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Schweizerisches Bundesblatt.

66. Jahrgang.

21. Januar 1914.

Band I.

Jahrespreis (postfrei in der ganzen Schweiz): 10 Frankem, Einrückungsgebühr 15 Kappen die Zeile oder deren Baum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli & Oie. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Aufnahme eines Bundesbahnanleihen im Betrage von 60 Millionen Franken.

(Vom 13. Januar 1914.)

Die Bundesbahnverwaltung war im Jahre 1908 genötigt, zur Bestreitung der Kosten der Vollendung verschiedener in Angriff genommenen Arbeiten und zur Anschaffung von Rollmaterial ein temporäres Anleihen von 34 Millionen Franken aufzunehmen gegen Ausgabe von 4 °/oigen Kassenscheinen mit einer Laufdauer von drei Jahren. Diese Kassenscheine wurden im Jahre 1911 auf drei Jahre erneuert und werden somit am 15. März nächsthin fällig. Man sah sich deshalb vor die Frage gestellt, ob nochmals eine Erneuerung stattfinden solle oder ob es nicht richtiger und vorteilhafter wäre, diese schwebende Schuld in ein festes Anleihen umzuwandeln.

Die erwähnten Kassenscheine liegen zum grössten Teil in den Portefeuilles der Banken, welche zweifelsohne in eine Verlängerung einwilligen würden. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass derartige kurzfristige Titel, je mehr sie sich ihrem Verfalle nähern, gewissermassen als Diskontopapiere betrachtet werden, und dass die aus deren Einlösung "eingehenden Gelder stets leicht eine anderweitige Verwendung finden. Eine Erneuerung zu annehmbaren Bedingungen dürfte deshalb auf etwelche Schwierigkeiten stossen, namentlich im gegenwärtigen Augenblicke, Bundesblatt. 66. Jahrg. Bd. I.

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128 wo sich verschiedene Länder anschicken, grosse Beträge von Schatzscheinen auszugeben zu einem Zinsfusse, den wir nicht bewilligen könnten.

Den Bundesbahnen stehen zudem im laufenden Jahre noch andere beträchtliche ausserordentliche Aufwendungen bevor. Das Baubudget für 1914 beläuft sich auf eine Summe von nicht weniger als Fr. 51,869,080, die höchstwahrscheinlich fast ganz zur Ausgabe gelangen wird und wovon ein Betrag von über 20 Millionen Franken, auch bei Zuhülfenahme aller flüssig zu machenden Mittel, nicht aus den verfügbaren Geldern gedeckt werden kann. Der Geldbedarf der Bundesbahnen für-das laufende Jahr wird von der Generaldirektion auf Fr. 54,850,000 oder rund 55 Millionen Franken geschätzt.

Eine so grosse Verwaltung wie die schweizerischen Bundesbahnen wird nie ohne eine schwebende Schuld auskommen können, aber es empfiehlt sieh, diese letztere im Interesse einer gesunden Finanzwirtschaft auf einen möglichst geringen Betrag zu beschränken. Bei einer Erneuerung der laufenden Kassenscheine und einer Ausgabe von neuen solchen Titeln für eine Summe von etlichen zwanzig Millionen Franken ständen die Bundesbahnen in drei Jahren neuerdings vor sehr beträchtlichen fälligen Zahlungsverbindlichkeiten, deren Erfüllung in Verbindung mit den dannzumaligen Aufgaben Schwierigkeiten bieten könnte. Durch Umwandlung der Kassenscheine in langfristige Obligationen schützen wir uns gegen unliebsame Überraschungen und sichern wir zudem die planmässige Tilgung dieser Schuld. Angesichts des grossen Geldbedarfs fast aller Staaten ist übrigens eine weitere Steigerung des Zinsfusses für langfristige Anleihen für die nächste Zukunft nicht ganz ausgeschlossen.

Sowohl der Bundesrat als auch die Generaldirektion der Bundesbahnen sind deshalb dazu gelangt, Ihnen die Aufnahme eines festen Bundesbahnanleihens im Betrage von 60 Millionen Franken vorzusehlagen zum Zwecke der Einlösung der im Jahre 1908 ausgegebenen und 1911 erneuerten Kassenscheine und zur Bestreitung von Bauausgaben für das laufende Jahr. Wir haben den Betrag des Anleihens auf obige Summe aufgerundet, weil dasselbe nicht al pari wird ausgegeben werden können, und um die verfügbaren Mittel der Bundesbahnen ein wenig zu erhöhen.

Durch Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1911 (A. S. n. F.

XXVIII, 73) ist dem Bundesrate für die Jahre 1912 bis 1916

129 unter gewissen Bedingungen die Ermächtigung erteilt Anleihen zur Bestreitung von Ausgaben aufzunehmen, Gesetz oder auf Bundesbeschluss beruhen, wenn ihre auf dem Anleihenswege durch Gesetz vorgeschrieben durch Bundesbeschluss angeordnet wird.

worden, die auf Deckung ist oder

Wäre nun der Bundesrat befugt, gestützt auf diesen Bundesbeschluss und unter Beobachtung der darin festgesetzten Bedingungen (Mitwirkung der Bundesbahn Verwaltung und der Nationalbank), das geplante Anleihen von sich aus aufzunehmen?

Der Berichterstatter, der im Ständerate die Beratung über diese Vorlage einleitete, hatte sich zu derselben u. a. wie folgt geäussert : Die vorgeschlagene Ordnung sei nicht nur ein Theorem, eine generelle Massnahme, sondern sie sei im Hinblick auf die kommenden Bedürfnisse der Bundesbahnverwaltung aktuell. Man nehme zwar an, die Baubedürfnisse der schweizerischen Bundesbahnen würden für die Jahre 1911 bis 1913 aus disponibeln Mitteln gedeckt werden können, zum Teil aus den Einnahmen der Hülfs- und Pensionskasse der schweizerischen Bundesbahnen, deren Zuschüsse seitens dieser letztern auch in Bundesbahnobligationen sollen geleistet werden dürfen. Spätestens aber nach dem Jahre 1918 würden die schweizerischen Bundesbahnen der Ausgabe weiterer Obligationen nicht entraten können. Es sei vorgesehen, dass für die Neubauten Jahr für Jahr etwa 20 bis 25 Millionen werden bereitgestellt werden müssen. Es möge auch noch in Parenthese bemerkt werden, dass die Kassenscheine von 1908 im Betrage von 34 Millionen, da sie mit dem Jahre 1914 nicht wohl würden zurückbezahlt werden können, auch hinzugerechnet werden müssten. Diese Kassenscheine der schweizerischen Bundesbahnen unterlägen, weil sie Kassenscheine seien, nicht der vorgeschriebenen 60jährigen Amortisation der Schuld der schweizerischen Bundesbahnen, und es ginge deshalb auf die Dauer nicht an, diese Kassenscheine als flottante Schuld weiterzuführen. Nach ihrer Verwendung seien diese Beträge durchaus Bestandteile der allgemeinen Bundesbahnschuld, und es würde dem Gesetz nicht konform sein, wenn diese Bundesbahnkassenscheine nicht bald bei gelegener Zeit, wie alle ändern Schulden der schweizerischen Bundesbahnen, konsolidiert und damit in die Amortisation laut Gesetz einbezogen würden.

Gestützt auf diese Ausführungen, durch welche die Notwendigkeit der Aufnahme des Anleihens, worüber wir heute berichten, ganz richtig vorhergesagt wurde, glaubten wir zuerst

130 die oben gestellte Frage bejahen zu können. Wir sind aber bei näherer Prüfung der Angelegenheit zu einer ändern Ansicht gelangt.

Der deutsche Berichterstatter der nationalrätlichen Kommission sprach sich über die Tragweite der dem Bundesrate durch den vorgeschlagenen Bundesbeschluss zu erteilenden Vollmacht folgendermassen aus : ,,Bei der Behandlung dieses Traktandums entsteht in erster Linie folgende Hauptfrage : Ist eine solche Vollmachterteilung an den Bundesrat verfassungsgemäss zulässig oder nicht? In dieser Beziehung ist massgebend der Art. 85, Ziffer 10, der Bundesverfassung, welcher sagt: ,,Die Gegenstände, welche in den Geschäftskreis beider Räte fallen, sind insbesondere folgende : 10. Aufstellung des jährlichen Voranschlages und Abnahme der Staatsrechnung, sowie Beschlüsse über Aufnahme von Anleihen.a Die Kompetenz zu Beschlüssen über Aufnahme von Anleihen ist also ausdrücklich der Bundesversammlung zugewiesen, und es ist ganz selbstverständlich, dass diese Kompetenz nicht übertragbar ist. Die Bundesversammlung wäre nicht berechtigt, an irgend eine andere eidgenössische Instanz diese verfassungsmässig umschriebene Kompetenz zu übertragen. Nun wird aber durch den Beschluss, wie er vom Ständerate formuliert ist, diese Kompetenz der Bundesversammlung gar nicht übertragen. Die Vollmacht hat scheinbar einen allgemeinen Charakter, in Wirklichkeit ist es aber die Bundesversammlung, welche in jedem einzelnen Falle über die Frage der Aufnahme von Anleihen Beschluss fassen wird, und zwar deshalb, weil in Art. l des Beschlussesentwurfes des Ständerates ausdrücklich festgestellt ist, dass diese Vollmacht sich nur auf solche Anleihen beziehe, welche gemäss Bundesgesetz oder Bundesbeschluss erhoben werden sollen. Es ist also in jedem einzelnen Falle wiederum die Bundesversammlung, welche das Bundesgesetz, beziehungsweise den Bundesbeschluss erläs3t, und daher sind die Voraussetzungen der Verfassung vollständig erfüllt. Es wird auch in jedem einzelnen Falle die Summe und die Zweckbestimmung des betreffenden Anleihens festgestellt werden und ebenso, dass diese Ausgaben, die durch das betreffende Bundesgesetz oder den Bundesbeschluss veranlasst werden, auf dem Wege des Anleihens gedeckt werden sollen. Alle diese Beschlüsse fasst die Bundesversammlung und nicht etwa der Bundesrat kraft der ihm
erteilten Vollmacht. Der Bundesrat hat nur die näheren Modalitäten der Ausführung von sich aus festzustellen. Es sind also die verfassungsgemässen Kompetenzen der Bundesversammlung durch den Beschlussesentwurf, wie er von

131 Seiten, des Ständerates formuliert worden ist, durchaus gewahrt, und es bestehen nach dieser Richtung irgendwelche Bedenken nicht.a Aus diesen Darlegungen, vor allem aber aus dem Wortlaut des Artikels l des zitierten Bundesbeschlusses geht hervor, dass der Bundesrat von der ihm von der Bundesversammlung für die Dauer der Jahre 1912 bis 1916 erteilten Vollmacht zur Aufnahme von Anleihen nur dann Gebrauch machen kann, wenn 1. die zu bestreitende Ausgabe auf einem Gesetz oder Bundesbeschluss be°0' ruht und 2. die Deckung der Ausgabe mittelst eines Anleihens durch Gesetz vorgeschrieben oder durch Bundesbeschluss angeordnet ist.

Für die Kassenscheine von 1908 trifft weder die eine noch, die andere dieser Voraussetzungen zu. Die Ermächtigung zur Kontrahierung dieser schwebenden Schuld ist weder durch ein Gesetz noch durch einen Bundesbeschluss erteilt worden. Man kaiin höchstens sagen, dass diese Operation durch Genehmigung der bisherigen Geschäftsberichte und Jahresrechnungen der Bundesbahnverwaltung stillschweigend gutgeheissen worden ist. Eine Weisung seitens der Bundesversammlung, dieses Anleihen in ein festes umzuwandeln, ist nicht erteilt worden. Die in dem zitierten Votum des ständerätlichen Berichterstatters enthaltene Andeutung kann selbstverständlich nicht mit einem Bundesgesetz oder einem Bundesbeschluss auf die gleiche Linie gestellt werden.

Was die Bauausgaben für das Jahr 1914 anbelangt, so sind sie durch die Annahme des Voranschlags der Bundesbahnen seitens der Bundesversammlung genehmigt worden. Sie beruhen also zwar nicht auf einem besondern Bundesbeschluss, sind aber doch in einem von der Bundesversammlung genehmigten Voranschlag Inbegriffen. Dagegen ist bezüglich ihrer Deckung nichts bestimmt worden, obgleich sich niemand bei der Behandlung des Voranschlags der Illusion hingegeben haben wird, es könnten diese Ausgaben aus den laufenden Mitteln der Bundesbahnen bestritten werden. Man dachte wohl daran, dass ein Anleihen werde notwendig sein, unterliess es aber, um die Bewilligung hierfür nachzusuchen, wahrscheinlich in der Meinung, dem Bundesrate sei die Vollmacht zur Beschaffung der nötigen Gelder durch den Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1911 gegeben worden.

Es ist dies eine Unterlassung, und wir werden inskünftig dafür Sorge tragen, dass bei der Vorlage des Baubudgets der schweizerischen Bundesbahnen zugleich beschlossen wird, wie die daraus resultierenden Ausgaben zu decken sind, wenn, wie im vorliegenden

132 Falle, die ordentlichen Einnahmen voraussichtlich dazu nicht ausreichen. Wir werden ferner bei der Einbringung des Berichts und Antrags betreffend die Erneuerung der Vollmacht zur Aufnahme von Anleihen die Frage prüfen, ob es nicht angezeigt wäre, dem Bundesrate eine etwas weitergehende Ermächtigung zu erteilen.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen ersuchen wir Sie, uns durch Annahme des beiliegenden Bundesbeschlussentwurfes die Bewilligung zur Aufnahme eines festen 4 °/oigen Bundesbahnanleihens im Betrage von 60 Millionen Franken zum Zwecke der Rückzahlung der im Jahre 1908 ausgegebenen und 1911 erneuerten Kassenscheine und zur Bestreitung eines Teils der Kosten der für das Jahr 1914 vorgesehenen Bauten der schweizerischen Bundesbahnen zu erteilen, wobei es, wie gewohnt, uns überlassen sein sollte, die näheren Bedingungen und den Zeitpunkt der Ausgabe des Anleihens festzusetzen.

Da die Kassenscheine am 15. März nächsthin verfallen, ist die Angelegenheit sehr dringlich, und wir bitten Sie, dieselbe schon in der nächsten ausserordentlichen Wintertagung zu behandeln.

Wir haben uns bezüglich der Festsetzung der näheren Bedingungen des Anleihens und der Führung der Unterhandlungen über dessen Begebung bereits mit der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen und der Generaldirektion der schweizerischen Nationalbank nach Massgabe von Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 19Ì1 ins Benehmen gesetzt.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 13. Januar

1914.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzinanu.

133 (Entwurf.)

betreffend

Aufnahme eines schweizerischen Bundesbahnanieihens im Betrage von 60 DieBundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 13. Januar 1914,

beschliesst: Art. 1. Der Bundesrat wird ermächtigt, ein zu 4°/o verzinsliches schweizerisches Bundesbahnanleihen von 60 Millionen Franken aufzunehmen, das zur Rückzahlung der von der Bundesbahnverwaltung im Jahre 1908 ausgegebenen und 1911 erneuerten Kassenscheine im Betrage von 34 Millionen Franken und zur Deckung eines Teils der Kosten der im Voranschlag der Bundesbahnen für das Jahr 1914 vorgesehenen Bauten bestimmt ist.

Der Bundesrat wird die näheren Bedingungen und den Zeitpunkt der Ausgabe des Anleihens festsetzen.

Art. 2. Dieser Beschluss tritt als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Aufnahme eines Bundesbahnanleihen im Betrage von 60 Millionen Franken. (Vom 13. Januar 1914.)

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21.01.1914

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