n a n d e r f o l g e n d e S t u n d e n b e t r a g e n u n d i n a l l e n F ä l l e n , n a m e n t l i c h auch, w e n n der Beginn oder der Schluss der Tagesarbeit vers c h o b e n od,er der z w e i s c h i c h t i g e T a g e s b e t r i e b e i n g e f ü h r t ist (Art. 41, lit. a und c), die Z e i t von 10 Uhr a b e n d s bis 5 Uhr m o r g e n s in sich schliessen.

In Verbindung mit der Bewilligung von Überz e i t a r b e i t k a n n d i e e l f s t ü
n d i g e Dauer d e r N a c h t r u h e für s e c h z i g T a g e i m J a h r a u f 1 0 S t u n d e n v e r k ü r z t werden. Für Fabriken, in denen die Verarbeitung

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von Rohstoffen oder die Bearbeitung von Gegenständen s t a t t f i n d e t , die einem sehr raschen Verderben ausgesetzt sind, kann die V e r k ü r z u n g auf 1 0 S t u n d e n v o m B u n d e s r a t e a u f l ä n g e r e Z e i t ausg e d e h n t w e r d e n , w e n n s i e z u r V e r h ü t u n g eines sonst u n v e r m e i d l i c h e n Verlustes an diesen Materialien e r f o r d e r l i c h ist."

2. Die Grundzüge eines internationalen Übereinkommens betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der jugendlichen Arbeiter enthalten ein Verbot der Nachtarbeit für jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren, deren Nachtruhe mindestens 11 Stunden betragen und auf alle Fälle den Zeitraum von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens umfassen soll.

Nach den Bestimmungen des Entwurfes dürfen junge Leute beider Geschlechter unter 16 Jahren weder zu Hülfsarbeiten noch zu Überzeitarbeit verwendet werden (Art. 64, Absatz 2).

Für die Fälle der Verschiebung von Beginn und Schluss der Tagesarbeit und des zweischichtigen Tagesbetriebes bestimmt Art. 65 bereits über die Nachtruhe nicht nur der Arbeiter unter 16, sondern sogar derjenigen unter 18 Jahren in einer dem Projekteeines Staatsvertrages genügenden Weise.

Es bleibt nun noch die allerdings praktisch sozusagen bedeutungslose Möglichkeit, dass die normale Tagesarbeit von IQ Stunden an die in Art. 37 genannten Grenzen verlegt wird. Dann, ergäbe sich eine Nachtruhe von bloss 10 resp. 9 Stunden bei einer Mittagspause von 4 resp. 5 Stunden. Von einer solchen Arbeitszeit wird man kaum Gebrauch machen wollen. Um aber ganz korrekt zu sein, kann als Art. 65b'8 noch ausdrücklich eine dem Staatsvertrag entsprechende Festsetzung der Nachtruhe für Leute unter 16 Jahren aufgenommen werden. Dieser unwichtige Zusatz genügt, um den Entwurf den erwähnten Grundzügen vollständig anzupassen. Erwähnt mag noch werden, dass wir von den vielen und wichtigen Ausnahmen der Konvention keinen Gebrauch zu machen haben, ein Zeichen, dass unser Entwurf für den Schutz, jugendlicher Arbeiter der Gesetzgebung anderer Staaten vorauseilt.

Wir schlagen vor, eine Bestimmung einzuschieben : ,,Art. 65bis. Für P e r s o n e n u n t e r s e c h z e h n J a h r e n m u s s die N a c h t r u h e unter allen U m s t ä n d e n wenigstens 11 a u f e i n a n d e r f o l g e n d e S t u n d e n betragen und die Z e i t von 10 Uhr a b e n d s bis 5 Uhr m o r g e n s in sich seh li es s en.1'

173 3. Die Grundzüge eines internationalen Übereinkommens betreffend Festsetzung der Höchstarbeitszeit für die in der Industrie beschäftigten Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter geben uns ·zu folgenden Bemerkungen Anlass: Der Entwurf unseres Gesetzes entspricht der Hauptforderung «iner täglichen lOstündigen Maxi m al-Arbeitszeit, und auch die Übergangsbestimmung des Art. 35 (lO1^ Stunden während 7 Jahren bei freiem Samstagnachmittag) ist durch Art. l, Absatz 2, der 'Grundzüge gedeckt; Die Bestimmung über die Pausen, Art. 2 der Grundzüge, geht effektiv nicht weiter, als unser Entwurf. Eine kleine Differenz besteht nur darin, dass eine halbstündige Pause vorgeschrieben wird, wenn die Arbeit 6 Stunden übersteigt, während der Gesetzes«ntwurf in Art. 36 bei einer Arbeitsdauer von Q1/^ Stunden und freiem Nachmittag nur eine viertelstündige Pause vorsieht. Wir sehen aber davon ab, eine Änderung des erwähnten Gesetzes-artikels vorzuschlagen, da unsere Bestimmung materiell gleichwertig, ja sogar vorzuziehen ist. Würde man auf der halbstündigen Pause beharren, so müsste der Arbeiter eine Viertelstunde länger in der Fabrik bleiben. Dieser Punkt kann voraussichtlich anlässlich ·der endgültigen Fassung der Konvention noch geordnet werden.

Für die Bewilligung von Überstunden stellen die Grundzüge .gewisse bestimmte Voraussetzungen auf. Nach dem Fabrikgesetzentwurfe kann bei uns Überzeitarbeit bewilligt werden ,,bei nachgewiesenem Bedürfnis"1 (Art. 42). Die erwähnten Grundzüge gestatten die Verlängerung u. a. für die dem Einfluss der Jahreszeiten unterworfenen Industrien (Saisonindustrien) und ,,im Falle aussergewöhnlicher Verhältnisse"' in allen Betrieben (Art. 3). Da Zweifel bestanden, ob die letztere Ausdrucksweise sich mit derjenigen von Art. 42 inhaltlich decke, wurde die Frage in unserem Auftrage in der Kommission II der Konferenz von unserer Delegation zur Sprache gebracht. Es stellte sich dabei heraus, dass der Sinn in beiden Texten der nämliche ist, und dass insbesondere die aussergewöhnliehen Verhältnisse auch die eiligen Bestellungen in sich schliessen. Die internationalen Verhandlungen ziehen somit keine Änderung von Art. 42 nach sich.

Gemäss Art. 42 des Gesetzesentwurfes darf die Dauer der normalen Tagesarbeit ausnahmsweise und vorübergehend höchstens urn zwei Stunden im Tage verlängert
werden. Die Zahl der Arbeitstage, für die einer Fabrik oder einer Fabrikabteilung Überzeitbewilligungen erteilt werden, darf laut Art. 43 in der Regel zusammen achzig in einem Jahre nicht überschreiten. So-

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mit ergeben sich als Höchstzahl der jährlichen Überstunden 2 X 80 = 160.

Die Grundzüge enthalten in Art. 4 die Bestimmungen, dass die wirkliche Gesamtarbeitszeit mit Einschluss der Überstunden, mit Ausnahme der Konservenfabriken, 12 Stunden täglich nicht übersteigen dürfe, und dass die Arbeitsverlängerungen im ganzen jährlich 140 Stunden, für die Ziegelei-, Bekleidungs- und Konservenindustrie 180 Stunden, nicht übersteigen sollen.

Die Vergleichung des Gesetzesentwurfes mit den Grundzügen ergibt Übereinstimmung hinsichtlich der zwei Überstunden im Tage. Der Gesetzesentwurf gestattet zwar eine Überschreitung" dieses Masses ,,in Notfällen"; diese müssen aber stets vorbehalten bleiben, da sie eine Zwangslage schaffen. Übrigens ist auch der Art. 4 der Grundzüge nicht anwendbar auf die Fälle, wo dasöffentliche Interesse oder aus höherer Gewalt entstehende Betriebsunterbrechung die Überzeitarbeit erfordern.

In den Fällen von Art. 35 des Gesetzesentwurfes kann, allerdings die Dauer der Tagesarbeit mit den zwei Überstunden auf 12Ya Stunden ansteigen, während die Grundzüge nur 12 gestatten. Da jedoch der Arbeitstag von lO1/^ Stunden nur für eine Übergangsperiode von sieben Jahren zugelassen ist und die internationale Konvention eine geraume Frist für ihr Inkrafttreten festsetzen wird, ist es nicht nötig, unsern Entwurf zu ändern. Der Ausgleich wird sich eventuell im Vollzuge erreichen lassen.

Dagegen ist eine Anpassung an die projektierte Konvention erforderlich hinsichtlich des jährlichen Maximums von 140 Überstunden. Wir empfehlen, von der Möglichkeit, in den genannten drei Industriezweigen auf 180 Stunden zu gehen, keinen Gebrauch zu machen. Die Beschränkung auf 140 Stunden bezieht sich bei uns nur auf die weiblichen Personen über 16 Jahren; -- Jugendliche beider Geschlechter unter 16 Jahren sind von der Überzeitarbeit überhaupt ausgeschlossen (Art. 64, Absatz 2). -- Die Vorschrift ist also bei den für weibliche Personen geltenden besondern Bestimmungen einzureihen. Wir beantragen die Einschaltung des folgenden Artikels: ,,Art. 60bis. Die V e r l ä n g e r u n g der n o r m a l e n Arb e i t s d a u e r (Art. 42 und 43) d a r f im g a n z e n für w e i b l i c h e P e r s o n e n n i c h t m e h r als 140S t u n d e n im J a h r e betragen." 1

in.

Schliesslich müssen wir noch ein Gesetz erwähnen, das in engstem Zusammenhange mit dem Fabrikgesetze steht, nämlich dag

175 Bundesgesetz vom 26. Juni 1902 betreffend Lohnzahlung und Bussenwesen bei den nach dem Bundesgesetze vom 26. April 1887 haftpflichtigen Unternehmungen. Dieser Erlass stützt sich auf das Haftpflichtgesetz von 1887 und auf das bestehende Fabrikgesetz, und ordnet Lohnzahlung und Bussenwesen in den Betrieben, die nicht dem Fabrikgesetz, wohl aber dem erweiterten Haftpflichtgesetze unterstehen.

Zufolge des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung fällt der Begriff der ,,haftpflichtigen Unternehmung" dahin; er wird aber nicht etwa schlechthin ersetzt durch die ,,Versicherungspflichtigen Unternehmungen"1, da die Versicherungspflicht sich auf Betriebe und Personen erstreckt, auf die das erweiterte Haftpflichtgesetz heute nicht zur Anwendung kommt. Wir erinnern beispielsweise daran, dass das gesamte Baugewerbe versicherungspflichtig ist, während das Haftpflichtgesetz nur auf diejenigen Betriebe zur Anwendung kommt, die mehr als fünf Arbeiter beschäftigen.

Wir haben die Frage geprüft, ob durch einen Artikel des neuen Fabrikgesetzes die analoge Anwendung seiner Bestimmungen auf die übrigen Versicherungspflichtigen Betriebe angeordnet werden sollte, sind aber nach reiflicher Überlegung dazu gelangt, davon abzusehen. Es dürfte klüger sein, das ohnehin stark umstrittene Fabrikgesetz nicht noch mit einer solchen Bestimmung zu beschweren und vorzusehen, dass, wie bisher, die Materie in einem besondern Gesetze in zutreffender Weise geregelt werde.

Wir würden Ihnen, wenn Sie unsere Ansicht teilen, über die Revision des erwähnten Bundesgesetzes vom 26. Juni 1902 zu gegebener Zeit Bericht und Antrag einbringen. Wir erwähnen den Punkt hier der Vollständigkeit halber, damit die Bäte wissen, wie wir uns zu dieser Frage stellen.

B e r n , den 23. Januar

1914.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Hoffmann.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:.

Scliatzmann.

176

43.

Fabrikgesetz. Revision.

Anträge des Bnndesrates.

(Vergleiche Bericht vom 23. Januar 1914.)

Art. 2bi8. Für Werkstätten, Depots, Kraftstationen und ähnliche Anstalten, die zu Verkehrsanstalten gehören und mit deren Betrieb in direktem Zusammenhang stehen, entscheidet der Bundesrat nach Massgabe der Verhältnisse über die Anwendung der Eisenbahn- und Fabrikgesetzgebung und über die Ausübung der Aufsicht.

Art. 5bis. Die Vorschriften des Bundes über elektrische Anlagen bleiben vorbehalten.

Art. 31. Der Bundesrat bestellt eine eidgenössische Werkstättenkommission, welche Beschwerden zu untersuchen und zu begutachten hat, die von einer Mehrzahl von Arbeitern eidgenössischer Werkstätten ausgehen und sich auf allgemeine Arbeitsverhältnisse beziehen. Die Untersuchung tritt ein, wenn eine direkte Beilegung der Meinungsverschiedenheiten zwischen der Verwaltung und den Arbeitern nicht möglich ist.

Die Beschlussfassung über die Beschwerden der Arbeiter steht dem Bundesrate zu.

Der ßundesrat kann die eidgenössische Werkstättenkommission jederzeit und ohne dass Beschwerden eingegangen wären beauftragen, die Verhältnisse in Werkstätten zu untersuchen und allgemein oder über bestimmte Fragen Bericht zu erstatten.

Art. 32. Die eidgenössische Werkstättenkommission besteht aus einem Präsidenten und zwei weitern ständigen, sowie vier im einzelnen Falle zugezogenen Mitgliedern. Eines der ständigen Mitglieder soll Vertrauensmann der Arbeiterschaft sein ; zwei der im einzelnen Falle zugezogenen Mitglieder sind, nach Entgegennahme eines Vorschlages der Arbeiterschaft, den Werkstätten zu

(43) -- 35).

177 entnehmen, auf die sich die Tätigkeit der Kommission beziehen wird.

Art 33. Die weitern Vorschriften über die Organisation, sowie die Befugnisse und das Verfahren der eidgenössischen Werkstättenkommission werden durch Verordnung des Bundesrates aufgestellt.

Art. 33bis. Auf die Werkstätten der schweizerischen Bundesbahnen finden weder die Vorschriften über die kantonalen. Einigungsstellen (Art. 26---30bis), noch die über die eidgenössische Werkstättenkommission Anwendung.

Art. 60. Die Nachtruhe für weibliche Personen muss wenigstens 11 aufeinanderfolgende Stunden betragen und in allen Fällen, namentlich auch, wenn der Beginn oder der Schluss der Tagesarbeit verschoben oder der zweischichtige Tagesbetrieb eingeführt ist (Art. 41, lit. a und c), die Zeit von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens in sich schliessen.

In Verbindung mit der Bewilligung von Überzeitarbeit kann die elfstündige Dauer der Nachtruhe für sechzig Tage im Jahr auf 10 Stunden verkürzt werden. Für Fabriken, in denen die Verarbeitung von Rohstoffen oder die Bearbeitung von Gegenständen stattfindet, die einem sehr raschen Verderben ausgesetzt sind, kann die Verkürzung auf 10 Stunden, vom Bundesrate auf längere Zeit ausgedehnt werden, wenn sie zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an diesen Materialien erforderlich ist.

Art. 60bis. Die Verlängerung der normalen Arbeitsdauer (Art. 42 und 43) darf im ganzen für weibliche Personen nicht mehr als 140 Stunden 'im Jahre betragen.

Art 65bis. Für Personen unter sechzehn Jahren muss die Nachtruhe unter allen Umständen wenigstens 11 aufeinanderfolgende Stunden betragen und die Zeit von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens in sich schliessen.

Art 73bis. Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Schutz der weiblichen und der jugendlichen Personen können durch Beschluss der Bundesversammlung insoweit auf industrielle Unternehmungen, die nicht Fabriken sind, anwendbar erklärt werden, als diese Bestimmungen auch in internationalen Verträgen über Arbeiterschutz enthalten sind, denen die Schweiz beigetreten ist oder noch beitreten wird.

Bnndesblatt. 66. Jahrg. Bd. I.

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178

Als industrielle Unternehmungen, die nicht Fabriken sind, können bloss solche angesehen werden, in denen mehr als zehn Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt sind und die sich mit der Bearbeitung und Verarbeitung von Gegenständen befassen. Inbegriffen sind Bergwerke und Steinbrüche. Ausgeschlossen sind Handelsgeschäfte und landwirtschaftliche Betriebe, sowie alle Unternehmungen, in denen nur Familienmitglieder tätig sind.

Der Bundesrat entscheidet darüber, ob ein Betrieb als industrielle Unternehmung im Sinne dieser Bestimmungen zu betrachten sei und erlässt die nötigen Vollzugsvorschriften.

Art. 74bis. Der Bundesrat kann für einzelne technische Zweige des Aufsichtsdienstes Fachinspektorate zur Mitwirkung herbeiziehen.

Art. 77, Absatz 3. Der Bundesrat bestimmt im Wege der Vollzugsverordnung ob und inwieweit die Beschwerde aufschiebende Wirkung hat.

In beiden Fällen . ..

# S T #

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 16. Januar 1914.)

Die Anstalt ,,La Source" école de gardes-malades, in Lausanne, wird als Hülfsorgan des schweizerischen Zentralvereins vom Roten Kreuz anerkannt.

(Vom 20. Januar 1914.)

Zum Kommandanten des IV. Territorialkreises wird ernannt : Kavallerie-Oberstlieutenant F ü g l i s t a l l e r , Bernhard, in Basel.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Kommission des Ständerates über einzelne Artikel des vom Nationalrat behandelten Entwurfes für ein Fabrikgesetz und dessen Anpassung an die internationalen Arbeitenschutzverträge. (Vom 23. Januar 1914.)

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1914

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04

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28.01.1914

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