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Bericht des

Bündesrates an die Bundesversammlung über das Gesuch von Weil frères in Basel um Zubilligung einer Entschädigung für Ausfall des Gewinnes aus der Absinthfabrikation.

(Vom 6. Juni 1914.)

1. Mit Eingaben vom 21. Februar 1913 und 20. Januar 1914 hat die Firma Weil frères in Basel beim Bundesrate das Gesuch gestellt, es möchte ihr aus Billigkeitsgründen eine angemessene Entschädigung für den Ausfall des Gewinnes von Fr. 5000 aus ihrer frühern Absinthfabrikation gewährt werden.

Die Petentin führt zugunsten ihres Gesuches aus, ihr Anspruch, von der eidgenössischen Schätzungskommission formell, weil den Vorschriften von Art. 6, Alinea 2, des Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 1910 betreffend Absinthentschädigungen nicht entsprechend, abgewiesen, sei durch die gleiche Kommission dem Entgegenkommen des Bundesrates empfohlen worden. Ein solches Entgegenkommen sei aus sachlichen Gründen geboten. Der Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1910 kürze die Entschädigung wegen Ausfalles des Gewinnes aus der Absinthfabrikation prozentual, nämlich im Verhältnisse der neben der Absinthfabrikation vom Fabrikanten etwa noch betriebenen ändern Geschäfte; er schliesse die Entschädigung aus, sobald die ändern Geschäfte 90 °/o des Gesamtgeschäftsbetriebes ausmachen. In Anwendung der letztern Bestimmung sei die Petentin von jeglicher Gewinnentschädigung ausgeschlossen worden. Dieser Ausschluss sei aber ungerecht, weil das Geschäft der Petentin Transaktionen in Cognac mit einem Bruder der Geschäftsinhaber, Joel Weil, umfasst habe, welche von der Firma Weil frères ohne Gewinnabsicht besorgt worden seien.

2. Der Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1910 bestimmt in Art. 6 für die Entschädigung des Gewinnausfalles der Absinthfabrikanten was folgt :

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,,Wer bis zum 5. Juli 1908 Absinth fabrizierte, erhält eine einmalige Entschädigung vom vierfachen Betrage des aus dieser1 Fabrikation innerhalb der vorausgegangenen fünf Jahre durchschnittlich erzielten Reingewinnes. .. .

,,Hat der Fabrikant innerhalb der fünf Jahre neben dem.

Absinthgeschäfte noch andere Geschäfte betrieben, so wird die Entschädigung im Verhältnisse der Bruttoeinnahmen aus diesen, ändern Geschäften zu den gesamten Bruttoeinnahmen gekürzt.

Fabrikanten, deren Bruttoeinnahmen aus solchen ändern Geschäften 90 oder mehr Prozente ihrer gesamten Bruttoeinnahmen betrugen, erhalten keine Entschädigung. Bruchteile von Prozenten werden nicht berücksichtigt.tt Der Umfang des Absinthumsatzes im Verhältnisse zum gesamten Geschäftsumsatze des Hauses Weil frères ist schon vor dem Erlasse des Bundesbeschlusses durch die erste, zur Aufnahme der tatsächlichen Verhältnisse bestellte Expertenkommission (Wyss & Konsorten, Bericht vom 6. April 1910) summarisch festgestellt und mit rund 8 °/o angegeben worden.

Eine im Sommer 1912 bei der Petentin vorgenommene eingehende Bücherexpertise (Bericht des Komptabilitätsinspektors der Alkoholverwaltung, vom 2S./26. Juli 1912, in den gedruckten ,,Akten betreffend Schadloshaltung von Weil frères" unter Nr. 10, Seite 7, wiedergegeben) bestätigte diese Einschätzung. Sie ergab im Jahrfünft 1903/1908 bei Fr. 714,770. 96 Gesamtbruttoeinnahmen Fr. 43,256. 65, mithin 7 °/o, Bruttoeinnahmen aus dem Absinthgeschäfte. Ferner stellte sich bei Anlass dieser Untersuchung heraus, dass die Petentin noch Filialen (in Cognac, St. Ludwig und Mailand) betrieb, deren Umsatz, mit demjenigen des Hauptgeschäftes in Basel zusammengenommen, Fr. 1,335,852. 50 betrug. Im Verhältnisse zu dieser Summe beträgt der Absinthumsatz nicht mehr als 4 °/o. Nach dem Bundesbeschlussse ist ein Unterschied zwischen dem Umsätze im Hauptgeschäfte und in den Filialen und zwischen in- und ausländischen Filialen nicht zu machen. Auf den von der Petentin erhobenen Einwand hin, dass die mit Joël Weil getätigten Cognacgeschäfte, weil ohne geschäftlichen Nutzen für das Haus, nicht in den Geschäftsumsatz einbezogen werden dürften, wurde auch der Gesamtumsatz des Basler Hauses ohne diese Cognacgeschäfte im Verhältnisse zum Umsätze aus Absinth festgestellt; es ergaben sich bei Fr. 43,256. 65 Absintheinnahmen,
wie oben, und Fr. 383,780. 11 Bruttoeinnahmen aus allen Geschäften überhaupt 12 % ^ur Absinth und 88 °/o für andere Geschäfte. Als jährlicher Reingewinn aus dem Absinth wurden Fr. 1814. 20 festgestellt.

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3. Gestützt auf Art. 6 des Bundesbeschlusses und auf die Feststellung hin, dass schon allein bei Einrechnung des Gesamtumsatzes des Basler Hauses das Absinthgeschäft nicht mehr als 7 °/o ausmacht, wies die eidgenössische Alkoholverwaltung, die mit der Erledigung der Absinthentschädigungsforderungen beauftragt ist, die Ansprüche von Weil frères ab.

4. Weil frères machten hierauf ihre sämtlichen Entschädigungsforderungen aus dem Absinthverbote, in erster Linie diejenige für den Ausfall des Absinthgewinnes, daneben diejenigen für den Minderwert der früher der Absinthfabrikation dienenden Gebäude und Einrichtungen und für den Gewinnausfall der monopolfreien Brennerei vor der eidgenössischen Schätzungskommission geltend.

Sie bezifferten ihre Hauptforderung, im Belaufe des vierfachen durchschnittlichen Reingewinnes der Jahre 1903/1908, mit Fr. 19,740. 50.

5. Mit Entscheid vom 16. Januar 1913 hat die eidgenössische Schätzungskommission Weil frères für den durch das Absinthverbot bewirkten Minderwert der Fabrikationseinrichtungen eine Entschädigung von Fr. 2493. 75 zugesprochen. Dagegen wies sie die sämtlichen übrigen Forderungen ab. Die Verweigerung der Entschädigung des Absinthgewinnes begründete die Kommission mit den folgenden Ausführungen : ,,C. Entschädigung für Gewinnausfall (Art. 6 des Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 1910).a Nach Art. 6, Absatz 2, wird eine solche Entschädigung nicht geleistet, wenn die Bruttoeinnahmen des Absinthfabrikanten aus seinen anderweitigen Geschäften 90 oder mehr Prozente seiner gesamten Bruttoeinnahmen betrugen. In diesem Falle befindet sich, wie nicht streitig, die heutige Ansprecherin, wenn man ihre ausländischen Filialen mitberücksichtigt, und auch ohne diese, sofern man die Lieferungen an Joël Weil einbezieht. Letzteres muss nun. aber geschehen ohne Rücksicht darauf, ob bei diesen Lieferungen ein Gewinn erzielt wurde oder nicht. Denn während zunächst allerdings die Höhe der Entschädigung sich nach dem Gewinne aus der Absinthfabrikation richtet (Art. 6, Absatz 1), muss dagegen die weiterhin noch vorzunehmende Verhältnisrechnung nach der unzweideutigen Fassung des Art. 6, Absatz 2, von den Bruttoeinnahmen ausgehen, ohne dass zu untersuchen wäre, inwieweit in diesen Bruttoeinnahmen ein Gewinn enthalten ist. Auch Geschäfte ohne Gewinn, ja selbst solche mit Verlust, müssen hiernach einbezogen werden, sofern eine Bruttoeinnahme erzielt worden ist. Der Gegensatz zwischen Absatz l, wo vom

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Reingewinne, und Absatz 2, wo von den Bruttoeinnahmen die Rede ist, tritt in der Fassung von Art. 6 so ausgeprägt hervor, dass an eine bloss ungenaue Ausdrueksweise nicht gedacht werden kann, sondern angenommen werden muss, der Gesetzgeber habe in Absatz 2 bewusstermassen auf die Bruttoeinnahmen und nicht auf den Gewinn abstellen wollen. Von welchen Erwägungen er dabei geleitet worden ist, tut nichts zur Sache. Richtig mag allerdings sein, dass ihm bei Brlass dieser Bestimmung so besonders geartete Verhältnisse, wie sie hier vorliegen, wohl nicht vor Augen gestanden haben, und das würde vom Standpunkt ·der Billigkeit aus ein gewisses freiwilliges Entgegenkommen des Bundes gegenüber der heutigen Ansprecherin rechtfertigen. Die Schätzungskommission ihrerseits darf den Rechtsstandpunkt nicht verlassen und muss die Ansprecherin auf Grund von Art. 6, Absatz 2, wie er nun einmal vorliegt, mit dieser Forderung abweisen."

Die Kommission erkannte: ,,Die Entschädigung der Firma Weil frères in Basel aus dem Absinthverbote wird auf Fr. 2493. 75 (zweitausendvierhundert dreiundneunzig Franken und fünfundsiebzig Rappen) nebst 4 % Zins hiervon seit dem 7. Oktober 1910 festgesetzt.

Mit ihren weitergehenden Forderungen wird die Ansprecherin abgewiesen, dagegen im Sinne der vorstehenden Ausführungen unter C. aus Billigkeitsgründen dem Entgegenkommen des Bundesrates empfohlen.tt Der Entscheid der Schätzungskommission ist nicht an das Bundesgericht weitergezogen worden.

6. Zu der seitens der Petentin vor der Bundesversammlung geltend gemachten Forderung einer aus Billigkeit zu gewährenden ,,angemessenen Entschädigung" für den Ausfall eines jährlichen Gewinnes von Fr. 5000 aus der Absinthfabrikation haben wir folgendes zu bemerken.

a. Vor allem ist die Angabe der Petentin richtigzustellen, wonach ihr Gewinnausfall Fr. 5000 betrage. Die unter Ziffer 2 angeführte Bücherexpertise hat einen jährlichen Absinthreingewinn von Fr. 1814. 20 ergeben; auf diese Summe beschränkt sich auch der vom Absinthverbote verursachte Verlust.

b. Wie gross wäre nun aber die Entschädigung, wenn die eidgenössische Schätzungskommission dem Begehren der Petentin entsprochen und die obenerwähnten Cognacgeschäfte des Hauses aus dem regulären Geschäftsbetriebe ausgeschieden hätte ? Auch hierin ist die Petentin einem Irrtume verfallen. Schon als sie vor der

525 Schätaungskommission das Begehren um eine Entschädigung vom vierfachen jährlichen Reingewinne stellte und ihre Forderung auf Fr. 19,740. 50 bezifferte, hat sie der Vorschrift des Art. 6, Absatz 2, nicht Rechnung getragen, wonach die Entschädigungssumme (das Vierfache des Reingewinnes) im Verhältnisse der Bruttoeinnahmen aus ändern Geschäften VM den Gesamtbruttoeinnahmen g e k ü r z t werden muss. Auch wenn daher der Anspruch der Petentin, dass ihre Absintheinnahmen nicht 7, sondern 12 °/o ihrer Gesamteinnahmen betragen, zuträfe, so hätte sie bloss auf 12 °/o der von ihr geforderten Entschädigungssumme von Fr. 19,740. 50 Anspruch gehabt, also auf Fr. 2368. 85 ; auf dem Vierfachen des richtig gestellten Gewinnes von Fr. 1814. 20 aber ergäbe sich als Entschädigung blos ein Betrag von rund Fr. 870. Diese Summe dürfte auch eine aus Billigkeitserwägungen der Petentin zu gewährende Entschädigung keinen Falles überschreiten.

c. Nachdem die irrtümlichen Voraussetzungen berichtigt sind, bleibt ein kleines Interesse der Petentin übrig. Diese ist nun aber nicht die einzige unter den Fabriken, welche eine harte Behandlung erfahren zu haben glaubt; andere Fabrikanten sind wegen der gleichen, heute in Frage stehenden Bestimmung für ·den Ausfall von viel grössern Summen aus Fabrikationsgewinn ohne Entschädigung geblieben.

Der Vorschrift, wonach die Gewinnentschädigung des Fabrikanten im Verhältnisse der Einnahmen aus den ändern Geschäften zum Gesamtgeschäfte zu kürzen sei und bei 90 °/o anderer Geschäfte wegfalle, lag der Gedanke zugrunde, dass ein Fabrikant um so leichter imstande sein werde, den durch das Absinthverbot ganz oder teilweise ausser Gebrauch gesetzten Investierungen eine lukrative Wiederverwendung zu geben, je grösser die Bedeutung der Geschäfte war, die er neben dem Absinthgeschäfte betrieb.

Dabei ist wohl zu beachten, dass es sich hier bloss um eine Wiederverwendung derjenigen Investierungen handeln kann, die im Handelsbetriebe (Betriebskapital, Wert der Klientel etc.) einer entschädigungsberechtigten Fabrik stecken, nicht der Investierungen im Fabrikationsbetriebe (Gebäudewert, Fabrikationseinrichtungen etc., für die nach Art. 3 und 4 des Bundesbeschlusses getrennt entschädigt wird und wofür der Petentin Fr. 2493. 75 zugesprochen und bezahlt worden sind). In einem Hause, wie Weil frères,
werden jene handelsgesehäftlichen Absinthanlagen, die im Verhältnisse zur ganzen geschäftlichen Tätigkeit bloss 7 oder gar nur 4 °/o ausmachen, ohne allzugrosse Schwierigkeit zum grössten Teile vom übrigen Geschäfte absorbiert werden können ; denn die Kundschaft Bumlesblatt. 66. Jahrg. Bd. III.

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für viele Geschäfteartikel ist die gleiche oder stammt wenigstens aus den gleichen Abnehmerkreisen, und von dem in dem einen Geschäftszweige frei werdenden Kapital profitieren die Übrigen Geschäftszweige. In diesem Zusammenhange stehen auch die ohne Nutzen betriebenen Geschäfte auf genau der gleichen Linie wie die, welche Gewinn abwerfen, ihre ausgleichende Kraft kommt dem Fabrikanten ebenfalls zugut. Dass bei der Aufgabe oder Umwandlung eines Geschäftszweiges Einbussen entstehen, ist unzweifelhaft; es ist aber nicht zu vergessen, dass der Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1910 nach dem Befehle in Art. 4 des Absinthgesetzes vom 24. Juni 1910 grundsätzlich nur den ,,empfindlich" Geschädigten ,,teilweise Entschädigung1* gewährt.

d. Diese Erwägungen zeigen, dass die Anwendung des Bundesbeschlusses auf das Geschäft der Petentin, inklusive deren Cognacgeschäfte, sich in den normalen Grenzen des vom Gesetzgeber Vorausgesehenen bewegt. Sie sind von solchem Gewichte, dass wir nicht gezögert haben, die Kürzungsvorschrift überall in striktester Weise zur Anwendung zu bringen. Wir haben das getan, wo die Verhältnisse noch viel eher eine Verweisung an die Bundesversammlung hätten zu rechtfertigen vermögen. Daher schüfe Abweichen von der Regel, dass das Verhältnis der Bruttoeinnahmen aus Absinth- und ändern Geschäften massgebend ist, Ungleichheiten. Würde Weil frères eine Entschädigung gewährt, so könnte es bei dieser einen nicht bleiben.

Wir stellen den Antrag: Sie möchten das in der vorliegenden Eingabe gestellte Entschädigungsgesuch abweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 6. Juni 1914.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Hoffmann.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Gesuch von Weil frères in Basel um Zubilligung einer Entschädigung für Ausfall des Gewinnes aus der Absinthfabrikation. (Vom 6. Juni 1914.)

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10.06.1914

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