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zu 15.479 Parlamentarische Initiative Stopp dem ruinösen Preisdumping beim Zucker!

Sicherung der inländischen Zuckerwirtschaft Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 2. Februar 2021 Stellungnahme des Bundesrates vom 31. März 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 2. Februar 20211 betreffend die parlamentarische Initiative 15.479 «Stopp dem ruinösen Preisdumping beim Zucker! Sicherung der inländischen Zuckerwirtschaft» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

31. März 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die EU beschloss 2013, ihre Zuckerquote auf das Ende des Zuckerjahres 2016/17 aufzuheben. Bereits im Vorfeld dehnten die Zuckerfabriken in der EU in Erwartung sinkender EU-Zuckerpreise zur Optimierung ihrer betriebswirtschaftlichen Situation die Zuckerproduktion aus, was infolge guter Zuckerrübenernten eine Preiserosion in der EU auslöste.

Über den im Handel zwischen der EU und der Schweiz seit 2005 angewendeten gegenseitigen Verzicht auf Preisausgleichsmassnahmen für Zucker in landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen wirken sich sinkende EU-Zuckerpreise auf den Schweizer Zuckermarkt aus. Die tieferen Zuckerpreise in der Schweiz führten trotz des Einzelkulturbeitrags für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung zu einem Rückgang der Attraktivität des Zuckerrübenanbaus. Dadurch sank die Zuckerrübenfläche, was zu einer tieferen Auslastung der beiden Werke der Schweizer Zucker AG und einer geringeren Wettbewerbsfähigkeit führte.

Vor diesem Hintergrund reichte Nationalrat Jacques Bourgeois am 8. September 2015 die parlamentarische Initiative 15.479 «Stopp dem ruinösen Preisdumping beim Zucker! Sicherung der inländischen Zuckerwirtschaft» ein. Um die Rentabilität der inländischen Zucker- und Zuckerrübenproduktion sicherzustellen, soll der Mechanismus für die Festlegung der Zollansätze für importierten Zucker so angepasst werden, dass für Zucker ein Mindestpreis sichergestellt ist.

Während die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) der parlamentarischen Initiative am 14. November 2016 Folge gab, stimmte ihre Schwesterkommission am 16. Oktober 2017 der Initiative nicht zu. Im zweiten Umlauf gab der Nationalrat am 28. Februar 2018 Folge, und am 3. Mai 2018 stimmte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) mit Stichentscheid des Präsidenten zu. Am 19. Juni 2020 verlängerte der Nationalrat die Frist zur Behandlung des Geschäfts bis zur Sommersession 2022.

Am 18. August 2020 diskutierte die WAK-N Eckwerte, welche die von ihr eingesetzte Subkommission erarbeitet hatte. Bei 12 zu 12 Stimmen und 1 Enthaltung ergab der Stichentscheid des Präsidenten die Mehrheit bezüglich Einzelkulturbeitrag.

Die WAK-N prüfte den Gesetzesvorentwurf und den Bericht am 11. September 2020 und nahm sie in der Gesamtabstimmung mit 22 zu 0 Stimmen und 3 Enthaltungen an.

Sie beschloss
ferner die Eröffnung der Vernehmlassung mit Frist bis zum 11. Dezember 2020.

Am 2. Februar 2021 nahm die WAK-N den Ergebnisbericht zur Vernehmlassung zur Kenntnis.2 Die WAK-N verabschiedete die Vorlage unverändert mit 14 zu 4 Stimmen bei 6 Enthaltungen zuhanden des Nationalrates. Zudem hat sie die Kommissionsmotion 21.3016 «Förderung des ökologischen Anbaus von Zuckerrüben» angenommen, 2

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womit der Bundesrat beauftragt werden soll, den ökologischen Zuckerrübenanbau über geeignete Massnahmen des Direktzahlungssystems zu fördern.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Einleitung

Der Bundesrat anerkennt, dass die Marktverhältnisse für die inländische Zuckerwirtschaft über die letzte Dekade herausfordernder geworden sind. Wie in der EU, wurde 2014 auch in der Schweiz eine Rekordproduktion an Zucker erreicht. Wegen Absatzproblemen bzw. entstehenden Kosten für die Überlagerung aufs Folgejahr reduzierte die inländische Zuckerwirtschaft in der Folge die Übernahmemenge, wodurch die Zuckerrübenfläche wieder unter 20 000 Hektaren sank. Unbilden der Natur wie Sommertrockenheit und Hitze oder der milde Winter 2019/20, der eine grosse Population an schadenerregerübertragenden Blattläusen heranwachsen liess, verstärkten über niedrigere Erträge den bereits erwähnten wirtschaftlichen Effekt einer kleineren Rübenanbaufläche. Die Verarbeitungsmenge an inländischen Zuckerrüben sank, weshalb die Schweizer Zucker AG zur betriebswirtschaftlich besseren Auslastung ihrer Zuckerfabriken in Aarberg und Frauenfeld vermehrt Zuckerrüben und Zuckerdicksaft grösstenteils aus Deutschland importierte.

2.2

Wirtschaftliche Zuckerproduktion

Die Kosten der Verarbeitung von Zuckerrüben zu Zucker hängen massgeblich von der Auslastung der installierten Kapazitäten ab. Zur Minimierung der Fixkosten je Zuckereinheit gilt es, die Anlagen unter Volllast über eine möglichst lange Zeitspanne zu betreiben. In der EU werden Kampagnen von 100 Tagen und mehr erreicht. Trotz Zuckerrübenimporten weisen die beiden inländischen Zuckerfabriken Verarbeitungsperioden von etwa 80 Tagen aus, was im internationalen Vergleich tief ist und damit einen Kostennachteil darstellt.

Der Absatzmarkt für im Inland produzierten Zucker ist begrenzt. Die Schweizer Produktion deckt je nach Ernte etwa den Inlandkonsum. Daneben exportiert die Schweizer Lebensmittelindustrie zuckerhaltige Waren im Umfang von knapp 3 Milliarden Franken pro Jahr, teils hergestellt aus zollfrei eingeführtem Zucker oder auf der Basis von Importnachweisen rückerstatteter Grenzabgaben (aktiver Veredelungsverkehr).

Für kleinere Unternehmen der Lebensmittelindustrie würde eine Warenflusstrennung von Schweizer Zucker und importiertem Zucker indes zusätzliche Investitionskosten auslösen. Aus importierten Zuckerrüben hergestellter Zucker unterliegt bei der Einfuhr in die EU einem Grenzschutz. Analog zu den Bestimmungen des Schweizer Zollgesetzes vom 18. März 20053 wendet die EU auf dem Mehrwert der aus Sicht der EU passiven Veredelung in der Schweiz eine Grenzabgabe an. Somit weist in der Schweiz aus importierten Zuckerrüben hergestellter Zucker auf dem EU-Markt einen Wettbewerbsnachteil aus. Im Wesentlichen beschränkt sich dadurch der Zuckerabsatz der 3

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Schweizer Zucker AG auf die inländische Lebensmittelindustrie, zumal über 80 Prozent des Zuckers weiterverarbeitet werden.

Die Betriebswirtschaftsstudie Schweizer Zucker 4 zeigt für Verarbeitungsmengen zwischen 0,85 und 1,4 Millionen Tonnen Zuckerrüben einen für die Schweizer Zucker AG wegen der tiefen Auslastung wirtschaftlich unattraktiven Bereich. Ein Vergleichsbeispiel: Ein einzelner europäischer Zuckerhersteller erreichte in der letztjährigen Kampagne über seine 13 Werke hinweg eine Verarbeitung von mehr als 16,6 Millionen Tonnen Rüben. Zuckerrübenimporte können in begrenztem Masse die betriebswirtschaftliche Situation der einzigen Schweizer Zuckerherstellerin verbessern, doch verschlechtert sich mit der Transportdistanz der wasserreichen Rüben die Umweltbilanz. Eine Rübenmenge bis zu 0,85 Millionen Tonnen könnte in einem Werk verarbeitet werden. Die Studie kommt zum Schluss, dass die Schweizer Zucker AG ihre Kosten mit der Reduktion auf ein Werk je nach Entwicklung der Zuckerpreise nicht genügend senken kann, um den Umsatzrückgang aufzufangen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ­ unter Einschluss der Stützungen des Bundes ­ würde eine Reduktion auf ein Werk jedoch eine signifikante Kostensenkung bedeuten. Für die Versorgungssicherheit ist unerheblich, ob Zucker in einem oder in zwei Werken hergestellt wird.

2.3

Massnahmen des Bundesrates

2.3.1

Grenzschutz und Einzelkulturbeiträge

Die Schweizer Marktordnung für Zucker ist so ausgelegt, dass die volkswirtschaftlich wichtige einheimische zuckerverarbeitende Industrie Importzucker in etwa zu EUKonditionen beschaffen kann. Dazu wird monatlich die Differenz zwischen Weltmarktpreis und europäischem Zuckerpreis erhoben und als Grenzschutz für Zuckerimporte in die Schweiz festgelegt. Vergleichbare Zuckerpreise sind nicht nur für den Export von zuckerhaltigen Produkten wichtig, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Schweizer Markt. Im Handel zwischen der EU und der Schweiz sind Preisausgleichsmassnahmen (bewegliche Teilbeträge) auf in landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen enthaltenen Zucker gemäss Protokoll Nr. 2 vom 22. Juli 19725 über bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse nicht erlaubt.

Der im Quervergleich relativ tiefe Grenzschutz für Zucker wird mit den hohen spezifischen Zahlungen pro Hektare Zuckerrüben (Einzelkulturbeitrag) ausgeglichen.

Einzelkulturbeiträge: Gestützt auf Artikel 54 des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 19986 (LwG) werden Einzelkulturbeiträge für Ölsaaten, Soja, Körnerleguminosen zu Futterzwecken, Zuckerrüben sowie Saatgut von Kartoffeln, Mais, Futtergräsern und Futterleguminosen ausgerichtet. Sie dienen der Erhaltung der Produktionskapazität und der Funktionsfähigkeit einzelner Verarbeitungsketten und sollen

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5 6

Zu finden auf der Website des Schweizerischen Verbands der Zuckerrübenpflanzer unter www.svz-fsb.ch > Publikationen > Medienmitteilungen > Schlussbericht Betriebswirtschaftsstudie Schweizer Zucker SR 0.632.401.2 SR 910.1

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zu einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit pflanzlichen Produkten beitragen. Bei den Einzelkulturbeiträgen handelt es sich um eine Marktstützungsmassnahme.

2.3.2

Stützung über Direktzahlungen

Direktzahlungen dienen der Förderung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen.

Ressourceneffizienzbeiträge: Zur Verbesserung der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen und der Effizienz beim Einsatz von Produktionsmitteln werden seit 2014 auf nationaler Ebene Techniken mit ausgewiesener Wirkung befristet gefördert.

Mit Ressourceneffizienzbeiträgen wird der Verzicht auf Herbizide, Fungizide und Insektizide im Zuckerrübenanbau gefördert.

Produktionssystembeiträge: Sie bezwecken die Förderung besonders naturnaher, umwelt- und tierfreundlicher Produktionsformen. Unter die gesamtbetrieblichen Produktionssystembeiträge fällt der «Biobeitrag». Ergänzend zu den am Markt erzielbaren Mehrerlösen fördert der Bund die biologische Landwirtschaft als besonders naturnahe und umweltfreundliche Produktionsform. Der Zuckerrübenanbau in der biologischen Landwirtschaft wird somit auch unterstützt. Der Biobeitrag für Zuckerrüben ist kumulierbar mit dem Ressourceneffizienzbeitrag für den Verzicht auf Fungizide und Insektizide, jedoch nicht mit demjenigen für den Verzicht auf Herbizide. Unter die teilbetrieblichen Produktionssystembeiträge fallen weitere Beitragstypen, die aktuell für den Zuckerrübenanbau jedoch nicht relevant sind.

Versorgungssicherheitsbeiträge: Zur Erhaltung einer sicheren Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln werden Versorgungssicherheitsbeiträge ausgerichtet.

Der Basisbeitrag stellt eine Grundproduktion sicher. Mit dem Beitrag für die offene Ackerfläche und für Dauerkulturen wird die Stützung dieser Flächen gegenüber dem Grünland erhöht. Die erschwerten Produktionsbedingungen in der Berg- und Hügelregion werden durch den Produktionserschwernisbeitrag ausgeglichen.

2.3.3

Entwicklung der Massnahmen

Im Vergleich mit anderen Ackerkulturen erreichten die Zuckerrüben bis 2013 eine sehr gute Wirtschaftlichkeit. Angesichts der 2014 massiv gesunkenen Zuckerpreise setzte der Bundesrat 2015 die von ihm zuvor beschlossene stufenweise Reduktion des Einzelkulturbeitrags von 1900 auf 1400 Franken pro Hektare und Jahr aus. Wegen dem anhaltenden Preisdruck erhöhte er den Einzelkulturbeitrag für Zuckerrüben ab 2016 von 1600 auf 1800 Franken pro Hektare und Jahr.

Vor dem Hintergrund der tiefen Zuckerpreise und der Forderung der parlamentarischen Initiative 15.479 hat der Bundesrat ab 2019 befristet bis Ende September 2021 gegen die Interessen der 2. Verarbeitungsstufe (der Zuckerherstellung nachgelagerte Lebensmittelindustrie) einen Mindestgrenzschutz von 7 Franken je 100 kg beschlossen und bis Ende 2021 den Einzelkulturbeitrag für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung

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von 1800 auf 2100 Franken pro Hektare und Jahr erhöht. Zudem hat er die «Betriebswirtschaftsstudie Schweizer Zucker» mitfinanziert. Mit diesen Massnahmen hat der Bundesrat der Zuckerwirtschaft Zeit eingeräumt, eine Strategie zu entwickeln und ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter zu verbessern.

Im November 2020 hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) zur Bekämpfung der von Blattläusen übertragenen virösen Vergilbung die Produkte Movento SC und Gazelle SG zugelassen. Den Antrag des Schweizerischen Verbandes der Zuckerrübenpflanzer zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung für den Wirkstoff Imidacloprid zur Behandlung des Zuckerrübensaatgutes lehnte das BLW ab. Ergänzend hat Agroscope sein Forschungsprogramm erweitert. In interdisziplinärer Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) wird Agroscope den nachhaltigen Pflanzenschutz im Zuckerrübenanbau in den Bereichen Habitatmanagement, alternative Bekämpfungsmethoden, Entscheidungshilfesysteme und Jät-Robotik weiterentwickeln.

Der Bundesrat hat die Zuckerwirtschaft wiederholt direkt mit raschen Verordnungsänderungen direkt und indirekt über Beratungs- und Forschungsprojekte gestützt.

2.4

Regelungsebene Gesetz oder Verordnung

Die Aufgabenteilung zwischen Legislative und Exekutive gebietet, dass die Grundsätze auf Gesetzesstufe und die Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsebene erlassen werden. Diese Praxis ermöglicht, rasch und mit geringer Vorlaufzeit auf sich verändernde Herausforderungen zu reagieren.

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Eine Regelung von Ansätzen und Beiträgen auf Gesetzesstufe stellt eine Ungleichbehandlung und ein unerwünschtes Präjudiz für andere Landwirtschaftserzeugnisse dar und ist deshalb abzulehnen.

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Eine gemischte Regelung von Zollansätzen und Stützungsbeiträgen auf Gesetzes- und Verordnungsebene erschwert eine adäquate Weiterentwicklung der Stützungsinstrumente. Die WAK-N fordert daher in ihrer Kommissionsmotion 21.3016 die Förderung des ökologischen Zuckerrübenanbaus über die Instrumente des Direktzahlungssystems, was kohärent ist mit dem bestehenden Direktzahlungssystem. Allerdings hat sie sowohl im Mehrheits- als auch im Minderheitsvorschlag die Differenzierung des Einzelkulturbeitrags nach Anbausystem belassen, wodurch eine inkohärente doppelte finanzielle Förderung von denselben ökologischen Leistungen mit Einzelkultur- und Produktionssystembeiträgen resultieren würde.

­

Im Rahmen der Vernehmlassung zur parlamentarischen Initiative 15.479 haben sich etliche Kantone und Verbände grundsätzlich für eine Regelung auf Verordnungsstufe ausgesprochen. Die Förderung des ökologischen Zuckerrübenanbaus ausschliesslich über die Instrumente der Direktzahlungsverordnung vom 23. Oktober 20137 wird von Kantonen und Verbänden breit unterstützt.

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2.5

Mindestgrenzschutz von 7 Franken je 100 kg Zucker

Der Mindestgrenzschutz für Zucker verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit der in der Schweiz produzierenden Lebensmittelindustrie auf den Absatzmärkten in der EU und der Schweiz gegenüber Mitbewerbern aus der EU. Der Bundesrat hat sich deshalb bereits in seinem Bericht in Erfüllung des Postulats 15.3928 «Massnahmen gegen eine Deindustrialisierung in der Lebensmittelbranche»8 und in seiner Stellungnahme zur Motion 15.4192 «Schweizer Zucker. Schutz vor dem Dumping durch den Weltmarktpreis dank regelmässig angepassten Zollansätzen» für eine Stützung der Zuckerwirtschaft über Einzelkulturbeiträge ausgesprochen, weil dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der nachgelagerten Stufe nicht beeinträchtigt wird. Ausgehend von einem Zuckerertrag von 13 Tonnen pro Hektare entspricht der Mindestgrenzschutz von 7 Franken je 100 kg einer Stützung von bis zu 910 Franken pro Hektare.

Der Absatzmarkt für in der Schweiz hergestellten Zucker ist begrenzt. Für die Auslastung ihrer beiden Zuckerfabriken ist die Schweizer Zucker AG auf lokal und international erfolgreich agierende Kunden angewiesen. Über einen Mindestgrenzschutz erhöhte Zuckerpreise senken die Wettbewerbsfähigkeit der Kunden der Schweizer Zucker AG gegenüber den ausländischen Mitbewerbern. Ein Mindestgrenzschutz erhöht den Druck auf die volkswirtschaftlich wichtige nachgelagerte Industrie (z. B.

Schokolade, Biskuits, Zuckerwaren, Milchprodukte, Süssgetränke), die bereits heute in einem hohen Kostenumfeld agiert. Für Exporte von zuckerhaltigen Verarbeitungserzeugnissen verstärkt ein Mindestgrenzschutz für Zucker den Anreiz, im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs importierten Zucker zu verwenden. Verarbeitet die im Inland produzierende Lebensmittelindustrie jährlich 200 000 Tonnen in der Schweiz hergestellten Zucker für den Absatz in der Schweiz oder der EU, so kann allein der Mindestgrenzschutz von 7 Franken je 100 kg jährliche Mehrkosten von bis zu 14 Millionen Franken verursachen. Dies schwächt ihre Wettbewerbskraft und gefährdet Arbeitsplätze in der Lebensmittelindustrie, die insgesamt 74 000 Vollzeitstellenäquivalente anbietet. Ein gesetzlich verankerter Mindestgrenzschutz führt zu einem dauerhaft höheren Preisniveau für Zucker auf dem Inlandmarkt und zwingt die zuckerverarbeitenden Unternehmen der Lebensmittelindustrie mittelfristig, ihre Produktionsstrategien
zu überprüfen.

Aus den genannten Gründen lehnt der Bundesrat die Weiterführung eines Mindestgrenzschutzes für Zucker sowohl auf Gesetzes- als auch auf Verordnungsstufe ab.

2.6

Mehrheitsantrag

Der Mehrheitsantrag sieht mit einer Gesetzesänderung die Senkung des befristet auf 2100 Franken pro Hektare und Jahr erhöhten Einzelkulturbeitrags auf 1500 Franken pro Hektare und Jahr im Anbau gemäss dem ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) vor. Werden Zuckerrüben nach den Anforderungen der biologischen Landwirtschaft oder fungizid- und insektizidfrei angebaut, sollen Zusatzbeiträge von 700 bzw.

500 Franken pro Hektare und Jahr ausgerichtet werden.

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www.parlament.ch > 15.3928 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses

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Die Festlegung von Beiträgen für Kulturen ist wie oben beschrieben nicht stufengerecht, führt zu Ungleichbehandlung verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugnisse und ist unflexibel.

Die Förderung des ökologischen Zuckerrübenanbaus über Einzelkulturbeiträge führt zu Inkohärenzen und einer Verkomplizierung des Stützungssystems. Der ökologische Zuckerrübenanbau soll über die Instrumente des Direktzahlungssystems und nicht über Marktstützungsmassnahmen (Einzelkulturbeiträge) gefördert werden. Dies ist kohärent im agrarpolitischen System, und es bietet mehr Flexibilität, um geringere Ertragssicherheit zu kompensieren.

Im Jahr 2020 wurden von insgesamt knapp 18 000 Hektaren Zuckerrüben 1200 Hektaren ohne Anwendung von Fungi- und Insektiziden und 150 Hektaren nach den Anforderungen des Biolandbaus angebaut. Für 2021 wird eine Ausweitung des ökologischen Rübenanbaus erwartet. Zuckerrübenanbauende Betriebe können sich indes über die Massnahmen des Direktzahlungssystems vom beabsichtigten Verzicht auf Fungiund Insektizide abmelden, wenn wegen unerwartet hohem Schaderregerdruck trotzdem Fungi- oder Insektizide eingesetzt werden.

Aus den genannten Gründen lehnt der Bundesrat sowohl eine Regelung des Einzelkulturbeitrags für Zuckerrüben auf Gesetzesstufe als auch eine Differenzierung des Einzelkulturbeitrags nach Anbausystem ab.

2.7

Minderheitsantrag

Der Minderheitsantrag sieht mit einer Gesetzesänderung die Fortschreibung des befristet erhöhten Einzelkulturbeitrags von 2100 Franken pro Hektare und Jahr im ÖLN vor. Werden Zuckerrüben nach den Anforderungen der biologischen Landwirtschaft oder der integrierten Produktion angebaut, soll ein Zusatzbeitrag von 200 Franken pro Hektare und Jahr ausgerichtet werden.

Die Festlegung von Beiträgen für Kulturen ist wie oben beschrieben nicht stufengerecht, führt zu Ungleichbehandlung verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugnisse und ist unflexibel.

Die Förderung des ökologischen Zuckerrübenanbaus über Einzelkulturbeiträge führt zu Inkohärenzen und einer Verkomplizierung des Stützungssystems. Der ökologische Zuckerrübenanbau soll über die Instrumente des Direktzahlungssystems und nicht über Marktstützungsmassnahmen (Einzelkulturbeiträge) gefördert werden. Anreize über Direktzahlungen sind kohärent mit dem agrarpolitischen System und bieten mehr Flexibilität, um eine geringere Ertragssicherheit zu kompensieren.

Je nach Entwicklung der beitragsberechtigten Rübenanbaufläche hätten die Beibehaltung des befristet erhöhten Einzelkulturbeitrags und die Zusatzbeiträge für den ökologischen Zuckerrübenanbau einen höheren Bedarf an Bundesmitteln zur Folge.

Der Bundesrat lehnt aus den genannten Gründen sowohl die Regelung des Einzelkulturbeitrags für Zuckerrüben auf Gesetzesstufe als auch eine Differenzierung des Einzelkulturbeitrags nach Anbausystem ab. Er schlägt aber eine Alternative vor, wie der nachhaltige Zuckerrübenanbau gezielt gefördert werden kann.

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2.8

Kommissionsmotion 21.3016

Zeitgleich mit der Verabschiedung der parlamentarischen Initiative 15.479 an den Nationalrat hat die WAK-N die Kommissionsmotion 21.3016 eingereicht. Sie verlangt, den ökologischen Anbau von Zuckerrüben mit geeigneten Massnahmen innerhalb des Direktzahlungssystems zu fördern. Dazu sollen bei der Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» geeignete Instrumente und Massnahmen geschaffen werden. Ebenfalls sollen zusätzliche Mittel für die Erforschung ökologischer Anbaumethoden, die Prüfung toleranter Sorten sowie die Entwicklung von Prognosemodellen und Warndiensten im Bereich Zuckerrübenanbau bereitgestellt werden.

Mit der geplanten Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.475 ist ab 2023 für den Zuckerrübenanbau insbesondere vorgesehen: ­

die bisherigen Ressourceneffizienzbeiträge für den Verzicht auf Herbizide, Fungizide und Insektizide in die Produktionssystembeiträge zu überführen und gleichzeitig weiterzuentwickeln;

­

für den Verzicht auf Fungizide und Insektizide künftig einen höheren Beitrag pro Hektare auszurichten als bisher;

­

den Beitrag für den Verzicht auf Herbizide neu auch für Biobetriebe auszurichten; Biobetriebe sind zurzeit von diesem Beitrag ausgeschlossen; die Förderung für Biobetriebe, die gleichzeitig vollständig auf Herbizide verzichten, steigt an;

­

den Biobeitrag in unveränderter Höhe fortzuführen.

Weil der Bundesrat bereits heute den ökologischen Anbau von Zuckerrüben im Direktzahlungssystem fördert (vgl. Ziff. 2.3.2) und diese Förderung mit der Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.475 ohnehin weiterentwickelt und verstärkt werden soll, kann die Motion abgelehnt werden. Ebenso ist bereits vorgesehen, dass die Forschung im Bereich Zuckerrüben bei Agroscope und im FiBL stärker unterstützt wird, weshalb auch diesbezüglich die Motion abgelehnt werden kann.

2.9

Umsetzungsvorschlag auf Verordnungsebene

Der Bundesrat lehnt eine Festlegung der Höhe der Einzelkulturbeiträge auf Gesetzesstufe aus den unter Ziffer 2.4 genannten Gründen ab. Er ist aber bereit, sofern von einer Änderung des LwG abgesehen und die parlamentarische Initiative abgeschrieben wird, den Forderungen nach einer lückenlosen Fortführung der aktuell befristeten Stützungserhöhungen entgegenzukommen und den ökologischen Zuckerrübenanbau stärker zu fördern.

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Der Bundesrat bietet unter den genannten Voraussetzungen Hand zu folgenden Verordnungsänderungen: ­

Änderung der Einzelkulturbeitragsverordnung vom 23. Oktober 20139 für die Festsetzung des einheitlichen Einzelkulturbeitrags für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung auf 2100 Franken pro Hektare und Jahr mit Inkraftsetzung auf den 1. Januar 2022.

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Änderung der Direktzahlungsverordnung zur Förderung des ökologischen Zuckerrübenanbaus im Rahmen des Verordnungspakets zur parlamentarischen Initiative 19.475. Der Bundesrat wird die Vernehmlassung zu den Ausführungsbestimmungen voraussichtlich im zweiten Quartal 2021 eröffnen. Somit erhalten die betroffenen Kreise Gelegenheit, sich zu den vorgeschlagenen Massnahmen zu äussern. Die Grundzüge der Anpassungen sind in Ziffer 2.8 beschrieben.

In Erwägung der Stellungnahmen der Gewerkschaften, der Wirtschaftsverbände und der Verbände der 2. Verarbeitungsstufe, des Detailhandels und der Gastronomie im Rahmen der Vernehmlassung zur parlamentarischen Initiative 15.479 lehnt der Bundesrat die Weiterführung des Mindestgrenzschutzes ab, da weder die Wettbewerbsfähigkeit der Kunden der Schweizer Zucker AG geschwächt noch Arbeitsplätze in der Lebensmittelverarbeitung bedroht werden sollen.

2.10

Ressourcenbedarf

Der Zahlungsrahmen Produktion und Absatz für die Jahre 2022­2025 basiert auf einem Einzelkulturbeitrag für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung von 1800 Franken pro Hektare und Jahr. Im Finanzplan sind ab 2022 für die Zuckerrüben 34,7 Millionen Franken eingestellt, was bei einem Einzelkulturbeitrag von 2100 Franken pro Hektare für eine beitragsberechtigte Zuckerrübenfläche von 16 500 Hektaren ausreicht. Allerdings kann sich der Mittelbedarf im Pflanzenbau insgesamt erhöhen, weil anstelle von Zuckerrüben andere zu Einzelkulturbeiträgen berechtigte Kulturen angebaut werden.

Der Bundesrat hält fest, dass für die Umsetzung dieser Vorlage in Abhängigkeit der Bemessung des Einzelkulturbeitrags und der Entwicklung der zu Einzelkulturbeiträgen berechtigten Flächen ein finanzieller Mehrbedarf entstehen kann. Er behält sich daher vor, dem Parlament zu gegebener Zeit einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten. Die Beitragsanpassungen im Rahmen der Direktzahlungsverordnung können mit dem bestehenden Finanzplan umgesetzt werden.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Entwurfs. Er beantragt auch die Ablehnung des Entwurfs der Kommissionsminderheit zu Artikel 54 Absatz 2bis.

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SR 910.17

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