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zu 17.448 Parlamentarische Initiative Sport- und Kulturvereine. Anheben der Umsatzgrenze für die Befreiung von der Mehrwertsteuerpflicht Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 12. April 2021 Stellungnahme des Bundesrates vom 11. August 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 12. April 20211 betreffend die parlamentarische Initiative 17.448 «Sport- und Kulturvereine. Anheben der Umsatzgrenze für die Befreiung von der Mehrwertsteuerpflicht» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. August 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1 Ausgangslage Die parlamentarische Initiative 17.448 «Sport- und Kulturvereine. Anheben der Umsatzgrenze für die Befreiung von der Mehrwertsteuerpflicht» wurde am 13. Juni 2017 von Nationalrat Olivier Feller eingereicht. Darin wird gefordert, dass für nicht gewinnstrebige, ehrenamtlich geführte Sport- und Kulturvereine sowie gemeinnützige Institutionen die Umsatzgrenze für die Begründung der Mehrwertsteuerpflicht angehoben wird. Aktuell beträgt die Umsatzgrenze für diese Vereine und Institutionen 150 000 Franken (Art. 10 Abs. 2 Bst. c des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 20092, MWSTG). Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) gab der Initiative am 4. September 2018 Folge; die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) stimmte diesem Beschluss am 29. August 2019 zu.

Am 18. August 2020 nahm die WAK-N den Vorentwurf zur Anhebung der Umsatzgrenze auf 200 000 Franken an. Eine Minderheit beantragte, die massgebende Umsatzgrenze auf 300 000 Franken zu erhöhen. Daraufhin beschloss die WAK-N, den Vorentwurf mit beiden Varianten in die Vernehmlassung zu schicken. Diese dauerte vom 4. November 2020 bis zum 18. Februar 2021.3 Am 12. April 2021 nahm die WAK-N den Gesetzesentwurf zur Anhebung der Umsatzlimite für nicht gewinnstrebige, ehrenamtlich geführte Vereine und Institutionen auf 200 000 Franken ohne Änderungen mit 22 zu 2 Stimmen definitiv an. Der Minderheitsantrag wurde zurückgezogen.

Mit Schreiben vom 27. April 2021 lud die WAK-N den Bundesrat nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20024 ein, zu ihrer Vorlage Stellung zu nehmen.

2 Stellungnahme des Bundesrates Der Bundesrat anerkennt die grosse gesellschaftliche Bedeutung der Milizarbeit. Er ist sich ausserdem bewusst, dass die Mehrwertsteuer gerade für ehrenamtlich geführte Vereine und Institutionen einen administrativen Aufwand darstellen kann. Dennoch lehnt er die parlamentarische Initiative aus den folgenden Gründen ab:

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SR 641.20 Die Vernehmlassungsunterlagen und die Ergebnisse der Vernehmlassung sind zu finden unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > Parl.

SR 171.10

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2.1 Wettbewerbsverzerrungen Die Mehrwertsteuer bezweckt die Besteuerung des Endverbrauchs. Aus Effizienzgründen wird sie aber nicht bei den Endkonsumierenden eingezogen, sondern bei den Unternehmen, welche die Leistungen erbringen. Dabei soll keine Rolle spielen, ob die Leistungen von einem gewinnstrebigen Unternehmen oder einer nicht gewinnstrebigen Institution erbracht werden: Gleiche Leistungen sollen gleich besteuert werden.

Auf diese Weise werden Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen Leistungserbringenden vermieden.

Umsatzgrenzen zur Befreiung von der Steuerpflicht stellen einen Einbruch in dieses Prinzip dar. Das von der Steuerpflicht befreite Unternehmen kann im Gegensatz zum steuerpflichtigen Unternehmen die gleiche Leistung ohne Mehrwertsteuer und damit günstiger anbieten. Dies führt zu einem Wettbewerbsvorteil. Der Fussballclub, der nicht steuerpflichtig ist, weil er die Umsatzlimite nicht erreicht, kann seine gastgewerblichen Leistungen ohne Mehrwertsteuer anbieten, während der steuerpflichtige Gastgewerbebetrieb die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen muss. Die Leistungen des Fussballclubs sind folglich nur mit der Vorsteuer belastet, die er nicht in Abzug bringen kann (Taxe occulte). Dadurch kann er gastgewerbliche Leistungen um gut 5 Prozent günstiger anbieten als ein steuerpflichtiger Gastgewerbebetrieb.

Ebenso stehen die Werbeleistungen von Vereinen wie Bandenwerbung oder Inserate in Klub- und Vereinszeitungen, die mangels Steuerpflicht günstiger erbracht werden könnten, in direkter Konkurrenz zu den steuerpflichtigen Werbeleistungen in lokalen Zeitungen oder bei Plakatgesellschaften.

Schon mit der heutigen höheren Umsatzlimite von 150 000 Franken haben die betroffenen Vereine und Institutionen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Gewerbe.

2.2 Von der Steuer ausgenommene Leistungen Die grosse Mehrheit der von den betroffenen Vereinen und Institutionen erbrachten Leistungen sind von der Mehrwertsteuer ausgenommen, so zum Beispiel Eintrittsgelder zu Kultur- und Sportveranstaltungen wie auch für Museen und dergleichen, Startund Lizenzgebühren, Bekanntmachungsleistungen durch gemeinnützige Institutionen zugunsten Dritter oder Bildungsleistungen namentlich in den Bereichen Musik, bildende Kunst oder Sport. Durch von der Steuer ausgenommene Leistungen kann ein Verein oder eine Institution nicht steuerpflichtig werden, da nur steuerbare Leistungen für die Umsatzgrenze zu beachten sind. Für die Steuerpflicht sind also vor allem Leistungen im Bereich Gastgewerbe und Werbung relevant und nicht die typischen Leistungen von Vereinen und Institutionen. Profitieren würden somit diejenigen Vereine und Institutionen, die steuerbare Leistungen zwischen 150 000 und 200 000 Franken erbringen. Auf der anderen Seite würden aber die Wettbewerbsverzerrungen noch weiter verschärft.

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2.3 Bestehende Erleichterungen Bereits das aktuelle Recht enthält administrative Erleichterungen. So können Sportund Kulturvereine sowie gemeinnützige Institutionen die Mehrwertsteuer mit Hilfe von Pauschalsteuersätzen abrechnen (Art. 37 Abs. 5 MWSTG). Damit muss die Vorsteuerbelastung nicht erfasst werden, was die Buchhaltung und das Ausfüllen der MWST-Abrechnung wesentlich vereinfacht.

Weiter können Eintritte zu kulturellen und sportlichen Veranstaltungen freiwillig versteuert werden, und zwar zum reduzierten Satz von 2,5 Prozent (Art. 25 Abs. 2 Bst. c MWSTG).

3 Antrag des Bundesrates Der Bundesrat beantragt Nichteintreten auf den Gesetzesentwurf der WAK-N vom 12. April 2021.

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