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20.436 Parlamentarische Initiative Einsetzung einer ständigen parlamentarischen OECD-Delegation Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 19. April 2021

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf für die Änderung der Verordnung der Bundesversammlung über die Pflege der internationalen Beziehungen des Parlamentes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

19. April 2021

Im Namen der Kommission Der Präsident: Christian Levrat

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Übersicht Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Ständerates stellt fest, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und ihre Empfehlungen für die schweizerische Gesetzgebung von zunehmender Bedeutung sind, sei es beispielsweise in Steuerfragen, aber auch in Sachen Umwelt-, Bildungsund Entwicklungspolitik. Um die Entwicklungen innerhalb der OECD von parlamentarischer Seite systematisch zu begleiten und einen verbesserten Informationsfluss sicherzustellen, schlägt die WAK des Ständerates vor, eine ständige Delegation zu schaffen, welche im Auftrag der Bundesversammlung an Aktivitäten im Rahmen der OECD teilnimmt.

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Entstehungsgeschichte

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vereint 37 Mitgliedstaaten in einem Umfeld, das ihnen die Möglichkeit bietet, ihre Wirtschafts-, Finanz-, Bildungs-, Wissenschafts-, Sozial-, Umwelt- und Entwicklungspolitik zu diskutieren, zu überarbeiten und zu verbessern. In den vergangenen Jahren sind die OECD und ihre Empfehlungen für die Schweizer Gesetzgebung immer bedeutender geworden, sei es bei Steuerfragen, der Geldwäscherei- und Korruptionsbekämpfung, der Bildungspolitik oder bei Rahmenbedingungen für die Wirtschaft.

In Anbetracht dieser Entwicklung stellt sich die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass sich das Schweizer Parlament frühzeitig mit OECD-spezifischen Thematiken auseinandersetzt und im Fall rascher internationaler Entwicklungen diese Erkenntnisse in den Gesetzgebungsprozess einfliessen. Zu diesem Zweck regt die WAK-S an, eine ständige Delegation zu schaffen, welche im Auftrag der Bundesversammlung an Aktivitäten der OECD teilnimmt und ihre Erkenntnisse in den Gesetzgebungsprozess zurückträgt.

Vor diesem Hintergrund beschloss die WAK-S am 19. Mai 2020 einstimmig, einen Erlassentwurf auszuarbeiten. Die WAK-N stimmte diesem Entscheid am 12. Januar 2021 mit 16 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung zu. Zuvor hatte die WAK-N die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates (APK-N) zu einer Stellungnahme eingeladen, da sich diese in der Vergangenheit bereits verschiedentlich mit der Frage der parlamentarischen Einflussnahme auf die Aktivitäten der OECD und der allfälligen Schaffung einer parlamentarischen OECD-Delegation befasst hatte (vgl. 2. Ausgangslage).

Am 19. April 2021 hat die Kommission den beiliegen Entwurf mit 8 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen zuhanden ihres Rates verabschiedet.

Gemäss Artikel 3a des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 (SR 172.061) kann auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn «das Vorhaben vorwiegend die Organisation oder das Verfahren von Bundesbehörden oder die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bundesbehörden betrifft». Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben.

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Ausgangslage

2.1

Debatte in den Aussenpolitischen Kommissionen

Die Debatte über die Entsendung von Ratsmitgliedern an Veranstaltungen der OECD ist mit dem Umstand verknüpft, dass es sich bei den Empfehlungen der OECD um sogenanntes «soft law» handelt, welches in vielen Fällen direkten Einfluss auf die nationale Gesetzgebung hat, während die Mitwirkungsmöglichkeiten des Parlaments vergleichsweise marginalisiert sind (vgl. u.a. Postulat APK-SR 18.4104 sowie

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Pa. Iv. Aeschi Thomas 14.433 und Pa. Iv. Romano 14.474). In diesem Zusammenhang haben sich insbesondere die Aussenpolitischen Kommissionen bereits mehrfach mit der Frage der Schaffung einer ständigen parlamentarischen Delegation auseinandergesetzt, welche die Entwicklungen und Beratungen in der OECD im Auftrag der Bundesversammlung verfolgen könnte. In den letzten Jahren fand das Anliegen in der nationalrätlichen Kommission keine Mehrheit.

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Im Februar 2017 wollte die APK-S im Rahmen der parlamentarischen Initiative «Entsendung von Ratsmitgliedern an Veranstaltungen der OECD» (17.403) einen Erlassentwurf ausarbeiten, der mit der vorliegenden Pa. Iv.

weitgehend wortgleich ist. Nachdem die APK-N das Anliegen ihrer Schwesterkommission mit 10 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen knapp abgelehnt hatte, zog diese die Initiative zurück.

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Bereits 2015 hatte sich die APK-N im Rahmen der Beratung der Pa. Iv. Portmann «Parlamentarische Einflussnahme bei Regulierungsaktivitäten durch die OECD» (14.424) mit der Frage der Einsetzung einer ständigen parlamentarischen Delegation zur OECD auseinandergesetzt und dem Anliegen schliesslich mit 12 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen keine Folge gegeben.

In ihrer Stellungnahme zuhanden der WAK-N vom 9. November 2020 spricht sich die APK-N nun jedoch mit 17 gegen 4 Stimmen deutlich für die Einsetzung einer ständigen Delegation aus und erachtet es als vorteilhaft, wenn das Schweizer Parlament im Rahmen der OECD zumindest in begleitender Weise mitwirken und frühzeitig Zugang zu relevanten Information erhalten kann. Die Kommissionsminderheit weist darauf hin, dass bei der OECD keine parlamentarische Versammlung existiert, wie beispielsweise beim Europarat, und erachtet die aktuelle Praxis der Teilnahme mittels Ad-hoc-Delegationen als ausreichend.

2.2

Aktuelle Ausgestaltung der internationalen Beziehungen des Parlaments

Die Verordnung der Bundesversammlung vom 28. September 2012 über die Pflege der internationalen Beziehungen des Parlamentes (VPiB, SR 171.117) regelt die internationalen Aktivitäten der Bundesversammlung. Bis anhin ist das Parlament durch ständige Delegationen in folgenden parlamentarischen Versammlungen vertreten (Art. 2 VPiB): ­

Interparlamentarische Union (IPU);

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Parlamentarische Versammlung des Europarates (PV-ER);

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Parlamentarischer Ausschuss der Europäischen Freihandelsassoziation (PA-EFTA);

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Internationale Versammlung der Parlamentarier französischer Sprache (APF);

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Parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (PV-OSZE) sowie

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Parlamentarische Versammlung des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (PV-NATO).

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Bei diesen parlamentarischen Versammlungen handelt es sich um offizielle Organe der jeweiligen internationalen Organisationen. Ihre Kompetenzen und Aktivitäten werden durch eine Geschäftsordnung geregelt und die Bundesversammlung entrichtet, wenn erforderlich, einen Mitgliederbeitrag.

Darüber hinaus unterhält die Bundesversammlung ständige Delegationen zur Pflege der Beziehungen mit den Nachbarstaaten, die in Artikel 4 VPiB geregelt sind.

2.3

Das parlamentarische Netzwerk der OECD

Das globale parlamentarische Netzwerk der OECD («Réseau parlementaire mondial de l'OCDE») versteht sich als Lernzentrum für Parlamentarierinnen und Parlamentarier und Parlamentsbeamte. Seine flexible Struktur ermöglicht es Parlamentarierinnen und Parlamentariern, Erfahrungen auszutauschen, bewährte Praktiken zu identifizieren und die internationale legislative Zusammenarbeit zu fördern. Es gilt auch als Instrument der OECD, dem Vorwurf des Demokratiedefizits entgegenzuwirken und den Mitgliedern der nationalen Parlamente Einblick in ihre Prozesse zu gewähren.

Das Netzwerk koordiniert die Zusammenarbeit mit den Parlamenten in den OECDMitglieds- und Partnerländern, organisiert Netzwerktreffen mehrheitlich in Paris aber auch weltweit, erleichtert den Netzwerkmitgliedern die Teilnahme am jährlichen OECD-Forum und anderen wichtigen OECD-Veranstaltungen und arbeitet mit parlamentarischen Versammlungen (bspw. des Europarates), internationalen Organisationen und dem Europaparlament zusammen. Nach Angaben der OECD umfasst das Netzwerk über 1500 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus über 50 Ländern, an den Veranstaltungen des «Réseau parlementaire mondial de l'OCDE» in Paris nehmen jeweils mehr als 300 Personen teil.

Im Gegensatz zu den unter 2.2 beschriebenen parlamentarischen Versammlungen handelt es sich beim «Réseau parlementaire mondial de l'OCDE» nicht um ein formelles parlamentarisches Gremium, sondern um ein Netzwerk mit einer veränderlichen Anzahl von Mitgliedern. Es setzt sich also nicht aus fix delegierten Parlamentarierinnen und Parlamentariern zusammen, sondern bezieht Abgeordnete mit ein, die sich für die Themen interessieren, die bei einem Treffen behandelt werden. Damit möchte es Personen mit besonderen Interessen und Fachkenntnissen in den behandelten Themenbereichen ansprechen und so dynamischere Diskussionen fördern.

Bereits heute entsendet die Bundesversammlung gestützt auf Artikel 5 VPiB nicht ständige Delegationen (auch Ad-hoc-Delegationen genannt) an einzelne parlamentarische Veranstaltungen der OECD. Diese Ad-hoc-Delegationen werden gemäss Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a vom Präsidenten oder der Präsidentin des jeweiligen Rates eingesetzt und umfassen maximal zwei Mitglieder des gleichen Rates. In den letzten Jahren wurde diese Aufgabe primär durch die beiden APK abgedeckt,
in der Regel haben drei bis vier APK-Mitglieder an den halbjährlichen Veranstaltungen des «Réseau parlementaire mondial de l'OCDE» in Paris teilgenommen. Auf die Teilnahme an anderen Veranstaltungen der OECD wurde verzichtet.

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Grundzüge der Vorlage

Durch die Schaffung einer ständigen parlamentarischen Delegation zur Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen der OECD (PD-OECD) möchte die Kommission sicherstellen, dass das Parlament frühzeitig und regelmässig über die aktuellen Entwicklungen innerhalb der OECD informiert ist. Die Delegation soll sich vertieft mit OECDspezifischen Thematiken befassen und ihre Expertise in die verschiedenen betroffenen Sachbereichskommissionen zurückfliessen lassen.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die bisherige Lösung gestützt auf Artikel 5 VPiB unbefriedigend ist. Die OECD behandelt komplexe und hoch technische Fragen, welche durch eine Ad-hoc-Delegation nur ungenügend bearbeitet werden können. Durch die Schaffung einer ständigen parlamentarischen Delegation erhofft sich die Kommission eine vertiefte Expertise und Kontinuität in der Bearbeitung der Themen der OECD, sowie den Aufbau eines tragfähigen Netzwerks und eine gewisse Einflussnahme auf die Prozesse.

Um den Wissenstransfer zwischen den verschiedenen Organen des Parlaments sicherzustellen, soll bei der Bestellung der Delegation nicht nur auf die Fraktionsstärke, sondern auch auf eine breite Vertretung von Mitgliedern aus den verschiedenen thematisch betroffenen Kommissionen geachtet werden.

Im Zentrum der Aktivitäten der ständigen parlamentarischen Delegation steht wie bis anhin die Teilnahme an den Treffen des «Réseau parlementaire mondial de l'OCDE», welche in der Regel zweimal pro Jahr in Paris stattfinden. Die Delegation ist dort durch maximal vier Mitglieder vertreten. Im Verhinderungsfall können sich Delegationsmitglieder nur durch Ersatzmitglieder vertreten lassen. Dadurch soll die personelle und inhaltliche Kontinuität erhöht werden. Analog zu den Delegationen nach den Artikeln 2 und 4 VPiB werden die Einzelheiten der Arbeitsweise der Delegation in einem Delegationsreglement geregelt 1.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 2a

(Ständige parlamentarische Delegation zur Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen der OECD)

Da es sich beim parlamentarischen Netzwerk der OECD nicht um eine parlamentarische Versammlung analog zu den Delegationen gemäss Artikel 2 handelt, wird die Delegation in einem separaten Artikel eingeführt.

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Gemäss Weisung der Verwaltungsdelegation vom 15. Februar 2012 betreffend die internationalen Aktivitäten von ständigen und nichtständigen Delegationen müssen ständige Delegationen die Bewilligungsverfahren und die Rahmenbedingungen ihrer Aktivitäten in einem Reglement festhalten und der Verwaltungsdelegation zur Genehmigung unterbreiten.

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Art. 6

(Zusammensetzung)

Abs. 1bis Absatz 1bis regelt die Zusammensetzung der Delegation. Die Delegation setzt sich aus zwei Mitgliedern des Nationalrats und zwei Mitgliedern des Ständerates zusammen.

Als Ersatzmitglieder werden zwei Mitglieder des Nationalrates und zwei Mitglieder des Ständerates bestimmt. Bei der Bestellung der Delegation wird der entsprechende Subkommissions-Verteilschlüssel für vier Sitze pro Rat angewandt, analog zum Verfahren bei der Bestellung der Delegationen nach Artikel 2. Um den Wissenstransfer mit den verschiedenen betroffenen Kommissionen sicherzustellen, soll bei der Delegationszusammensetzung auf Doppelmitgliedschaften geachtet werden.

Art. 7

(Organisation)

Abs. 2 Absatz 2 regelt die Stellvertretung an Delegationsaktivitäten. Analog zur überwiegenden Mehrheit der anderen ständigen Delegationen können sich die Mitglieder nur durch Ersatzmitglieder aus der eigenen Delegation vertreten lassen. Damit soll die vertiefte Auseinandersetzung mit OECD-spezifischen Themen und personelle Kontinuität gewährleistet werden.

Mit der Erwähnung der Delegationen gemäss Artikel 4 wird neu dem Umstand Rechnung getragen, dass auch dort nur eine Stellvertretung durch Ersatzmitglieder vorgesehen ist, dies ist zurzeit nur auf Reglementsstufe festgehalten.

Art. 8

(Aufgaben)

Abs. 1bis Absatz 1bis definiert den Aufgabenbereich der Delegation. Die Delegation nimmt im Auftrag der Bundesversammlung an den Veranstaltungen der OECD teil, die sich an die Mitglieder der nationalen Parlamente richten. Dies betrifft in erster Linie die Teilnahme an den Treffen des «Réseau parlementaire mondial de l'OCDE», die in der Regel ein bis zweimal jährlich in Paris stattfinden.

Abs.4 Absatz 4 wurde dahingehend ergänzt, dass die Delegation ebenfalls in die Koordination der Aktivitäten der anderen Delegationen mit den APK eingebunden wird.

Art. 9

(Berichterstattung)

Abs. 2 Absatz 2 regelt die Berichterstattung der Delegation zuhanden der Räte. Aus Effizienzgründen schlägt die WAK-S eine Vorberatung des Berichts durch die APK vor, gemeinsam mit den Jahresberichten der Delegationen nach Artikel 2 - mit Ausnahme des Berichts der PV-NATO, welcher durch die Sicherheitspolitischen Kommissionen vorberaten wird.

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Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Unter der gängigen Praxis belaufen sich die Kosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen der OECD in Paris durchschnittlich auf rund 2800 Franken pro Ratsmitglied und Veranstaltung. Es ist davon auszugehen, dass sich die Kosten einer ständigen Delegation in einem vergleichbaren Rahmen bewegen. Analog zu den ständigen Delegationen nach Artikel 2 VPiB erhält die Delegation ein Delegationsbudget zur Finanzierung ihrer Aktivitäten. Das Budget der Bundesversammlung wird entsprechend erhöht. Zur fachlichen und administrativen Begleitung der Delegationsaktivitäten wird ein Delegationssekretariat geschaffen. Hierfür sind von Seiten der Parlamentsdienste zusätzlich 50 Stellenprozente vorzusehen.

5.2

Erlassform

Gestützt auf Artikel 60 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) werden Organisation, Aufgaben und Verfahren von Delegationen, welche die Bundesversammlung in internationalen parlamentarischen Versammlungen oder im bilateralen Verkehr mit Parlamenten von Drittstaaten vertreten, in einer Verordnung der Bundesversammlung geregelt.

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