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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrates, (Vom 1. Juni 1897.)

Der schweizerische Bundesrat hat über den Rekurs des Dr.

Geremia S i m o n i in Locamo, betreffend die Wahl eines Medico condotto (Amtsarztes) im 34. Bezirk des Kantons Tessin, in Erwägung : I. Die Regierung des Kantons Tessin erhebt in formeller Beziehung die Einrede, der Bundesrat könne sich auf die materielle Behandlung des Rekurses des Dr. G. Simoni nicht einlassen, weil die Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht und von diesem dem Bundesrat kurzer Hand überwiesen worden sei; bei letztgenannter Behörde sei sie daher nicht in rechtsgültiger Weise anhängig gemacht worden.

Der Bundesrat kann sich nicht auf diesen formalen Standpunkt stellen ; es war von jeher bundesrechtliche Praxis, auf Beschwerden einzutreten, die von der einen (staatsgerichtlichen oder politischen) Bundesrekursbehörde wegen Inkompetenz kurzer Hand an die andere übermittelt wurde, sobald aus der Beschwerdeschrift unzweifelhaft hervorging, daß der Beschwerdeführer sich bloß über das Kompetenzverhältnis geirrt hat. Im vorliegenden Falle kann darüber kein Zweifel bestehen.

II. Bezüglich der Wahl vom 14. Februar wendet der Rekurrent zunächst gegen den Kassationsbeschluß ein, er sei unter Verletzung des Grundsatzes audiatur et altera pars gefaßt worden, indem ihm, dem Rekurrenten, nicht die Möglichkeit gegeben worden sei, auf den Rekurs des Pietro Magistra, welcher den Kassationsbeschluß veranlaßte, zu antworten.

Betreffend den von Pietro Magistra eingereichten Rekurs führt der Staatsrat des Kantons Tessin aus, er sei durch Art. 8, § l, des Gesetzes vom 25. November 1870 verpflichtet, die Gültigkeit der Wahlverhandlung von Amtes wegen zu prüfen. Aus dieser Gesetzesauslegung, welche zu beanstanden kein Grund vorliegt, Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. III.

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ergiebt sich, daß der Staatsrat auch von sich aus die zur Beurteilung der Wahlvorgänge nötigen Erhebungen zu machen hatte und nicht daran gebunden war, die Vernehmlassung des Gewählten einzuholen ; es können letzterem daher auch nicht die Rechte einer Prozeßpartei zuerkannt werden.

Zur Sache selbst ist folgendes zu bemerken: Die Wahl des Bezirksarztes findet in Bezirken, die, wie der 34., aus mehreren Gemeinden bestehen, gemeindeweise mit geheimer Urnenabstimmung statt. Das Wahlresultat des ganzen Bezirks wird durch die Versammlung der Delegierten der Gemeinden festgestellt.

Art. 8, Absatz l, des Gesetzes vom 25. November 1870 über die Bezirksärzte bestimmt: Die Wahl des Bezirksarztes steht deiin den einzelnen Gemeinden zusammentretenden Wählerversammlung des Bezirkes zu. Die Feststellung der Abstimm ungsresultate ist am darauffolgenden Tage durch die Gemeindepräsidenten und Gemeindeschreiber sämtlicher dem Bezirk angehörenden Gemeinden durch Vorlage der Abstimmungsprotokolle vorzunehmen.

Art. 2 des Gesetzes vom 29. April 1879 macht zu Art. 8 des obigen Gesetzes folgenden Zusatz: Die Wahl des Bezirksarztes geschieht in geheimer Abstimmung mittelst Stimmzetteln.

Es ergiebt sich als natürliche Folge dieser Bestimmungen, führt der Staatsrat aus, daß die Stimmzettel und Couverts dem Wahlprüfungsbureau des Bezirks in versiegeltem Umschlage mitzuteilen sind.

Gegen diese Gesetzesauslegung ist vom bundesrechtlichen Standpunkte aus nichts einzuwenden. Da die Wahlresultate der Gemeinde dem Bezirksbureau nicht in der erwähnten Weise mitgeteilt wurden und dies, wie die Regierung versichert, nicht nachgeholt werden konnte, durfte der Staatsrat sich für befugt erachten, die Wahl zu kassieren.

HI. Der Rekurrent bestreitet die Gültigkeit der zweiten Wahl aus dem formellen Grunde, weil sie entgegen der Suspensionsverfügung des Bundesrates vom 20. März stattgefunden hat. Diese Anfechtung erscheint als begründet.

Der Staatsrat war vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schon am 16. März 1897 eingeladen worden, pendente lite keine Neuwahl anzuordnen. Der Rekurrent war hiervon in Kenntnis gesetzt worden.

Das Telegramm des Bundesrates, welches die positive Verfügung enthielt, die auf 21. März angesetzte Wahlverhandlung nicht vorzunehmen, ist dem Präsidenten des Staatsrates am Abend des 20. März zugekommen, zu einer Zeit, wo es ihm möglich war,

701 die Wahlverhandlung telegraphisch aufzuschieben. Der Präsident des Staatsrates begründet die Unterlassung jener Maßregel damit, daß es ihm nicht mehr möglich gewesen sei, seine Kollegen einzuberufen. Die Kompetenz, eine Verfügung des Bundesrates auszuführen, muß indessen der Präsident einer Regierungsbehörde als deren Vertreter besitzen, wenn anders diesen Verfügungen die nötige Nachachtung verschafft werden soll ; denn es ist in manchen Fällen aus Mangel an Zeit unmöglich, eine Vollziehungsschlußnahme der kantonalen Behörde als solcher herbeizuführen. Eine solche Schlußnahme ist übrigens auch durchaus überflüssig; es handelt sich um die Exekution einer von der kompetenten Bundesbehörde ausgegangenen Verfügung; deren Nichtbeachtung muß die Nullität der untersagten Verhandlung zur Folge haben.

IV. Der Rekurrent verlangt sodann, daß die am 2l.. März vorgenommene Wahl auch deswegen als ungültig erklärt werde, weil eine erhebliche Anzahl seiner Anhänger am zweiten Wahltage der Stimmabgabe sich enthalten habe, indem sie der Meinung waren, die Wahl finde infolge der vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement am 16. März ausgegangenen Einladung zur Suspension, wovon dem Rekurrenten durch Telegramm vom 19. März Mitteilung gemacht worden war, nicht statt.

Am ersten Wahltage erhielt Simoni nach einer Feststellung, die zwar in einer formell nicht unanfechtbaren Weise vorgenommen, wurde, materiell aber von der Wirklichkeit nicht erheblich abweichen wird, 98 Stimmen gegen 77, die seinem Gegenkandidaten zufielen; am zweiten Wahltage dagegen nur 89 gegen 92, bei einer Gesamtzahl von 346 Stimmberechtigten.

Wenn nun auch nicht mit absoluter Sicherheit der Schluß gezogen werden kann, daß das Resultat der zweiten Wahl anders ausgefallen wäre, wenn über das Stattfinden der Wahlverhandlung am 21. März überall Klarheit geherrscht hätte, so liegt doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür vor, daß die Anhänger des Rekurrenten zum zweiten Wahlgang mindestens ebenso zahlreich, wenn nicht zahlreicher als am ersten Wahltag, sich eingefunden haben würden, wenn über die Ansetzung der Wahl keinerlei Zweifel bestanden hätte.

Es würde ein Zuwachs von nur drei fernem Stimmen zu gunsten des Rekurrenten die Wahl des Gegenkandidaten verhindert, ein solcher von 4 Stimmen die Wahl zu gunsten des Rekurrenten entschieden
haben.

Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, den Wahlakt des 21. März auch aus dem Grunde als ungültig zu erklären, weil eine Anzahl Wähler in guten Treuen im Hinblick auf eine behördliche

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Verfügung glauben konnten, die Wahlverhandlung finde nicht statt, und sich deshalb an dem wirklich atattgefundenen Wahlakte nicht beteiligten, -- beschlossen : 1. Der Rekurs ist, sofern er sich auf die Wahl vom 14. Februar 1897 bezieht, als unbegründet abzuweisen, sofern er sich dagegen auf diejenige vom 21. März bezieht, gutzubeißen.

2. Die Regierung des Kantons Tessin wird eingeladen, zur Ernennung eines Bezirksarztes im 34. Bezirk eine neue Wahl anzusetzen.

(Vom 8. Juni 1897.)

Dem ,,Phönix"1, Assurance Company in London, wird die Konzession zum Betriebe von Feuerversicherungen in der Schweiz erteilt, und zwar zunächst bis zum 18. Oktober 1898, an welchem Tage die Konzession der übrigen Versicherungsgesellschaften abläuft.

Die zu hinterlegende Kaution wird, wie bei den ändern Feuerversicherungsgesellschaften, auf Fr. 50,000 festgeaetzt.

Der Glarner Kantonalbank in Glarus wird unter der nach Art. 12, 14 und 30 des Banknotengesetzes zu leistenden Kantonsgarantie die Erhöhung der Notenemission von Fr. 1,500,000 auf Fr. 2,500,000 bewilligt.

Der Regierung des Kantons Appenzell A.-Rh. wird an die Kosten der Verbauung des Mattenbaches bei Heiden ein Bundeabeitrag bewilligt von 50 °/o, bis zum Maximum von Fr. 42,500 dea Fr. 85,000 betragenden Kostenvoranschlages.

(Vom 11. Juni 1897.)

Dem allgemeinen Bauprojekt der Burgdorf-Thun-Bahn für die Teilstrecke dieser Linie zwischen km. 0 und 11,e auf dem Gebiet der Gemeinden Hasle, Walkringen und Biglen, nebst Projektvariante für die Strecke km. 8,e--10,i, wird unter einigen Bedingungen die Genehmigung erteilt.

703 "Wahlen.

(Vom 8. Juni 1897.)

Post-.und

Eisenbahndepartement.

Postverwaltung.

Postcommis in Delsberg : Herr Jean Affolter, von Leuzigen.

Postcommis in Rheineck : ,, Jakob Tobler, von Thal, Postcommis in Lausanne.

(Vom 11. Juni 1897.)

Post- und Eisenbahndepartement.

Telegraphenverwaltung.

Telephongehülfe in Chauxde-Fonds: Herr Charles Pipy, von Genf, Telegraphist in Chaux-de-Fonds.

Telegvaphist in Beiden : ,, August Felber, von Egolzvvil, Posthalter in Reiden.

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16.06.1897

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