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Schweizerisches Bundesblatt.

66. Jahrgang.

24. Juni 1914.

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Band III.

Bundesgesetz betreffend

die Arbeit in den Fabriken.

(Vom 18. Juni 1914.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Art. 34 und 64 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 6. Mai 1910 und seiner Berichte vom 14. Juni 1913 und 23. Januar 1914, beschliesst:

I. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1. Dieses Gesetz ist anwendbar auf jede industrielle Anstalt, der die Eigenschaft einer Fabrik zukommt.

Geltungsbereich.

Eine industrielle Anstalt darf als Fabrik bezeichnet werden, wenn sie eine Mehrzahl von Arbeitern ausserhalb ihrer Wohnräume beschäftigt, sei es in den Räumen der Anstalt und auf den zu ihr gehörenden Werkplätzen, sei es anderwärts bei Verrichtungen, die mit dem industriellen Betriebe im Zusammenhang stehen.

Art. 2. Der Bundesrat entscheidet, nach Erstattung Unterstellung eines Berichtes der Kantonsregierung, ob eine industrielle und deren 0 Aufhebung.

Bundesblatt. 66. Jahrg. Bd. III.

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568 Anstalt als Fabrik dem Gesetze zu unterstellen sei, und ob eine ihm unterstellte Anstalt die Eigenschaft einer Fabrik nicht mehr besitze.

Die Anstalt bleibt dem Gesetze unterstellt, solange nicht der Bundesrat die gegenteilige Verfügung getroffen hat.

Einwirkung Art. 3. In bezug auf Werkstätten, Depots, Kraftetatioiien der Eisenund ähnliche Anlagen, die zu Eisenbahnen und andern bahngesetzgebung.

Verkehrsanstalten gehören und mit deren Betrieb in direktem

Zusammenhang stehen, entscheidet der Bundesrat auf Grund der Verhältnisse über die Anwendung des gegenwärtigen Gesetzes und der Eisenbahngesetzgebung, sowie über die Ausübung der Aufsicht.

gï FabrikArt. 4. Über die Fabriken werden von den zuständigen verzeichnisse. Behörden Verzeichnisse geführt.

Fabrikhygiene Art. 5. Der Fabrikinhaber hat zur Verhütung von und UnfallKrankheiten und Unfällen alle Schutzmittel einzuführen, verhütung.

die nach der Erfahrung notwendig und nach dem Stunde der Technik und den gegebenen Verhältnissen anwendbar sind.

Die Arbeitsräume, Maschinen und Werkgerätschaften sind so herzustellen und zu unterhalten, dass Gesundheit und Leben der Arbeiter nach Möglichkeit gesichert werden.

Die Räume, in denen Arbeiter sich aufhalten oder verkehren, sind nach Möglichkeit rein zu halten ; sie sollen gut beleuchtet sein, und es sind zweckentsprechende Massnahmen zu treffen, um die Luft zu erneuern und von Staub, schädlichen Gasen und Dämpfen tunlichst zu befreien.

Die Arbeitsräume sind in der kalten Jahreszeit zu heizen, sofern ihre Bestimmung es gestattet.

Der Fabrikinhaber kann verhalten werden, durch. Anschlag in den Arbeitsräumen deren Masse und die Höchstzahl der darin zu beschäftigenden Arbeiter bekanntzugeben.

Erfordern es die Umstände, so sind den Arbeitern ausserhalb der Arbeitsräume passende, in der kalten Jahreszeit geheizte Essräume unentgeltlich zur Verfügung zu stell en.

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Art. 6. Wer eine Fabrik errichten oder umgestalten oder Genehmigung bestehende Räume zu Fabrikzwecken einrichten will, hat der der Anlage.

Kantonsregierung von der Art des beabsichtigten Betriebes Kenntnis zu geben und ihr die Pläne nebst einer Beschreibung des Baues und der innern Einrichtung zur Genehmigung einzureichen.

Die Kantonsregierung holt über die Eingabe das Gutachten des eidgenössischen Fabrikinspektors ein.

Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn aus der Eingabe hervorgeht, dass die geplante Anlage dem Gesetze und den Vollzugsbestimmungen in allen Teilen genügt. Andernfalls wird die Genehmigung verweigert oder von der Vornahme zweckentsprechender Änderungen abhängig gemacht.

Der Entscheid der Kantonsregierung ist dem eidgenössischen Fabrikinspektor mitzuteilen. · Die kantonalen Vorschriften über die Baupolizei kommen zur Anwendung, soweit sie diesem Gesetze nicht widersprechen.

Art. 7. Die Vorschriften des Bundes über elektrische Vorbehalt für elektrische Anlagen bleiben vorbehalten.

Anlagen.

Art. 8. Zur Eröffnung des Betriebes ist die Bewilligung Bewilligung der Betriebsder Kantonsregierung erforderlich.

eröffnung.

Die Kantonsregierung lässt die fertiggestellte Anlage prüfen; wenn nötig, erfolgt die Prüfung durch Fachmänner.

Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die Ausführung des Baues und der innern Einrichtung den Beschlüssen der Kantonsregierung über die Genehmigung der Anlage entspricht.

Bei Betrieben, die mit besondern Gefahren für Gesundheit und Leben der Arbeiter oder der Bevölkerung der Umgebung verbunden sind, ist die Bewilligung an angemessene Bedingungen zu knüpfen.

570 Beseitigung nachträglich erkannter Übelstände.

Art. 9. Erzeigen sich beim Betriebe Übelstände, die Gesundheit und Leben der Arbeiter oder der Bevölkerung der Umgebung gefährden, so soll die Kantonsregierung dem Fabrikinhaber zu deren Beseitigung eine Frist bestimmen, und, wenn nötig, die Einstellung des Betriebes bis nach Beseitigung der Übelstände anordnen.

Arbeiterverzeichnis.

Art. 10. Der Fabrikinhaber hat über die in seinem Betriebe beschäftigten Arbeiter ein Verzeichnis zu führen und in der Fabrik den Aufsichtsorganen zur Einsicht bereitzuhalten.

Erlass der FabrikOrdnung.

Art. 11. Der Fabrikinhaber ist verpflichtet, über die Arbeitsordnung, die Fabrikpolizei und die Auszahlung des Lohnes eine Fabrikordnung zu erlassen.

Die Vorschriften über die Fabrikpolizei können Bestimmungen enthalten, wonach der Verkehr mit geistigen Getränken und der Genuas solcher im Bereiche der Fabrik während der Arbeitszeit eingeschränkt oder gänzlich untersagt wird.

Ausschluss von der Arbeit.

Art. 12. Die Fabrikordnung darf keine Bestimmung enthalten, wonach der Arbeiter zur Strafe vorübergehend von der Arbeit ausgeschlossen werden kann.

Der vorübergehende Ausschluss ist dagegen zulässig, wenn der Zustand des Arbeiters ihn zur Erfüllung seiner Pflichten untauglich macht, sein Verhalten das Zusammenarbeiten stört oder die Sicherheit des Betriebes gefährdet.

Bussen.

Art. 13. Die Verhängung von Bussen ist bloss zulässig zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Arbeitsordnung und der Fabrikpolizei und nur dann, wenn sie in der Fabrikordnung vorgesehen sind.

Die Busse ist dem Arbeiter beider Ausfällung mitzuteilen.

Über jede Busse kann sich der Betroffene beim Fabrikinhaber oder bei seinem verantwortlichen Stellvertreter beschweren.

571 Bussen über fünfundzwanzig Rappen sind vom Fabrikinhaber oder von seinem verantwortlichen Stellvertreter unterschriftlich zu bestätigen und unter Angabe des Grundes schriftlich mitzuteilen.

Die Bekanntmachung der ausgesprochenen Bussen durch Anschlag oder auf ähnliche Weise ist verboten.

Die einzelnen Bussen dürfen ein Viertel des Taglohnes des Gebüssten nicht übersteigen und sind im Interesse der Arbeiter, namentlich für Unterstützungskassen, zu verwenden.

Art. U. Die Fabrikordnung unterliegt der Genehmigung Genehmigung der Fabrikder Kantonsregierung.

ordnung.

Die Kantonsregierung holt der Entscheidung vorgängig das Gutachten des eidgenössischen Fabrikinspektors ein.

Sie genehmigt die Fabrikordnung, wenn sie nichts enthält, das vorschriftswidrig ist oder offenbar gegen die Billigkeit verstösst.

Art. 15. Bevor der Entwurf, einer neuen oder ab- Anhörung der Arbeiter.

geänderten Fabrikordnung vom Fabrikinhaber zur Genehmigung vorgelegt wird, muss er in den Arbeitsräumen angeschlagen oder den Arbeitern ausgeteilt werden, mit Ansetzung einer Frist von wenigstens zwei, höchstens vier Wochen, innert welcher sich die Arbeiter, sei es selbst, sei es durch eine von ihnen aus ihrer Mitte gewählte Kommission, schriftlich darüber äussern können.

Die Äusserung der Arbeiter ist dem Genehmigungsgesuche beizulegen oder kann von ihnen der Kantonsregierung unmittelbar eingereicht werden, die in diesem Falle vom Inhalt dem Fabrikinhaber in gutscheinender Weise Kenntnis gibt.

Äussern sieh die Arbeiter innert der ihnen angesetzten Frist nicht, so entscheidet die Kantonsregierung ohne weiteres über die Genehmigung der Fabrikordnung.

572 Bekanntmachung.

Art. 16. Nachdem die Fabrikordnung genehmigt ist, soll sie, gedruckt und mit der Genehmigung der Kantonsregierung versehen, dieser Behörde für sich und zuhanden des eidgenössischen Fabrikinspektors mitgeteilt, in der Fabrik angeschlagen und jedem Arbeiter beim Dienstaatritt zu eigen übergeben werden.

Verbindlichkeit.

Art. 17. Die Fabrikordnung ist für den Fabrikinhaber und für die Arbeiter verbindlich.

Abänderung Art. 18. Die Kantonsregierung kann die Abänderung wegen der Fabrikordnung verlangen, wenn sich bei deren AnwenÜbelständen.

dung Übelstände ergeben.

Besondere Art, 19. Die Bestimmungen von Art. 14 bis 18 finden Réglemente. auch Anwendung auf besondere Réglemente, die als Bestandteile der Fabrikordnung zu betrachten sind.

Verhältnis Art. 20. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Fabrikzum Obliga- ·inhaber und den Angestellten richtet sich ausschliesslich tionenrecht.

inach dem Obligationenrechte. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Fabrikinhaber nnd den Arbeitern richtet sich ebenfalls nach dem Obligationenrechte, soweit im gegenwärtigen Gesetze keine besondern Bestimmungen getroffen sind.

Kündigungsfristen.

Art. 21. Das Dienstverhältnis zwischen dem Fabrikinhaber und dem Arbeiter kann auf vierzehn Tage gekündigt werden.

Durch schriftliche Festsetzung im Dienstvertrage oder durch Gesamtarbeits- oder Normalarbeitsvertrag kann die Kündigungsfrist wegbedungen oder können andere Fristen aufgestellt werden, die aber in allen Fällen für beide Teile die gleichen sein müssen.

Bei Akkordarbeit soll, wenn nicht besondere Schwierigkeiten entgegenstehen, die angefangene Arbeit vor dem Austritt vollendet werden.

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Art. 22. Durch die Fabrikordnung, oder durch Vertrag Kündigungskann die Kündigung auf den Termin des Samstags oder des termine.

Zahltags beschränkt werden.

Art. 23. Das Dienstverhältnis kann vom Fabrikinhaber Beschränkung des Kündinicht gekündigt werden: gungsrechts.

a. während einer ohne Verschulden des Arbeiters durch Unfall oder Krankheit verursachten Erwerbsunfähigkeit bis zum Ablauf von vier Wochen, ö. wegen schweizerischen obligatorischen Militärdienstes.

Für den in solchem Militärdienst befindlichen Arbeiter steht der Ablauf der Kündigungsfrist während der Dauer dieses Dienstes still.

Art. 24. Die ersten vierzehn Tage vom Eintritte an gelten als Probezeit, wenn nichts anderes durch schriftliche Festsetzung im Dienstvertrage oder durch Gesamtarbeitsoder Normalarbeitsvertrag bestimmt ist. Während dieser Zeit kann der Austritt und die Entlassung ohne Kündigung stattfinden.

Probezeit.

Art. 25. Der Fabrikinhaber ist verpflichtet, den Lohn Auszahlung spätestens alle vierzehn Tage in bar, in gesetzlicher Wäh- des Lohnes.

rung und unter Beifügung einer Abrechnung in der Fabrik selbst, und zwar innert der Arbeitszeit an einem Werktage, auszuzahlen.

Der Zahltag darf nur ausnahmsweise, aus zwingenden Gründen, auf den Samstag verlegt werden.

Am Zahltag darf nicht mehr als der Lohn für die letzten sechs Arbeitstage, bei Akkordarbeit nicht mehr als ein dem Lohn der letzten sechs Arbeitstage ungefähr entsprechender Betrag ausstehen bleiben.

Art. 26. Wird das Dienstverhältnis in Vertrags- oder Rechtswidrige Auflösung des gesetzwidriger Weise gelöst, so hat der Fabrikinhaber, wenn er Dienstverder schuldige Teil ist, dem Arbeiter als Schadenersatz einen hältnisses.

Betrag; der dem Lohne von sechs Tagen gleichkommt, zu bezahlen; ist der Arbeiter der schuldige Teil, so hat er

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von seinem Lohnguthaben dem Fabrikinhaber den Lohnbetrag von drei Tagen zu überlassen oder ihm einen ent* sprechenden Betrag zu bezahlen.

Der Fabrikinhaber, der auf die Entschädigung Anspruch macht, hat im Streitfalle seine Klage innert zehn Tagen von der Beendigung des Dienstverhältnisses hinweg am Sitze der Unternehmung anhängig zu machen. Unterlässt er die Kluge, so wird Verzicht auf die Entschädigung angenommen. Abweichende Vereinbarungen sind ungültig.

Lohnzuschlag.

Art. 27. Die Verlängerung der Dauer der normalen Tagesarbeit (Art. 48), sowie die vorübergehende Nacht- und Sonntagsarbeit (Art. 52) darf nur bewilligt werden, wenn der Fabrikinhaber den beteiligten Arbeitern einen Lohnzuschlag von 25 °/o zusichert.

Bei Akkordarbeit kann der Zuschlag auf Grund des Durchschnitts Verdienstes des betreffenden Arbeiters berechnet werden. Ist bei Akkordarbeit, abgesehen von Akkordlohn, ein fester Lohn vereinbart, .so ist der Zuschlag auf diesem zu berechnen.

Art. 28.

Unentgeltlichkeit der dem Arbeiter Arbeitseinrichtungen. Arbeitsplatzes, Lohnabzüge. für Benutzung

Dem Fabrikinhaber erwachsen gegenüber keinerlei Ansprüche für Überlassung des ' für Beleuchtung, Heizung und Reinigung, von Werkzeug und für Lieferung von Be-

triebskraft.

Für Lieferung von Waren und Fourni tiiren darf der Fabrikinhaber vom Arbeiter nicht mehr als den Betrag der Selbstkosten fordern. Die Verrechnung darf nicht auf dem Wege des Lohnabzuges stattfinden.

Lohnabzüge für mangelhafte Arbeit oder verdorbenes Material sind zulässig ; indessen darf für letzteres nur der Ersatz der Selbstkosten gefordert werden.

Abzüge zu Versicherungszwecken richten sich nach den Vorschriften der eidgenössischen oder kantonalen Gesetzgebung.

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Art. 29. Zivilstreitigkeiten aus dem Dienstverhältnis Gerichtsstand und Verfahren entscheidet der zuständige Richter.

für ZivilDie Kantone bezeichnen die Gerichtsstellen, die solche Streitigkeiten.

Streitigkeiten zu entscheiden haben.

Die Entscheidung soll auf Grund mündlichen und raschen Verfahrens erfolgen. Berufsmässige Prozessvertretung ist unzulässig, sofern eine solche nicht durch besondere persönliche Verhältnisse einer Partei als gerechtfertigt erscheint.

Der Richter hat von amtswegen die für den Entscheid erheblichen Tatsachen zu erforschen; er ist nicht an die Beweisanträge der Parteien gebunden und würdigt die Beweisergebnisse nach freiem Ermessen.

Das Verfahren ist kostenlos.

In Fällen von mutwilliger Prozessführung ist der Richter befugt, gegen die fehlbare Partei Bussen auszusprechen und ihr die Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen.

Art. 30. Behufs Vermittlung von Kollektivstreitigkeiten Kantonale zwischen Fabrikinhabern und Arbeitern über das Arbeits- EinigungssteJlen.

verhältnis, sowie über die Auslegung und Ausführung von Gesamtarbeits- oder Normalarbeitsverträgen werden von den Kantonen, unter Berücksichtigung der in den Industrien bestehenden Bedürfnisse, ständige Einigungsstellen errichtet.

Die Organisation der kantonalen Einigungsstellen unterliegt der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 31. Die Einigungsstelle lässt ihre Vermittlung von Verfahren.

sich aus oder auf das Begehren einer Behörde oder Beteiligter eintreten.

Alle von der Einigungsstelle Vorgeladenen sind bei Busse verpflichtet, zu erseheinen, zu verhandeln und Auskunft zu erteilen.

Das Verfahren ' ist kostenlos.

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InterArt. 32. Reicht eine Streitigkeit über die Grenzen kantonale eines Kantons hinaus, so ernennt der Bundesrat die Einigungsstellen.

Einigungsstelle. Er kann auch eine kantonale Einigungsstelle mit der Vermittlung betrauen.

Freiwillige Einigungsstellen.

Art. 33. Errichten mehrere Fabrikinhaber derselben Industrie und ihre Arbeiter eine freiwillige Einigungsstelle, so tritt sie für die Beteiligten anstatt der amtlichen in Tätigkeit.

Art. 34. Die Parteien können den Einigungsstellen im Verbindliche Schied- einzelnen Falle, freiwilligen Einigungsstellen auch allgemein, sprüche.

die Befugnis übertragen, verbindliche Schiedspruche zu fallen.

Art. 36. Die Kantone können den Einigungsstellen Weitergehende weitere als die in diesem Gesetze vorgesehenen Befugnisse kantonale Befugnisse. übertragen.

Art. 36. Zur Untersuchung und Begutachtung von BeEidgenössische schwerden, die von Arbeitern eidgenössischer Werkstätten Werkstättenkommission. ausgehen und sich auf allgemeine Arbeitsverhältnisse beziehen, bestellt der Bundesrat eine eidgenössische Werketättenkommission.

Die Untersuchung findet statt, wenn die Beschwerde von einer Anzahl von Arbeitern ausgeht und die direkte Beilegung der Meinungsverschiedenheit zwischen der Verwaltung und den Arbeitern nicht möglich ist. Die Beschlussfassung über die Beschwerde steht dem Bundesrate zu.

Er kann die Kommission jederzeit und ohne vorliegende Beschwerde mit der Untersuchung der Verhältnisse in Werkstätten oder mit der Berichterstattung über allgemeine oder bestimmte Fragen betrauen.

Art. 37. Die eidgenössische Werkstättenkommission beZusammensetzung.

steht aus einem Präsidenten und zwei weitern ständigen,

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sowie vier im einzelnen Falle zugezogenen Mitgliedern. Eines der ständigen Mitglieder soll Vertrauensmann der Arbeiterschaft sein; zwei der im einzelnen Falle zugezogenen Mitglieder sind, nach Einholung eines Vorschlages der Arbeiterschaft der Werkstätten, auf die sich die Tätigkeit der Kommission beziehen wird, dieser Arbeiterschaft zu entnehmen.

Art. 38. Die weitern Vorschriften über die Organi- Weitere sation, sowie die Befugnisse und das Verfahren der eid- Vorschriften.

genössischen Werkstättenkommission werden durch den Bundesrat aufgestellt.

Art. 39. Auf die Werkstätten der schweizerischen Werkstätten der BundesBundesbahnen finden die Vorschriften über die Einigungs- bahnen.

stellen und über die eidgenössische Werkstätten kommission keine Anwendung.

II. Arbeitszeit.

Art. 40. Die Arbeit eines Tages darf nicht mehr als Normalzehn, an den Tagen vor Sonn- und Feiertagen nicht mehr arbeitstag.

als neun Stunden dauern.

Art. 41. Wenn die Arbeit an Samstagen regelmässig Abgeänderter Normalsechsundeinhalb Stunden nicht übersteigt und spätestens arbeitstag.

um ein Uhr aufhört, darf sie an den übrigen Tagen zehnundeinhalb Stunden dauern.

Diese Bestimmung gilt für eine Frist von sieben Jahren, vom Inkrafttreten des Art. 40 an gerechnet.

Art. 42. Um die Mitte des Tages ist eine nach dem Ortsgebrauch sich richtende Mittagspause von wenigstens einer Stunde festzusetzen, es sei denn, dass a. die Arbeit spätestens um zwei Uhr aufhört und durch eine wenigstens halbstündige Pause unterbrochen wird,

Pausen.

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ô. die Arbeit nicht länger als neun Stunden dauert und durch eine wenigstens halbstündige Pause unterbrochen wird, c. die Arbeit nicht länger als sechsundeinhalb Stunden dauert, spätestens um ein Uhr aufhört und durch eine wenigstens viertelstündige Pause unterbrochen wird.

Pausen im einschichtigen Betrieb dürfen nur dann von der Arbeitsdauer abgerechnet werden, wenn sie gleichzeitig und regelmässig von allen Arbeitern einer Fabrik oder einer Fabrikabteilung eingehalten werden und wenn das Verlassen der Arbeitsstelle gestattet ist.

Art. 43. Die Arbeit muss vom 1. Mai bis 15. SepGrenzen der normalen tember in die Zeit zwischen fünf Uhr morgens und acht Tagesarbeit.

Uhr abends, im übrigen Teil des Jahres zwischen sechs Uhr morgens und acht Uhr abends gelegt werden ; an den Tagen vor Sonn- und Feiertagen muss sie spätestens um fünf Uhr aufhören.

Zeitkontrolle.

Art. 44. Die Arbeitsstunden und die Pausen sind nach der öffentlichen Uhr zu richten, in der Fabrik durch Anschlag bekanntzugeben und der Ortsbehörde anzuzeigen.

Umgehung der Art. 45. Es ist untersagt, die Bestimmungen über die Beschränkung Arbeitszeit dadurch zu umgehen, dass den Arbeitern Arbeit der Arbeitsdauer.

nach Hause mitgegeben wird.

Ausserhalb der gesetzlich zulässigen Arbeitsdauer dürfen die Arbeiter in der Fabrik auch freiwillig nicht arbeiten.

Art. 46. Gefährden in bestimmten. Industrien oder in Verkürzung der Arbeits- bestimmten Fabriken die Einrichtungen oder das Verfahren dauer.

des Betriebes bei der gemäss Art. 40 Und 41 zulässigen Arbeitsdauer Gesundheit und Leben der Arbeiter, so verkürzt der Bundesrat die Arbeitsdauer nach Bedürfnis, bis die Gefahr beseitigt ist.

579 Art. 47. Als Ausnahmen von der in den Art. 40--43 AusnahmsAnordfestgesetzten Anordnung der Arbeit kann der Bundesrat, bei weise nung der nachgewiesenem Bedürfnis, bewilligen: Tagesarbeit.

a. die Verschiebung von Beginn und Schluss der Tagesarbeit, ö. die schichtweise Abhaltung der Pausen, c. den zweischichtigen Tagesbetrieb.

In den Fällen von lit. a und b darf die Arbeitsdauer für den einzelnen Arbeiter nicht mehr als zehn, bei Anwendung von Art. 41 nicht mehr als zehnundeinhalb Stunden betragen.

An den Tagen vor Sonn- und Feiertagen darf sie nicht mehr als neun, an Samstagen bei Anwendung von Art. 41 nur sechsundeinhalb Stunden betragen. Sie muss innert eines Zeitraumes von zwölf aufeinanderfolgenden Stunden liegen.

Beim zweischichtigen Tagesbetriebe (lit. c) darf die Arbeitsdauer für den einzelnen Arbeiter nicht mehr als acht Stunden betragen. Sie muss durch eine wenigstens halbstündige oder durch zwei wenigstens viertelstündige Pausen unterbrochen werden und innert eines Zeitraumes von neun aufeinanderfolgenden Stunden liegen.

Der Bundesrat erlässt die zum Schutze der Arbeiter in ·diesen Ausnahmefällen nötigen Bestimmungen.

Art. 48. Die Dauer der normalen Tagesarbeit (Art. 40 und 41) kann, bei nachgewiesenem Bedürfnis und mit Bewilligung der zuständigen Behörde, ausnahmsweise und vorübergehend um bestimmte Stunden und für eine bestimmte Zahl von Arbeitern verlängert werden.

Die Verlängerung darf nur in Notfällen mehr als zwei Stunden im Tag betragen.

Überzeitarbeit.

Art. 49. Die Bewilligung der Verlängerung der nor- Bewilligung u. Bemessung malen Arbeitsdauer steht zu: der Überzeitarbeit.

a. für höchstens zehn Arbeitstage der Bezirksbehörde oder, wo eine solche nicht besteht, der Ortsbehörde,

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6. für mehr als zehn Arbeitstage der Kantonsregierung.

Die Bewilligung darf auf einmal höchstens für zwanzig Arbeitstage erteilt werden.

Die Zahl der Arbeitstage, für die einer Fabrik oder einer Fabrikabteilung Bewilligungen erteilt werden, darf in der Regel zusammen achtzig in einem Jahre nicht Überschreiten.

Weitergehenden Begehren kann ausnahmsweise und namentlich dann entsprochen werden, wenn die frühern Bewilligungen nur für einen kleinern Teil der in der Fabrik oder Fabrikabteilung beschäftigten Arbeiter erteilt worden sind.

Überzeitarbeit an Tagen vor Sonn- und Feiertagen.

Art. 50. An den Tagen vor Sonn- und Feiertagen ist die Verlängerung der Arbeitsdauer nur zulässig : a. mit Bewilligung der Bezirksbehörde oder, wo eine solche nicht besteht, der Ortsbehörde für höchstens zwei Tage, wenn eine zwingende äussere Veranlassung nachgewiesen wird, 6. mit Bewilligung der Kantonsregierung für Fabriken derjenigen vom Bundesrate zu bezeichnenden Industrien, die wegen ihrer besondern Betriebsverhältnisse der Verlängerung auf eine grössere Dauer bedürfen.

Art. 51. Nacht- und Sonntagsarbeit sind nur ausNacht- und Sonntags- nahmsweise- und nur mit Bewilligung der zuständigen Bearbeit.

hörde zulässig.

Die Arbeiter dürfen dazu nur mit ihrer Zustimmung verwendet werden.

Art. 52. Die Bewilligung vorübergehender Nacht- und . Vorübergehende Sonntagsarbeit ist nur in Notfallen oder aus sonstigen zwinNacht- und Sonntags- genden Gründen zulässig.

arbeit.

Sie steht zu: a. für höchstens sechs aufeinanderfolgende Nächte oder einen Sonntag der Bezirksbehörde oder, wo eine solche nicht besteht, der Ortsbehörde,

581 b. für sieben bis dreissig aufeinanderfolgende Nächte oder zwei bis vier Sonntage der Kantonsregierung, c. für eine längere Dauer dem Bundesrate.

Die Bewilligung darf nur für bestimmte Stunden und Tage und für eine bestimmte Zahl von Arbeitern erteilt werden.

Die Arbeitsdauer darf für den einzelnen Arbeiter innert vierundzwanzig Stunden nicht mehr als zehn Stunden betragen.

Während der Nacht soll die Arbeit durch eine wenigstens halbstündige Pause unterbrochen werden.

Art. 53. Fabrikinhabern, für deren Industrie Nacht- Dauernde Nacht- und oder Sonntagsarbeit in dauernder oder in regelmässig wieder- Sonntagsarbeit.

kehrender Weise unentbehrlich ist, erteilt der Buridesrat die Bewilligung dazu, wenn der Gesuchsteller die Unentbehrlichkeit für seinen Betrieb nachweist und einen Stundenoder einen Schichtenplan einreicht, aus dem die Arbeitsdauer für jeden einzelnen Arbeiter ersichtlich ist.

Der Bundesrat kann grundsätzlich feststellen, ob und inwieweit die Unentbehrlichkeit von Nacht- oder Sonntagsarbeit für bestimmte Industrien nachgewiesen sei.

Die Arbeitsdauer darf für den einzelnen Arbeiter innert vierundzwanzig Stunden nicht mehr als acht Stunden betragen. Der Bundesrat wird jedoch eine Arbeitsdauer von mehr als acht bis höchstens zehn Stunden bewilligen, wenn dies in den wirtschaftlichen Betriebsbedingungen einer Fabrik oder einer Industrie begründet ist und wenn es der Schutz von Gesundheit und Leben der Arbeiter erlaubt. Die Schichtdauer darf unter keinen Umständen über zwölf Stunden hinausgehen.

Das Mindestmass der gesamten Pausen muss betragen : a. eine halbe Stunde bei einer Schichtdauer von acht Stunden, b. eine Stunde bei einer Schichtdauer von mehr als acht bis auf zehn Stunden,

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c. zwei Stunden bei einer Schichtdauer von mehr als zehn bis auf zwölf Stunden.

Ruhetage bei Nacht- und Sonntagsarbeit.

Art. 54.

Ist Nachtarbeit bewilligt, so muss den Ar-

, beitern jeden Sonntag eine Ruhezeit von wenigstens vierund' :zwanzig Stunden freigegeben werden, welche die Zeit von

sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends in sich schliessen soll.

Ist Sonntagsarbeit oder Nacht- und Sonntagsarbeit bewilligt, so muss jedem Arbeiter jeder zweite Sonntag und für jeden Arbeitssonntag in der Woche vorher oder nachher ein Werktag freigegeben werden. Diese freien Tage sollen wenigstens je vierund z wanzig Stunden umfassen und die Zeit von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends in sich schliessen.

Vorstehende Bestimmungen beziehen sich sowohl auf die vorübergehende Bewilligung, als auf die dauernde Bewilligung.

Bei ununterbrochenem Betrieb werden hinsichtlich der nach Absatz 2 freizugebenden Tage die Feiertage (Art. 58) nicht als Sonntage angesehen.

Bei dreischichtigem Betrieb darf eine andere als die in Absatz 2 vorgesehene Verteilung der zweiundfünfzig freien Tage, sowie eine Verkürzung eines Teils dieser Tage bis auf zwanzig Stunden stattfinden. Unter den zweiundi'ilnzig freien Tagen müssen mindestens sechsundzwanzig Sonntage sein.

Als dreischichtig wird ein Betrieb auch dann betrachtet, wenn in ihm über den Sonntag zweischichtig gearbeitet wird, vorausgesetzt, dass die gesamte Stundenzahl einer Schicht im Wochendurchschnitt nicht mehr als sechsundfünfzig beträgt.

Art. 55. In der Nachtarbeit sollen die Schichten in "Wechsel in der Tag- und Zeiträumen von längstens vierzehn Tagen derart wechseln, Nachtarbeit.

dass jeder Arbeiter an der Tages- und Nachtarbeit gleichmässig Anteil hat.

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Ausnahmen kann der Buniesrat für einzelne Fabriken bewilligen.

Ununterbrochene Ruhezeit Pausen dürfen nur dann von der Arbeiis- Anrechnung der Pausen

Art. 56. Die bei Nacht- und Sonntagsarbeit vorgeschriebene Ruhezeit soll ohne Unterbrechung gewährt werden.

Art. 57.

dauer abgerechnet werden, wenn das Verlassen der Arbeitsstelle gestattet ist.

Art. 58. Die Kantone können acht Feiertage im Jahre Feiertage.

bestimmen, die im Sinne dieses Gesetzes als Sonntage zu gelten haben.

Vorbehalten bleibt die Bestimmung von Art. 54, Absatz 4.

Die konfessionellen Feiertage dürfen nur für die Angehörigen der betreffenden Konfession als verbindlich erklärt werden. Die Kantone können für einzelne Laiidesteile besondere Feiertage bezeichnen.

Der Arbeiter ist berechtigt, an ändern als den vom Kanton bestimmten konfessionellen Feiertagen die Arbeit in der Fabrik auszusetzen, hat jedoch sein Vorhaben dem Fabrikinhaber oder seinem Stellvertreter spätestens bei Beginn der Arbeit am Vortage anzuzeigen.

Art. 59. Die Bewilligungen sind schriftlich nachzusuchen Verfahren bei Bewilli;und schriftlich zu erteilen.

gungen.

Für die Bewilligungen darf einzig eine massige Kanzleigebühr erhoben werden.

Die Bewilligungen sollen in ihrem ganzen Wortlaut und mit den genehmigten Stunden- oder Schichtenplänen während ihrer Gültigkeitsdauer in der Fabrik angeschlagen sein.

Art. 60. Soll eine Bewilligung, für welche die Bezirks- Verfahren bei Erneueoder Ortsbehörde zuständig ist, sofort erneuert werden oder rungen.

wird sie in kurzen Zwischenräumen mehrmals nachgesucht, so ist das Gesuch von der untern Behörde an die Kantonsregierung zu weisen.

Bundesblatt.

66. Jahrg. Bd. III.

·ti

584 Kontrolle der Art. 6t. Die Bezirks- und Ortsbehörden haben die Bewillivon ihnen erteilten Bewilligungen sofort der Kantonsregiegungen.

rung mitzuteilen.

Die von den Kantons-, Bezirks- und Ortsbehörden erteilten Bewilligungen sind sofort dem eidgenössischen Fabrikinspektor mitzuteilen.

WiederArt. 62. Jede Bewilligung kann bei missbräuchlicher erwägung Anwendung oder bei veränderten Betriebsverhältnissen zuder Bewilligungen.

rückgezogen oder abgeändert werden.

Verfahren bei Notfällen.

Art. 63. Veranlagst ein Notfall eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften, ohne dass die Bewilligung dazu rechtzeitig hätte nachgesucht werden können, so hat der Fabrikinhaber unter Angabe der Gründe spätestens am folgenden Tage der für die Bewilligung zuständigen Behörde Anzeige zu erstatten.

Hülfsarbeit.

Art. 64. Die Bestimmungen über die Arbeitszeit finden keine Anwendung auf Hülfsarbeiten, die der eigentlichen Fabrikation vor- oder nachgehen müssen.

Der ßundesrat bezeichnet diejenigen Verrichtungen, auf die dieser Artikel anwendbar ist, und erlässt die zum Schutze der damit betrauten Arbeiter nötigen Bestimmungen, insbesondere über die Zahl der Ruhestunden.

III. Beschäftigung von weiblichen Personen.

Art. 65. Weibliche Personen dürfen zurjNacht- und zur Bescliränkung der Verwen- Sonntagsarbeit nicht verwendet werden.

dung. UnzuDer Bundesrat bezeichnet diejenigen Fabrikationszweige lässige Arbeit.

und Verrichtungen, bei denen weibliche Personen Überhaupt nicht verwendet werden dürfen.

Nachtruhe.

Art. 66. Die Nachtruhe für weibliche Personen muss wenigstens elf aufeinanderfolgende Stunden betragen und in allen Fällen, namentlich auch wenn der Beginn oder der Schluss der Tagesarbeit verschoben oder der zwei-

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schichtige Tagesbetrieb eingeführt ist (Art. 47, lit. a und c), die Zeit von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens in sich schliessen.

In Verbindung mit der Bewilligung von Überzeitarbeit kann die elfstündige Dauer der Nachtruhe für sechzig Tage im Jahr auf zehn Stunden verkürzt werden. Für Fabriken, in denen die Verarbeitung von Rohmaterialien oder von in der Verarbeitung begriffenen Materialien stattfindet, die einem sehr raschen Verderben ausgesetzt sind, kann die Verkürzung auf zehn Stunden vom Bundesrate auf längere Zeit ausgedehnt werden, wenn sie zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an diesen Materialien erforderlich ist.

Art. 67. Die Verlängerung der normalen Arbeitsdauer darf im ganzen für weibliche Personen nicht mehr als hundertundvierzig Stunden im Jahre betragen.

Überzeitarbeit.

Art. 68. Arbeiterinnen, die ein Hauswesen zu besorgen Arbeiterlnneiij die ein haben, dürfen zu den Hülfsarbeiten nicht verwendet Hauswesen werden, soweit diese die Dauer der normalen Tagesarbeit besorgen. ' überschreiten.

Beträgt die Mittagspause nicht wenigstens anderthalb Stunden, so dürfen sie die Arbeit eine halbe Stunde vor Beginn der Pause verlassen.

Nach Ablauf von fünf Jahren, vom Inkrafttreten dieses Artikels, an gerechnet, ist diesen Arbeiterinnen auf ihren Wunsch der Samstagnachmittag freizugeben. , Art. 69. Wöchnerinnen dürfen von ihrer Niederkunft an sechs Wochen lang in der Fabrik nicht beschäftigt werden ; auf ihren Wunsch soll diese Zeit bis auf acht Wochen verlängert werden.

Es darf ihnen während dieser Zeit oder auf einen Termin, der in diese Zeit fällt, nicht gekündigt werden.

Wöchnerinnen. '

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Der Zivilstandsbeamte, dem die Geburt angezeigt wird, hat ihnen zuhanden des Fabrikinhabers das Datum der Niederkunft unentgeltlich zu bescheinigen.

Der Fabrikinhaber soll über die Wöchnerinnen ein Verzeichnis führen.

Schwangere dürfen auf blosse Anzeige hin die Arbeit vorübergehend verlassen oder von ihr wegbleiben. Es darf ihnen deshalb nicht gekündigt werden.

IT. Beschäftigung von jugendlichen Personen.

Mindestalter.

Art. 70. Kinder, die das vierzehnte Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben oder über dieses Alter hinaus zum täglichen Schulbesuch gesetzlich verpflichtet sind, dürfen zur Arbeit in Fabriken nicht verwendet werden.

Der Aufenthalt solcher Kinder in den Arbeitsräumen ist nicht gestattet.

Art. 71. Personen, die das achtzehnte Altersjahr noch Beschränkung der Verwen- nicht zurückgelegt haben, dürfen zur Nacht- und zur Sonadung. Unzulässige Arbeit. tagsarbeit nicht verwendet werden.

Personen, die das sechzehnte Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben, dürfen ausserdem nicht zu den die Dauer der normalen Tagesarbeit überschreitenden Arbeiten (Art. 48 und 64) verwendet werden.

Der Bundesrat bezeichnet diejenigen Fabrikationszweige and Verrichtungen, hei denen Personen unter sechzehn Jahren überhaupt nicht verwendet werden dürfen.

tfactitruhe.

Art. 72. Ist der Beginn oder der Schluss der Tagesirbeit verschoben oder der zweischichtige Tagesbetrieb eingeführt (Art. 47, lit. a und e), so muss die Nachtruhe für Personen unter achtzehn Jahren wenigstens elf aufeinander'olgende Stunden betragen und die Zeit von zehn Uhi ibends bis fünf Uhr morgens in sich schliessen.

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Für Personen unter sechzehn Jahren muss die Nachtruhe unter allen Umständen wenigstens elf aufeinanderfolgende Stunden betragen und die Zeit von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens in sich schliessen.

Art. 73. Der Fabrikinhaber, der Personen unter acht- Altersausweis.

zehn Jahren anstellt, hat von ihnen einen Altersausweis zu verlangen und ihn in der Fabrik den Aufsichtsorganen zur Einsicht bereitzuhalten.

Dieser Ausweis ist vom Zivilstandsbeamten des Geburtsoder Heimatortes, für nicht in der Schweiz geborene Ausländer von der zuständigen Polizeibehörde unentgeltlich auszustellen.

Art. 74. Die kantonalen öffentlich-rechtlichen Vor- Vorbehalt kantonaler schriften über Schul- und Religionsunterricht bleiben vor- Vorschriften.

behalten.

Art. 75. Für Personen unter sechzehn Jahren, die Verhältnis Schulnicht Lehrlinge sind, sollen der Schul- und Religionsunter- zum unterricht richt und die Arbeit in der Fabrik zusammen die Dauer überhaupt.

der normalen Tagesarbeit nicht übersteigen.

Dieser Unterricht darf durch die Fabrikarbeit nicht beeinträchtigt werden.

Art. 76. Der Fabrikinhaber soll den Personen, die Verhältnis zum ini siebzehnten und achtzehnten Altersjahre'stehen und niöht beruflichen Lehrlinge sind, für den Besuch beruflichen Unterrichts, der Unterricht.

in die Zeit der Fabrikarbeit fällt, wöchentlich bis auf fünf Stunden freigeben.

Art. 77. Das Lehrverhältnis ist durch schriftlichen Vertrag zu regeln.

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Es steht unter der Herrschaft des Obligationenrechtes.

Vom gegenwärtigen Gesetze finden jedoch die Bestimmungen über den Arbeiterschutz Anwendung.

Lehrlinge.

588 Bis zum Inkrafttreten eines Bundesgesetzes über das Lehrlingswesen bleiben die kantonalen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, besonders diejenigen über die Ausbildung, vorbehalten, soweit sie den Vorschriften des Obligationenrechtes und des gegenwärtigen Gesetzes nicht widersprechen.

V. Mit Fabriken verbundene Anstalten.

Hygienische Art. 78. Anstalten, die der Fabrikinhaber für die AnfordeUnterkunft und Verpflegung seiner Arbeiter unterhält, sollen rungen.

den Forderungen des Gesundheitsschutzes entsprechen.

Dient die Anstalt zur Verpflegung der Arbeiter, so hat der. Fabrikinhaber dafür zu sorgen, dass von ihr geistige Getränke nur bei den Mahlzeiten verabreicht werden.

Beteiligung Art. 79. Die Arbeiter sind an der Verwaltung von Kassen, der Arbeiter die für sie bestimmt sind und von ihnen Beiträge erhalten, an der Verwaltung wenigstens nach Blassgabe dieser Beiträge zu beteiligen.

von Kassen.

Der Fabrikinhaber hat den Vertretern der beteiligten Arbeiter Einsicht in die von ihm über diese Kassen geführten Rechnungen zu gewähren.

Genehmigung Art. 80. Die Kassenstatuten sind der Genehmigung der Kassen- der Kantonsregierung unterstellt.

statuten.

Die Kantonsregierungen sind berechtigt, Sicherstellung des Vermögens der Kassen zu verlangen und darüber zu wachen, dass im Falle der Auflösung solcher Kassen ihr Vermögen statutengemäss verwendet werde.

Auf anerkannte Krankenkassen finden die Bestimmungen der Absätze l und 2 dieses Artikels keine Anwendung.

VÏ. Vollzugsbestimmungen.

Art. 81, Der Bundesrat erlässt die zum Vollzuge dieses Vollzugsverordnungen. Gesetzes erforderlichen Verordnungen.

Bis zum Inkrafttreten eines Bundesgesetzes über die Arbeit in den Gewerben sollen hinsichtlich der gewerb-

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liehen Betriebe die Grundsätze, die für den Vollzug von Art. l des Bundesgesetzes vom 23. März 1877 aufgestellt worden sind, nicht im Sinne einer ausgedehnteren Anwendung des gegenwärtigen Gesetzes geändert werden.

Art. 82. Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Anwendung der BestimSchutz der weiblichen und der jugendlichen Personen können mungen interdurch Beschluss der Bundesversammlung insoweit auf indu- nationaler Verträge.

strielle Unternehmungen, die nicht Fabriken im Sinne dieses Gesetzes sind, anwendbar erklärt werden, als. diese Bestimmungen auch in internationalen Verträgen über Arbeiterschutz enthalten sind, denen die Schweiz beigetreten ist oder noch beitreten wird.

Als industrielle Unternehmungen dieser Art können nur solche angesehen werden, in denen mehr als zehn Arbeiter beschäftigt sind. Zu diesen Unternehmungen sind zu rechnen Bergwerke und Steinbrüche, sowie solche, die sich mit der Bearbeitung und Verarbeitung von Gegenständen befassen.

Ausgeschlossen sind Handelsgeschäfte und landwirtschaftliche Betriebe, sowie alle Unternehmungen, in denen nur Familienmitglieder tätig sind.

Der ßundesrat entscheidet darüber, ob ein Betrieb als industrielle Unternehmung im Sinne dieses Artikels zu betrachten sei, und erlässt die nötigen Vollzugsvorschriften.

Art. 83. Der Vollzug des Gesetzes, sowie der Vor- Vollzug durch die Kantone.

schriften, die der Bundesrat nach Massgabe des Gesetzes erlässt, liegt den Kantonen ob.

Die Kantonsregierungen bezeichnen die kantonalen Vollzugsorgane und erstatten dem Bundesrate nach Ablauf jedes zweiten Jahres über den Vollzug einen Bericht.

Die Kantone sind berechtigt, mit Genehmigung des Bundesrates bestimmte Befugnisse der Orts- und Bezirksbehörden für den ganzen Kanton derselben Behörde zu übertragen.

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Die der Schweizerischen Unfallversicherangsanstalt in Luzern zustehenden Befugnisse betreffend die Verhütung von Krankheiten und Unfällen bleiben vorbehalten.

Oberaufsicht Art. 84. Die Oberaufsicht über den Vollzug des Gedes setzes liegt dem Bundesrate ob.

Bundesrates.

Inspektorate.

Als Kontrollorgane werden eidgenössische Fcibrik-

inspektorate eingerichtet.

Der Bundesrat kann für einzelne technische Zweige des Aufsichtsdienstes Fachinspektorate zur Mitwirkung herbeiziehen.

Fabrikkommission.

Art. 85. Der Bundesrat bestellt eine Fabrikkornmission, in der die Wissenschaft und unter sich zu gleichen Teilen die Fabrikinhaber und die Arbeiter vertreten sein sollen.

Es kommt ihr insbesondere die Begutachtung der Fragen zu, die zum Erlass von Verordnungen oder von Bundesratsbeschlüssen grundsätzlicher Natur führen.

Beschwerderecht.

Art. 86. Gegen die Verfügungen der kantonalen Unterbehörden steht den Beteiligten der Rekurs an die Kantonsregierung frei.

Die Verfügungen und Entscheide der Kantonsregierung können an den Bundesrat weitergezogen werden.

Der Bundesrat bestimmt durch Vollzugsverordnurig, ob und inwieweit die Beschwerde aufschiebende Wirkung hat.

In beiden Fällen beträgt die Rekursfrist zwanzig Tage, vom Empfang der angefochtenen Verfügung oder des angefochtenen Entscheides an gerechnet.

Der Bundesrat entscheidet endgültig.

Zutritt von Art. 87. Den Amtspersonen, die mit dem Vollzuge Amtsund mit der Aufsicht über den Vollzug des Gesetzes betraut personen.

sind, ist jederzeit der Zutritt zu allen Räumen der Fabrik während des Betriebs und zu den mit ihr verbundenen Anstalten zu gestatten.

591 Sie sind verpflichtet, über ihre Wahrnehmungen, soweit solche nicht den Vollzug dieses Gesetzes betreffen, Verschwiegenheit zu bewahren.

VII. Strafbestimmungen.

Art. 88. Zuwiderhandlungen der Fabrikinhaber oder der verantwortlichen Stellvertreter gegen die Bestimmungen des Gesetzes oder gegen die zu seinem Vollzuge vom Bundesrate erlassenen Verordnungen oder gegen andere von der zuständigen Amtsstelle erlassene Verfügungen oder gegen die Fabrikordnung werden, sofern sie nicht zivilrechtlicher Natur sind, in leichten Fällen mit Busse von fünf bis fünfzig Franken, in schweren Fällen mit Busse von fünfzig bis fünfhundert Franken, womit Gefängnis bis zu drei Monaten verbunden werden kann, bestraft.

Die Strafen sind innert der gesetzlichen Schranken zu erhöhen : «. wenn innert eines Jahres, von der letzten rechtskräftigen Verurteilung an gerechnet, eine neue Zuwiderhandlung gegen die gleiche Bestimmung einer der im Absatz l genannten Erlasse stattfand, b. wenn die Zuwiderhandlung mit einer besondern Gefahr für Gesundheit und Leben der Arbeiter verbunden war, c. wenn die gesetzlich zulässige Arbeitsdauer während einer längern Zeit und mit einer grössern Zahl von Arbeitern überschritten wurde.

Strafen.

Art. 89. Für die Zuwiderhandlungen ist strafrecht- Strafrechtlich lich verantwortlich der Fabrikinhaber oder die Person, der verantwortliche von ihm unmittelbar oder mittelbar die Leitung des Be- Personen, triebs oder desjenigen Teils des Betriebs übertragen war, in dem die Zuwiderhandlung vorkam.

Derartige Stellvertretung entlastet den Fabrikinhaber von seiner Verantwortung nur dann, wenn er nicht selbst

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die Leitung auszuüben im Falle war und wenn die Stellvertretung solchen Personen übertragen war, die sich zur Erfüllung dieser Aufgabe eigneten.

Verjährung.

Art. 90. Die Zuwiderhandlungen verjähren innert eines Jahres nach der Begehung.

Die rechtskräftig gewordenen Strafen verjähren innert fünf Jahren.

Gerichtsstand.

Art. 91. Die Untersuchung und Beurteilung der Zuwiderhandlungen ist Sache der kantonalen Gerichts- oder Verwaltungsbehörden.

Die Kantone haben jedoch, wenn die Busse fünfzig Franken übersteigt oder wenn Gefängnisstrafe ausgesprochen wird, die Möglichkeit gerichtlicher Beurteilung zu bieten.

Mitteilung der Art. 92. Die in Anwendung von Art. 88 gelallten Entscheide.

Kasan tions- Endentscheide der kantonalen Gerichts- oder Verwaltungsbeschwerde. behörden sind sofort dem eidgenössischen Fabrikinspektor

unentgeltlich einzusenden.

Dem Bundesrat steht das Recht zu, gegen diese Entscheide nach Massgabe von Art. 161 und folgenden des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, vom 22. März 1893, die Kassationsbeschwerde zu erheben.

VIII. Schlussbestimmungen.

Art. 93. Verlangt es das Interesse der LandesverteiVorbehalt betreuend digung, so trifft der Bundesrat die erforderlichen Verfügungen die Landesverteidigung. über die Arbeit in den die entsprechenden Aufträge ausführenden Fabriken, ohne an die Vorschriften dieses Gesetzes gebunden zu sein.

Übergangsbestimmung.

Art. 94. Der Bundesrat kann in bestimmten Industrien einzelnen Fabriken, denen dauernde Nachtarbeit bewilligt ist, während einer von ihm zu bestimmenden Übergangszeit und ausnahmsweise die Verwendung von Knaben über sechzehn Jahren zur Nachtarbeit gestatten, wenn dies für die Erlernung des Berufes als unerlässlich erseheint.

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Er stellt in diesem Falle die erforderlichen besonderen Schutzbestimmungen auf.

Art. 95. Die Bundesgesetze betreffend die Arbeit in Aufhebung früherer den Fabriken, vom 23. März 1877 *), und betreffend die Erlasse.

Samstagsarbeit in den Fabriken, vomì. April 1905**), sind aufgehoben, ebenso die Bestimmungen kantonaler Gesetze und Verordnungen, die dem gegenwärtigen Gesetze widersprechen.

Das Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung, vom 13. Juni 1911, wird in Art. 60, Absatz l, Ziffer 2, abgeändert wie folgt: ,,2. der dem Bundesgesetze betreffend die Arbeit in den Fabriken vom 18. Juni 1914 unterstellten Betriebe,"Die Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes finden mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens Anwendung auf alle industriellen Anstalten, die in diesem Zeitpunkte dem Bundesgesetze vom 23. März 1877 unterstellt sind.

Art. 96. Der Bundesrat wird beauftragt, den Be- Beginn der ginn der Wirksamkeit für die einzelnen Bestimmungen Wirksamkeit.

dieses Gesetzes festzustellen.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 17. Juni

1914.

Der Präsident: Dr. A. V. Planta.

Der Protokollführer : Scliatzmaiiü.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 18. Juni

1914.

Der Präsident : Dr. Eugène Richard.

Der Protokollführer: David.

*) Siehe amtl. Sammlung n. F., Bd. III, S. 241.

**) Siehe amtl. Sammlung n. F., Bd. XXI, S. 386.

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D e r s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreifend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 19. Juni 1914.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Hoffmann.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

N o t e : Datum der Veröffentlichung: 24. Juni 1914.

Ablauf der Referendumsfrist: 22. September 1914.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken. (Vom 18. Juni 1914.)

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1914

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24.06.1914

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