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zu 19.429 Parlamentarische Initiative Befreiung der Schweizergarde von der Wehrpflichtersatzabgabe Bericht der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates vom 22. Februar 2021 Stellungnahme des Bundesrates vom 12. Mai 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 22. Februar 20211 der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates betreffend Befreiung der Schweizergardisten während ihrer Dienstzeit von der Ersatzpflicht nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. Mai 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit der am 22. März 2019 eingereichten parlamentarischen Initiative verlangt Nationalrat Jean-Luc Addor, das Bundesgesetz vom 12. Juni 19592 über die Wehrpflichtersatzabgabe (WPEG) dahingehend zu ändern, dass die Mitglieder der Päpstlichen Schweizergarde für die Dauer ihres Dienstes als Schweizergardist von der Pflicht befreit sind, die Wehrpflichtersatzabgabe zu zahlen.

Weil die Mitglieder der Garde, wenn sie in Rom dienen, als Auslandschweizer gelten, müssen sie die Wehrpflichtersatzabgabe leisten. In der Begründung fordert der Initiant daher, dass die hohe Wertschätzung, die der Bund und die Bevölkerung der Schweizergarde entgegenbringen, mit einer Befreiung von der Wehrpflichtersatzabgabe für die Dauer der Dienstzeit anerkannt werde. Der erhobene Betrag für die Ersatzabgabe sei unangemessen hoch für 20-Jährige, die finanziell oft nicht sehr gut gestellt seien.

Als Voraussetzung für den Beitritt zur Schweizergarde des Staates Vatikanstadt müsse zumindest die Rekrutenschule geleistet worden sein. Es sei nicht gerechtfertigt, dass diese Schweizer Soldaten eine Abgabe bezahlen müssten, die grundsätzlich für diejenigen gedacht sei, die nicht Dienst leisten.

Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N) beschloss an ihrer Sitzung vom 25. Juni 2019 mit 13 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben. Die ständerätliche Schwesterkommission (SiK-S) stimmte dem Entscheid an ihrer Sitzung vom 28. Januar 2020 mit 10 zu 3 Stimmen zu. Am 18. Mai 2020 erteilte die SiK-N ihrem Sekretariat den Auftrag, in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung einen Erlassentwurf samt erläuterndem Bericht auszuarbeiten. Am 22. Februar 2021 verabschiedete die Kommission den Bericht und den Gesetzesentwurf mit 16 zu 9 Stimmen zuhanden des Nationalrates.

Die in beiden Kommissionen geführten Diskussionen zeigten, dass die Dienste der Schweizergarde zwar geschätzt werden, aber auch Zweifel hinsichtlich der Verfassungskonformität einer solchen Befreiung bestehen.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Ausnahmeregelung im Bundesgesetz über die Wehrpflichtersatzabgabe

Jeder Schweizerbürger im militärdienstfähigen Alter, der seine Wehrpflicht nicht oder nur teilweise durch persönliche Dienstleistung (Militär- oder Zivildienst) erfüllt, untersteht der Pflicht, die Wehrpflichtersatzabgabe zu zahlen, unabhängig davon, ob er sich im Inland oder im Ausland befindet. Gemäss Artikel 2 Absatz 1 WPEG besteht die Ersatzpflicht, wenn der Wehrpflichtige während mehr als sechs Monaten weder in

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einer Formation der Armee eingeteilt noch der Zivildienstpflicht unterstellt ist oder als Dienstpflichtiger keinen Militär- oder Zivildienst leistet.

Bei den Gardisten handelt es sich um Auslandschweizer, die in der Regel die in Artikel 4a Absatz 1 WPEG genannten Voraussetzungen für die Befreiung von der Ersatzpflicht nicht erfüllen. Eine Befreiung, wie sie für Doppelbürger vorgesehen ist, die ihre Militärpflicht im Ausland erfüllt haben (Art. 5 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19953 [MG]), oder eine Befreiung wegen Ausübung einer unentbehrlichen Tätigkeit auf Schweizer Hoheitsgebiet zugunsten der Schweizer Bevölkerung (Art. 18 MG) ist nicht möglich, da es sich beim Dienst in der Schweizergarde (Ziff. 2.3 des Berichts der SiK-N) um einen ausländischen Polizeidienst für einen eigenständigen fremden Staat handelt. Die Gardisten haben deshalb vor Antritt des Auslandurlaubes offene und zukünftige Ersatzabgaben für längstens 3 Jahre zu bezahlen.

Der Bundesrat anerkennt, dass die Schweizergardisten einen besonderen Einsatz leisten und dies dem Ansehen der Schweiz im Ausland förderlich ist. Aus den folgenden Gründen ist er hingegen gegen eine Ausnahmeregelung:

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Die Schweizergardisten übernehmen in ihrem Dienst Polizeiaufgaben nach den Weisungen des Kardinalstaatssekretärs und des Kommandanten der Päpstlichen Garde. Sie leisten somit keinen Militärdienst im Sinne des MG und erfüllen auch keine unentbehrliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 18 MG.

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Der verfassungsmässige Militärdienst ist ein existenzieller Milizdienst zugunsten der Schweiz und ihrer Bevölkerung. Deshalb sind folgerichtig in Artikel 18 MG als Befreiungsgrund nur Tätigkeiten in schweizerischen Organisationen vorgesehen, die existenzielle Dienste zugunsten des eigenen Staates Schweiz erbringen.

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Im Rahmen der Revision der Militärgesetzgebung (Armee XXI) hat das Parlament das Postulat 00.3087 Leu behandelt, in dem gefordert wird, dass ausgewählte Auslandtätigkeiten, darunter der Gardeeinsatz, an die Ausbildungsdienstpflicht angerechnet werden sollen. In der Folge hat sich das Parlament aber der Argumentation des Bundesrates4 angeschlossen und keine entsprechende Bestimmung ins MG aufgenommen. Auch im revidierten MG der Weiterentwicklung der Armee, das seit dem 1. Januar 2018 in Kraft ist, wurde an der aktuellen Rechtssituation nichts verändert. Damit werden Gardisten nicht als besondere Angehörige der Armee im Ausland, sondern weiterhin wie alle übrigen Auslandurlauber behandelt.

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Die Resultate der Vernehmlassung zeigen, dass gegenüber einer Ausnahmebestimmung einzig für Schweizergardisten Bedenken hinsichtlich der Rechtsgleichheit und der konfessionellen Neutralität des Staates bestehen.

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Eine Ausnahmebestimmung nur für Schweizergardisten könnte ein Präjudiz darstellen und Anlass für Forderungen sein, alle Schweizer, die im Ausland für längere Zeit in einer Organisation einen Einsatz leisten, von der Wehr-

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pflichtersatzabgabe zu befreien. Dies würde zu schwierigen Abgrenzungsfragen führen, da bei den Einsätzen jeweils abzuklären wäre, ob diese im Interesse der Schweiz sind oder nicht.

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2.2

Bereits geleistete Militärdiensttage führen zur Reduktion der vorzubeziehenden Mindestabgabe (10 Prozent für jeweils 50 Diensttage). Der Vorbezug für 3 Jahre führt somit bei den Schweizergardisten zu einer Abgabelast von rund 960 Franken. Nach der Rückkehr in die Schweiz und der Leistung der restlichen Ausbildungsdiensttage in der Armee werden alle bezahlten Ersatzabgaben zurückerstattet. Insgesamt erscheint die finanzielle Belastung nicht erheblich. Diese Vorbezüge könnten den Gardisten beispielsweise auch durch Darlehen einer Stiftung finanziert werden, wenn es im Einzelfall notwendig ist.

Verfassungsmässigkeit

Nach dem Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV)5 ist Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Das Gebot ist verletzt, wenn ein Erlass rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen.6 Eine Befreiung der Schweizergardisten von der Vorleistung von Ersatzabgaben stellt eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen abgabepflichtigen Auslandurlaubern dar, die Einsätze im Ausland leisten, die ebenfalls im Interesse der Schweiz sind.

Es sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, die eine Bevorzugung der Schweizergardisten rechtfertigen würden.

Eine gesetzliche Ausnahmeregelung für Schweizergardisten würde zudem das in Artikel 8 Absatz 2 der Bundesverfassung enthaltene Diskriminierungsverbot gegenüber anderen Konfessionen verletzen, da nur Schweizer, die sich zum römisch-katholischen Glauben bekennen, zum Dienst für den Staat Vatikanstadt zugelassen sind.

Ein Schutzgut der Religionsfreiheit (Art. 15 BV) ist die weltanschauliche Neutralität des Staates.7 Diese wäre mit der spezifischen Ausnahmeregelung ebenfalls in Frage gestellt.

2.3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat vernachlässigbare finanzielle Auswirkungen und keine personellen Auswirkungen; dies aufgrund der jährlich nur rund dreissig betroffenen Personen und der bei diesen für drei Ersatzabgabejahre vorbezogenen geringen Beträge.

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SR 101 Statt vieler vgl. BGE 131 I 313 E. 3.2.

Statt vieler vgl. BGE 123 I 296 E. 4.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Nichteintreten auf den Gesetzesentwurf der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates vom 22. Februar 2021.

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