BBl 2021 www.bundesrecht.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

21.018 Botschaft zum UNO-Migrationspakt vom 3. Februar 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des einfachen Bundesbeschlusses über den UNO-Migrationspakt.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2018

M 18.4093

Uno-Migrationspakt. Zustimmungsentscheid der Bundesversammlung unterbreiten (S 29.11.18, Staatspolitische Kommission NR; N 11.12.18)

2018

M 18.4103

Uno-Migrationspakt. Zustimmungsentscheid der Bundesversammlung unterbreiten (S 29.11.18, Staatspolitische Kommission SR; N 11.12.18)

2018

M 18.4106

Uno-Migrationspakt. Zustimmungsentscheid der Bundesversammlung unterbreiten (S 29.11.18, Aussenpolitische Kommission SR; N 11.12.18)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Februar 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-0350

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Übersicht Mit der Vorlage entspricht der Bundesrat dem Wunsch des Parlaments, eine vertiefte Diskussion zum Globalen Pakt vom 19. Dezember 2018 für eine sichere, geordnete und reguläre Migration (UNO-Migrationspakt) und den Auswirkungen auf die Schweiz führen zu können. Die Vorlage zeigt auf, dass die nachträgliche Zustimmung zum UNO-Migrationspakt im Interesse der Schweiz ist.

Ausgangslage Am 10. Dezember 2018 verabschiedete die Staatenkonferenz in Marrakesch den UNO-Migrationspakt. Die UNO-Generalversammlung bestätigte diesen Entscheid am 19. Dezember 2018. 159 Staaten stimmten Ja, 5 Staaten Nein (USA, Ungarn, Polen, Tschechien und Israel), und 12 Staaten haben sich der Stimme enthalten, inklusive der Schweiz. Der UNO-Migrationspakt ist der erste in der UNO verabschiedete Handlungsrahmen zur besseren internationalen Zusammenarbeit im Bereich grenzüberschreitender Migration. Ziel des rechtlich nicht verbindlichen UNO-Migrationspaktes ist es, mittels gemeinsam getragener Prinzipien und Zielsetzungen die weltweite Migration künftig sicherer und geordneter zu steuern. Die Grundsätze des Migrationspaktes, Partnerschaft und internationale Zusammenarbeit bei gleichzeitig souveräner nationalstaatlicher Steuerung der Migration, entsprechen der Ausrichtung der Migrationspolitik der Schweiz. Diese Grundsätze sind im Migrationspakt reflektiert ­ in den 10 Leitprinzipien, in den 23 Zielen sowie in den freiwilligen Umsetzungsinstrumenten, welche die Staaten nutzen können, um die Ziele zu erreichen, sofern sie dem Kontext, den Bedürfnissen und den politischen Prioritäten des jeweiligen Landes entsprechen.

Mit der Überweisung der Motionen 18.4093 und 18.4103 der Staatspolitischen Kommissionen des National- und des Ständerates und 18.4106 der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates wurde der Bundesrat beauftragt, dem Parlament den Antrag auf Zustimmung zum UNO-Migrationspakt in Form eines Bundesbeschlusses zu unterbreiten. Mit seinem Entscheid vom 14. Dezember 2018 hat der Bundesrat beschlossen, dem Parlament einen einfachen Bundesbeschluss zu unterbreiten. Der Einbezug des Parlaments muss weiterhin die verfassungsrechtlichen Vorgaben berücksichtigen. Die Botschaft soll jedoch dem Parlament erlauben, sich vertieft mit dem UNO-Migrationspakt und den möglichen Folgen für die Schweiz zu beschäftigen.
Inhalt der Vorlage In der Vorlage werden die Grundzüge des UNO-Migrationspaktes dargelegt. Es wird festgehalten, dass es sich hierbei um einen rechtlich nicht verbindlichen Handlungsrahmen handelt. Die Analyse der 23 Ziele zeigt, dass diese mit der geltenden Schweizer Rechtsordnung und Praxis kompatibel sind. Einzig bei einzelnen der freiwilligen Umsetzungsinstrumente wurde entweder eine Abweichung zu rechtlichen Normen oder ein Präzisierungsbedarf identifiziert. Da die Umsetzungsinstrumente von Staaten freiwillig genutzt werden können, um die Ziele zu erreichen, besteht keine politische Erwartungshaltung, die Umsetzungsinstrumente vollumfänglich umsetzen.

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Die Ziele des UNO-Migrationspaktes stimmen somit mit den Interessen der Schweiz überein: sichere Grenzen, Verminderung der Ursachen von irregulärer Migration und Flucht, Bekämpfung von Menschenhandel, Hilfe und Schutz vor Ort, Rückkehr und Reintegration, Integration sowie Schutz der fundamentalen Menschenrechte. Sichere, geordnete und reguläre Migration trägt zudem zur Erreichung der UNONachhaltigkeitsziele bei.

Global betrachtet bleibt die Migrationslage volatil. In einem solchen Kontext ist die Schweiz weiterhin auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Kein Land kann die vielfältigen Herausforderungen im Alleingang angehen. Zudem rühren eine Vielzahl der aktuellen migrationspolitischen Herausforderungen der Schweiz, z. B. im Rückkehrbereich, von inadäquaten Systemen und nicht vorhandenen Kapazitäten auf der Seite der Herkunftsländer her. Es ist demnach im Interesse der Schweiz, mittels Stärkung der Migrationspolitik anderer Länder durch Unterstützung und Zusammenarbeit die eigene souveräne Steuerung der Migration besser wahrnehmen zu können.

Die Erfahrungen europäischer Staaten, welche dem Migrationspakt bereits zugestimmt haben, zeigen, dass dieser primär als migrationsaussenpolitisches Instrument genutzt wird, welches ihre bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit stärkt. Der Verzicht auf Zustimmung zum UNO-Migrationspakt käme, auch gestützt auf die Analyse unserer eigenen bisherigen Erfahrung, insgesamt einer Schwächung der Schweizer Position im Rahmen ihrer bilateralen und multilateralen Migrationsaussenpolitik gleich und liefe unseren migrations- und aussenpolitischen Interessen entgegen.

Durch die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt entsteht kein innenpolitischer Handlungsbedarf. Somit entstehen keine finanziellen Verpflichtungen und es können auch Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden ausgeschlossen werden.

Die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt ist somit im Interesse der Schweiz. Sie ist kohärent mit unserer Migrationspolitik, gibt uns zusätzliche Handlungsoptionen für unsere bilaterale Migrationsaussenpolitik und stärkt das Profil der Schweiz als kohärente multilaterale Akteurin, was sich auch positiv auf das internationale Genf auswirkt.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Welche Folgen hätte ein Verzicht auf Zustimmung für die Schweiz?

1.3 Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis 1.4 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.5 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

7 10

2

Vorverfahren 2.1 Soft Law 2.2 Rechtliche Verbindlichkeit

14 15 16

3

Konsultation parlamentarischer Kommissionen

16

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Grundzüge des UNO-Migrationspaktes

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5

Erläuterungen zu Zielen und einzelnen Umsetzungsinstrumenten des UNO-Migrationspaktes

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Weiteres Vorgehen

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Auswirkungen 7.1 Auswirkungen auf den Bund 7.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 7.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 7.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 7.5 Andere Auswirkungen

33 33 34 34 34 34

8

Rechtliche Aspekte 8.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 8.2 Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz 8.3 Erlassform

35 35

Bundesbeschluss über den UNO-Migrationspakt (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Migration kann in Herkunfts-, Transit- und Destinationsländern u. a. zu wirtschaftlichem Wohlstand, gesellschaftlicher Innovation und kultureller Vielfalt beitragen.

Migration bringt gleichzeitig auch Herausforderungen mit sich. Sie kann zu sozialen Spannungen, wirtschaftlichen Kosten und menschlichen Tragödien führen ­ besonders dann, wenn sie in ungeordneten Bahnen verläuft. Wie die letzten Jahre gezeigt haben, sind zahlreiche Staaten ungenügend gerüstet, um irregulären Migrationsbewegungen vorzubeugen sowie den damit einhergehenden Herausforderungen zu begegnen.

Globale Herausforderungen brauchen einen globalen Handlungsrahmen. Kein Land kann die vielfältigen Herausforderungen im Alleingang angehen. Die gleichen Überlegungen haben in anderen Themenbereichen, wie Klima oder Gesundheit, bereits seit Längerem zu intensiver internationaler Koordination geführt.

Es war die Schweiz unter der Federführung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), die bereits 2001 mit der Lancierung der Berner Initiative den ersten weltweiten Prozess lanciert hat, um die Zusammenarbeit im Migrationsbereich zu stärken. Dies geleitet von der Überzeugung, dass bei grenzüberschreitenden Phänomenen nur die Kombination von nationalen Massnahmen und internationaler Koordination und Zusammenarbeit zielführend ist. Die Berner Initiative war ein informeller, ausserhalb der UNO stattfindender Konsultationsprozess unter Staaten mit dem Ziel, durch eine verstärkte Zusammenarbeit eine bessere Steuerung der Migration auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene zu erreichen. Sie endete 2004 mit der Verabschiedung der Internationalen Agenda für Migrationsmanagement 1.

Mit dem am 19. Dezember 2018 verabschiedeten Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration2 (UNO-Migrationspakt) wurde nun zum ersten Mal auch in der UNO ein umfassender Handlungsrahmen zur besseren internationalen Zusammenarbeit im Bereich grenzüberschreitender Migration erarbeitet. Ziel des rechtlich nicht verbindlichen UNO-Migrationspaktes ist es, mittels gemeinsam getragener Prinzipien und Zielsetzungen die weltweite Migration künftig sicherer und geordneter zu steuern. Die Grundsätze des Migrationspaktes, Partnerschaft und internationale Zusammenarbeit bei gleichzeitig souveräner nationalstaatlicher Steuerung der
Migration, entsprechen der Ausrichtung der Migrationspolitik der Schweiz. Die spezifischen Zielsetzungen des Paktes stimmen zudem mit unseren Interessen überein: sichere Grenzen, Verminderung der Ursachen von irregulärer Migration und Flucht, Bekämpfung von Menschenhandel, Hilfe und Schutz vor Ort, Rückkehr und Reintegration, Integration sowie Schutz der fundamentalen Menschenrechte. Sichere, ge-

1 2

Siehe www.iom.int/berne-initiative (Englisch).

Abrufbar unter: www.un.org/Depts/german/ > Themen > Migration und Flüchtlinge.

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ordnete und reguläre Migration trägt zudem zur Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele bei. Die Geldüberweisungen der Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten aus dem Ausland in ihre Heimatländer (Rimessen) haben zum Beispiel in verschiedenen Ländern der Welt u. a. zur Reduktion der Armut und zu höheren Einschulungsquoten, insbesondere von Mädchen, beigetragen. Die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt ist somit kohärent mit unserem Engagement zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung3 der UNO.

Als Soft-Law-Instrument4 ist der UNO-Migrationspakt eine Verhaltensvorgabe, die zwar über eine reine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit hinausgeht. Er ist rechtlich jedoch nicht verbindlich und ist kein völkerrechtlicher Vertrag. Die Staatengemeinschaft bringt ihre Bereitschaft zum Ausdruck, das grenzüberschreitende Phänomen der Migration nach gemeinsamen Grundsätzen anzugehen. Diese Grundsätze sind im Migrationspakt in den 10 Leitprinzipien und in den 23 Zielen reflektiert (s. Kap. 5 weiter unten). Jedes Ziel ist zudem mit einer Auswahl freiwilliger Umsetzungsinstrumente versehen, welche die Staaten nutzen können, um die Ziele zu erreichen, sofern sie dem Kontext, den Bedürfnissen und den politischen Prioritäten des jeweiligen Landes entsprechen.

Der Nutzen des Migrationspaktes für die Schweiz liegt vor allem in dessen Umsetzung durch Länder mit weniger robusten Migrationssystemen. Eine Vielzahl der aktuellen migrationspolitischen Herausforderungen der Schweiz, z. B. im Rückkehrbereich, rühren von inadäquaten Systemen und nicht vorhandenen Kapazitäten auf der Seite der Herkunftsländer her. Es ist demnach im Interesse der Schweiz, mittels Stärkung der Migrationspolitik anderer Länder durch Unterstützung und Zusammenarbeit die eigene souveräne Steuerung der Migration besser wahrnehmen zu können, sowohl als Zielland von Migrantinnen und Migranten als auch zu Gunsten der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.

Covid-19 Die Covid-19-Pandemie wird längerfristige Auswirkungen auf die Migration haben.

Gewisse Tendenzen auf globaler Ebene können bereits identifiziert werden, wobei deren weitere Entwicklung von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren abhängig sein wird. Zu diesen Faktoren zählen u. a. die Dauer der akuten Gesundheitskrise, das Ausmass der globalen Wirtschaftskrise, die Resilienz nationaler Systeme sowie die Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit.

Drei Tendenzen können grob skizziert werden: ­

3 4

Reguläre Migration wird global abnehmen. Gemäss der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gingen in der ersten Hälfte 2020 rund 400 Millionen Vollzeitarbeitsplätze verloren. Ohne eine rasche Kehrtwende der globalen Wirtschaftskrise wird die Zahl weiter steigen. Der Verlust von Arbeitsplätzen wird zu einem geringeren Bedarf an ausländischen Arbeitskräften führen und

Abrufbar unter: www.eda.admin.ch/agenda2030.

Siehe Bericht des Bundesrates vom 26. Juni 2019 «Konsultation und Mitwirkung des Parlaments im Bereich von Soft Law» in Erfüllung des Postulates 18.4104, abrufbar unter: www.parlament.ch > 18.4104 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

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somit zu einer Reduktion der regulären Arbeitsmigration. Bereits haben etliche der rund 170 Millionen Arbeitsmigrantinnen und -migranten ihre Arbeit verloren und mussten in ihr Herkunftsland zurückkehren. Indien hat z. B. zwischen Mai und Juli 2020 rund 600 000 Bürgerinnen und Bürger repatriiert.

Der Rückgang der regulären Arbeitsmigration wird zu einem zusätzlichen Anstieg der Arbeitslosenquote in den Herkunftsländern sowie zu einem Rückgang der Rimessen führen. Die Weltbank rechnet bis Ende 2021 mit einem Rückgang der weltweiten Rimessen um ca. 14 Prozent.5 ­

Die Ursachen irregulärer Migration werden tendenziell zunehmen. In Entwicklungs- und Schwellenländern würde eine langfristige globale Wirtschaftskrise, gekoppelt mit anderen Faktoren (Rückgang der Rimessen, mögliche Reduktion der Entwicklungsgelder etc.) zu mehr Arbeitslosigkeit, zu geringeren Perspektiven und zu weniger sozialer Sicherheit führen. Diese Faktoren gehören zu den Kernursachen irregulärer Migration. Wir müssen zudem davon ausgehen, dass die Situation, in welcher Menschen verzweifelt nach besseren Aussichten suchen, von Menschenhändlern und Menschenschmugglern ausgenützt wird.

­

Fluchtsituationen werden tendenziell zunehmen. Sowohl die UNO als auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) warnen davor, dass die Covid-Pandemie auch zu einer erhöhten Vulnerabilität der Bevölkerung führen wird. Die Zunahme der schutzbedürftigen Bevölkerung, gekoppelt mit fehlenden oder ungenügenden Schutzkapazitäten in den Herkunftsregionen, wird zu zusätzlichen Fluchtbewegungen führen. Zudem kann die globale Wirtschaftskrise zu sozialen Spannungen und bewaffneten Konflikten führen (Ressourcenknappheit, Perspektivenlosigkeit bei Jugendlichen etc.), die wiederum Ursachen von Flucht darstellen.

Covid-19 wird somit die bestehenden Herausforderungen im Migrationsbereich akzentuieren. Umso wichtiger ist es, die internationale Zusammenarbeit auch in diesem Bereich entlang gemeinsamer Ziele zu verstärken. Der UNO-Migrationspakt sieht zwar nicht explizite Massnahmen in Zeiten einer weltweiten Pandemie vor. Er umfasst jedoch Ziele und freiwillige Umsetzungsinstrumente, zum Beispiel Ziel 2 zur Minimierung der Ursachen irregulärer Migration durch Massnahmen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung, um gemeinsam besser auf die oben dargelegten Tendenzen antworten zu können.

1.2

Welche Folgen hätte ein Verzicht auf Zustimmung für die Schweiz?

Bilaterale Auswirkungen Die Schweiz ist auf Partnerschaften angewiesen, um ihre Interessen zu wahren, z. B.

bei der Verminderung der Ursachen irregulärer Migration, der Stärkung des Schutzes in den Herkunftsregionen oder bei der Zusammenarbeit im Rückkehrbereich.

5

Siehe Medienmitteilung vom 29. Okt. 2020 «Covid-19: Remittance Flows to Shrink 14 % by 2021», abrufbar unter: www.worldbank.org > News > Press Releases.

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Grosse Kritik oder Unverständnis aufgrund des andauernden innenpolitischen Prozesses ist zwar bis anhin ausgeblieben. Viele Staaten sind noch in der Anfangsphase der Umsetzung des UNO-Migrationspaktes. Je mehr jedoch der Migrationspakt bei für die Schweiz wichtigen Partnerstaaten wie Tunesien oder Nigeria zu einem Referenzpunkt ihrer nationalen Migrationspolitik wird, umso mehr ist davon auszugehen, dass ein definitiver Verzicht auf Zustimmung der Schweiz negative Auswirkungen auf die bilaterale Zusammenarbeit haben würde. Gerade gegenüber Marokko wäre eine Zustimmung ein wichtiges Signal, das sich positiv auf unsere Zusammenarbeit auswirken würde. Als Gaststaat der Marrakesch-Konferenz, an welcher der UNOMigrationspakt verabschiedet wurde, misst Marokko dem Pakt weiterhin eine hohe Bedeutung zu. Es wäre allgemein schwieriger, unsere auf Partnerschaft und Zusammenarbeit ausgerichtete Migrationsaussenpolitik umzusetzen. In den Augen unserer Partnerstaaten wäre es inkohärent, sich zwar bilateral für diese Prinzipien auszusprechen, aber ein auf denselben Prinzipien aufbauendes multilaterales Dokument nicht mitzutragen.

Seit dem Entscheid des Bundesrates im Dezember 2018, auf eine Zustimmung zum UNO-Migrationspakt vorerst zu verzichten, hat die Schweiz eine Reihe Anfragen zur bilateralen Zusammenarbeit abgelehnt, da diese im Zusammenhang mit dem UNOMigrationspakt standen. Dies ist bedauerlich, da die Zielsetzung der Projekte nicht nur dem Interesse der Schweiz entsprach, sondern auch im Einklang mit dem Auftrag zur strategischen Verknüpfung von internationaler Zusammenarbeit und Migration stand.

Multilaterale Auswirkungen Der UNO-Migrationspakt wird in den kommenden Jahren der wichtigste migrationspolitische Referenzpunkt für das UNO-System und für die zwischenstaatlichen Prozesse im Rahmen der UNO sein. Ein Fernbleiben würde es der Schweiz erschweren, ihre Migrationsinteressen in multilateralen Gremien zu wahren, aber auch die Rolle des internationalen Genfs weiter zu stärken. Zum Beispiel haben wir im Frühjahr 2019 die Verhandlungen über die Modalitätenresolution6 für das ab 2022 vierjährlich stattfindende Überprüfungsforum des Migrationspaktes (s. Kap. 5) nur passiv mitverfolgt.

Es konnte somit nicht darauf hingewirkt werden, dass das Forum in Genf, wo ein Grossteil der migrationspolitischen
Expertise der UNO angesiedelt ist, stattfindet ­ es wird nun jeweils in New York ausgetragen. Bei der Verabschiedung der Resolution hat sich die Schweiz der Stimme enthalten.

Eine ursprünglich von der Schweiz im Rahmen der Verhandlungen zum Migrationspakt unterstützte Initiative betraf die effizientere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen UNO-Agenturen sowie die Stärkung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) als deren Koordinatorin im neuformierten UNO-Migrationsnetzwerk. Da dieses Netzwerk mit der Umsetzung des Migrationspaktes verbunden ist, hat die Schweiz den Aufbau dieser UNO-Koordinationsstruktur nur passiv mitverfolgt, obwohl ein möglichst effizientes UNO-System eine Priorität der Schweiz ist.

Entsprechend unterstützt die Schweiz auch die Reformvorhaben des UNO-Generalsekretärs, welche die UNO besser für die globalen Herausforderungen aufstellen 6

Abrufbar unter: https://undocs.org/fr/A/RES/73/326 (Französisch).

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möchten. Die Schweiz setzt sich u. a. dafür ein, die inhaltliche Koordination und damit Effizienz der UNO-Agenturen im Feld zu stärken. Dass sie gerade im Migrationsbereich diese Reformen nicht mitgestalten kann, ist angesichts unserer allgemeinen multilateralen Politik inkohärent.

Die Ablehnung des Migrationspaktes würde der Schweiz die Möglichkeit nehmen, einzelne Themen im Rahmen der UNO weiterzuentwickeln, die aus Sicht des Bundesrates im UNO-Migrationspakt ungenügend ausgeführt wurden (s. Kap. 1.3). Dies betrifft zum Beispiel den Bezug zwischen Migration und innerer Sicherheit, die Auswirkungen demografischer Entwicklungen auf Migrationsbewegungen sowie die Eigenverantwortung von Migrantinnen und Migranten. Es ist nicht möglich, den Text neu zu verhandeln. Die Schweiz könnte jedoch, zum Beispiel im Rahmen des Überprüfungsforums Internationale Migration (s. Kap. 5), diese Aspekte thematisieren und somit ein wachsendes Bewusstsein schaffen.

Der Verzicht auf Zustimmung zum Migrationspakt käme somit insgesamt einer Schwächung der Schweizer Position im Rahmen ihrer bilateralen und multilateralen Migrationsaussenpolitik gleich und liefe unseren migrations- und aussenpolitischen Interessen entgegen.

Erfahrungen in Drittstaaten Am 10. Dezember 2018 verabschiedete die Staatenkonferenz in Marrakesch den UNO-Migrationspakt. Die UNO-Generalversammlung bestätigte diesen Entscheid am 19. Dezember 2018 mit folgendem Abstimmungsergebnis: 159 Staaten stimmten Ja, 5 Staaten Nein (USA, Ungarn, Polen, Tschechien und Israel), und 12 Staaten haben sich der Stimme enthalten: neben der Schweiz Algerien, Australien, Bulgarien, Chile, Italien, Lettland, Libyen, Liechtenstein, Österreich, Rumänien und Singapur. 17 Staaten haben nicht an der Abstimmung teilgenommen. Zwischenzeitlich hat sich Brasilien vom Migrationspakt distanziert.

Die prinzipiellen Bedenken der fünf Staaten, welche den Pakt abgelehnt haben, betrafen einen möglichen Verlust von Souveränität sowie eine ungenügende Differenzierung zwischen regulärer und irregulärer Migration. Die Haltung der fünf Staaten zeugt im Grundsatz vom Spannungsfeld zwischen nationaler Souveränität und multilateraler Zusammenarbeit. Für die USA und Ungarn impliziert der Migrationspakt zudem ein Menschenrecht auf Migration. Wie in der vorliegenden Botschaft dargelegt (s. Kap. 4
und 5), hält der Bundesrat diese Bedenken für gänzlich unbegründet. Das Spannungsfeld war, gerade bei einem sensiblen Thema wie Migration, auch in der Schweiz erkennbar. Solche Spannungen wie auch Befürchtungen, welche Migrationsbewegungen in der Bevölkerung eines Aufnahmelandes hervorrufen können, gilt es ernst zu nehmen. Umsetzungserfahrungen aus vergleichbaren Drittstaaten, die dem UNO-Migrationspakt zugestimmt haben, können einen nützlichen Referenzpunkt darstellen. Daraus lässt sich erschliessen, ob die Zustimmung zum Migrationspakt für die Staaten unerwünschte, negative Konsequenzen zur Folge hat.

Global betrachtet läuft die Umsetzung erst langsam an. Etliche Staaten sind jedoch daran, die Umsetzung des Migrationspaktes auf nationaler und internationaler Ebene voranzubringen. Deutschland engagiert sich insbesondere aus der Sicht der Stärkung des multilateralen Systems im Migrationsbereich, indem zum Beispiel der Anschub-

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fonds des Migrationspaktes zur Stärkung der Kapazitäten im Bereich der Migrationssteuerung in Entwicklungsländern (s. Kap. 5 «Umsetzung» sowie Kap. 7.1) unterstützt wird. Das Vereinigte Königreich finanziert sowohl multi- als auch bilaterale Umsetzungsbestrebungen in Herkunfts- und Transitstaaten. Portugal hat 2019 bereits einen nationalen Umsetzungsplan verabschiedet, der sowohl innen- als auch aussenpolitische Massnahmen umfasst. Auch Spanien bekennt sich zum UNOMigrationspakt und nutzt ihn primär als Instrument, um die bilaterale Zusammenarbeit mit Partnerstaaten zu stärken.

Keiner der europäischen Staaten, die dem UNO-Migrationspakt zugestimmt haben, sah sich bislang verpflichtet, seine nationale Gesetzgebung anzupassen. Portugal hat im Rahmen einer allgemeinen Revision seine Migrationspolitik angepasst und hat hierfür den Migrationspakt als nützlichen Referenzpunkt betrachtet. Auch weitere Befürchtungen, die im Zusammenhang mit einer Zustimmung geäussert wurden, können aufgrund der Erfahrungswerte vergleichbarer Staaten in Europa entkräftet werden. So gab und gibt es keinen innen- oder aussenpolitischen Druck auf diese Staaten, gewisse Massnahmen, zum Beispiel die Aufhebung der Administrativhaft für Minderjährige, entgegen ihren nationalen Interessen umzusetzen. Hingegen bekräftigt ihre Erfahrung die Analyse, wonach der UNO-Migrationspakt primär als migrationsaussenpolitisches Instrument genutzt wird, welches die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit stärkt.

1.3

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

Die Ziele der Schweiz bei den Verhandlungen stützten sich auf den vom Bundesrat zur Kenntnis genommenen Bericht vom Februar 20117 über die internationale Migrationszusammenarbeit, auf die Botschaft vom 17. Februar 20168 zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 und auf die migrationspolitischen Vorgaben, wie sie vom Bundesrat und vom Parlament festgelegt wurden. Die Position wurde im Rahmen der IMZ-Struktur (interdepartementale Koordination der internationalen Migrationszusammenarbeit [IMZ]) formuliert und vom IMZ-Vorsitz (Ebene Staatssekretärinnen und Staatssekretäre) verabschiedet. Während der Verhandlungen hat die Schweizer Delegation systematisch auf die Expertise der Fachämter der Bundesverwaltung zurückgegriffen.

Es gab kein Verhandlungsmandat des Bundesrates, da die Kriterien der entsprechenden Richtlinien des Bundesrates9 über die Entsendung von Delegationen an internationale Konferenzen bzw. das Kriterium der Wesentlichkeit in diesem Fall nicht erfüllt waren.

Der damalige ständige Vertreter der Schweiz bei der UNO in New York, Botschafter Jürg Lauber, wurde gemeinsam mit seinem mexikanischen Homologen, Botschafter

7 8 9

Abrufbar unter: www.sem.admin.ch > Internationales > IMZ-Struktur.

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Juan José Gomez Camacho, vom Präsidenten der UNO-Generalversammlung beauftragt, die Verhandlungen zu präsidieren (Ko-Fazilitation). Dies entspricht der Usanz in der UNO, dass der Präsident der Generalversammlung Vertreterinnen und Vertreter von UNO-Mitgliedstaaten mit der Verhandlungsleitung beauftragt. Die Annahme des Mandates erfolgte in Absprache mit den zuständigen Departementen: dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und dem EJPD. In dieser Funktion war Botschafter Lauber für einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen, unter Berücksichtigung der Positionen aller Verhandlungsparteien, verantwortlich.

Im Verlauf der Verhandlungen gab es eine klare Rollentrennung zwischen der KoFazilitation des Prozesses durch Botschafter Lauber und der Schweizer Verhandlungsdelegation, die die Verhandlungsposition der Schweiz vertrat.

Die Schweizer Delegation setzte sich erfolgreich für eine Reihe von schweizerischen Interessen ein, die allesamt im Schlusstext reflektiert sind: Verminderung der Ursachen irregulärer Migration; verbesserter Grenzschutz (sichere und reguläre Grenzübertritte sowie Verhinderung irregulärer Migration) und Massnahmen gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel; besserer Schutz von Migrantinnen und Migranten u. a. durch Massnahmen in den Herkunftsregionen; geregelte Arbeitsmigration im Einklang mit den Bedürfnissen des nationalen Arbeitsmarktes; Fördern und Fordern im Integrationsbereich; Förderung der Zusammenarbeit bei Rückführungen und Verpflichtung zur Rückübernahme eigener Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.

Dass so viele Themen, die für die Schweiz zentrale Bedeutung haben, verankert werden konnten, darf positiv beurteilt werden. Gleichzeitig sind einzelne Themen nicht oder nur ungenügend im Text reflektiert. Es fehlen zum Beispiel spezifischere Aussagen zur Wahrung der inneren Sicherheit. Zwar wird in Ziffer 11 die Förderung der Sicherheit und des Wohlergehens unserer Gesellschaften hervorgehoben. In den Zielen 4 und 11 wird zudem auf die Wahrung der öffentlichen Sicherheit hingewiesen.

Explizitere Ziele fehlen jedoch und keines der freiwilligen Umsetzungsinstrumente geht auf diese Thematik ein. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die innere Sicherheit tendenziell in der UNO ein sehr polarisierendes Thema ist, das eine Konsensfindung
erschwert. Die Schweiz könnte, bei einer Zustimmung zum UNO-Migrationspakt, diese Thematik auch innerhalb der UNO weiterverfolgen, wie sie es zum Beispiel im Januar 2020 im Rahmen einer von der Vorsteherin des EJPD präsidierten Ministerkonferenz der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung getan hat.

Der Text geht zudem nur vereinzelt auf die Pflichten und die Eigenverantwortung der Migrantinnen und Migranten ein. Die Pflicht zur Einhaltung der innerstaatlichen Gesetze und die Achtung der Gepflogenheiten des Ziellandes wird zwar im Ziel 16 erwähnt. Entsprechend ist auch dank der Schweizer Delegation das Konzept von «fördern und fordern» im Grundsatz verankert. Es fehlen jedoch spezifischere Umsetzungsinstrumente. Viele Staaten betrachten sich weiterhin primär als Herkunftsland und haben sich noch wenig mit Fragen zur Integration auseinandergesetzt. Auch hier könnte die Schweiz ihre Erfahrung in zukünftigen Diskussion in der UNO zu diesem Thema einbringen. Klarer zum Ausdruck hätte auch die Berücksichtigung der Anliegen und Interessen der einheimischen Bevölkerung kommen können. Dies ist

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eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Integration von neu zugewanderten Personen erfolgreich ist.

Ebenfalls im Text nicht erwähnt ist der Zusammenhang zwischen Migration und demografischer Entwicklung. Diese Thematik ist innerhalb der UNO äusserst polarisierend. Zwar lässt sich dieser Zusammenhang in gewissen Kontexten statistisch aufzeigen. Bereits bei der Frage, ob ein grosses demografisches Wachstum per se negative migrationspolitische Konsequenzen haben kann, divergieren die Meinungen zwischen den UNO-Mitgliedstaaten. Noch polarisierender ist die Debatte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, wo sehr unterschiedliche soziale und kulturelle Weltanschauungen zusammenprallen. Der Versuch, diese Thematik im UNOMigrationspakt zu verankern, hätte wohl zum Scheitern der Verhandlungen geführt.

Schliesslich ist nicht der gesamte Text des UNO-Migrationspaktes für die Schweiz unmittelbar relevant. Zum Beispiel haben Migrantinnen und Migranten in unserem Land freien Zugang zu den Finanzinstitutionen. Es braucht daher keine speziellen Bankkonten für sie. In anderen Ländern haben Migrantinnen und Migranten hingegen keinen ungehinderten Zugang. Somit ist es global betrachtet richtig, dass der Migrationspakt im Umsetzungsinstrument 20h entsprechende Massnahmen empfiehlt. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass der Pakt ein Resultat ist von Verhandlungen unter 192 Staaten (die USA haben nicht an den Verhandlungen teilgenommen), mit sehr unterschiedlichen Migrationsrealitäten und Interessen. Dies erklärt zum Beispiel die Auflistung gewisser freiwilliger Umsetzungsinstrumente, welche für die Schweiz nicht oder nur bedingt relevant oder bereits gängige Praxis sind.

In Gesamtbetrachtung würdigt der Bundesrat das Verhandlungsergebnis als positiv, da die primären migrationsspezifischen Interessen der Schweiz umfassend im Text abgebildet werden.

1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202010 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202011 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Der Bundesrat wurde in der Motion 18.4093 «Uno-Migrationspakt. Zustimmungsentscheid der Bundesversammlung unterbreiten» der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats (SPK-N) und in den gleichlautenden Motionen 18.4103 der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK-S) und 18.4106 der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats (APK-S) beauftragt, dem Parlament den Antrag auf Zustimmung in Form eines Bundesbeschlusses zu unterbreiten.

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Der UNO-Migrationspakt ist im Einklang mit den folgenden Strategien des Bundesrates: Aussenpolitische Strategie 2020­2023 Das Ziel 1.4 der Aussenpolitischen Strategie 2020­2023 der Schweiz12 umfasst die Förderung des Schutzes von Flüchtlingen und Vertriebenen sowie die Reduktion der Ursachen irregulärer Migration und Flucht. Der UNO-Migrationspakt betrifft zwar explizit nicht die Flüchtlinge gemäss dem Abkommen vom 28. Juli 1951 13 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und dem Protokoll vom 31. Januar 196714 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Hierfür haben die Staaten, inklusive der Schweiz, den Globalen Pakt vom 17. Dezember 201815 für Flüchtlinge (UNO-Flüchtlingspakt) verabschiedet. Der UNO-Migrationspakt beinhaltet jedoch Ziele und freiwillige Umsetzungsinstrumente im Bereich der Ursachenbekämpfung irregulärer Migration.

Im Kapitel 7 «Multilateralismus» der Strategie wird festgehalten, dass für ein Land wie die Schweiz eine aktive Partnerschaft mit und die Teilnahme in internationalen Organisationen unverzichtbar bleibt. Durch die Verabschiedung in der UNO-Generalversammlung im Dezember 2018 ist der Migrationspakt nunmehr der politische Referenzpunkt für alle weiteren migrationsrelevanten Aktivitäten innerhalb der UNO.

Mit der Zustimmung zum Pakt kann die Schweiz in den kommenden Jahren ihre Migrationsinteressen in multilateralen Gremien besser wahren und auch aktiv an den UNO-internen Prozessen teilnehmen.

Die Strategie hebt schliesslich auch mehrfach die Bedeutung des internationalen Genfs hervor. Genf hat sich in den letzten Jahren als globaler Drehpunkt der multilateralen Migrationsgouvernanz etabliert. Die Präsenz wichtiger internationaler Organisationen, in erster Linie der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie das Durchführen internationaler Konferenzen stärken nicht nur das Profil der Schweiz, sondern generieren auch einen gewichtigen volkswirtschaftlichen Gewinn für unser Land. Die Zustimmung zum Migrationspakt bekräftigt unser Interesse, Genf auch weiterhin als globalen Drehpunkt beibehalten und stärken zu wollen.

Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 Die Verminderung der Ursachen von Flucht und irregulärer Migration ist eines der vier Ziele der Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 (IZAStrategie
2021­2024)16. Mehrere Ziele und Umsetzungsinstrumente des UNOMigrationspaktes streben die Reduktion irregulärer Migration an. Im Ziel 2 des Paktes wird u. a. Folgendes festgehalten: «Wir verpflichten uns, förderliche politische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen sowie Umweltbedingungen zu schaffen, (...) und gleichzeitig dafür zu sorgen,

12 13 14 15 16

Siehe «Aussenpolitische Strategie 2020 ­ 2023», abrufbar unter: www.eda.admin.ch > Publikationen > Alle Publikationen.

SR 0.142.30 SR 0.142.301 Abrufbar unter: www.unhcr.org/gcr/GCR_French.pdf (Französisch).

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dass Verzweiflung und sich verschlechternde Umweltbedingungen sie [die Menschen] nicht dazu veranlassen, durch irreguläre Migration anderswo eine Existenzgrundlage zu suchen».

Zudem wird gemäss IZA-Strategie 2021­2024 auch die strategische Verknüpfung von internationaler Zusammenarbeit und Migrationspolitik gestärkt. Ziel 23 des Migrationspaktes hebt die Interdependenz zwischen Migration und nachhaltiger Entwicklung hervor, wie dies auch von der strategischen Verknüpfung im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz angestrebt wird. Die Umsetzung der strategischen Verknüpfung setzt zudem die Bereitschaft zu internationaler Zusammenarbeit voraus.

Internationale Zusammenarbeit ist ein Grundprinzip des Migrationspaktes und wird zudem explizit im Ziel 23 angestrebt. Der Migrationspakt dient somit als zusätzliches Instrument, um die strategische Verknüpfung von internationaler Zusammenarbeit und Migrationspolitik bilateral voranzutreiben.

Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­2019 Der UNO-Migrationspakt ist eng mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verknüpft. Die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung kann die Ursachen von Flucht und irregulärer Migration vermindern. Gleichzeitig kann eine geregelte und sichere Migration zur nachhaltigen Entwicklung und somit zur Erreichung der Ziele der Agenda 2030 beitragen. Der Bundesrat hat sich in verschiedenen Dokumenten, inklusive der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­201917, zur Umsetzung der Agenda 2030 bekannt.

1.5

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der Unterbreitung eines Bundesbeschlusses ans Parlament sind die Aufträge der folgenden Motionen erfüllt: SPK-N 18.4093; SPK-S 18.4103; APK-S 18.4106.

2

Vorverfahren

Mit der Überweisung der Motionen SPK-N 18.4093, SPK-S 18.4103 und APK-S 18.4106 wurde der Bundesrat beauftragt, dem Parlament den Antrag auf Zustimmung zum UNO-Migrationspakt in Form eines Bundesbeschlusses zu unterbreiten. Gemäss Artikel 184 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)18 besorgt der Bundesrat die auswärtigen Angelegenheiten unter Wahrung der Mitwirkungsrechte der Bundesversammlung. Auf dieser Grundlage ist die operative Führung der Aussenpolitik Sache des Bundesrates. Dies umfasst unter anderem die Zustimmung zu rechtlich nicht verbindlichen Instrumenten. Mit seinem Entscheid vom 14. Dezember 2018 hat der Bundesrat beschlossen, dem Parlament einen einfachen Bundesbeschluss zu unterbreiten. Der Einbezug des Parlaments muss jedoch weiterhin die verfassungsrechtliche Vorgabe berücksichtigen (s. Kap. 8.3).

17 18

Abrufbar unter: www.are.admin.ch/sne.

SR 101

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2.1

Soft Law

Die parlamentarischen Debatten Ende 2018 zum UNO-Migrationspakt machten deutlich, dass beim Thema «Soft Law» viel Informations- und Klärungsbedarf bestand.

Gemäss Postulat 18.4104 der APK-S verabschiedete der Bundesrat am 26. Juni 2019 den Bericht «Konsultation und Mitwirkung des Parlaments im Bereich von Soft Law / Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 18.4104, Aussenpolitische Kommission SR, 12. November 2018» (Soft-Law Bericht)19 zu diesem Thema.

Die APK-S kam in ihrer Sitzung vom 14. Januar 2020 zum Schluss, dass die Rolle des Parlaments bei der Entstehung von Soft Law im Rahmen einer Subkommission beider APKs vertieft analysiert werden soll. Die APK-N hat sich in der Sitzung vom 18. Februar 2020 diesem Entscheid einstimmig angeschlossen. Diese Analyse soll aufzeigen, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, um die parlamentarischen Mitwirkungsrechte in der Aussenpolitik im Zusammenhang mit Soft Law zu gewährleisten. Zur Frage der Mitwirkungsrechte des Parlaments bei Soft-Law-Prozessen hat der Bundesrat in seinem Bericht Vorschläge zum weiteren Vorgehen unterbreitet.

Die parlamentarische Debatte hat zudem Fragen zu möglichen gesetzgeberischen Konsequenzen einer Zustimmung zum UNO-Migrationspakt aufgeworfen. In Ziffer 7 des UNO-Migrationspaktes ist explizit festgehalten, dass dieser einen rechtlich nicht verbindlichen Kooperationsrahmen zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit darstellt. Insofern kann auch die inoffizielle deutsche Übersetzung von «we commit» mit «wir verpflichten uns» irreführend sein. Zutreffender ist die offizielle französische Übersetzung «nous nous engageons», die klarer hervorhebt, dass es sich hierbei nicht um eine zwingende, völkerrechtliche Verpflichtung handelt, sondern um ein politisches Engagement, gemeinsam auf die Umsetzung der 23 Ziele des Migrationspaktes hinzuarbeiten. Schliesslich wird in Ziffer 15 Buchstabe c der Grundsatz der Wahrung der nationalen Souveränität unterstrichen, indem explizit «das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen», erwähnt wird. Der UNO-Migrationspakt ist daher als Soft-Law-Instrument rechtlich nicht verbindlich und stellt somit keine Rechtsquelle des Völkerrechts dar. Die Zustimmung hat somit keine rechtlichen Verpflichtungen zur Folge.

Die Analyse der Ziele des
Migrationspaktes zeigt zudem, dass diese mit dem bestehenden gesetzlichen Rahmen in der Schweiz kompatibel sind (s. Kap. 5). Es ist somit keine Anpassung des innerstaatlichen Rechts erforderlich. Der Migrationspakt sieht zudem keine Massnahmen vor, die zu Retorsionen auf dem politischen Weg führen könnten (s. Kap. 7 des Soft-Law-Berichts). Auch das im Migrationspakt vorgesehene «Überprüfungsforum Internationale Migration» ist nicht als Überwachungsmechanismus zur Einhaltung der Verhaltensvorgaben vorgesehen (s. Kap. 5). Die Staaten werden in der Modalitätenresolution zum Forum20 lediglich eingeladen, die Ergebnisse bei der Umsetzung des Migrationspaktes in ihren Stellungnahmen im Rahmen des Forums vorzulegen.

19 20

Abrufbar unter: www.parlament.ch > 18.4104 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

Abrufbar unter: https://undocs.org/fr/A/RES/73/326 (Französisch).

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2.2

Rechtliche Verbindlichkeit

Es soll die Frage geklärt werden, ob der UNO-Migrationspakt, wenn auch rechtlich nicht verbindlich, durch die Schaffung von Völkergewohnheitsrecht Teil des Völkerrechts werden kann. Gemäss Soft-Law-Bericht des Bundesrates entsteht Völkergewohnheitsrecht nur, wenn eine einheitliche Staatenpraxis und eine Rechtsüberzeugung vorliegen (S. 5). Ersteres liegt vor, wenn eine grosse und repräsentative Anzahl von Staaten eine weitgehend einheitliche Verhaltensweise annehmen. Ob die Verhaltensvorgaben im Migrationspakt auch tatsächlich von einer grossen und repräsentativen Anzahl von Staaten eingehalten werden, kann erst nach geraumer Zeit festgestellt werden. Damit eine Rechtsüberzeugung vorliegt, müssen die Staaten, z. B. in öffentlichen Erklärungen, zum Ausdruck bringen, dass sie mit ihrem Verhalten einer rechtlichen Pflicht nachkommen. Die Staaten haben sowohl während der Verhandlungen wie auch bei ihrer Zustimmung kontinuierlich darauf hingewiesen, dass der Migrationspakt keine rechtliche Pflicht darstellt. Das zweite Kriterium ist somit nicht gegeben und es besteht daher keine Grundlage dafür, dass der UNO-Migrationspakt Teil des Völkerrechts werden kann.

Ob auf der Grundlage unter anderem des UNO-Migrationspaktes in den kommenden Jahren ein rechtlich verbindliches Dokument hervorgehen wird, ist nicht absehbar. In anderen Bereichen, zum Beispiel im Rahmen der Menschenrechte, fand eine solche Entwicklung statt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte21, von der UNOGeneralversammlung 1948 als völkerrechtlich nicht verbindliche Resolution verabschiedet, ist der wichtigste Referenzpunkt des internationalen Menschenrechtsschutzes und bildete die Grundlage für diverse spezifische Menschenrechtsabkommen und Erklärungen, die in den nachfolgenden Jahrzehnten verhandelt wurden. Im Migrationsbereich zeichnet sich zurzeit eine solche Tendenz nicht ab, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Wie im Bereich der Menschenrechte müsste jedoch ein neues Instrument verhandelt werden. Die Staaten könnten anschliessend autonom entscheiden, ob sie dieses Instrument ratifizieren möchten oder nicht.

3

Konsultation parlamentarischer Kommissionen

Die Kommissionen (Aussenpolitische Kommissionen und Staatspolitische Kommissionen) wurden im Rahmen der Berichte des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2016 und 2017 über das Ziel eines Migrationspakts sowie über den Verhandlungsverlauf informiert. Die Verhandlung des Migrationspakts war zudem prioritäres Thema der Schweiz für die 72. UNO-Generalversammlung (2017/18). Der Migrationspakt sowie das entsprechende Instrument für Flüchtlinge waren auch Prioritäten der 73. UNO-Generalversammlung (2018/19).

Die UNO-Prioritäten werden jeweils vom Bundesrat verabschiedet und die APKs werden dazu konsultiert (Art. 152 Abs. 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200222 [ParlG]).

21 22

Abrufbar unter: www.un.org/Depts/german > Themen > Menschenrechte.

SR 171.10

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Mit Beschluss vom 10. Oktober 2018 hat der Bundesrat seine zustimmende Haltung zum UNO-Migrationspakt festgehalten. Gemäss Auftrag des Bundesrates hat das EDA anschliessend die zuständigen parlamentarischen Kommissionen gemäss Artikel 152 Absatz 3 ParlG konsultiert. Die Staatspolitischen Kommissionen beantragten ebenfalls konsultiert zu werden gemäss Artikel 152 Absatz 5 ParlG. Aufgrund der Konsultationen (APKs und SPKs23) sowie der Debatten im National- und Ständerat (Wintersession 2018) entschied der Bundesrat am 14. Dezember, vorerst auf die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt zu verzichten.

4

Grundzüge des UNO-Migrationspaktes

Der Migrationspakt ist das Resultat eines Konsultations- und Verhandlungsprozesses unter den UNO-Mitgliedstaaten.

Was ist der UNO-Migrationspakt?

23

24

­

Hintergrund: Unter dem Eindruck grosser Flucht- und Migrationsbewegungen hat am 19. September 2016 ein UNO-Gipfeltreffen zu Flucht und Migration stattgefunden. Anlässlich des Gipfeltreffens wurde eine politische Deklaration (New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten24) mit Absichtserklärungen für einen besseren gemeinsamen Umgang mit Migration und Flucht verabschiedet. Darin beschlossen die UNO-Mitgliedstaaten, bis 2018 zwei globale Rahmenwerke zu erarbeiten, um die in der Deklaration festgehaltenen Grundsätze in konkrete Handlungspläne zu übersetzen. Der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge wurde mit der Ausarbeitung des UNOFlüchtlingspaktes beauftragt, welcher auf der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 aufbaut. Für die Ausarbeitung des UNO-Migrationspaktes wurde hingegen im Rahmen der UNO-Generalversammlung ein zwischenstaatlicher Verhandlungsprozess lanciert, da im Bereich Migration keine Grundlagendokumente bestehen.

­

Ziel: Der Migrationspakt ist ein praktisch anwendbarer Handlungsrahmen für eine sichere und geregelte Migration. Er betont den Grundsatz der geteilten Verantwortung in der Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- und Zielländern. Sichere und geregelte Migration ist eine Antwort auf die Herausforderung irregulärer Migration. Eine besser geregelte Migration innerhalb Afrikas würde zusätzliche Alternativen zu irregulärer Migration geben, den Schutz in den Herkunftsregionen stärken und die regionale Integration sowie wirtschaftliche Entwicklung unterstützen.

Siehe dazu Medienmitteilung der SPK-N vom 2. Nov. 2018 und Medienmitteilung der SPK-S vom 9. Nov. 2018, abrufbar unter: www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > Sachbereichskommissionen > SPK > Medienmitteilungen; Medienmitteilung der APK-N vom 6. Nov. 2018 und Medienmitteilung der APK-S vom 12. Nov. 2018; abrufbar unter: www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > Sachbereichskommissionen > APK > Medienmitteilungen.

Abrufbar unter: www.un.org/Depts/german > Themen > Migration und Flüchtlinge.

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­

Anwendungsbereich: Der Pakt berücksichtigt alle Formen der Migration.

Auf eine eindeutige Definition der Migration wurde verzichtet. Hingegen unterscheidet der Migrationspakt zwischen regulärer und irregulärer Migration.

Dies unterstreicht das souveräne Recht der Staaten, eigenständig zu bestimmen, wer legal einreisen darf. Die Flüchtlingsthematik wird separat im UNOFlüchtlingspakt behandelt.

­

Aufbau und Inhalt des Migrationspaktes: Der Pakt enthält zehn Leitprinzipien: ­ Der Mensch steht im Zentrum des Migrationspaktes.

­ Kein Staat kann die Herausforderungen der Migration alleine angehen, es braucht internationale Zusammenarbeit.

­ Jeder Staat behält das souveräne Recht, seine eigene Migrationspolitik zu bestimmen.

­ Rechtsstaatlichkeit ist der Grundsatz einer funktionierenden Migrationsgouvernanz.

­ Nachhaltige Entwicklung beeinflusst Migrationsbewegungen und Migration kann zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.

­ Alle Migrantinnen und Migranten haben universelle Menschenrechte und Grundfreiheiten.

­ Die Migrationsgouvernanz muss die genderspezifischen Bedürfnisse von Frauen und Männern berücksichtigen.

­ Das Wohlergehen des Kindes muss gewahrt werden.

­ Die Umsetzung des Migrationspaktes braucht einen regierungsweiten Ansatz («whole of government approach»).

­ Der Migrationspakt unterstützt Partnerschaften auch mit nichtstaatlichen Akteuren (Privatsektor, NGOs, Wissenschaft etc.).

Der Migrationspakt beinhaltet zudem 23 Ziele. Sie umfassen sämtliche wichtige Aspekte einer kohärenten Migrationspolitik, wie Massnahmen zur Verminderung der Ursachen irregulärer Migration, Schritte zur besseren Zusammenarbeit bei Rückführungen, Massnahmen beim Grenzschutz, gegen Menschenschmuggel und Menschenhandel, die Verbesserung des Schutzes von besonders vulnerablen Migrantinnen und Migranten oder die Nutzung des wirtschaftlichen Potenzials der Migration für die nachhaltige Entwicklung der Herkunftsländer.

Jedes Ziel umfasst zudem einen Katalog von freiwilligen Umsetzungsinstrumenten.

Die freiwilligen Umsetzungsinstrumente sind als Handlungsmöglichkeiten zu verstehen, welche von den Staaten beliebig und je nach Eignung im nationalen Kontext genutzt werden können. Diese Umsetzungsinstrumente reflektieren bewährte Massnahmen, welche im Rahmen des Konsultationsprozesses aus nationalen Erfahrungen zusammengetragen wurden. Sie sind nicht Teil der Verhaltensvorgaben.

Was ist der UNO-Migrationspakt nicht?

­

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Der Migrationspakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag und ist somit rechtlich nicht verbindlich, was in Ziffer 7 zum Ausdruck kommt. Eine Zustimmung

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zum Migrationspakt erfolgt weder durch Unterschrift noch durch Ratifizierung. Die Schweiz hat sich stets gegen einen rechtlich verbindlichen Rahmen ausgesprochen ­ wir brauchen keine neuen rechtlichen Normen, sondern praktische Lösungsansätze und politischen Willen, um diese umzusetzen.

5

­

Der Migrationspakt ersetzt nicht Massnahmen auf nationaler oder bilateraler Ebene und ist auch nicht der Königsweg für Antworten auf alle aktuellen Herausforderungen im Migrationsbereich.

­

Das Dokument fördert keine quantitative Zunahme oder Abnahme der Migration. Über das Ausmass an Zuwanderung entscheidet nach wie vor der jeweilige Staat selbst. Die nationale Souveränität der Staaten in der Migrationspolitik wird in Ziffer 15 ausdrücklich bekräftigt.

­

Das Dokument befasst sich nicht mit den spezifischen Herausforderungen im Flüchtlingsbereich. Diesbezüglich wird der völkerrechtliche Rahmen durch die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und das Protokoll von 1967 vorgegeben. Zudem haben die Staaten aufbauend auf diese bestehenden Normen im Dezember 2018 den UNO-Flüchtlingspakt verabschiedet, welcher parallel zum Migrationspakt mandatiert wurde. Durch die Verabschiedung zweier unterschiedlicher Instrumente wurde signalisiert, dass die beiden Kategorien (Migration und Flüchtlinge) nicht vermischt werden sollen. Dies wurde zudem in Ziffer 4 des Migrationspaktes wie folgt festgehalten: «Flüchtlinge und Migranten haben Anspruch auf dieselben allgemeinen Menschenrechte und Grundfreiheiten, die stets geachtet, geschützt und gewährleistet werden müssen. Dennoch handelt es sich bei ihnen um verschiedene Gruppen, die separaten Rechtsrahmen unterliegen. Lediglich Flüchtlinge haben ein Anrecht auf den spezifischen internationalen Schutz, den das internationale Flüchtlingsrecht vorsieht.»

Erläuterungen zu Zielen und einzelnen Umsetzungsinstrumenten des UNO-Migrationspaktes

Der Bundesrat kommt nach Abschluss der Analyse der innen- und aussenpolitischen Auswirkungen zum Schluss, dass alle 23 Ziele mit der geltenden Schweizer Rechtsordnung und Praxis kompatibel sind. Einzig bei einzelnen der freiwilligen Umsetzungsinstrumente wurde entweder eine Abweichung zu rechtlichen Normen oder ein Präzisierungsbedarf identifiziert. Eine Abweichung beziehungsweise eine Präzisierung zu einzelnen Umsetzungsinstrumenten ist für die Zustimmung zum UNOMigrationspakt unproblematisch. Der Katalog der Umsetzungsinstrumente wird denn auch jeweils mit dem Hinweis eingeleitet, dass die Staaten aus diesen «schöpfen» können, um die Ziele umzusetzen. Es besteht somit keine politische Erwartungshaltung, die Umsetzungsinstrumente vollumfänglich zu nutzen.

Im Folgenden werden die 23 Ziele erläutert. Auf die freiwilligen Umsetzungsinstrumente wird nur dann eingegangen, wenn diese eine Abweichung zu Recht und Praxis in der Schweiz aufweisen oder ein anderweitiger Präzisierungsbedarf besteht.

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Ziel 1 ­ Erhebung und Nutzung korrekter und aufgeschlüsselter Daten als Grundlage für eine Politikgestaltung, die auf nachweisbaren Fakten beruht Die Erhebung und Nutzung von Daten in der Schweiz ermöglicht bereits heute eine evidenzbasierte Gestaltung der Migrationspolitik. Darüber hinaus schützt unsere Rechtsordnung die Privatsphäre (Art. 13 BV) in Übereinstimmung mit den internationalen Menschenrechtsabkommen. Qualitativ hochwertige und international vergleichbare Zahlen würden es uns ermöglichen, Szenarien und Analysen zum Beispiel entlang relevanter Migrationsrouten zu entwickeln. Solche Szenarien sind wichtige Instrumente für eine effektive Migrationssteuerung in der Schweiz. Aus diesem Grund setzt sich die Schweiz seit vielen Jahren für die Stärkung der Kapazitäten ihrer strategischen Partner in diesem Bereich ein.
Dieses Ziel wird in der Schweiz bereits umgesetzt. Die Verbesserung der
Datenlage in Herkunftsregionen sowie entlang wichtiger Migrationsrouten ist zudem im Interesse der Schweiz.

Ziel 2 ­ Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu bewegen, ihre Herkunftsländer zu verlassen Das Ziel entspricht dem Mandat des Parlaments zur strategischen Verknüpfung zwischen internationaler Zusammenarbeit und Migration. Eine wirksame Verminderung der Ursachen irregulärer Migration und Flucht wird längerfristig dazu beitragen, die irreguläre Migration zu reduzieren.

Eine bessere Steuerung der Migration in den Herkunfts- und Transitregionen begünstigt die nachhaltige Entwicklung, indem reguläre Migration als wirtschaftliche Triebkraft wirken kann. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO. Nachhaltige Entwicklung wirkt sich wiederum positiv auf die Verminderung der Ursachen irregulärer Migration aus.

Der UNO-Migrationspakt ändert nichts an der Praxis, dass Menschen, die aufgrund von Naturkatastrophen, der Auswirkungen des Klimawandels oder aufgrund von Umweltzerstörungen ihre Heimat verlassen müssen, nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Die Umsetzungsinstrumente 2h­l führen somit nicht zu einer Ausweitung des bestehenden Flüchtlingsrechts. Hingegen anerkennt der Migrationspakt die zunehmende Herausforderung von Vertreibungen aufgrund dieser Faktoren. Er unterstreicht zudem Massnahmen gegen die Umweltzerstörungen, insbesondere den Klimawandel, als weltweite Aufgabe, auch um irreguläre Migration und Flucht zu vermeiden. Mit der Lancierung der Nansen-Initiative25 und der Unterstützung der daraus entstandenen «Plattform zur Flucht vor Naturkatastrophen» engagiert sich die Schweiz bereits seit vielen Jahren in diesem Bereich.
Mit der Umsetzung der strategischen Verknüpfung wird dieses Ziel bereits
umgesetzt. Die Verminderung der Ursachen irregulärer Migration durch andere Staaten ist zudem im Interesse der Schweiz.

25

Siehe www.eda.admin.ch > Aussenpolitik > Frieden und Menschenrechte > Humanitäre Politik > Plattform zu Flucht vor Naturkatastrophen.

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Ziel 3 ­ Bereitstellung korrekter und zeitnaher Informationen in allen Phasen der Migration Alle relevanten Informationen zu Migrationsfragen sind in der Schweiz öffentlich zugänglich und werden auch bei der Politikentwicklung beigezogen.

Das freiwillige Umsetzungsinstrument 3e empfiehlt Orientierungskurse in Herkunftsländern lediglich für reguläre Migrantinnen und Migranten vor ihrer Abreise. Die Schweiz kennt diese Praxis nicht, sondern überlässt es den einreisenden Ausländerinnen und Ausländern selbst, sich über bestehende Kanäle (Botschaften und Konsulate, Webseiten des Bundes, Kantone und Gemeinden etc.) über ihre Rechte und Pflichten in der Schweiz zu informieren. Andere Staaten (z. B. Kanada oder Südkorea) kennen hingegen diese Praxis, zumindest für reguläre Einwanderungen aus gewissen Regionen. Sie betrachten dies als vorgelagerten Integrationsprozess. Da die Informationen über die Rechte und Pflichten von Migrantinnen und Migranten in der Schweiz öffentlich zugänglich sind, besteht hier kein Handlungsbedarf.

Im Rahmen ihrer Migrationsaussenpolitik finanziert die Schweiz bereits seit mehreren Jahren Informations- und Sensibilisierungskampagnen in Herkunfts- und Transitstaaten (Umsetzungsinstrument 3e) sowie entlang von Migrationsrouten (Umsetzungsinstrument 3c). Sie haben zum Ziel, potenzielle Migrantinnen und Migranten über die Gefahren der irregulären Migration und die mangelnden Perspektiven auf einen dauerhaften Verbleib in Europa aufmerksam zu machen.
Dieses Ziel ist umgesetzt.
Ziel 4 ­ Sicherstellung, dass alle Migrantinnen und Migranten über den Nachweis einer rechtlichen Identität und ausreichende Dokumente verfügen Die Schweiz garantiert allen ihren im Ausland lebenden Staatsangehörigen die erforderlichen Staatsangehörigkeitsnachweise und andere konsularische Dokumente. Darüber hinaus stellt sie allen auf ihrem Gebiet lebenden Migrantinnen und Migranten die nötigen Dokumente (Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden) aus. Dieses Ziel ist zudem im Rückkehrbereich für die Schweiz wichtig. Da alle Staaten aufgerufen werden, ihre Staatsangehörigen mit den nötigen Papieren auszustatten, und hierzu vermehrt auch biometrische Daten zur Anwendung kommen sollen, kann dies die Prozeduren und die Zusammenarbeit im Rückkehrbereich erleichtern. Insbesondere die Verfügbarkeit biometrischer Daten kann zu einer deutlichen Beschleunigung der Verfahren führen. Wenn alle Migrantinnen und Migranten auf Schweizer Boden einen Identitätsnachweis haben, wird dies die Statusbestimmungsverfahren beschleunigen und die Staatenlosigkeit verringern.

Beim Umsetzungsinstrument 4e wird den Staaten empfohlen, sicherzustellen, dass keine administrativen oder juristischen Barrieren existieren, welche die Übertragung der Nationalität von der Mutter bzw. vom Vater auf das im Ausland geborene Kind verhindern könnten, insbesondere wenn das Kind ansonsten staatenlos wäre. Dies entspricht unserer Praxis in der Schweiz und ist zudem relevant für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Das Fehlen der Geburtsurkunde für ein im Ausland geborenes Kind eines Schweizer Paares würde zum Beispiel das Einbürgerungsverfahren erschweren. Dieses Instrument empfiehlt hingegen nicht, dass die Schweiz einem in der Schweiz geborenen Kind die Nationalität erteilen müsste (jus soli), sofern 21 / 38

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das Kind ansonsten staatenlos wäre. Dies wäre mit unserer Praxis auch nicht kompatibel.
Dieses Ziel ist somit umgesetzt, entspricht einem direkten Interesse
der Schweiz im Rückkehrbereich und ist für Auslandschweizerinnen und -schweizer von Bedeutung.

Ziel 5 ­ Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für eine reguläre Migration Die Schweiz überprüft regelmässig die Gültigkeit und Wirksamkeit der vorgesehenen regulären Migrationswege (Bildung, Arbeit usw.). Das System ist gut etabliert und es gibt keinen Handlungsbedarf. Das Ziel betont zudem explizit, dass die reguläre Migration «im Einklang mit der Arbeitskraftnachfrage und dem Qualifikationsangebot auf lokaler und nationaler Ebene» umgesetzt wird. Der Migrationspakt unterstreicht somit nicht nur das souveräne Recht jedes Staates, die Einwanderung selbstständig zu kontrollieren, sondern hebt auch die Abstimmung mit den Bedürfnissen auf dem Arbeitsmarkt hervor. Das Ziel setzt auch keine quantitativen Anpassungen voraus, sondern empfiehlt Instrumente für die qualitative Verbesserung der Prozeduren.

Das Ziel ist insbesondere für Staaten wichtig, die noch nicht über etablierte reguläre Migrationsprozeduren verfügen. Die Schweiz spricht diese Frage in den bilateralen Beziehungen mit ihren Partnern regelmässig an und bietet ihre Unterstützung an, wo dies erwünscht ist. Dies umfasst auch die Stärkung regionaler Personenfreizügigkeitsabkommen, wie zum Beispiel in Westafrika oder am Horn von Afrika. Je mehr die Migration innerhalb einer Region durch reguläre Prozeduren abgewickelt werden kann, desto weniger kommt es zu irregulären Bewegungen, was im Interesse der Schweiz ist.

Die Umsetzungsinstrumente 5g (befristete Migration) und 5h (dauerhafte Migration) geben Empfehlungen im Bereich umweltbedingter Migration. In der Schweiz existieren gewisse gesetzliche Grundlagen, die bei einer umweltbedingten Migration Anwendung finden können. Artikel 83 des Ausländer- und Integrationsgesetzes vom 16. Dezember 200526 (AIG) sieht vor, dass eine vorläufige Aufnahme gewährt werden kann, wenn der Vollzug einer Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar ist. Der Bundesrat legte bereits 2007 in seiner Antwort auf die Motion 07.3816 «Internationaler Status für Umweltflüchtlinge» des damaligen Nationalrats Zisyadis dar, dass die Schweiz Personen vorläufig aufnehmen kann, «deren Rückkehr aufgrund umweltbedingter Ereignisse nicht zumutbar ist». Die vorläufige Aufnahme ist als Ersatzmassnahme
für den nicht durchführbaren Vollzug der Wegweisung konzipiert. Aufgrund dessen stellt sie grundsätzlich kein gefestigtes Anwesenheitsrecht dar27. Der Bundesrat hat sich gegen die Schaffung eines speziellen Status für «Umweltflüchtlinge» sowie eine entsprechende Änderung des Schweizer Asylgesetzes vom 26. Juni 199828 (AsylG) ausgesprochen, was im UNO-Migrationspakt auch nicht 26 27

28

SR 142.20 Siehe Handbuch Asyl und Rückkehr, Artikel E3 «Die Wegweisung, der Vollzug der Wegweisung und die Anordnung der vorläufigen Aufnahme», abrufbar unter: www.sem.admin.ch > Asyl / Schutz vor Verfolgung > Das Asylverfahren > Nationale Asylverfahren > Handbuch Asyl und Rückkehr.

SR 142.31

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vorgesehen ist. Er hat in seiner Antwort auf die Motion 07.3861 aber festgehalten, dass andere Lösungsansätze gefragt sind, wie «beispielsweise die Früherkennung von Migrationsbewegungen und gezielte Hilfeleistungen für die Bevölkerung vor Ort».

Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung vom 15. August 201829 über die Einreise und die Visumerteilung gilt grundsätzlich nicht für Personen, die Natur- oder Umweltkatastrophen ausgesetzt sind. Personen, die unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet sind, kann die Einreise hingegen mit einem humanitären Visum bewilligt werden. Die betroffene Person muss sich in einer besonderen Notsituation befinden, die ein behördliches Eingreifen zwingend erforderlich macht. Die Anwendung dieses Artikels setzt voraus, dass ihr nur dank einer Einreise in die Schweiz Schutz gewährt werden kann. Dies kann etwa bei akuten kriegerischen Ereignissen oder bei einer aufgrund der konkreten Situation unmittelbaren individuellen Gefährdung gegeben sein30.

Die heutigen gesetzlichen Grundlagen (Art. 42­52 AIG) und die Praxis entsprechen dem Grundgedanken des freiwilligen Umsetzungsinstruments 5i im Bereich des Familiennachzugs. Die in den Artikeln 43­45 AIG festgelegten Bedingungen sind zudem ebenfalls kompatibel. Durch die Auflistung solcher Bedingungen im Umsetzungsinstrument wird aufgezeigt, dass solche Einschränkungen zulässig sind.
Dieses Ziel entspricht der Praxis der Schweiz im Bereich der regulären Migration und ist somit umgesetzt. Auch die freiwilligen Umsetzungsinstrumente
zu umweltbedingter Migration sowie im Bereich des Familiennachzugs sind mit unserer Praxis vereinbar.

Ziel 6 ­ Förderung einer fairen und ethisch vertretbaren Rekrutierung von Arbeitskräften und Gewährleistung der Bedingungen für eine menschenwürdige Arbeit Die Praxis der Schweiz bei der Rekrutierung von Arbeitskräften und der Gewährleistung der Bedingungen für eine menschenwürdige Arbeit entspricht internationalen Standards. Die Schweiz hat ein Interesse, dass auch andere Staaten diese Standards erfüllen. Die Schweiz engagiert sich beispielsweise im Rahmen von Projekten der IOM und der ILO zur Verbesserung von Rekrutierungsprozessen und zur Verringerung der Ausbeutung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten.

Im Umsetzungsinstrument 6c wird den Staaten empfohlen, dass die Rekrutierungskosten nicht auf reguläre Arbeitsmigrantinnen und -migranten übertragen werden sollen, um Zwangsarbeit, Ausbeutung und Schuldknechtschaft zu verhindern. Die Übertragung ist in der Schweiz beschränkt möglich (Art. 3 der Gebührenverordnung AVG vom 16. Januar 199131: «Die Vermittlungsprovision beträgt höchstens 5 Prozent des ersten Brutto-Jahreslohnes.») Da die Praxis einer begrenzten Vermittlungsprovision in der Schweiz nicht zu Zwangsarbeit, Ausbeutung und Schuldknechtschaft führt, ist der Zweck des Instruments erfüllt.

29 30

31

SR 142.204 Siehe Botschaft vom 26. Mai 2010 zur Änderung des Asylgesetzes (BBl 2010 4455, hier 4528) sowie Antwort des Bundesrates vom 20. Febr. 2019 auf die Motion Quadranti 18.4157 «Erleichterte Erteilung von humanitären Visa».

SR 823.113

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Das Ziel kann als umgesetzt betrachtet werden, mit der Präzisierung, dass die
Schweiz sich das Recht vorbehält, weiterhin eine gesetzlich limitierte Vermittlungsprovision zu erheben, die jedoch nicht zu Zwangsarbeit, Ausbeutung und Schuldknechtschaft führt.

Ziel 7 ­ Bewältigung und Minderung prekärer Situationen im Rahmen von Migration Völker- und verfassungsrechtlich garantierte Grund- und Menschenrechte gelten auch für Migrantinnen und Migranten. Unabhängig von ihrer Rechtsstellung garantiert zum Beispiel Artikel 12 BV jeder Person in der Schweiz, die in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, den Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Die Nothilfe, die in die Zuständigkeit der Kantone fällt, besteht aus der Bereitstellung von Unterkunft, Nahrung, Kleidung und medizinischer Grundversorgung. Dabei gilt es auch, wie im Ziel erwähnt, das «Wohl des Kindes als vorrangigen Gesichtspunkt zu wahren» und «einen geschlechtersensiblen Ansatz anzuwenden». Durch die Verbesserung des Schutzes von Migrantinnen und Migranten im Ausland kann die Schweiz zu einer Verringerung der irregulären Migration beitragen. Aus diesem Grund ist die Schweiz seit vielen Jahren in diesem Bereich aktiv. Namentlich unterstützt die Schweiz Projekte zum Aufbau von besseren Schutzmechanismen in verschiedenen Erstaufnahme- und Transitstaaten. Der Schutz vor Ort ist ein zentraler Pfeiler bei der Umsetzung der strategischen Verknüpfung zwischen internationaler Zusammenarbeit und Migration.

Das Umsetzungsinstrument 7i empfiehlt, insbesondere in Fällen, die Kinder, Jugendliche und Familien betreffen, die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung nach klaren Kriterien zu gewähren. Dies entspricht der Härtefallpraxis in der Schweiz (Art. 30 Abs. 1 Bst. b und 84 Abs. 5 AIG, Art. 14 Abs. 2 AsylG). Das Instrument sieht hingegen nicht eine Regularisierung von «Sans-Papiers» ohne Einzelfallprüfung vor, gegen die sich die Schweiz in den Verhandlungen ausgesprochen hat.
Das Ziel ist in der Schweiz umgesetzt und trägt zudem zum besseren Schutz
in den Herkunftsregionen bei.

Ziel 8 ­ Rettung von Menschenleben und Festlegung koordinierter internationaler Massnahmen betreffend vermisste Migrantinnen und Migranten Leben zu retten sowie den Tod und die Verletzung von Migrantinnen und Migranten zu verhindern sind humanitäre Grundprinzipien unserer Migrationspolitik. Die Schweiz engagiert sich in Zusammenarbeit mit Partnern wie dem IKRK und der IOM, international die Systeme zur Identifikation von Verstorbenen und Vermissten zu verbessern. Klärung des Schicksals von Vermissten ist auch ein Beitrag zur Reintegration sowie zur Prävention von erzwungener Migration, denn Verschwinden hat schwerwiegende negative rechtliche, psychische, wirtschaftliche und politische Auswirkungen auf die Hinterbliebenen und deren gesellschaftlichen Kontext.
Das Ziel wird von der Schweiz bereits umgesetzt.
Ziel 9 ­ Verstärkung der grenzübergreifenden Bekämpfung der Schleusung von Migrantinnen und Migranten Die Schweiz ist sowohl als Transit- als auch als Zielland von Menschenschmuggel betroffen. Aus diesem Grund engagiert sich die Schweiz mit verschiedenen nationalen 24 / 38

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Politiken für die Bekämpfung des Menschenschmuggels. Wie u. a. in der Beantwortung des Postulats 17.3790 «Schaffung einer Strafnorm gegen das Schlepperwesen» festgehalten, muss der Bekämpfung des Schlepperwesens eine hohe Priorität zukommen.

Innenpolitisch deckt sich somit dieses Ziel vollumfänglich mit den Bestrebungen der Schweiz. Menschenschmuggel kann nicht in einem rein nationalen Rahmen bekämpft werden, es braucht internationale Kooperation. Aus diesem Grund ist dieses Thema ebenfalls ein integraler Bestandteil der schweizerischen Migrationsaussenpolitik.
Das Ziel ist umgesetzt.
Ziel 10 ­ Prävention, Bekämpfung und Beseitigung von Menschenhandel im Kontext der internationalen Migration Es liegt im Interesse der Schweiz, dass die kriminellen Menschenhandelsnetze sowohl in der Schweiz als auch ausserhalb der Landesgrenzen energisch bekämpft werden.

Aus diesem Grund setzt sie sich sowohl mit verschiedenen nationalen Politiken als auch durch ihr internationales Engagement für die Bekämpfung des Menschenhandels ein. Die detaillierte Handhabe ist u. a. im Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel32 aufgezeigt. Dieser wurde in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen und Organisationen der Zivilgesellschaft erarbeitet. Der Aktionsplan umfasst die Prävention, Bekämpfung und Beseitigung von Menschenhandel.
Das Ziel ist umgesetzt.
Ziel 11 ­ Integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement Integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement soll sichere und reguläre Grenzübertritte ermöglichen und gleichzeitig irreguläre Migration verhindern. Unter der Leitung des Staatssekretariats für Migration (SEM) wurde die Strategie der integrierten Grenzverwaltung 202733 erarbeitet. Die Konferenz der Kantonalen Justizund Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) hat diese am 14. November 2019 verabschiedet und der Bundesrat hat sie in der darauffolgenden Woche zur Kenntnis genommen. Es besteht somit kein Bedürfnis, innenpolitisch weitere Schritte zu unternehmen.

Ein besseres Grenzmanagement, insbesondere durch die Staaten entlang relevanter Migrationsrouten, ist als Mittel gegen irreguläre Migration im Interesse der Schweiz.

Deshalb engagiert sich die Schweiz seit vielen Jahren für die Stärkung der Kapazitäten der Partnerländer in diesem Bereich. Die Schweiz hat beispielsweise im Rahmen der Migrationspartnerschaft mit Nigeria die nigerianischen Grenzbehörden im Bereich der Überprüfung von Reisedokumenten weitergebildet.
Es besteht kein Bedürfnis, in der Schweiz zusätzliche Schritte zu unternehmen. Das Ziel ist umgesetzt.

32 33

Abrufbar unter: www.fedpol.admin.ch > Kriminalität > Menschenhandel > Links und Quellen.

Abrufbar unter: www.sem.admin.ch > Einreise & Aufenthalt > Einreise > Integrierte Grenzverwaltung.

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Ziel 12 ­ Stärkung der Rechtssicherheit und Planbarkeit bei Migrationsverfahren zur Gewährleistung einer angemessenen Prüfung, Bewertung und Weiterverweisung Die Voraussetzungen für die Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern ausserhalb des Asylbereichs sind im AIG klar geregelt. Dies gilt auch für die Zuständigkeiten und das Verfahren für die Prüfung von Zulassungsgesuchen sowie für die Beschwerdemöglichkeiten.

Obwohl der Migrationspakt nicht auf Flüchtlingsfragen eingeht, ist es aus Sicht der allgemeinen Migrationsgouvernanz auch wichtig, dass die Asylverfahren effizient und fair sind sowie rasch Klarheit darüber besteht, ob eine Person Anspruch auf Schutz gemäss der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 bzw. des AsylG hat oder nicht. Dies erhöht die Vorhersehbarkeit der Prozeduren und reduziert den Missbrauch des Asylverfahrens, was wiederum Zeit und Geld spart.

Es liegt im Interesse der Schweiz, dass auch ihre Partnerländer Strukturen und Verfahren für eine effiziente und faire Bearbeitung von Zulassungsgesuchen schaffen.

Damit können auch schutzbedürftigen Personen möglichst rasch Schutz und Betreuung gewährt und damit der Weiterwanderung der Schutzsuchenden vorgebeugt werden.
Die Migrations- und Asylverfahren in der Schweiz entsprechen dem Ziel. Das
Ziel ist somit umgesetzt.

Ziel 13 ­ Freiheitsentziehung bei Migrantinnen und Migranten nur als letztes Mittel und Bemühung um Alternativen Die Ausschaffungshaft bleibt ein Instrument, das die Staaten weiterhin einsetzen können mit der Massgabe, dass diese grundsätzlich verhältnismässig und nicht willkürlich angewendet wird. Das Ziel entspricht somit der geltenden Praxis in der Schweiz.

Beim Umsetzungsinstrument 13h stellt der Bundesrat hingegen eine gewisse Abweichung von unserer Praxis fest. Den Staaten wird darin empfohlen, darauf hinzuarbeiten, die Administrativhaft für Minderjährige abzuschaffen. Die Schweiz erlaubt die Administrativhaft von Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren, wobei Zwangsmassnahmen bei Familien und Minderjährigen nur im Ausnahmefall angeordnet werden und viele Kantone alternative Lösungen umsetzen. Auch in den Rechtsgrundlagen auf europäischer Ebene (EU-Rückführungsrichtlinie34, Dublin-III-Verordnung35), welche für die Schweiz als Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstandes verbindlich sind, ist Administrativhaft bei Minderjährigen erlaubt. In ihrem Bericht vom 26. Juni 201836 zur Administrativhaft im Asylbereich fordert die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass Minderjährige unter 15 Jahren nicht in Administrativhaft genommen werden und dass 34

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Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31.

BBl 2018 7511

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die Haft bei Minderjährigen über 15 Jahren als letztes Mittel und stets zweckmässig eingesetzt wird. In seiner Stellungnahme vom 28. September 201837 hat der Bundesrat darauf hingewiesen, dass die Anordnung von ausländerrechtlicher Administrativhaft gegenüber Minderjährigen unter 15 Jahren gemäss Artikel 80 Absatz 4 AIG beziehungsweise Artikel 80a Absatz 5 AIG ausgeschlossen ist und dass das SEM die Kantone anweisen wird, keine minderjährigen Personen unter 15 Jahren in Administrativhaftanstalten unterzubringen und stattdessen für den Vollzug der Wegweisungen von Familien alternative Möglichkeiten zu prüfen. Was die Anordnung der Administrativhaft für Minderjährige über 15 Jahren betrifft, so hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme bestätigt, dass diese nur als letztes Mittel und für die kürzest angemessene Haftdauer eingesetzt wird, wie dies Artikel 37 des Übereinkommens vom 20. November 198938 über die Rechte des Kindes vorsieht. Entsprechend besteht in diesem Bereich eine Abweichung zwischen der Empfehlung des Migrationspakts und der gesetzlichen Grundlage in der Schweiz.
Das Ziel kann in der Schweiz als umgesetzt erachtet werden. Beim Umsetzungsinstrument 13h müsste präzisiert werden, dass die Anordnung der
Administrativhaft für Minderjährige über 15 Jahren in der Schweiz weiterhin zulässig ist.

Ziel 14 ­ Verbesserung des konsularischen Schutzes und der konsularischen Hilfe und Zusammenarbeit im gesamten Migrationszyklus Es liegt im Interesse der Schweiz, dass die bei uns ansässigen Migrantinnen und Migranten Zugang zu konsularischen Dienstleistungen ihres Herkunftslandes haben (Zugang zu Ausweispapieren, Heiratsurkunden usw.). Dies betrifft auch die konsularische Arbeit im Rückkehrbereich. Die Schweiz hat auch ein Interesse daran, dass allen Migrantinnen und Migranten Zugang zum konsularischen Schutz gewährt wird. Werden diese Menschen durch die für sie zuständigen Stellen konsularisch betreut, lassen sich für die Betroffenen erhebliche Risiken der Migration zumindest eindämmen. Dies liegt nicht zuletzt im Interesse aller übrigen Akteure und der Schweiz.

Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind im Umkehrschluss darauf angewiesen, dass sie im Ausland ihrerseits Zugang zu konsularischem Schutz und konsularischen Dienstleistungen ohne Hindernisse durch das Aufenthaltsland in Anspruch nehmen können.
Das Ziel ist umgesetzt.
Ziel 15 ­ Gewährleistung des Zugangs von Migrantinnen und Migranten zu Grundleistungen Alle Migrantinnen und Migranten sollen ungeachtet ihrer rechtlichen Stellung ihre grundlegenden Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu essenziellen Grundleistungen wahrnehmen können. Dies entspricht unserer verfassungsrechtlichen Vorgabe zur Einhaltung der Menschenrechte, insbesondere der Rechtsgleichheit

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Abrufbar unter: www.ejpd.admin.ch > Aktuell > Bundesrat nimmt Stellung zu den Empfehlungen der GPK-N zur Administrativhaft im Asylbereich.

SR 0.107

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(Art. 8 BV), dem Recht auf Hilfe in Notlagen (Art. 12 BV), dem Anspruch auf Grundschulunterricht (Art. 19 BV) und der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV). Zudem halten einige Kantone in ihrer Verfassung konkretisierend fest: «Jede Person hat bei Notlagen, die sie nicht aus eigener Kraft bewältigen kann, Anspruch auf ein Obdach, auf grundlegende medizinische Versorgung sowie auf die für ein menschenwürdiges Leben notwendigen Mittel» (Art. 24 Abs. 1 der Kantonsverfassung [KV] von AR; ähnlich Art. 29 Abs. 1 KV-BE; § 16 Abs. 1 KV-BL; Art. 36 Abs. 1 KV-FR; Art. 2 Bst. f KV-SG; Art. 13 KV-SH). Rechtmässig anwesende Migrantinnen und Migranten haben, im Einklang mit der nationalen Praxis, Zugang zu umfassenderen Leistungen.

Die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt hätte keine Anpassung der geltenden Regeln in der Schweiz zur Folge, da der Leistungsumfang für rechtmässig und unrechtmässig anwesende Migrantinnen und Migranten im Sinne des Migrationspakts unterschiedlich ausfallen kann, solange gewisse Grundbedürfnisse gedeckt sind. Der Bundesrat hat im Dezember 2020 einen Bericht zum Postulat 18.3381 «Gesamthafte Prüfung der Problematik der Sans-Papiers» verabschiedet, in welchem die Rechtsstellung von rechtswidrig anwesenden Ausländerinnen und Ausländern dargestellt wird.
Gestützt auf die bestehende Praxis entspricht das Schweizer Recht diesem
Ziel. Das Ziel ist umgesetzt.

Ziel 16 ­ Befähigung von Migrantinnen und Migranten und Gesellschaften zur Verwirklichung der vollständigen Inklusion und des sozialen Zusammenhalts Das Ziel reflektiert im Grundsatz die in der Schweiz angewandte Praxis des Förderns und Forderns im Integrationsbereich. Es wird explizit die Befähigung der Migrantinnen und Migranten hervorgehoben, damit sie aktive Mitglieder unserer Gesellschaft werden können, aber auch der Grundsatz der Einhaltung der innerstaatlichen Gesetze und der Achtung der Gebräuche des Ziellandes.

Spezifisch zum freiwilligen Umsetzungsinstrument 16b muss präzisierend erwähnt werden, dass den regulär einreisenden Migrantinnen und Migranten eine Reihe von Informationsquellen zur Verfügung stehen (u. a. www.ch.ch, Botschaften und Konsulate, aber auch direkt von den Gemeinden, Arbeitgebern, Universitäten etc.), um sich auf die Einreise vorzubereiten. Es werden jedoch keine Vorbereitungskurse im Ausland, sondern Integrationskurse nach der Einreise angeboten. Es besteht kein Bedarf, diese Praxis zu ändern, weil das Ziel damit im Grundsatz erfüllt ist.

Im Umsetzungsinstrument 16i wird empfohlen, faktengestützte Informationen über Migration in die Lehrpläne aufzunehmen sowie gezielte Mittel für Integrationsaktivitäten in Schulen bereitzustellen. Es besteht kein Bedarf, die Praxis in der Schweiz zu ändern. Der Lehrplan 21 z. B. umfasst das Thema Migration. Zudem hat die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) eine ständige Kommission «Bildung und Migration», welche die EDK zu diesen Fragen berät.
Diesem Ziel wird mit der bestehenden Praxis im Bereich der Integration, wie
sie insbesondere von den Kantonen und Gemeinden umgesetzt wird, entsprochen. Das Ziel ist umgesetzt.

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Ziel 17 ­ Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration Das in Artikel 8 Absatz 2 BV verankerte Diskriminierungsverbot besagt, dass niemand diskriminiert werden darf, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, der Sprache, der Lebensform und der religiösen Überzeugung. In Artikel 261bis des Strafgesetzbuches (StGB)39 wird die Rassendiskriminierung als Strafnorm festgehalten.

Die Schweiz hat zudem 1994 das internationale Übereinkommen vom 21. Dezember 196540 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung ratifiziert. Anwendung findet auch Artikel 8 Absatz 3 BV, um geschlechterspezifische Diskriminierung im Migrationskontext anzugehen. Auch ein auf Fakten basierender öffentlicher Diskurs wird in der Schweiz gefördert, indem zum Beispiel relevante Statistiken, Berichte und Beschlüsse publiziert werden. Schliesslich ist auch das im Ziel bekräftigte Recht der freien Meinungsäusserung in der Schweiz verfassungsrechtlich verankert (Art. 16 BV).

Im Umsetzungsinstrument 17a wird der Erlass von Rechtsvorschriften im Bereich der «hate crimes» (Hassverbrechen) empfohlen. Der Bundesrat hat im periodischen Bericht der Schweiz vom 30. November 201841 an den UNO-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung hierzu Folgendes festgehalten, das sinngemäss auch für dieses Instrument zutrifft: «Das schweizerische Recht enthält keine spezifische Legaldefinition von . Es kennt auch kein Straftatbestandsmerkmal, welches Straftaten, die aus einem rassistischen Motiv heraus begangen werden, als Hassverbrechen qualifizieren würde, das speziell untersucht, erfasst und geahndet sowie mit strengeren strafrechtlichen Sanktionen versehen würde. Dem rassistischen Motiv einer Straftat wird jedoch regelmässig bei der Strafzumessung im Einzelfall Rechnung getragen (namentlich bei der Einschätzung des Verschuldens des Täters nach Art. 47 Abs. 2 StGB und bei der Konkurrenz von Straftaten gemäss Art. 49 StGB), insbesondere im Rahmen von Art. 111 ff. (Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben), Art. 173 ff. (Strafbare Handlungen gegen die Ehre), Art. 180 ff. (Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit), Art. 261 (Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit) oder Art. 261bis StGB
(Rassendiskriminierung). Somit bedarf es keiner gesetzlichen Anpassung, um rassistische Beweggründe bei der Strafzumessung angemessen zu berücksichtigen.» Im freiwilligen Umsetzungsinstrument 17c wird die «Einstellung der öffentlichen Finanzierung oder materiellen Unterstützung von Medien» empfohlen, «die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten fördern». Massgebend sind im schweizerischen Recht die strafrechtlichen und zivilrechtlichen Grenzen und Sanktionen für rassistische Äusserungen im öffentlichen Raum. Die verbindliche Rechtsgrundlage im Kontext der Bekämpfung von Rassismus ist insbesondere Artikel 261 bis StGB. In Artikel 4

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SR 311.0 SR 0.104 Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bericht der Schweiz über die Umsetzung des UNO-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung.

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Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 24. März 200642 über Radio und Fernsehen wird zudem festgehalten, dass Sendungen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen dürfen. Eine staatliche Förderung der Medien setzt also voraus, dass diese die Rechtsordnung einhalten. Es gibt somit keinen Handlungsbedarf in der Schweiz und die Medienfreiheit als Basis der demokratischen Ordnung der Schweiz wird in keiner Art und Weise vom Migrationspakt tangiert.
Das Ziel ist somit kompatibel mit unserer Praxis und ist umgesetzt.
Ziel 18 ­ Investition in Aus- und Weiterbildung und Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung von Fertigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen Die Anerkennung von Fertigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen ist in der Schweiz klar geregelt. Für EU-/EFTA-Bürgerinnen und -Bürger ist die Anerkennung von Berufsqualifikationen für reglementierte Berufe und Tätigkeiten in der Schweiz im Abkommen vom 21. Juni 199943 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit geregelt, das in seinem Anhang III auf die Richtlinie 2005/36/EG44 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen verweist.

Für Gesuchstellende aus Drittländern kommen die Berufsbildungsverordnung vom 19. November 200345 und die Verordnung vom 23. November 2016 46 zum Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz zur Anwendung. Erfüllt die ausländische Ausbildung die in der Schweiz vorgeschriebenen qualitativen Mindeststandards nicht, werden Ausgleichsmassnahmen angeordnet.

Im Umkehrschluss profitieren auch Schweizerinnen und Schweizer im Ausland von klaren Regeln, z. B. durch bilaterale Abkommen zwischen ihrem Aufenthaltsland und der Schweiz oder niederschwellige Angebote zur Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen.
Diesem Ziel wird in der Schweiz entsprochen und es ist somit umgesetzt.
Ziel 19 ­ Herstellung von Bedingungen, unter denen Migrantinnen und Migranten und Diasporas in vollem Umfang zur nachhaltigen Entwicklung in allen Ländern beitragen können Das Engagement der Diaspora zur Entwicklung ihrer Herkunftsländer, z. B. mittels Geldüberweisungen an ihre Familien (Rimessen), Investitionen in die Wirtschaft, Unternehmertum oder Wissenstransfer, trägt dazu bei, die Entwicklung der Herkunftsländer zu beschleunigen, den Migrationsdruck zu verringern und damit die irreguläre Migration zu reduzieren. Dieser Aspekt ist für die Schweiz aus einer entwicklungspolitischen Perspektive von Bedeutung und bereits Teil des Engagements im Bereich Migration und nachhaltige Entwicklung.

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SR 784.40 SR 0.142.112.681 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22.

SR 412.101 SR 414.201

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Auch die Schweizer Wertschöpfungskette profitiert sowohl im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen als auch kulturellen Sinne von ihren im Ausland wohnhaften Mitbürgerinnen und Mitbürgern, z. B. mittels Aus- und Weiterbildungen, Innovationen, Investitionen und Know-how-Transfer.
Das Ziel ist umgesetzt.
Ziel 20 ­ Schaffung von Möglichkeiten für schnellere, sicherere und kostengünstigere Rücküberweisungen und Förderung der finanziellen Inklusion von Migrantinnen und Migranten Dieses Ziel stützt sich auf das Unterziel 10.c der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Im Rahmen der Global Partnership for Financial Inclusion der G20 hat die Schweiz 2017 verschiedene Massnahmen im Bereich der Geldüberweisungen und der finanziellen Inklusion dargelegt. Die Stossrichtung dieser Massnahmen liegt in der Sicherung günstiger Rahmenbedingungen, insbesondere im Fintech-Bereich, die auch zur Förderung innovativer Überweisungsinstrumente beitragen können. Die Schweiz hatte zudem mehrere Jahre den Vorsitz der «Task-Force Remittances» im Rahmen des Financial Stability Boards (FSB) inne.

Das Umsetzungsinstrument 20i empfiehlt, Finanzinstrumente für Migrantinnen und Migranten bereitzustellen. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in der Schweiz keine administrativen oder juristischen Barrieren, die Migrantinnen und Migranten daran hindern, auf bestehende Instrumente zurückzugreifen. Entsprechend sind aus Sicht der Schweiz keine spezifischen Finanzmarktinstrumente für Migrantinnen und Migranten nötig. Die internationale Zusammenarbeit unterstützt mit einigen Projekten schnellere, sicherere und kostengünstigere Rücküberweisungen und Förderung der finanziellen Inklusion von Migrantinnen und Migranten in den Partnerländern der internationalen Zusammenarbeit.
Dieses Ziel ist umgesetzt.
Ziel 21 ­ Zusammenarbeit bei der Ermöglichung einer sicheren und würdevollen Rückkehr und Wiederaufnahme sowie einer nachhaltigen Reintegration Dieses Ziel bekräftigt, zum ersten Mal in einem verabschiedeten UNO-Dokument, explizit die völkerrechtliche Verpflichtung der Staaten, ihre eigenen Staatsangehörigen wiederaufzunehmen. Eine bessere Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten im Rahmen der Rückkehr ist im Interesse der Schweiz. Wenn die Schweiz schnell und effizient Personen zurückführen kann, die keinen rechtlichen Anspruch haben, in der Schweiz zu bleiben, wird dies Geld und Ressourcen sparen.
Das Ziel entspricht dem Interesse der Schweiz für eine effizientere Zusammenarbeit im Rückkehrbereich. In der Schweiz ist dieses Ziel umgesetzt.
Ziel 22 ­ Schaffung von Mechanismen zur Übertragbarkeit von Sozialversicherungsund erworbenen Leistungsansprüchen Die Schweiz hat bereits mit vielen Staaten bilaterale Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen, welche die Übertragbarkeit der Sozialversicherungsrechte von Migrantinnen und Migranten sicherstellen. Somit ist dieses Ziel, das keine quantitativen

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Vorgaben macht, erfüllt. Die genannten Abkommen kommen auch Schweizer Staatsangehörigen im Vertragsstaat zugute. Der Abschluss neuer Abkommen in diesem Bereich hängt von der Grösse der Migrationsbevölkerung, den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Staaten, den finanziellen Auswirkungen auf die Schweizer Sozialversicherungen und von aussenpolitischen Überlegungen ab. Die Schweiz wird weiterhin autonom und im Lichte der oben erwähnten Faktoren entscheiden, ob, mit welchen Staaten und über welche Zweige der sozialen Sicherheit sie Sozialversicherungsabkommen abschliesst.
Dieses Ziel ist umgesetzt.
Ziel 23 ­ Stärkung internationaler Zusammenarbeit und globaler Partnerschaften für eine sichere, geordnete und reguläre Migration Die internationale Zusammenarbeit sowie Partnerschaften sind Grundprinzipien unserer Migrationsaussenpolitik. Dieses Ziel umschreibt somit die nun seit Jahren umgesetzte Praxis der Schweiz.
Auch dieses Ziel entspricht der Praxis der Schweiz und ist somit umgesetzt.
Kapitel: Umsetzung Das Umsetzungskapitel unterstreicht die wichtigsten Grundsätze zur Erfüllung der Vision und der Ziele des UNO-Migrationspaktes. Bei der Umsetzung gilt es die unterschiedlichen nationalen Realitäten, Kapazitäten und Entwicklungsstufen zu berücksichtigen sowie nationale Politiken und Prioritäten zu beachten. Der Pakt soll zudem durch eine verstärkte bilaterale, regionale und multilaterale Zusammenarbeit umgesetzt werden. Die Agenda 2030 gilt hierbei als Referenzpunkt.

Im UNO-Migrationspakt begrüssen die Staaten den Beschluss des UNO-Generalsekretärs zur Schaffung eines Migrationsnetzwerkes relevanter UNO-Agenturen. In der UNO gibt es rund 30 Organisationen und Agenturen, die direkt oder indirekt im Migrationsbereich tätig sind. Die Förderung der Kohärenz, Koordination und Kooperation innerhalb des Systems, um dieses effizienter und effektiver zu machen, ist seit Jahren ein Anliegen der Schweiz. Das Netzwerk soll die Staaten bei der Umsetzung des Migrationspaktes unterstützen. Alle zwei Jahre liefert das Netzwerk einen Rechenschaftsbericht seiner Arbeit ab (Ziff. 46).

Angesichts der unterschiedlichen nationalen Kontexte wurde, wie in Ziffer 43 des UNO-Migrationspaktes vorgesehen, am 8. Mai 2019 ein Mechanismus zur Stärkung der nationalen Kapazitäten lanciert. Dieser Mechanismus erlaubt es, auf Unterstützungsanfragen einzelner Staaten einzugehen. Der Mechanismus wird vom UNONetzwerk für Migration geleitet und wird über einen Anschubfonds für Projekte finanziert (s. Kap. 7.1). Bisher haben das Vereinigte Königreich, Zypern, Dänemark, Deutschland, Norwegen, Portugal, Mexiko, Thailand und Frankreich finanzielle Mittel (insgesamt 12 Millionen Dollar) für den Mechanismus zur Verfügung gestellt (Stand 30. Okt. 2020). Die Schweiz beteiligt sich aufgrund der momentanen Enthaltung zum Migrationspakt nicht am Mechanismus. Der Mechanismus soll zudem als Verbindungsstelle relevanter Akteure, einschliesslich des Privatsektors und philanthropischer Stiftungen, dienen, um Partnerschaften zu ermöglichen. In den ersten 12 Monaten wurden aus knapp 60 Anfragen von 48 Staaten 30 Projekte ausgewählt.

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Schliesslich unterstreicht der UNO-Migrationspakt auch die Bedeutung der Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren, darunter Nichtregierungsorganisationen und die Privatwirtschaft, aber auch lokalen Behörden und nationalen Parlamenten.

Kapitel: Weiterverfolgung und Überprüfung Das «Überprüfungsforum Internationale Migration», das ab 2022 alle vier Jahre stattfinden wird, dient als globale Plattform zum Austausch über Fortschritte bei der Umsetzung des UNO-Migrationspaktes (Ziff. 49 Bst. b und c). Das Forum soll dem Erfahrungsaustausch und der Interaktion mit allen relevanten Interessenträgern dienen, mit dem Ziel, «auf erzielten Ergebnissen aufzubauen und Möglichkeiten für eine weitere Zusammenarbeit zu ermitteln» (Ziff. 49 Bst. d). Gemäss der Modalitätenresolution der UNO-Generalversammlung zum Forum werden die Mitgliedstaaten eingeladen, in ihren nationalen Erklärungen die Ergebnisse bei der Umsetzung des Migrationspaktes vorzulegen (s. Ziff. 20 der Modalitätenresolution). Die Schweiz könnte freiwillig entscheiden, ob sie in einer nationalen Erklärung aufzeigen möchte, wie die Ziele des UNO-Migrationspaktes bereits umgesetzt werden. Das Forum würde zudem die Gelegenheit bieten, mit Partnerstaaten innovative Formen der Zusammenarbeit ­ zum Beispiel das Instrument der Migrationspartnerschaft ­ zu präsentieren.

Zudem soll am Forum eine zwischenstaatlich vereinbarte Fortschrittserklärung verabschiedet werden (Ziff. 49 Bst. e). Auch diese entfaltet keine rechtliche Bindung und ist lediglich eine Bekräftigung der weiteren Zusammenarbeit. Die Fortschrittserklärung kann, um den Bezug zur Agenda 2030 zu bekräftigen, vom hochrangigen politischen Forum über nachhaltige Entwicklung, dem Überprüfungsmechanismus der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, berücksichtigt werden.

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Weiteres Vorgehen

Nach dem Entscheid der UNO-Generalversammlung ist der formelle Verabschiedungsprozess abgeschlossen. Da es sich hierbei jedoch um ein politisches Zustimmungsverfahren handelt und keine formelle Ratifikation oder Unterschrift erforderlich ist, gibt es keine klar vorgegebenen Schritte, wie ein Staat ausserhalb der Staatenkonferenz und der UNO-Generalversammlung im Nachhinein seine Zustimmung zum Migrationspakt geben kann. Der Bundesrat würde nach der Verabschiedung des Bundesbeschlusses mittels eines Briefs an den Präsidenten der UNO-Generalversammlung die nachträgliche Zustimmung der Schweiz kundtun. In diesem Brief würde der Bundesrat auch eine Erklärung zur politischen Tragweite des UNOMigrationspaktes abgeben.

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Auswirkungen

7.1

Auswirkungen auf den Bund

Durch die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt entsteht kein innenpolitischer Handlungsbedarf und sie hat auch keine finanziellen Auswirkungen. Der UNOMigrationspakt sieht zwar an verschiedenen Stellen (Ziele 1, 21, 23) technische und 33 / 38

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finanzielle Unterstützung von Partnerstaaten vor. Die Schweiz behält jedoch das Recht, über Umfang, Form, Fokus und Partner frei zu entscheiden. Mit dem Mandat der strategischen Verknüpfung zwischen internationaler Zusammenarbeit und den Migrationsinteressen der Schweiz stehen im Budget für die internationale Zusammenarbeit Mittel zur Verfügung. Dazu kommt der Kredit für internationale Migrationszusammenarbeit und Rückkehrhilfe des SEM von jährlich 12 Millionen Franken. Mögliche Engagements werden im Rahmen der bereits eingestellten Mittel finanziert und werden den hierfür definierten Prioritäten entsprechen. Die Berichterstattung ans Parlament wird über den jährlichen Bericht des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik sowie über den Rechenschaftsbericht zur Umsetzung der IZA-Strategie 2021­2024 erfolgen.

Die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt hat keine Auswirkung auf den Personalbestand.

7.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Gemäss Analyse des Bundesrates erfordert die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt keine innenpolitischen Schritte, um die Empfehlungen umzusetzen. Gestützt darauf kann auch ausgeschlossen werden, dass die Zustimmung Auswirkungen auf die Kantone oder Gemeinden hätte. Es werden keine zusätzlichen personellen oder finanziellen Mittel nötig und es gibt auch keine organisatorischen und administrativen Auswirkungen für die Kantone und Gemeinden.

7.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt hat keine direkten Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.

7.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Irreguläre Migration kann zu sozialen Spannungen und Verunsicherungen in der Gesellschaft führen. Durch die angestrebte längerfristige Verminderung der Ursachen irregulärer Migration wird sich der UNO-Migrationspakt positiv auf die Gesellschaft auswirken. Wie im Kapitel 5 dargelegt, hat der UNO-Migrationspakt auch positive Auswirkungen für die Auslandschweizerinnen und -schweizer.

7.5

Andere Auswirkungen

Die Vorlage ist aussenpolitisch relevant. Die Zustimmung zum UNO-Migrationspakt ist im Interesse der Schweiz. Sie ist kohärent mit der, seit 2001 und der Lancierung der Berner Initiative, führenden Rolle der Schweiz bei der Stärkung eines internationalen Kooperationsrahmens im Migrationsbereich. Die Zustimmung wird das Profil 34 / 38

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der Schweiz als kohärente multilaterale Akteurin stärken und sich auch positiv auf das internationale Genf auswirken. Ein Verzicht auf Zustimmung wird uns hingegen die Möglichkeit nehmen, unsere Interessen auf multilateraler Ebene zu wahren. Da die Schweiz in den Verhandlungen ihre Interessen einbringen konnte, die nun auch im Pakt reflektiert sind, wird ein Verzicht auf Zustimmung zum UNO-Migrationspakt die Glaubwürdigkeit der Schweiz in zukünftigen Verhandlungen schmälern. Bilateral wird der Verzicht unser migrationsaussenpolitisches Instrumentarium einschränken und die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten erschweren.

Je mehr Staaten sich zu den Zielsetzungen des UNO-Migrationspakts bekennen, ihre Politik entsprechend ausrichten und ihre Strukturen im Bereich des Migrationsmanagements stärken (z. B. Grenzschutz, effiziente Schutzsysteme, geregelte Prozesse für reguläre Arbeitsmigration), desto weniger werden in Zukunft irreguläre Migrationsbewegungen entstehen und umso stärker werden die positiven Aspekte der Migration zum Tragen kommen. Dies ist im Interesse der Schweiz.

8

Rechtliche Aspekte

8.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Gemäss Artikel 184 Absatz 1 BV besorgt der Bundesrat die auswärtigen Angelegenheiten unter Wahrung der Mitwirkungsrechte der Bundesversammlung. Auf dieser Grundlage ist die operative Führung der Aussenpolitik Sache des Bundesrates. Dies umfasst unter anderem die Zustimmung zu rechtlich nicht verbindlichen aussenpolitischen Instrumenten. Der Bundesrat hat auch einen gesetzlichen Auftrag gemäss Artikel 100 AIG. Gemäss diesem Artikel kann der Bundesrat bilaterale und multilaterale Abkommen abschliessen, um die Zusammenarbeit im Migrationsbereich zu stärken sowie die illegale Migration und deren negative Folgen zu mindern. Gemäss der Praxis gilt Artikel 100 AIG analog für den Abschluss politischer Akte ohne verbindliche Rechtswirkung.

Vereinbarkeit mit Artikel 121a BV Der Bundesrat hat geprüft, ob der UNO-Migrationspakt verfassungsrechtlichen Vorgaben und insbesondere dem Grundsatz der eigenständigen Steuerung der Zuwanderung gemäss Artikel 121a BV widerspricht.

In der Stellungnahme des Bundesrates zur Motion 18.3838 «Uno-Migrationspakt.

Keine Unterzeichnung durch die Schweiz» von Nationalrat Aeschi ist festgehalten, dass der Migrationspakt explizit «das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen», bekräftigt und dass der Migrationspakt unter Beachtung der nationalen Politik und Prioritäten umgesetzt werden soll. Aus dem Migrationspakt entstehen somit keine Verpflichtungen, die der eigenständigen Steuerung der Zuwanderung zuwiderlaufen würden.

Das Ziel des UNO-Migrationspaktes ist es, die globalen Migrationsbewegungen in Zukunft durch bessere Zusammenarbeit geregelter zu steuern. Je mehr sich Staaten mit bis anhin schwachen Strukturen im Bereich des Migrationsmanagements an die 35 / 38

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Ziele des UNO-Migrationspaktes halten, umso weniger wird es in Zukunft zu irregulären Migrationsbewegungen kommen. Dies wird die eigenständige Steuerung der Zuwanderung in die Schweiz erleichtern, da die irreguläre Migration längerfristig verringert würde. Da der UNO-Migrationspakt keine rechtlichen Verpflichtungen begründet, kann dieser grundsätzlich nicht mit rechtlichen Verpflichtungen in Konflikt stehen. Der UNO-Migrationspakt bringt also keine rechtlichen Verpflichtungen mit sich, die einer autonomen Steuerung der Einwanderung zuwiderlaufen würden.

Der UNO-Migrationspakt ist somit mit Artikel 121a BV vereinbar.

8.2

Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit allen internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Dies gilt nicht nur inhaltlich, sondern auch formell. Der UNO-Migrationspakt begründet keine rechtlichen Verpflichtungen und kann daher nicht mit rechtlichen Verpflichtungen in Konflikt stehen.

8.3

Erlassform

Beim UNO-Migrationspakt handelt es sich nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag und der Text bekräftigt auch mehrfach, dass er rechtlich nicht verbindlich ist. Aus diesem Grund untersteht er nicht der ordentlichen parlamentarischen Genehmigung für völkerrechtliche Verträge gemäss Art. 166 Abs. 2 BV. Demgemäss untersteht der Bundesbeschluss nicht dem fakultativen Referendum gemäss Art. 141 BV.

Der Bundesrat wurde mit der Motion 18.4093 und den gleichlautenden Motionen 18.4103 und 18.4106 beauftragt, dem Parlament den Antrag auf Zustimmung in Form eines Bundesbeschlusses zu unterbreiten. Es handelt sich um ein speziell für diesen Fall gewähltes Vorgehen, das auf eine grundlegende Diskussion zum Verhältnis zwischen dem Bundesrat und dem Parlament bei der Zustimmung zu Soft-LawInstrumenten zurückzuführen ist. Inzwischen wurden die grundlegenden Überlegungen des Bundesrates zur Mitwirkung des Parlaments bei Soft Law im erwähnten SoftLaw-Bericht des Bundesrates dargelegt. Sie werden zurzeit im Parlament diskutiert.

Der zukünftige Umgang mit Soft Law wird in diesem Verfahren bestimmt werden.

Die vorliegende Botschaft zum Migrationspakt ist auch deshalb ein Spezialfall und präjudiziert nicht, wie die zukünftigen Verfahren aussehen könnten.

Gemäss Artikel 24 Absatz 1 ParlG wirkt das Parlament bei der aussenpolitischen Willensbildung mit. Die diesbezüglich gesetzlich vorgesehenen Instrumente sind die Genehmigung von Staatsverträgen (Art. 24 Abs. 2 und 3 ParlG) sowie die Konsultationsund Informationsrechte gemäss Artikel 152 ParlG. Schliesslich kann das Parlament auch in aussenpolitischen Fragen Grundsatz- und Planungsbeschlüsse nach Artikel 28 Absätze 2 und 3 ParlG erlassen. Von derartigen Beschlüssen kann der Bundesrat begründet abweichen (Art. 28 Abs. 4 ParlG).

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Die gesetzliche Grundlage, um dem Auftrag der Motionen zu entsprechen und gleichzeitig die verfassungsrechtliche Vorgabe (Art. 184 Abs. 1 BV) zu wahren, ist ein einfacher Bundesbeschluss gemäss Artikel 28 Absatz 3 ParlG. Der UNO-Migrationspakt enthält keine neuen Grundsätze und Weichenstellungen, weder für unsere Migrationsnoch für unsere Aussenpolitik. Es werden somit keine Grundlagen für zukünftige Entscheidungen gelegt. Der UNO-Migrationspakt ist ein Instrument unserer Migrationsaussenpolitik, das wir nutzen, um unsere Interessen zu wahren, ohne innenpolitischen Handlungsbedarf. Es kann somit nicht von einem «Grundsatz- und Planungsbeschluss von grosser Tragweite» (Art. 28 Abs. 3 zweiter Satz ParlG) die Rede sein. Der Bundesrat unterbreitet deshalb die Vorlage in Form eines einfachen Bundesbeschlusses gemäss Artikel 28 Absatz 3 ParlG.

Diese gesetzliche Grundlage erlaubt dem Parlament, seine Haltung betreffend die Position der Schweiz zum Migrationspakt zu äussern. In diesem Zusammenhang obliegt es dem Bundesrat im Rahmen seiner Kompetenzen gemäss Artikel 184 BV, über die Zustimmung der Schweiz zum UNO-Migrationspakt zu entscheiden.

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