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21.024 Botschaft zu einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes (Stärkung des Fremdkapitalmarkts) vom 14. April 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. April 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-1218

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Übersicht Der Bundesrat will den Standort Schweiz für den Fremdkapitalmarkt und für Konzernfinanzierungsaktivitäten zugunsten der Real- und Finanzwirtschaft stärken.

Dies wird erreicht, indem die Verrechnungssteuer auf Zinsen weitgehend abgeschafft wird. Zusätzlich werden Anpassungen bei der Umsatzabgabe vorgenommen.

Die Reform führt zu geschätzten Mindereinnahmen von knapp 200 Millionen Franken jährlich. Bei einem steigenden Zinsniveau steigen auch die Mindereinnahmen. Langfristig weist die Reform ein attraktives Kosten-Nutzen-Verhältnis auf.

Ausgangslage Im Fremdkapitalmarkt führt das geltende Steuersystem zu unbefriedigenden Ergebnissen für den Wirtschaftsstandort und den Fiskus. Zinszahlungen auf inländischen Obligationen unterliegen einer Verrechnungssteuer von 35 Prozent. Schweizer Obligationen sind deshalb für die meisten Anlegerinnen und Anleger unattraktiv, selbst wenn diese Anspruch auf vollständige Rückerstattung der Steuer haben. Schweizer Konzerne weichen der Verrechnungssteuer aus, indem sie ihre Obligationen über eine ausländische Gesellschaft emittieren.

Die Umsatzabgabe belastet den Handel mit Obligationen. Gerade bei Obligationen mit kurzer Restlaufzeit stellt sie ein Hindernis dar und macht den Handel über Schweizer Effektenhändler unattraktiv.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage enthält im Wesentlichen die folgenden beiden Reformelemente.

Stärkung des Fremdkapitalmarkts: Mit dieser Vorlage soll die Verrechnungssteuer auf Zinserträgen weitgehend abgeschafft werden. Dies erleichtert es Unternehmen, ihre Obligationen aus der Schweiz zu emittieren. Davon könnten nicht nur inländische, sondern auch ausländische Konzerne Gebrauch machen. Es besteht zudem die Chance, dass konzerninterne Finanzierungsaktivitäten vermehrt in der Schweiz betrieben werden.

Belebung des Wertschriften- und Vermögensverwaltungsgeschäfts: Als Begleitmassnahme zu den Reformelementen bei der Verrechnungssteuer wird die Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen aufgehoben. Damit wird es für Anlegerinnen und Anleger attraktiver, inländische Obligationen über einen inländischen Effektenhändler zu handeln, da die Umsatzabgabe entfällt.

Bezüglich sämtlicher Komponenten der erwarteten Effekte bestehen Unsicherheiten (Abhängigkeit vom Zinsniveau, Auswirkungen der Covid-19 Krise, kritische Annahmen aufgrund mangelnder Daten, Verhaltensanpassungen). Die unter diesen Unsicherheiten geschätzten finanziellen Auswirkungen präsentieren sich wie folgt: ­

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Einmalige kurzfristige Effekte aufgrund der Zeitspanne zwischen Erhebung und Rückerstattung der Verrechnungssteuer: Diese belaufen sich auf etwas

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mehr als 1 Milliarde Franken. Der davon auf den Bund entfallende Anteil (90 %) ist durch in der Vergangenheit gebildete Rückstellungen gedeckt und damit nicht budgetwirksam. Bei den Kantonen (10 %) hängt die Budgetwirksamkeit von etwaigen kantonalen Rückstellungen ab.

­

Wiederkehrende statische Effekte: Diese belaufen sich beim aktuellen Zinsniveau auf 170 Millionen Franken bei der Verrechnungssteuer (90 % Bund, 10 % Kantone). Steigt das Zinsniveau, so steigen auch die Mindereinnahmen.

Bei der Umsatzabgabe belaufen sich die Mindereinnahmen auf 25 Millionen Franken (100 % Bund).

­

Längerfristige dynamische Effekte: Die Reform weist ein attraktives KostenNutzen-Verhältnis auf. Für den Bund, bei dem nahezu sämtliche wiederkehrenden statischen Mindereinnahmen anfallen, könnte die Reform nach etwa fünf Jahren zum Ausgleich dieser Mindereinnahmen führen. Für die Kantone und Gemeinden, bei denen die wiederkehrenden statischen Mindereinnahmen sehr viel geringer ausfallen, dürften die Wertschöpfungs- und Beschäftigungsimpulse bereits innerhalb kürzerer Frist zu Mehreinnahmen führen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.2.1 Geprüfte Alternativen 1.2.2 Gewählte Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

6 6 9 9 15

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Bisherige Reformbestrebungen 2.2 Zusammenfassung und Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

16 16

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

21

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Zinserträge aus Obligationen sowie konzerninterne Finanzierung 4.1.2 Zinsen aus Kundenguthaben natürlicher Personen im Inland bei inländischen Banken und Versicherungsunternehmen 4.1.3 Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen 4.2 Umsetzungsfragen

22 22

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Verrechnungssteuergesetz 5.2 Bundesgesetz über die Stempelabgaben 5.3 Finanzmarktinfrastrukturgesetz

24 24 34 35

6

Auswirkungen 6.1 Datenbasis 6.2 Auswirkungen auf den Bund 6.2.1 Einmalige kurzfristige Effekte 6.2.2 Wiederkehrende statische Effekte 6.2.3 Längerfristige dynamische Effekte 6.3 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.4 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.4.1 Standort- und Effizienzwirkungen 6.4.2 Administrativer Aufwand

35 35 36 36 39 41

Rechtliche Aspekte

46

7

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16

17

22 22 23 23

43 44 44 45

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7.1 7.2 7.3

Verfassungsmässigkeit Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Glossar Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (Verrechnungssteuergesetz, VStG) (Stärkung des Fremdkapitalmarkts) (Entwurf)

46 47 47 48

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Botschaft Die in dieser Botschaft verwendeten Fachbegriffe werden im Glossar erklärt. Sie werden bei der ersten Verwendung mit einem Sternchen* gekennzeichnet.

1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Das geltende System der Verrechnungssteuer* hat Nachteile für den Fremdkapitalmarkt* Schweiz. Dies gilt sowohl für konzernexterne* Finanzierungsaktivitäten, etwa die Emission von Obligationen*, wie auch für konzerninterne* Finanzierungsaktivitäten. Zinszahlungen auf Obligationen schweizerischer Unternehmen unterliegen einer Verrechnungssteuer von 35 Prozent. Schweizer Obligationen sind deshalb für die Anlegerinnen und Anleger unattraktiv, obwohl diese Anspruch auf teilweise oder vollständige Rückerstattung der Steuer haben. Diese Rückerstattung bedingt jedoch einen administrativen Aufwand, vor allem aber besteht zwischen der Erhebung und der Rückerstattung der Verrechnungssteuer ein Liquiditätsnachteil*. Deshalb sind Schweizer Obligationen im Vergleich zu ausländischen schwieriger zu platzieren.

Abbildung 1 Schematische Darstellung einer Zinszahlung unter Berücksichtigung der Verrechnungssteuer (Schuldnerprinzip) Ausland

Ausländische Zinserträge

Schuldner Bruttozahlung (sofern keine ausländische Quellensteuer)

/Ausland

CH Zinserträge

Schuldner

Nettozahlung (65%)

Anleger

Steuerabzug
35 %

Steuerbehörde

Rückerstattung (35 %) (DBA ggf. mit Sockel)

Schweizer Konzerne weichen regelmässig der Verrechnungssteuer aus, indem sie ihre Obligationen über eine ausländische Konzerngesellschaft emittieren. Der Emissionsstandort Schweiz ist daher im internationalen Vergleich unattraktiv und unterentwickelt. Dies wirkt sich negativ auf den gesamten Wirtschaftsstandort aus, da auch die mit dem Fremdkapitalmarkt verbundene Wertschöpfung nicht in der Schweiz stattfindet. Daraus ergeben sich negative Auswirkungen für die schweizerische Volkswirtschaft sowie für die Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden.

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Abbildung 2 Durchschnittliches Emissionsvolumen von Obligationen in ausgewählten Ländern (in Prozent des BIP, 2008­2016)

Quelle: Beirat Zukunft Finanzplatz 2018, S. 41

Abbildung 2 zeigt das durchschnittliche Emissionsvolumen von Obligationen in Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für die Schweiz und weitere wichtige ausgewählte Standorte in der Periode 2008­2016. Gemessen an seiner Wirtschaftskraft gehört Luxemburg zu den bedeutendsten Emissionsstandorten weltweit. Aber auch andere Finanzzentren rangieren vor der Schweiz. Der Schweizer Fremdkapitalmarkt ist nicht nur wenig entwickelt, der Trend ist sogar rückläufig. So betrug das Emissionsvolumen im Jahr 2016 gerade noch 55,4 Milliarden Franken und lag damit etwa 44 Prozent unter demjenigen des Jahres 2009. Steuerliche Hindernisse sind ein wichtiger Faktor für das diesbezüglich schwache Abschneiden der Schweiz. Daneben übt auch das regulatorische Umfeld einen Einfluss aus. Ferner können Wechselkurse eine Rolle spielen. Das Emissionsvolumen europäischer Emittenten in der Schweiz hat von 45,9 Milliarden Franken im Jahr 2009 auf 5,6 Milliarden Franken im Jahr 2016 abgenommen. Dieser Trend kann teilweise auch auf die zunehmende Frankenstärke zurückgeführt werden.

Ziel der Vorlage ist eine Stärkung des schweizerischen Fremdkapitalmarkts. Diese wird dadurch erreicht, dass Unternehmen Obligationen zu wettbewerbsfähigen Bedingungen aus der Schweiz emittieren können. Viele andere Staaten erheben keine oder tiefere Quellensteuern* auf Zinserträgen. Um das Ziel zu erreichen, ist es notwendig, dass die Schweiz zumindest für ausländische Anlegerinnen und Anleger auf die Erhebung der Verrechnungssteuer verzichtet. Damit können Schweizer Konzerne ihre Obligationen vermehrt aus der Schweiz emittieren. Unter Umständen werden auch ausländische Konzerne dazu bewogen, dies zu tun.

Auch konzerninterne Finanzierungsaktivitäten werden bisweilen wegen der Verrechnungssteuer nicht in der Schweiz durchgeführt. Das damit verbundene Potenzial an Wertschöpfung, Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen wird nicht ausgeschöpft.

1

Beirat Zukunft Finanzplatz, Erhebliches Entwicklungspotential für den Schweizer Kapitalmarkt, Internationaler Vergleich und Analyse der Möglichkeiten zur Verbesserung der Rahmenbedingungen, April 2018, abrufbar unter: www.efd.admin.ch/dam/efd/ de/dokumente/home/dokumentation/berichte/papier-schweizer-kapitalmarkt%20.pdf.

download.pdf/VR-PK-d.pdf.

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Ziel der Vorlage ist es deshalb auch, den Standort Schweiz für konzerninterne Finanzierungsaktivitäten attraktiver zu machen, indem die heutigen verrechnungssteuerlichen Hindernisse beseitigt werden.

Eine vermehrte Zentralisierung der Konzernfinanzierung in der Schweiz soll zu zusätzlicher Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in den betroffenen Unternehmen führen.

Hinzu kommen positive Effekte für den Finanzplatz Schweiz sowie für die hiesige Rechts- und Unternehmensberatung, mit deren Unterstützung solche Finanzierungen abgewickelt werden. Diese positiven volkswirtschaftlichen Effekte haben Mehreinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden zur Folge.

Auch die Umsatzabgabe* kann sich hemmend auf den schweizerischen Fremdkapitalmarkt auswirken. Sie wird insbesondere auf Transaktionen von Obligationen erhoben, sofern ein inländischer Effektenhändler beteiligt ist. Gerade im aktuellen Tiefzinsumfeld macht sie den Handel mit Obligationen unattraktiv. Dies wirkt sich negativ auf die mit solchen Transaktionen verbundene Wertschöpfung aus, indem beispielsweise statt inländischer ausländische Effektenhändler an der Transaktion beteiligt werden. Ziel des Bundesrates ist es, durch Massnahmen bei der Umsatzabgabe zur Stärkung des schweizerischen Fremdkapitalmarkts beizutragen. Damit wird ein positiver Anreiz gesetzt, im Ausland verwaltetes Wertschriftenvermögen und die damit verbundene Wertschöpfung in die Schweiz zurückzuholen.

Auch die Gewinnsteuer kann sich auf den Fremdkapitalmarkt auswirken. Neben dem allgemeinen Gewinnsteuersatz ist hier der Beteiligungsabzug* zu erwähnen (Ziff. 1.2.1).

Verschiedene Entwicklungen in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass der Bedarf nach einer Reform weiter zugenommen hat: ­

Internationale Entwicklungen haben zu gestiegenen Anforderungen an die Substanz geführt. Daher zentralisieren international tätige Konzerne ihre Finanzierungstätigkeiten immer mehr. Betroffen davon sind die konzernexterne und die konzerninterne Finanzierung (bspw. Treasury*- und Cash-Pooling*Funktionen).

­

Bei Staaten, mit denen die Schweiz den internationalen automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (AIA)* pflegt (2021: mit 102 Staaten aktiviert), wird die Besteuerung für ausländische Anlegerinnen und Anleger bereits durch die Meldung gesichert. Die Erhebung der Verrechnungssteuer stellt bei Anlegerinnen und Anlegern, die gemäss Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)* Anspruch auf Rückerstattung haben, eine Übersicherung dar.

­

Die Bundesversammlung hat in den Jahren 2012 und 2016 Ausnahmen von der Verrechnungssteuer für Zinserträge aus sogenannten Too-big-to-fail-Instrumenten (TBTF-Instrumente*) beschlossen. Diese TBTF-Instrumente stellen bis zu einer allfälligen Wandlung oder Abschreibung Obligationen dar, deren Zinszahlungen ansonsten unter die Verrechnungssteuer fallen würden.

Im Interesse der Finanzstabilität bestand indes ein erhöhtes Bedürfnis, dass diese Instrumente in der Schweiz ausgegeben werden und schweizerischem Recht unterstehen. Die 2016 beschlossene Verlängerung und Ausdehnung der Ausnahme läuft Ende 2021 aus. Der Bundesrat hat daher der Bundesver-

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sammlung mit seiner Botschaft vom 28. Oktober 20202 beantragt, die Ausnahme um weitere fünf Jahre zu verlängern. Die Vorlage ist derzeit in der parlamentarischen Beratung. Diese Spezialregelung führt dazu, dass die TBTF-Instrumente und die übrigen Unternehmensobligationen nicht gleichbehandelt werden. Der Bundesrat strebt daher eine gesamtwirtschaftliche Lösung an.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

1.2.1

Geprüfte Alternativen

a) Aufhebung der Verrechnungssteuer auch bei indirekt erwirtschafteten Zinserträgen Zinserträge können nicht nur direkt (etwa durch das Halten einer Obligation), sondern auch indirekt über eine kollektive Kapitalanlage* (KKA) erwirtschaftet werden.

Heute unterliegen die von einer KKA vereinnahmten schweizerischen Zinserträge dem Verrechnungssteuerabzug. Die inländische KKA hat ihrerseits Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf diesen Zinserträgen und nimmt bei der Gutschrift an die Anlegerinnen und Anleger wiederum einen Abzug vor. Der Abzug trifft sämtliche Anlegerinnen und Anleger und wird in der Regel auf der gesamten Gutschrift (inkl. Zinserträgen) vorgenommen. Dies schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als Standort von KKA, weil ein Rückerstattungsverfahren durchlaufen werden muss, das bei ausländischen Anlegerinnen und Anlegern regelmässig scheitert. KKA werden auch deshalb vergleichsweise selten in der Schweiz aufgelegt.

Ausländische KKA gewärtigen bei der Vereinnahmung von schweizerischen Zinserträgen einen Abzug der Verrechnungssteuer, die sie in der Regel nicht zurückfordern können. Die Gutschrift an die Anlegerinnen und Anleger unterliegt nicht der Verrechnungssteuer.

2

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Abbildung 3 Schematische Darstellung der Ertragshöhe bei in- und ausländischen KKA unter Berücksichtigung der Verrechnungssteuer (heute) CH Zinserträge (100) Ausländische Erträge (500)

Steuerabzug 35

Rückerstattung 35

65 + 500

65 + 500

Ausland

KKA

KKA

Ertrag KKA: 65 + 500 = 565

Ertrag KKA: 65 + 500 + 35 = 600 Steuerabzug 210

390

Rückerstattung 210

(+ 210)

Anleger

565

Aufgrund der vorgeschlagenen Aufhebung der Verrechnungssteuer auf Obligationen werden inländische KKA im Vergleich zu ausländischen noch unattraktiver. Neu werden die ausländischen KKA nicht mehr einen Verrechnungssteuerabzug auf schweizerischen Zinserträgen erfahren. Sie können damit den Zinsertrag an die Anlegerinnen und Anleger ungekürzt gutschreiben.

Abbildung 4 Schematische Darstellung der Ertragshöhe bei in- und ausländischen KKA unter Berücksichtigung der Verrechnungssteuer (mit Befreiung bestimmter Anleger) CH Zinserträge (100) Ausländische Erträge (500)

100 + 500

100 + 500

Ausland

KKA

KKA

Ertrag KKA: 100 + 500 = 600

Ertrag KKA: 65 + 500 + 35 = 600 Steuerabzug 210 Rückerstattung 210

390 (+ 210)

Anleger

600

Der Bundesrat hat deshalb geprüft, ob die via inländische KKA erwirtschafteten Zinserträge, wie bei der Direktanlage, von der Verrechnungssteuer befreit werden sollen.

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Damit würde den Anlegerinnen und Anlegern bei der Anlage via inländische KKA ­ anders als heute ­ der ungekürzte Zinsertrag zufliessen.

Dies würde voraussetzen, dass inländische KKA die Ausschüttung von Zinserträgen als solche erkennbar machen. Aufgrund der Komplexität der Umsetzung verzichtet der Bundesrat auf diese Befreiung. Der damit einhergehende steuerliche Anreiz zur Direktanlage oder zur Anlage via ausländische KKA ist hinzunehmen. Die via KKA erwirtschafteten (Zins-)Erträge unterliegen der Einkommenssteuer, womit der Sicherungszweck* der Verrechnungsteuer bei inländischen KKA unverändert erhalten bleibt.

b) Anpassungen beim Beteiligungsabzug Für den Fremdkapitalmarkt ist auch die Gewinnsteuer für juristische Personen von Bedeutung. Relevant ist neben der allgemeinen Gewinnsteuerbelastung der Beteiligungsabzug.

Der Beteiligungsabzug verhindert die wirtschaftliche Mehrfachbelastung von Unternehmensgewinnen im Konzern. Er mindert die Steuerbelastung der Gesellschaft, die Beteiligungserträge empfängt. Der Beteiligungsabzug fällt umso geringer und damit die Steuerlast auf den Beteiligungserträgen umso höher aus, je mehr Finanzierungsaufwand (= Schuldzinsen) eine Gesellschaft in ihrer Erfolgsrechnung ausweist.

Eine höhere Steuerbelastung ergibt sich auch dann, wenn die Gesellschaft aufgenommene Fremdmittel an andere Konzerngesellschaften weiterleitet. Das kann einen Konzern davon abhalten, Finanzierungsaktivitäten in der Schweiz durchzuführen, oder ihn veranlassen, der höheren Belastung mit aufwendigen Strukturanpassungen zu begegnen.

Bei den TBTF-Instrumenten wird dieser Effekt seit dem 1. Januar 2019 korrigiert.

Gibt die Konzernobergesellschaft einer systemrelevanten Bank solche Instrumente aus und leitet sie die erhaltenen Mittel an eine andere Konzerngesellschaft weiter, so ergeben sich keine Auswirkungen auf den Beteiligungsabzug, d. h. die Steuerbelastung auf den Beteiligungserträgen fällt gleich hoch aus, wie wenn das TBTFInstrument nicht emittiert worden wäre. Diese Anpassung des Beteiligungsabzugs dient der Finanzstabilität. Sie lässt sich mit der besonderen aufsichtsrechtlichen Situation der systemrelevanten Banken begründen, die TBTF-Instrumente zwingend über die Konzernobergesellschaft emittieren müssen. Sie führt aber zu einer unterschiedlichen Behandlung von systemrelevanten
Banken und der übrigen Wirtschaft.

Für eine Anpassung des Beteiligungsabzugs spricht, dass die verbesserten Rahmenbedingungen bei der Verrechnungssteuer die Wettbewerbsfähigkeit bei der Konzernfinanzierung stärken könnten. Dagegen sprechen die Mindereinnahmen für Bund und Kantone.

Im Rahmen der Vernehmlassung hat der Verband SwissHoldings Schätzungen eingebracht, welche Auswirkungen diese Anpassung hätte. Seine Schätzungen basieren auf einer Unternehmensumfrage und auf Berechnungen ausgewählter Kantone.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) ist daraufhin an ausgewählte Kantone gelangt, um die schweizweiten Effekte zu schätzen. Die Kantone wurden gebeten, die Auswirkungen der Anpassung auf die Steuern der Kantone und Gemeinden sowie auf

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die direkte Bundessteuer zu schätzen. Ausgehend von den Ergebnissen aus vier Kantonen (BS, SH, SZ und ZG) wurden die Schätzungen auf die Schweiz hochgerechnet.

Als Hochrechnungsfaktor diente der steuerbare Gewinn vor Beteiligungsabzug, wobei berücksichtigt wurde, dass Gesellschaften, die bereits einen Beteiligungsabzug von 100 Prozent vornehmen können, von der Neuordnung des Beteiligungsabzugs nicht profitieren können. Hochgerechnet auf die Schweiz deuten die Schätzungen auf etwa 80 Millionen Franken Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer hin, wobei die Variation in den Effekten hoch ausfällt, wenn nur von einzelnen statt allen vier Kantonen hochgerechnet wird. Bezüglich der Mindereinnahmen für die Kantons- und Gemeindesteuern ist die Unsicherheit noch grösser. Basierend auf der Bemessungsgrundlage für die direkte Bundessteuer ergab die Hochrechnung für die Kantone und Gemeinden geschätzte Mindereinnahmen von etwa 50 Millionen Franken.

Die Schätzungen sind statisch, das heisst etwaige Verhaltensanpassungen wurden nicht berücksichtigt. Ein höheres Zinsniveau würde auch zu höheren Mindereinnahmen führen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Kantone zu deutlich unterschiedlichen Effekten gelangt sind. Schliesslich ist die Datengrundlage für die Schätzung der Mindereinnahmen bei den Kantons- und Gemeindesteuern im Vergleich zu derjenigen für die direkte Bundessteuer noch weniger belastbar.

Aufgrund der aktuellen finanzpolitischen Situation und mit Blick auf das negative Vernehmlassungsergebnis (Ziff. 2.2) verzichtet der Bundesrat darauf, eine Anpassung des Beteiligungsabzugs vorzuschlagen. Aus Sicht des Bundesrates ist die Spezialregelung für TBTF-Instrumente zwar verfassungskonform; er strebt jedoch mittel- bis langfristig für den Beteiligungsabzug eine gesamtwirtschaftliche Lösung an.3 c) Gleichzeitige Stärkung des Sicherungszwecks Die geltende Verrechnungssteuer weist bei natürlichen Personen im Inland Sicherungslücken auf. Ausländische Kapitalerträge ­ einschliesslich der von Schweizer Konzernen im Ausland emittierten Obligationen (Ziff. 1.1) ­ sind nicht mit der Verrechnungssteuer gesichert, obschon diese Erträge der Einkommenssteuer und die zugrunde liegenden Zinspapiere der Vermögenssteuer unterliegen. Wenn diese Erträge und Zinspapiere nicht ordnungsgemäss deklariert werden,
ergeben sich Steuerausfälle bei Bund, Kantonen und Gemeinden.

Bei solchen Anlagen übernimmt in gewissen Konstellationen der AIA die Sicherungsfunktion. Hält die inländische natürliche Person diese Titel bei einer Bank* in einem Staat, mit dem die Schweiz den AIA durchführt, so ergeht eine Meldung an die Schweiz. Keinerlei Sicherung besteht hingegen, wenn mit dem entsprechenden Staat kein AIA vereinbart wurde oder sich die ausländischen Vermögenswerte in einem Depot bei einer Schweizer Bank befinden.

In der Vernehmlassungsvorlage hatte der Bundesrat vorgeschlagen, ausländische Zinserträge von natürlichen Personen im Inland neu der Verrechnungssteuer zu unterstellen, wenn die Zinspapiere im Depot einer Schweizer Bank liegen. Dies würde

3

Dazu auch Bericht der vom Eidgenössischen Finanzdepartement eingesetzten Expertengruppe, Steuerstandort, S. 31. Bund/Kantone/Wirtschaft/Wissenschaft. Abrufbar unter: www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/65178.pdf.

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zu einer Stärkung des Sicherungszwecks der Verrechnungssteuer führen, ohne die angestrebte Stärkung des Fremdkapitalmarkts wesentlich zu beeinträchtigen. Die Massnahme würde aber eine Neukonzipierung der Verrechnungssteuer auf Zinserträgen bedingen, die neu von den Schweizer Banken erhoben werden müsste (sog. Verrechnungssteuer nach dem Zahlstellenprinzip; nachfolgend: Zahlstellensteuer).

In der Vernehmlassung ist diese Zahlstellensteuer aufgrund ihrer hohen technischen Komplexität und der damit verbundenen Abwicklungsrisiken für die Zahlstellen (insb. Banken) auf Ablehnung gestossen. Der Bundesrat hat daraufhin Alternativen geprüft, mit denen der Sicherungszweck erreicht werden könnte.

­

Eingeschränkte Zahlstellensteuer: Möglich wäre es, die Zahlstellensteuer nur für bestimmte Zinserträge einzuführen. Hier stehen zwei Optionen im Vordergrund: (1) Nur direkt erwirtschaftete Zinserträge von natürlichen Personen im Inland würden der Verrechnungssteuer unterliegen, nicht aber solche aus KKA; (2) nur auf inländischen Zinserträgen von natürlichen Personen im Inland würde die Verrechnungssteuer erhoben. Die Komplexität in der Umsetzung wäre im Vergleich zum flächendeckenden Abzug reduziert, aber immer noch beachtlich. Eine Besicherung nur gewisser Zinserträge verzerrt zudem die Anlageentscheide. Insbesondere aber wäre eine solche Lösung auch mit Blick auf die Stärkung des Sicherungszwecks nicht zielführend.

Steuerunehrliche Anlegerinnen und Anleger könnten weiterhin auf nicht verrechnungssteuerbelastete Anlagen (bei Option 1: indirekte Anlagen; bei Option 2: ausländische Zinspapiere) ausweichen.

­

Meldeverfahren*: Anstelle einer Zahlstellensteuer könnte ein Meldeverfahren eingeführt werden. Dazu könnte beispielsweise das System, das die Schweiz im Rahmen des AIA anwendet, auf inländische Kundenverhältnisse ausgedehnt werden. Alternativ könnte ein neues Meldeverfahren eingeführt werden, beispielsweise indem die Banken den Steuerbehörden eine Kopie des (elektronischen) Steuerauszugs* der inländischen Anlegerinnen und Anleger zukommen lassen. Solche Meldeverfahren hätten gegenüber einem Steuerabzug volkswirtschaftliche Vorteile. Die Liquidität der Anlegerinnen und Anleger würde nicht mehr durch den Abzug der Verrechnungssteuer gebunden.

Ferner könnte mit einem umfassenden Meldeverfahren auch ein grosser Schritt im Bereich der Digitalisierung gemacht werden. Die Einführung eines Meldeverfahrens im Inland würde zu einer Stärkung des Sicherungszwecks führen und könnte bisher steuerunehrliche Anlegerinnen und Anleger dazu bewegen, ihre Vermögensverhältnisse gegenüber den Steuerbehörden offenzulegen (Selbstanzeigen).

Das Parlament beschäftigt sich im Rahmen der parlamentarischen Initiative 19.428 («Verrechnungssteuer. Die Gelder der Sparerinnen und Sparer, der KMU und der Kapitalmärkte sollen nicht mehr in der Bundeskasse parkiert werden») sowie der Standesinitiative des Kantons Bern 19.316 («Finanzdatenaustausch im Inland») ebenfalls mit Meldeverfahren im Inland. Beide Initiativen werden von den vorberatenden Kommissionen den jeweiligen Räten zur Ablehnung empfohlen. Die Kommissionen sind der Ansicht, das Anliegen könne im Rahmen der vorliegenden Reform geprüft werden. Betreffend

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die Standesinitiative 19.316 ist der Ständerat dem Antrag seiner vorberatenden Kommission gefolgt. Die parlamentarische Initiative 19.428 wurde zurückgezogen.

Bei dieser Ausgangslage ist der Bundesrat zum Schluss gelangt, dass sich eine Stärkung des Sicherungszwecks derzeit nicht realisieren lässt. Aus Sicht des Bundesrates kommt dem steuerlichen Bankgeheimnis* im Inland weiterhin eine hohe Bedeutung zu. Dieses hat in der Schweiz eine unverändert wichtige Funktion im Verhältnis zwischen dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern. Es ist Ausdruck der finanziellen Privatsphäre. Der voraussetzungslose Einblick der Steuerbehörden in Bankdaten widerspricht einem liberalen Grundverständnis und kann das Vertrauensverhältnis zum Staat beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund verzichtet der Bundesrat vorliegend darauf, ein Meldeverfahren im Inland vorzuschlagen. Angesichts des schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnisses einer nur teilweisen Besicherung von Zinspapieren sollen Zinsen im Grundsatz von der Verrechnungssteuer befreit werden.

d) Gleichzeitige Stärkung des inländischen Eigenkapitalmarkts Auch der Eigenkapitalmarkt* wird durch die geltende Verrechnungssteuer sowie durch die Emissions-* und die Umsatzabgabe beeinträchtigt. Eine Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen würde auch hier positive volkswirtschaftliche und fiskalische Wirkungen entfalten, indem inländische Beteiligungsrechte (bspw. Aktien) attraktiver würden.

Eine Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Beteiligungserträgen erscheint mit Blick auf den Fiskalzweck* von vornherein ausgeschlossen. Sie wäre mit sehr hohen Mindereinnahmen verbunden und auch aus Standortsicht nicht angezeigt, da viele Staaten eine Quellensteuer auf solchen Erträgen vorsehen (wenn auch nicht in der Höhe von 35 Prozent).

Entsprechend steht eine Senkung des Verrechnungssteuersatzes auf 15 Prozent im Vordergrund. Bei den 15 Prozent handelt es sich um die Residualsteuer*, die die Schweiz bei Streubesitz üblicherweise gemäss DBA definitiv einbehalten kann. Die Anlegerinnen und Anleger mit Streubesitz hätten damit von Anfang an eine Verrechnungssteuerbelastung von 15 Prozent, ohne das Rückerstattungsverfahren durchlaufen zu müssen. Anlegerinnen und Anleger, die Anspruch auf eine tiefere Verrechnungssteuerbelastung haben, weil sie entweder eine massgebliche
Beteiligung besitzen (i. d. R. über 25 Prozent des Kapitals an der ausschüttenden Gesellschaft) oder ungeachtet der Höhe der Beteiligung eine weitergehende Rückerstattungsmöglichkeit besitzen (bspw. Vorsorgeeinrichtungen), müssten weiterhin das Rückerstattungsverfahren in Anspruch nehmen. Sie würden aber von einem im Vergleich zu heute tieferen Erhebungssatz profitieren und damit einen geringeren Liquiditätsentzug erleiden.

Nach Schätzungen von KPMG4 und der ESTV würden aus einer solchen Satzsenkung jährliche Mindereinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Franken (davon 90 % beim Bund und 10 % bei den Kantonen) resultieren. Einerseits käme es zu Mindereinnahmen, weil ausländische Anlegerinnen und Anleger ihren Anspruch auf teilweise oder 4

KPMG, Reform Verrechnungssteuer, Finanzielle Auswirkungen, Mai 2019, abrufbar unter: www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/57548.pdf.

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vollständige Rückerstattung bisweilen nicht geltend machen (sog. Rückerstattungslücke). Die Gründe für die Rückerstattungslücke können vielfältig sein: Nachlässigkeit, Unwissenheit, faktische Unmöglichkeit der Rückerstattung oder Steuerunehrlichkeit.

Andererseits würden Anlegerinnen und Anleger entlastet, die in einem Staat ansässig sind, mit dem die Schweiz kein DBA abgeschlossen hat, und die deshalb keinen Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer haben.

Betreffend Stempelabgaben* stehen die Umsatzabgabe auf inländischen Beteiligungsrechten und die Emissionsabgabe im Vordergrund. Im Rahmen der Umsetzung der parlamentarischen Initiative 09.503 («Stempelsteuer schrittweise abschaffen und Arbeitsplätze schaffen») beantragt die vorberatende Kommission dem Nationalrat, auf die Vorlage einzutreten und den Entwurf 2 anzunehmen (u. a. Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Wertschriften). Der Ständerat will die Beratung des Entwurfs 1 (Abschaffung der Emissionsabgabe) zu dieser Initiative erst dann wiederaufnehmen, wenn der Nationalrat über die Entwürfe 2 und 3 (u. a. Abschaffung der Umsatzabgabe auf sämtlichen ausländischen Wertschriften) befunden hat. Der Bundesrat unterstützt in seiner Stellungnahme vom 18. November 20205 die Abschaffung der Emissionsabgabe im Rahmen des Entwurfs 1.

Der Bundesrat verzichtet vorliegend auf eine Stärkung auch des Eigenkapitalmarkts.

Bei der Verrechnungssteuer weisen die geprüften Massnahmen im Vergleich zu den Massnahmen zugunsten des Fremdkapitalmarkts ein unvorteilhaftes Kosten-NutzenVerhältnis aus. Die vom Bundesrat unterstützte Abschaffung der Emissionsabgabe ist bereits im Parlament hängig.

Auch die Ausgestaltung der Gewinnsteuer kann sich negativ auf die Finanzierungsstruktur der Unternehmen auswirken. Hier zu erwähnen ist die steuerliche Behandlung von Eigenkapital: Um Eigenkapital ähnlich wie Fremdkapital zu behandeln, müsste auf Eigenkapital ein kalkulatorischer Zinsabzug ermöglicht werden (Abzug für Eigenfinanzierung). Im Rahmen der parlamentarischen Beratung des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) hat das Parlament einen Abzug für Eigenfinanzierung auf kantonaler Ebene in das Gesetz aufgenommen. Dieses trat am 1. Januar 2020 in Kraft. Die Regelung ist auf die kantonalen Steuern beschränkt, fakultativ für
die Kantone und kann nur von Kantonen eingeführt werden, die einen Gewinnsteuersatz von rund 18 Prozent einschliesslich der direkten Bundessteuer aufweisen. Dieser Regelung liegt ein politischer Kompromiss zugrunde. In Anbetracht des intensiven politischen Ringens um diese Lösung ist auf Anpassungen zurzeit zu verzichten.

1.2.2

Gewählte Lösung

Aufgrund des dargelegten Handlungsbedarfs beinhaltet die Vorlage im Wesentlichen: ­

5 6

die weitgehende Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinserträgen (zur einzigen Ausnahme s. Ziff. 4.1.2) durch eine Änderung des Verrechnungssteuergesetzes vom 13. Oktober 19656 (VStG), BBl 2020 9427, hier 9434 SR 642.21

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­

die Aufhebung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen durch eine Änderung des Bundesgesetzes vom 27. Juni 19737 über die Stempelabgaben (StG).

Der Reformvorschlag führt zu einer Stärkung des Fremdkapitalmarkts. Der Standort Schweiz bietet wettbewerbsfähige steuerliche Rahmenbedingungen für konzerninterne und -externe Finanzierungen. Damit verbunden sind positive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und auf die Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden. Die kurzfristigen Mindereinnahmen fallen in erster Linie beim Bund an und dürften längerfristig zumindest weitgehend kompensiert werden.

Eine wirksame Stärkung des Sicherungszwecks wäre nur mit einem komplexen neuen Steuerabzugssystem oder mit einer Einschränkung des steuerlichen Bankgeheimnisses zu erreichen. Die Schwächung der Steuersicherung, die die Vorlage mit sich bringt, ist indes hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu relativieren. Bereits im heutigen System sind ausländische Zinsen unbesichert und selbst bei inländischen Zinsen erfüllt die Verrechnungssteuer ihren Zweck im aktuellen Zinsumfeld oft nicht mehr.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 20208 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 angekündigt9 und im Bundesbeschluss vom 21. September 202010 zur Legislaturplanung 2019­2023 aufgenommen.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Bisherige Reformbestrebungen

Der Bundesrat hat in den vergangenen Jahren mehrere Anläufe zu einer Reform der Verrechnungssteuer unternommen. Auch das Parlament sowie Expertinnen und Experten bekräftigen den Handlungsbedarf: ­

7 8 9 10 11

Der Bundesrat hatte bereits 2010 eine Reform der Verrechnungssteuer lanciert. Das Parlament wies die Vorlage indes an den Bundesrat zurück.

Ende 2014 unternahm er einen weiteren Anlauf. Der Reformvorschlag des Bundesrates beruhte auf einem Konzept der Expertengruppe Brunetti.11 Die Vorlage wurde aufgrund des Vernehmlassungsergebnisses und vor dem Hin-

SR 641.10 BBl 2020 1777 BBl 2020 1777, hier 1838 und 1889 BBl 2020 8385, hier 8386 Expertengruppe zur Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie, Schlussbericht, Dezember 2014, abrufbar unter: www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/37585.pdf.

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tergrund der damals hängigen Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre», die das steuerliche Bankgeheimnis in der Verfassung verankern wollte, sistiert.

­

Ende 2018 lieferte eine vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) im Auftrag des Bundesrates eingesetzte Expertengruppe ihren Bericht ab.12 Die Expertengruppe schlug nebst einer Reform zugunsten des Fremdkapitalmarkts zusätzlich die Prüfung von Massnahmen beim Eigenkapitalmarkt vor.

­

Im Rahmen der parlamentarischen Initiative 17.494 («Aufhebung der Verrechnungssteuer auf inländischen Obligationen und Geldmarktpapieren») hat die WAK-N ihre Eckwerte zu einer Reform der Verrechnungssteuer bekanntgegeben.13 Der Bundesrat hat sich in seiner Vernehmlassungsvorlage 2020 stark darauf abgestützt.

­

Im Januar 2020 hat der Beirat Zukunft Finanzplatz dem Bundesrat eine strategische «Roadmap» für die Finanzmarktpolitik unterbreitet.14 Der Beirat empfiehlt darin prioritär eine «steuerliche Entfesselung» des Schweizer Kapitalmarkts. Der Beirat bekräftigte damit seine bereits 2018 publizierten Empfehlungen. Mittelfristig liesse sich über Reformen der Verrechnungssteuer für Eigenkapitalemissionen und der Stempelabgaben zudem die Attraktivität des Schweizer Kapitalmarkts noch deutlich weiter steigern.

­

Die vom Eidgenössischen Finanzdepartement eingesetzte Expertengruppe Bund/Kantone/Wirtschaft teilt den Handlungsbedarf bei der Verrechnungssteuer in ihrem Bericht zur Standortattraktivität.15

2.2

Zusammenfassung und Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Der Bundesrat hat vom 3. April bis zum 10. Juli 2020 eine Vernehmlassung durchgeführt. Es sind 71 Stellungnahmen eingegangen, darunter von allen Kantonen, 8 Parteien und 37 Organisationen. Sechs Vernehmlassungsteilnehmende (SP, Kt. Bern, Kt.

Schwyz, Travail.Suisse, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Städtische Steuerkonferenz) lehnen die Reform primär aus finanzpolitischen Überlegungen oder mit Blick auf den Zeitpunkt ab. Die übrigen Teilnehmenden teilen die Ansicht des Bundesrates, dass im Bereich des Fremdkapitalmarkts Reformbedarf besteht.

12

13 14

15

Empfehlungen zu einer Reform der Verrechnungssteuer, Bericht der vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) eingesetzten Expertengruppe Bund/Wirtschaft/Kantone, Dezember 2018, abrufbar unter: www.efd.admin.ch/dam/efd/de/dokumente/home/ dokumentation/berichte/bericht-verrechnungssteuer.pdf.download.pdf/VS-BE-d.pdf.

Medienmitteilung der WAK-N vom 5. November 2019, abrufbar unter: www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-wak-n-2019-11-05.aspx.

Beirat Zukunft Finanzplatz, Roadmap Finanzplatz Schweiz 2020+, Dezember 2019, abrufbar unter: www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msgid-77790.html.

Abrufbar unter: www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/65178.pdf.

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Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse der Vernehmlassung dargelegt und aus Sicht des Bundesrates gewürdigt. Alle Stellungnahmen und der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung können online eingesehen werden.16 ­

Stärkung des Fremdkapitalmarkts mittels Befreiung ausländischer Anlegerinnen und Anleger sowie inländischer juristischer Personen von der Verrechnungssteuer auf Zinserträgen: Die überwiegende Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt diese Massnahme; viele fordern gleichzeitig eine Reduktion der Komplexität der bundesrätlichen Vorlage.

Die Vernehmlassung hat die Notwendigkeit einer Stärkung des Fremdkapitalmarkts bestätigt. Grundsätzlich ist auch eine Befreiung bestimmter Anlegerinnen- und Anlegergruppen von der Verrechnungssteuer geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Der Bundesrat hält daher an dieser Zielsetzung fest. Die Komplexität der technischen Umsetzung ist allerdings deutlich herabzusetzen.

­

Stärkung des Sicherungszwecks durch einen neuen Verrechnungssteuerabzug auf ausländischen Zinserträgen von natürlichen Personen im Inland: In der Vernehmlassungsvorlage hatte der Bundesrat vorgeschlagen, sämtliche Zinserträge von natürlichen Personen im Inland der Verrechnungssteuer zu unterstellen, neu auch solche aus ausländischer Quelle. Dies würde zu einer Stärkung des Sicherungszwecks führen.

34 Vernehmlassungsteilnehmende (darunter 22 Kantone, die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren [FDK] und 5 Parteien) begrüssen die Massnahme, da dadurch die Steuerhinterziehung bekämpft wird. Zudem führt die Massnahme zu Mehreinnahmen. 37 Vernehmlassungsteilnehmende (darunter die Schweizerische Bankiervereinigung [SBVg], die Economiesuisse und die meisten übrigen Organisationen sowie drei Parteien) stehen der Massnahme kritisch gegenüber oder lehnen sie ab. Hauptkritikpunkte sind die technische Komplexität der Vorlage und der dadurch verursachte unverhältnismässige Aufwand sowie die Schwierigkeiten oder gar die Unmöglichkeit der Umsetzung vor allem bezüglich ausländischer KKA. Die Haftungs- und Abwicklungsrisiken werden als zu hoch eingestuft. Zudem wird geltend gemacht, dass Sicherungsmassnahmen durch ausländische Quellensteuern oder den AIA bestehen und es keine zusätzliche Sicherung durch die Verrechnungssteuer braucht. Es werden verschiedene Alternativen diskutiert oder vorgeschlagen: Ausklammerung bestimmter Zinserträge, Senkung des Steuersatzes, Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinserträgen, Meldeverfahren im Inland.

Aufgrund der hohen Komplexität in der technischen Umsetzung und mangels überzeugender Alternativen zum Verrechnungssteuerabzug (Ziff. 1.2.1) verzichtet der Bundesrat auf die Stärkung des Sicherungszwecks. Inländische Zinserträge werden damit mit einer Ausnahme (Ziff. 4.1.2) auch bei natürlichen Personen im Inland nicht mehr besichert.

16

Abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EFD.

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Der Verzicht auf die Stärkung der Steuersicherung ist zu relativieren, da bereits im heutigen System ausländische Zinserträge unbesichert sind. In Bezug auf inländische Zinserträge resultiert aus dem Entscheid zwar eine Schwächung des Sicherungszwecks, aber im aktuellen Zinsumfeld erfüllt die Verrechnungssteuer diesen Zweck ohnehin nur begrenzt.

­

Steuerliche Gleichbehandlung der direkten Zinsanlage und der indirekten Zinsanlage via KKA: 33 Vernehmlassungsteilnehmende (darunter 22 Kantone, die FDK und drei Parteien) äussern sich grundsätzlich zustimmend zu einer steuerlichen Gleichbehandlung direkter und indirekter Anlagen. Einige Teilnehmende weisen darauf hin, dass die Komplexität eine grosse Herausforderung bei der Umsetzung darstellt. 22 Vernehmlassungsteilnehmende (darunter SBVg, Economiesuisse, Asset Management Association Switzerland und viele andere Organisationen sowie zwei Parteien) stehen der avisierten Gleichbehandlung aus praktischen Gründen kritisch gegenüber. Hauptkritikpunkte sind die schwierige bis unmögliche Umsetzung und die damit einhergehende Komplexität der Vernehmlassungsvorlage. Als Alternativen werden beispielsweise ein umfassendes oder punktuelles Meldeverfahren im Inland, die Befreiung von ausländischen Zinserträgen oder der Verzicht auf die Erhebung der Verrechnungssteuer bei KKA-Gutschriften an die Anlegerinnen und Anleger genannt.

Das Ergebnis der Vernehmlassung betreffend indirekte Anlage ist kontrovers.

Viele Vernehmlassungsteilnehmende geben im Ergebnis einer Reduktion der Komplexität den Vorrang. Der Bundesrat verzichtet daher im Interesse einer einfachen Regelung auf entsprechende Massnahmen (Ziff. 1.2.1).

­

Digitalisierung: Die meisten Kantone, die FDK und eine Organisation fordern eine Rechtsgrundlage, auf welcher der Bundesrat Vorschriften erlassen kann, wie der Verrechnungssteuerabzug zu bescheinigen ist.

Dem Bundesrat ist die Digitalisierung ein wichtiges Anliegen. Aufgrund der nunmehr vorgenommenen Redimensionierung der Vorlage (Ziff. 4) ist eine verpflichtende oder vereinheitlichte Bescheinigung im Rahmen der vorliegenden Reform nicht erforderlich.

­

Aufhebung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen zur Verstärkung des Reformeffekts bei der Verrechnungssteuer: 54 Vernehmlassungsteilnehmende stimmen der Massnahme zu (einzig zwei Parteien und zwei Organisationen lehnen sie ab). Einige verlangen weitergehende Massnahmen im Bereich der Stempelabgaben oder eine Koordinierung der Vorlagen.

Im Rahmen seiner Stellungnahme vom 18. November 2020 zur parlamentarischen Initiative 09.503 unterstützt der Bundesrat die Abschaffung der Emissionsabgabe und die Aufhebung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen. Auf andere Massnahmen im Bereich der Stempelabgaben will der Bundesrat verzichten.

­

Weitere Elemente aus der Vernehmlassungsvorlage: ­ Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, den Anwendungsbereich der Verrechnungssteuer und der Umsatzabgabe auf inländische KKA ausserhalb

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des Kollektivanlagengesetzes vom 23. Juni 200617 (KAG) auszudehnen.

Da er im Rahmen dieser Reform auf Anpassungen bei der Verrechnungssteuer auf inländischen KKA verzichtet (Ziff. 1.2.1), lässt er diese Massnahme ebenfalls fallen. Damit Kongruenz zur Umsatzabgabe besteht, verzichtet er auch hier auf eine entsprechende Anpassung.

Weiter sah die Vernehmlassungsvorlage vor, den Anwendungsbereich der Verrechnungssteuer auf via strukturierte Produkte* erwirtschaftete Zinserträge auszudehnen. Da Zinserträge nunmehr grösstenteils von der Verrechnungssteuer befreit sind, verzichtet der Bundesrat auf diese Massnahme.

Das vom Bundesrat in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagene Beschwerderecht der kantonalen Steuerbehörden im Bereich der Verrechnungssteuer wurde von den Kantonen begrüsst und wird in dieser Vorlage beibehalten.

Der Bundesrat hat in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagen, einen Verrechnungssteuerabzug auf Ersatzzahlungen* zu implementieren.

Drei Vernehmlassungsteilnehmende stehen dem Vorschlag des Bundesrates positiv gegenüber (darunter eine Partei und die SBVg); Ablehnungen gab es keine. Der Bundesrat verfolgt diese Lösung daher weiter.

Im Vorfeld zur Vernehmlassung beantragte die WAK-N eine neue Ausnahmebestimmung für Beteiligungserträge im Konzernverhältnis.

Erträge sollen ab einer Beteiligung von 10 Prozent von der Verrechnungssteuer befreit sein. Das Meldeverfahren für diese Erträge ist abzuschaffen. Der Bundesrat hat diese Massnahme nicht aufgenommen. Neun Vernehmlassungsteilnehmende (vier Parteien und fünf Organisationen) fordern Anpassungen im Bereich der Konzerndividenden, wobei unterschiedliche Vorschläge gemacht werden.

Der Bundesrat ist bereit, das Anliegen aufzunehmen. Er hat gleichzeitig mit der Verabschiedung der vorliegenden Botschaft die Vernehmlassung zur Anpassung der Verordnungen im Bereich der Verrechnungssteuer eröffnet. Darin schlägt er vor, die für das Meldeverfahren notwendige Beteiligungsquote von 20 auf 10 Prozent zu senken. Zudem soll die im internationalen Verhältnis notwendige Bewilligung für das Meldeverfahren neu fünf statt drei Jahre gelten. Dies stellt eine administrative Erleichterung für die Unternehmen und die Steuerbehörden dar.

Die WAK-N hat dem Bundesrat ebenfalls im Vorfeld zur Vernehmlassung die Einführung eines freiwilligen Meldeverfahrens
für natürliche Personen im Inland mit einer Beteiligungsquote von mindestens 10 Prozent beantragt. Auch diese Massnahme hat der Bundesrat nicht aufgenommen. 13 Vernehmlassungsteilnehmende (darunter vier Parteien) fordern eine entsprechende Anpassung. 25 Vernehmlassungsteilnehmende (darunter 22 Kantone und die FDK) sehen keinen Bedarf für die Einführung eines solchen Meldeverfahrens.

SR 951.31

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3

Das EFD erachtet aufgrund des Vernehmlassungsergebnisses eine vertiefte Prüfung dieser Massnahme für angezeigt. Es hat daher eine Arbeitsgruppe unter Einbezug der Kantone eingesetzt. Die Arbeitsgruppe wird ihren Bericht im ersten Semester 2021 fertigstellen. Gestützt darauf wird das EFD das weitere Vorgehen festlegen und dem Bundesrat gegebenenfalls Antrag stellen.

Der Bundesrat hat Massnahmen bei der Gewinnsteuer explizit verworfen und will dies auch mit Blick auf das Vernehmlassungsergebnis weiterhin tun (Ziff. 1.2.1). Zwölf Vernehmlassungsteilnehmende (eine Partei und elf Organisationen) fordern, dass die Reform der Verrechnungssteuer einhergeht mit einer Anpassung des Beteiligungsabzugs. Dreissig Vernehmlassungsteilnehmende (darunter eine Partei und 22 Kantone) lehnen entsprechende Massnahmen ab.

Schliesslich ist der Bundesrat der Ansicht, dass das vorgeschlagene Einsichtsrecht der ESTV in das Transaktionsregister trotz Ablehnung der Hauptbetroffenen, der Schweizer Börse SIX, weiterverfolgt werden soll.

Abklärungen zur ordnungsgemässen Rückerstattung der Verrechnungssteuer im Bereich der Beteiligungserträge und zur Vermeidung des sogenannten Dividend-Strippings sollen erleichtert werden.

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Für die Zinsbesteuerung existieren verschiedene Quellensteuersysteme. Manche Staaten erheben praktisch keine Quellensteuern auf den Zinsen. Zu ihnen gehören in Europa insbesondere die Niederlande, Malta, Liechtenstein oder Norwegen. Diese Länder sind jedoch die Ausnahme. Die EU-Staaten kennen in der Regel ein Quellensteuersystem für die Zinsbesteuerung; die einzelnen Systeme weisen Besonderheiten auf oder sehen je nach steuerlicher Ansässigkeit, nach nutzungsberechtigter Person (natürliche oder juristische Person) oder nach der Art der Einkünfte (Staatsanleihen, Sparzinsen usw.) Ausnahmen vor. Frankreich beispielsweise besteuert Zinszahlungen an nichtansässige Personen gar nicht. In Grossbritannien unterstehen Zinszahlungen an nichtansässige und an ansässige Personen gleichermassen einer Quellenbesteuerung; hingegen werden Bank- und Sparkassenzinsen unabhängig davon, ob sie an ansässige oder nichtansässige Personen gezahlt werden, generell nicht besteuert. Auch die Quellensteuersysteme Deutschlands und Italiens sehen gewisse Ausnahmen vor.

Schweden wiederum wendet das gleiche System an wie die Schweiz, indem es auf den Zahlungen von Bankzinsen an ansässige Personen eine Steuer von 30 Prozent erhebt (zu Sicherungszwecken, Steuergutschrift auf der Einkommenssteuer); nichtansässige Personen sind von der Steuerpflicht befreit.

Zum Thema der Umsatzabgabe bestehen in der Europäischen Union (EU) keine Richtlinien. Gemäss Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 200818 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung 18

ABl. L 46 vom 21.2.2008, S. 11; geändert durch Richtlinie 2013/13/EU, ABl. L 141 vom 28.5.2013, S. 30.

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von Kapital können die Mitgliedstaaten eine pauschal oder nicht pauschal erhobene Steuer auf der Übertragung von Zinspapieren und dergleichen erheben. Die meisten europäischen Staaten machen von diesem Recht jedoch keinen Gebrauch.

Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird in der EU seit mehreren Jahren diskutiert. Den jüngsten Vorschlag für eine EU-weite Finanztransaktionssteuer haben Ende 2018 Deutschland und Frankreich lanciert. Ob und wann eine solche Steuer in der EU eingeführt wird, ist derzeit offen.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Zinserträge aus Obligationen sowie konzerninterne Finanzierung

Wichtigste Ziele der vorliegenden Reform sind eine Stärkung des Fremdkapitalmarkts und die Beseitigung von Hindernissen bei der Konzernfinanzierung (Ziff. 1.1). Der Bundesrat schlägt vor, Zinserträge mit einer Ausnahme (Ziff. 4.1.2) von der Verrechnungssteuer zu befreien. Damit können beide Ziele erreicht werden.

Der Vorschlag des Bundesrates ist im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage technisch weniger komplex (zur diesbezüglichen Kritik Ziff. 2.2). Zudem wird das steuerliche Bankgeheimnis im Inland weiterhin vollumfänglich gewahrt (Ziff. 1.2.1).

Beim Sicherungszweck nimmt der Bundesrat im Vergleich zu heute Abstriche in Kauf (Ziff. 1.2.1). Dies ist mit Blick auf die primären Zielsetzungen notwendig.

Die bestehenden Ausnahmen betreffend Zinserträge aus TBTF-Instrumenten (Ziff. 1.1) werden überflüssig. Die entsprechenden Bestimmungen können daher mit Inkrafttreten der vorliegenden Reform ersatzlos aufgehoben werden. Damit ist sichergestellt, dass die TBTF-Instrumente und die übrigen Unternehmensobligationen gleichbehandelt werden.

4.1.2

Zinsen aus Kundenguthaben natürlicher Personen im Inland bei inländischen Banken und Versicherungsunternehmen

Beibehalten werden soll die Verrechnungssteuer auf Zinserträgen aus Guthaben natürlicher Personen im Inland bei Banken und Sparkassen gemäss Bankengesetz vom 8. November 193419 (BankG) sowie bei Versicherungsunternehmen* gemäss Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 200420 (VAG). Da die Bank oder das Versicherungsunternehmen von Zinsen aus solchen Kundenguthaben* bereits heute die Verrechnungssteuer abliefert, beinhaltet dies keine wesentlich erhöhte Komplexität. Der Zusatzaufwand ergibt sich aus der differenzierten Verrechnungssteuererhebung. So erfolgt der Abzug der Verrechnungssteuer nur noch gegenüber inländischen 19 20

Bankengesetz vom 8. November 1934, BankG, SR 952.0.

Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2004, VAG, SR 961.01.

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natürlichen Personen (inkl. Einzelunternehmen). Alle übrigen Anlegerinnen und Anleger sind von der Verrechnungssteuer befreit. Bei diesen übernimmt in den meisten Fällen der AIA sowie bei Personengesellschaften und juristischen Personen die Buchführungspflicht die Sicherungsfunktion.

Natürliche Personen im Inland können auch bei Unternehmen, die nicht der Aufsicht der FINMA unterstehen, Konten unterhalten (bspw. Mitarbeiterkonten oder Konten bei Baukonsortien), deren Zinsen heute der Verrechnungssteuer unterliegen. Aufgrund der geringen praktischen Relevanz und des erhöhten administrativen Aufwands für die Unternehmen verzichtet der Bundesrat darauf, bei diesen Zinserträgen einen Verrechnungssteuerabzug vorzusehen. Anders als im aufsichtsrechtlichen Bereich ist nicht sichergestellt, dass diese Unternehmen über die nötigen Angaben der Konteninhaberinnen und -inhaber verfügen.

4.1.3

Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen

Als Begleitmassnahme zu den Reformelementen bei der Verrechnungssteuer wird die Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen aufgehoben. Damit wird der Handel in der Schweiz attraktiver, womit der positive Effekt auf den inländischen Fremdkapitalmarkt unterstützt werden kann.

4.2

Umsetzungsfragen

Die vorgeschlagenen Anpassungen im Bereich der Verrechnungssteuer werden Anpassungen auf Verordnungsstufe nach sich ziehen.21 Dasselbe gilt für die Einsicht der ESTV in das Transaktionsregister22 und für die Umsatzabgabe23. Für die Praxis werden die Regelungen auf Stufe Verwaltungsweisungen konkretisiert werden.

Aus derzeitiger Optik könnte die Reform frühestens Ende 2021 vom Parlament verabschiedet werden. Ein Inkrafttreten vor 2024 ist nach Einschätzung des Bundesrates unwahrscheinlich. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Verordnungsanpassungen können erst nach Verabschiedung der Gesetzesvorlage definitiv ausgearbeitet werden.

Diese sind notwendig für die praktische Umsetzung. Die von der Umsetzung der Reform Betroffenen brauchen Zeit für die Implementierung. So müssen die Banken und Versicherungsunternehmen ihre Informationstechnologie anpassen. Aber auch die Kantone müssen ihr Veranlagungssystem überprüfen. Schliesslich ist es für die Kantone am einfachsten, wenn die Anpassungen auf Beginn eines Kalenderjahres in Kraft treten. Das EFD wird die FDK zu gegebener Zeit zum Datum des Inkrafttretens konsultieren.

21

22 23

Vorwiegend betroffen ist die Verrechnungssteuerverordnung, vom 19. Dezember 1966, SR 642.211. Anders als noch in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehen, dürfte eine Anpassung des zusätzlichen Steuerrückbehalts USA nicht mehr nötig sein.

Voraussichtlich betroffen ist die Finanzmarktinfrastrukturverordnung vom 25. November 2015, SR 958.11.

Verordnung vom 3. Dezember 1973 über die Stempelabgaben, SR 641.101.

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Derzeit laufen mehrere parallele Reformen, bei denen ein Zusammenhang mit dieser Vorlage besteht: ­

Der Bundesrat hat dem Parlament beantragt, die Geltungsdauer der Ausnahmen bei der Verrechnungssteuer auf TBTF-Zinsen um fünf Jahre zu verlängern (Ziff. 1.1). Ab dem Inkrafttreten der vorliegenden Reform ist diese Verlängerung nicht mehr nötig (Ziff. 4.1.1).

­

Im Rahmen der Revision des Bankengesetzes (Insolvenz und Einlagensicherung, 20.059) werden unter anderem die steuerlichen Bestimmungen betreffend TBTF-Instrumente angepasst. Die Ausnahmen betreffend die Verrechnungssteuer werden mit der vorliegenden Reform überflüssig.

­

Nebst dem Bankengesetz wird derzeit auch das Versicherungsaufsichtsgesetz revidiert (20.078). Es wird sich zeigen, ob die beiden Vorlagen koordiniert werden müssen.

­

Das Bundesgesetz über die Durchführung von internationalen Abkommen im Steuerbereich (StADG, 20.082) enthält Strafbestimmungen, die sich an die Formulierung des geltenden Verrechnungssteuergesetzes24 anlehnen. Mit dieser Vorlage werden die Strafbestimmungen neu geregelt. Es ist sicherzustellen, dass die Strafbestimmungen des StADG zu gegebener Zeit formal an die geänderten Strafbestimmungen des VStG angepasst werden.

­

Die Bundesversammlung hat im Rahmen der Aktienrechtsrevision unter anderem eine Änderung des VStG beschlossen.25 Die Revision ist noch nicht in Kraft getreten. Die dortige Änderung von Artikel 5 müsste vorliegend in Artikel 5a ergänzt werden.

Das EFD wird in Zusammenarbeit mit den anderen involvierten Stellen dafür sorgen, dass die notwendige Koordination rechtzeitig erfolgt.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Verrechnungssteuergesetz

Ersatz von Ausdrücken In den Kompetenzdelegationen wird ­ wie heute üblich ­ nicht die Erlassstufe («Verordnung»), sondern der Erlassgeber («Bundesrat») bezeichnet.

Mit dem Ersatz des Ausdrucks «Gesellschaft» durch «Kapitalgesellschaft» wird lediglich eine sprachliche Präzisierung vorgenommen. Der materielle Gehalt der Bestimmungen bleibt unverändert.

Mit dem Ersatz des Ausdrucks «Versicherer» durch «Versicherungsunternehmen» wird eine geläufigere Begrifflichkeit gewählt. Der materielle Gehalt der Bestimmungen bleibt unverändert.

24 25

SR 642.21 BBl 2020 5573, hier 5640

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Art. 4

A. Gegenstand der Steuer, I. Kapitalerträge, 1. Regel

Absatz 1 legt den Gegenstand der Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen fest. Neu sind die Arten von Erträgen (Zinsen, Gewinnanteile und sonstige Erträge) direkt bei den einzelnen Steuerobjekten aufgelistet. Die im bisherigen Recht noch enthaltenen Erträge in Form von Renten werden gestrichen, da sie nicht relevant sind.

Erträge aus inländischen Obligationen, Serienschuldbriefen und Seriengülten (Art. 4 Abs. 1 Bst. a bisherigen Rechts) sind nicht mehr als Steuerobjekte aufgeführt. Bei Obligationen und Serienschuldbriefen ergibt sich dies aus der Zielsetzung der Vorlage. Seriengülten dürfen zivilrechtlich seit 2012 nicht mehr ausgegeben werden, weswegen ihre praktische Bedeutung gering ist. Entsprechend schlägt der Bundesrat vor, diese nicht mehr der Verrechnungssteuer zu unterstellen.

Gemäss Buchstabe a unterliegen der Verrechnungssteuer neu lediglich Zinsen und sonstige Erträge aus Kundenguthaben von natürlichen Personen mit Wohnsitz im Inland bei Banken und Versicherungsunternehmen, die der Aufsicht der FINMA unterstellt sind.

Die Definition einer Bank und Sparkasse ergibt sich aus dem Bankengesetz (Art. 1 BankG), jene des Versicherungsunternehmens primär aus dem Versicherungsaufsichtsgesetz (Art. 3 VAG). Hinzu kommen Versicherungsunternehmen, die einer kantonalen Aufsicht unterstehen.

Die vom Verrechnungssteuerabzug betroffenen Kundenguthaben zeichnen sich dadurch aus, dass das von der Anlegerin oder dem Anleger einbezahlte Kapital jederzeit widerrufbar und verfügbar ist, also kein Festgeld und kein fixer Verfall vorliegt.

Bei den Banken und Versicherungen sind diese Guthaben als Fremdkapital verbucht.

Zu diesen Kundendepots gehören beispielsweise Spareinlagen und Lohnkonten bei Banken, Auszahlungskonten* und Prämiendepots* bei Versicherungsunternehmen und dergleichen. Bei Versicherungen gehören auch Erträge im Zusammenhang mit Kapitalisationsgeschäften* dazu.

Banken und Versicherungsunternehmen müssen bereits heute ihre Kundinnen und Kunden kennen. Die Kundenidentifikation erfolgt nach Massgabe der aufsichtsrechtlichen Vorgaben.26 So ist bei der Verrechnungssteuer der zivilrechtliche Wohnsitz der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers massgebend. Dieser stimmt in der Praxis meistens mit dem steuerlichen Wohnsitz überein.

Bei der natürlichen Person im Inland handelt es sich in den meisten
Fällen um eine Privatperson. Darunter wird aber auch die Einzelunternehmerin oder der Einzelunternehmer subsumiert. Auch hier hat demnach ein Abzug zu erfolgen, da nicht ermittelt werden kann, ob es sich um Privat- oder Geschäftsvermögen handelt. Kein Abzug erfolgt gegenüber Personengesellschaftern, da die Abwicklung relativ komplex ist 26

Massgebend ist insbesondere das Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 1997, SR 955.0. Vgl. dazu auch die Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB 20) zwischen der Schweizerischen Bankiervereinigung («SBVg») einerseits und den unterzeichnenden Banken («Banken») andererseits vom 13. Juni 2018 sowie Reglement der Selbstregulierungsorganisation des Schweizerischen Versicherungsverbandes zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (Reglement SRO-SVV), Selbstregulierungsorganisation des Schweizerischen Versicherungsverbandes, 2018.

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(bspw. die Quoten der Personengesellschafter nicht bekannt sind) und bei vielen Personengesellschaften die Steuersicherung durch die Buchführungspflicht sichergestellt werden kann. Bei den übrigen Anlegerinnen und Anlegern (v. a. juristische Personen) steht das Sicherungsbedürfnis nicht im Vordergrund, weshalb dort auf die Verrechnungssteuer verzichtet werden kann. Weitere Sonderformen (Gemeinschaftskonten und dgl.) sind im Rahmen von Praxisanweisungen zu regeln.

Massgebend für den Steuerabzug ist der zivilrechtliche Wohnsitz zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Zinses. Hat die Bank oder das Versicherungsunternehmen mangels Kenntnissen über den Zuzug der Anlegerin oder des Anlegers in die Schweiz oder über die Depotverlegung die Verrechnungssteuer nicht abgezogen, so muss sie dies (bspw. bei rückwirkender Wohnsitzmeldung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers) nachträglich tun. Für die Bank und das Versicherungsunternehmen stellt die Abwicklung solcher Fälle einen leicht erhöhten Aufwand dar, ist technisch aber lösbar.

Hat die Bank oder das Versicherungsunternehmen nach dem Wegzug oder der Depotverlegung noch die Verrechnungssteuer von den Zinsen abgezogen, so stellt sich die Erhebung der Verrechnungssteuer aus Sicht der Anlegerin oder des Anlegers im Nachhinein als falsch heraus. Damit rechtfertigt sich die Stornierung der Erhebung der Verrechnungssteuer. Dies soll in der Verordnung konkretisiert werden.

Die Buchstaben b und c entsprechen dem bisherigen Recht. Es werden lediglich sprachliche Anpassungen und Präzisierungen vorgenommen.

Buchstabe d nimmt neu Ersatzzahlungen auf Erträgen nach den Buchstaben a­c als Steuerobjekt auf.

Ersatzzahlungen sind heute vor allem in zwei Konstellationen anzutreffen: beim Securities Lending and Borrowing sowie bei Cum-Ex-Transaktionen. Im Folgenden werden typische Konstellationen dargestellt.

­

Securities Lending and Borrowing: Die Leihgeberin oder der Leihgeber überträgt der Borgerin oder dem Borger das zivilrechtliche Eigentum an einem Beteiligungsrecht. Das Recht zur Nutzung* verbleibt bei der Leihgeberin oder dem Leihgeber. Die Borgerin oder der Borger gibt die Anlage üblicherweise wiederum weiter. Es sind auch mehrere Aneinanderreihungen möglich (die letzte Person in der Kette wird vorliegend als aktuelle/-r Besitzer/-in bezeichnet). Die Abwicklung erfolgt praktisch ausschliesslich via Banken.

­

Fällt während der Leihdauer ein verrechnungssteuerbelasteter Beteiligungsertrag an, so fliesst dieser Ertrag (sog. originärer Ertrag) an die aktuelle Besitzerin oder den aktuellen Besitzer des Beteiligungsrechts. Diese oder dieser hat den Beteiligungsertrag zu versteuern und hat Anspruch auf Rückerstattung der abgezogenen Verrechnungssteuer. Die Borgerin oder der Borger hat die Leihgeberin oder den Leihgeber für den entgangenen Beteiligungsertrag zu entschädigen. Diese Entschädigung wird als Ersatzzahlung bezeichnet. Technisch erfolgt dies so, dass die Bank der Leihgeberin oder des Leihgebers der Bank der Borgerin oder des Borgers die Ersatzzahlung in Rechnung stellt.

­

Nach bisheriger Praxis stellt die Bank der Leihgeberin oder des Leihgebers 100 Prozent des Ertrages der Borgerin oder dem Borger in Rechnung. Sie hat der Steuerbehörde auf der Ersatzzahlung ebenfalls die Verrechnungssteuer

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abgeliefert. Die Leihgeberin oder der Leihgeber erhält damit eine Ersatzzahlung in Höhe von 65 Prozent des originären Beteiligungsertrags gutgeschrieben und hat grundsätzlich Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer.

Abbildung 5 Schematische Darstellung der bisherigen Praxis zu Securities Lending and Borrowing CH Dividende (CH Unternehmen)

Steuerbehörde

Steuerabzug (35%)

Rückerstattung Rechnung (100%)

Leihgeber Bank

Ausleihe CH Aktie

Nettozahlung (65%)

Borger

Bank

Verkauf CH Aktie

Aktueller Besitzer

Ersatzzahlung (100%) Steuerabzug (35%) Rückerstattung

Steuerbehörde

­

Cum-Ex-Transaktionen: Solche Transaktionen erfolgen bei an der Börse gehandelten Beteiligungsrechten. Gemäss Branchenusanz erfolgt die Übertragung von diesen an der Börse gehandelten Beteiligungsrechten erst zwei Tage nach der Veräusserung. Der Beteiligungsertrag wird derjenigen Vertragspartei gutgeschrieben, die zum Zeitpunkt des Fälligkeitstermins das zivilrechtliche Eigentum daran hat. Zwischen der Veräusserung und der Übertragung verbleibt das zivilrechtliche Eigentum bei der Veräusserin oder beim Veräusserer. Die Abwicklung erfolgt praktisch ausschliesslich über den Zentralverwahrer oder die ihm angeschlossenen Banken.

Fällt zwischen der Veräusserung und der Übertragung ein Beteiligungsertrag an, so wird dieser grundsätzlich der Veräusserin oder dem Veräusserer gutgeschrieben. Diese oder dieser ist nicht diejenige Person, die Anspruch auf den Ertrag hat (Zeitintervall zwischen Veräusserungsdatum und Übertragungsdatum). In diesen Fällen stornieren der Zentralverwahrer oder die diesem angeschlossenen Banken den Ertrag bei der Veräusserin oder dem Veräusserer und schreiben ihn der Erwerberin oder dem Erwerber gut. Dies führt dazu, dass beide Vertragsparteien über einen Beleg verfügen. Eine doppelte Rückerstattung der Verrechnungssteuer ist damit nicht ausgeschlossen. Gemäss bisheriger Praxis wird hier unter dem Titel der Ersatzzahlung eine zweite Verrechnungssteuer erhoben.

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Abbildung 6 Schematische Darstellung der bisherigen Praxis zu Cum-Ex-Transaktionen CH Dividende (CH Unternehmen)

Steuerbehörde

Steuerabzug (35%)

Rückerstattung Nettozahlung (65%)

Käufer Bank

Verkauf (vor Dividende) Lieferung (nach Dividende)

Verkäufer Bank

Ersatzzahlung (65%) Rückerstattung

Steuerabzug (35%)

Steuerbehörde

Die bisherige Praxis im Zusammenhang mit Ersatzzahlungen beruhte auf dem Prinzip der Mehrfacherhebung der Verrechnungssteuer (d. h. auf dem originären Ertrag und der Ersatzzahlung) sowie einer Mehrfachrückerstattung der Verrechnungssteuer (ebenfalls auf dem originären Ertrag und der Ersatzzahlung). Damit wurde verhindert, dass einer einzigen Verrechnungssteuererhebung (auf dem originären Ertrag) eine Mehrfachrückerstattung (auf dem originären Ertrag und der Ersatzzahlung) gegenüberstand.

Das Bundesgericht hat indes mit Urteil vom 21. November 2017 entschieden, dass die bisherige Praxis zwar zu einem sachgerechten Ergebnis führe, für die Erhebung der Verrechnungssteuer auf der Ersatzzahlung jedoch keine genügende Rechtsgrundlage bestehe.27 Dies führt zu Unsicherheiten und Risiken bei der Branche und den Steuerbehörden. Aufgrund mehrerer Belege kann dies dazu führen, dass die Verrechnungssteuer bisweilen mehrfach zurückerstattet wird, obwohl sie nur einmal oder gar nicht erhoben wurde.

Der Bundesrat schlägt vor, die verrechnungssteuerliche Behandlung von Ersatzzahlungen gesetzlich zu regeln. Um nicht ungewollte Lücken zu schaffen, sollen alle Steuerobjekte gemäss Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben a­c erfasst werden, obwohl aus heutiger Optik primär Ersatzzahlungen auf Beteiligungserträgen (Art. 4 Abs. 1 Bst. b) relevant sind.

27

BGE 2C_123/2016

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Neu soll explizit nicht nur auf dem originären Ertrag, sondern auch auf der Ersatzzahlung die Verrechnungssteuer erhoben werden. Dieses System ermöglicht es zumindest weitgehend, dass die Verrechnungssteuer nicht zu Unrecht mehrfach zurückerstattet wird. Gerade im internationalen Verhältnis kann eine mehrfache Rückerstattung nicht ausgeschlossen werden. Zudem wird für natürliche Personen im Inland der Sicherungsweck der Verrechnungssteuer gestärkt. Der Vorschlag trägt dem Anliegen der Branche nach Rechtssicherheit und den Interessen des Fiskus Rechnung.

Die Absätze 2­4 entsprechen Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 9 Absatz 3 bisherigen Rechts. Es werden lediglich sprachliche Anpassungen und Präzisierungen vorgenommen. Die Investmentgesellschaft mit festem Kapital nach Artikel 110 KAG wird bereits heute als Kapitalgesellschaft behandelt (Art. 9 Abs. 3 bisherigen Rechts). Auch die Kommanditaktiengesellschaft gilt zivilrechtlich als Kapitalgesellschaft, was nunmehr auch für die Zwecke der Verrechnungssteuer klargestellt wird.

Vorbemerkung zu den Artikeln 5­5c Der bisherige Artikel 5 regelt sämtliche Ausnahmen von der Steuererhebung. In der Vernehmlassungsvorlage hatte der Bundesrat eine thematische Entflechtung dieses Artikels vorgeschlagen. Obgleich keine neuen Ausnahmetatbestände vorgeschlagen werden, hält der Bundesrat im Interesse der Leserlichkeit an der Entflechtung fest.

Art. 5

2. Ausnahmen, a. Reserven und Gewinne von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften

Die Regelung entspricht Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a und e bisherigen Rechts und regelt ­ mit Ausnahme der Reserven aus Kapitaleinlagen (vgl. Erläuterungen zu Art. 5a) ­ die Ausnahmebestimmungen betreffend Reserven und Gewinne von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften. Es werden lediglich sprachliche Anpassungen und Präzisierungen vorgenommen.

Art. 5a

b. Reserven aus Kapitaleinlagen

Die Bestimmungen zur Rückzahlung von Reserven aus Kapitaleinlagen entsprechen Artikel 5 Absätze 1bis­1sexties bisherigen Rechts. Es werden lediglich sprachliche Anpassungen und Präzisierungen vorgenommen.

Art. 5b

c. Zinsen

Die Regelung entspricht betreffend die Ausnahmebestimmungen für Zinserträge Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben c und d sowie Absatz 2 bisherigen Rechts, soweit die Ausnahmen überhaupt noch nötig sind.

Die in Absatz 1 Buchstabe a enthaltene Ausnahme für Zinsen bis 200 Franken jährlich gilt für sämtliche Zinsen aus Kundenguthaben. Buchstabe b behandelt Zinserträge aus Produkten, die der Vorsorge dienen. Damit unterliegen auch die Zinserträge nach Artikel 7 der Verrechnungssteuer.

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Die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben g­i bisherigen Rechts verankerten Ausnahmen für die übrigen Zinserträge sind nicht mehr nötig, da die Verrechnungssteuer auf Zinserträgen mit Ausnahme der Zinsen aus Kundenguthaben abgeschafft wird.

Absatz 2 entspricht Artikel 5 Absatz 2 bisherigen Rechts und ist beizubehalten.

Art. 5c

d. Kollektive Kapitalanlagen

Die Ausnahmebestimmungen in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b bisherigen Rechts für Erträge aus inländischen KKA nach KAG werden mit sprachlichen Anpassungen und Präzisierungen übernommen.

In der Praxis konnten inländische KKA unter bisherigem Recht auf die Erhebung der Verrechnungssteuer verzichten, wenn das Gesetz für die Direktanlage eine Ausnahme vorsah (insb. betr. TBTF-Instrumente). Da der Bundesrat auf Anpassungen bei Gutschriften aus inländischen KKA verzichtet (Ziff. 1.2.1) und die Ausnahmebestimmungen betreffend TBTF-Zinsen aufgehoben werden (Art. 5 Abs. 1 Bst. g und i bisherigen Rechts), ergibt sich diesbezüglich eine Änderung im Vergleich zum Status quo. Neu ist bei via inländische KKA erwirtschafteten TBTF-Zinsen keine Befreiung mehr möglich. Jedoch dürfte die praktische Bedeutung dieser Konstellation gering sein, da nur wenige TBTF-Zinsen via inländische KKA erwirtschaftet werden. Entsprechend geht damit keine Gefährdung der durch die Ausnahmen bezweckten Finanzstabilität einher.

Art. 7 Abs. 3 Es wird lediglich der Verweis angepasst. Die Auszahlung einer Kapitalleistung aus einer Lebensversicherung unterliegt weiterhin der Verrechnungssteuer.

Art. 9 Abs. 2 und 3 Artikel 9 Absatz 2 bisherigen Rechts ist aufgrund der neuen Definition von Banken und Sparkassen mit Verweis auf das Bankengesetz (Art. 4 Abs. 1 Bst. a) überflüssig und kann aufgehoben werden.

Der Normgehalt von Absatz 3 wurde mit sprachlichen Anpassungen und Präzisierungen in Artikel 4 Absätze 3 und 4 verschoben. Entsprechend kann dieser Absatz aufgehoben werden.

Art. 10

Marginalie: B. Steuerpflicht, I. Steuerpflichtiger

Absatz 1 enthält das unverändert geltende Recht.

Absatz 2 entspricht dem ersten Satz von Absatz 2 bisherigen Rechts. Der Normgehalt des zweiten Satzes wird mit sprachlichen Anpassungen und Präzisierungen in Artikel 15 Absatz 1ter verschoben.

Absatz 3 regelt, welche Person für die Verrechnungssteuer auf Ersatzzahlungen (Art. 4 Abs. 1 Bst. d) steuerpflichtig ist. Demnach ist steuerpflichtig, wer steuerbare Erträge ausbezahlt, überweist, gutschreibt, verrechnet oder vergütet. In der Praxis ist dies in den meisten Fällen eine Bank (auch denkbar sind bspw. Treuhänder/-innen).

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Diese wickelt die Zahlung für die Leihgeberin oder den Leihgeber ab. Entsprechend ist hier die Bank oder Sparkasse der Leihgeberin oder des Leihgebers steuerpflichtig.

Bei Cum-Ex-Transaktionen ist der Zentralverwahrer oder die Bank derjenigen Vertragspartei steuerpflichtig, die die Stornierung veranlasst hat.

Die Vorlage schränkt die Steuerpflicht nicht auf inländische Steuerschuldner ein. Dies geschieht im Wissen darum, dass eine Durchsetzbarkeit bei ausländischen Steuerschuldnern an rechtlichen Hürden scheitern dürfte. Dies ist notwendig, weil auch ausländische Banken Ersatzzahlungen tätigen. In solchen Fällen ist es bei mangelnder Ablieferung der Verrechnungssteuer auf der Ersatzzahlung nach wie vor möglich, dass es zu einer (teilweisen) Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf der Ersatzzahlung kommen kann.

Art. 11 Abs. 2 In diesem Absatz wird lediglich der Begriff «Affidavit» gelöscht, da sich dessen Definition bereits aus dem Gesetzestext ergibt und der Begriff im Gesetz nicht weiterverwendet wird.

Art. 12 Abs. 1 Die Bestimmung entspricht weitgehend dem bisherigen Recht. So wird im Bereich der Gewinne aus Geldspielen sowie aus Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung eine sprachliche Vereinfachung vorgenommen, indem neu auf Artikel 6 geltendes Rechts verwiesen wird. Daraus ergibt sich keine Änderung.

Neu geregelt wird die Entstehung der Steuerforderung im Bereich der Ersatzzahlungen. Hier ist wie bei den originären Erträgen vorgesehen, dass die Steuerforderung entsteht, wenn die Ersatzzahlung fällig wird. Die Ersatzzahlung wird zum gleichen Zeitpunkt fällig wie der originäre Ertrag. Dieser Zeitpunkt ist dem Steuerschuldner (s.

Erläuterungen zu Art. 10 Abs. 3) bekannt.

Art. 13 Abs. 1 Bst. a Die Bestimmung entspricht weitgehend dem bisherigen Recht. Es werden lediglich die Verweisungen an die vorangehenden Änderungen angepasst und sprachliche Vereinfachungen vorgenommen.

Art. 14 Abs. 1 Dieser Absatz regelt die Überwälzung der Verrechnungssteuer auf die Anlegerin oder den Anleger. Materiell ändert sich nichts. Es wird lediglich die Formulierung angepasst, sodass neu auch die Verrechnungssteuer bei Zinsen aus Kundenguthaben erfasst wird. Dies ist notwendig, da ein Abzug nur dann erfolgt, wenn es sich um eine natürliche Person im Inland handelt.

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Art. 15 Abs. 1 und 1bis Absatz 1 entspricht dem bisherigen Recht. Es werden lediglich sprachliche Anpassungen und Präzisierungen vorgenommen. Der Normgehalt von Absatz 1bis entspricht mit sprachlichen Anpassungen und Präzisierungen Artikel 10 Absatz 2 bisherigen Rechts.

Art. 16 Abs. 1 Bst. a und c Buchstabe a entspricht betreffend Fälligkeitstermin der Verrechnungssteuerforderung bei Zinserträgen dem bisherigen Recht. Da neu jedoch ausschliesslich Zinsen aus Kundenguthaben der Verrechnungssteuer unterliegen, schränkt sich der Geltungsbereich der Norm entsprechend ein.

Buchstabe c entspricht dem bisherigen Recht. Es werden lediglich sprachliche Vereinfachungen vorgenommen.

Art. 20a Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 1 Bst. b Diese Bestimmungen entsprechen dem bisherigen Recht. Es werden lediglich sprachliche Vereinfachungen vorgenommen.

Art. 26

(3. Kollektive Kapitalanlagen) und 27 (4. Ausländische Inhaber von Anteilen an inländischen kollektiven Kapitalanlagen)

Diese Bestimmungen entsprechen dem bisherigen Recht. Es werden lediglich sprachliche Präzisierungen vorgenommen.

Art. 28 Abs. 1 und 2 Der bisherige Absatz 1 kann aufgehoben werden, da ausländische Staaten als nicht natürliche Personen keinen Abzug der Verrechnungssteuer auf Kundenguthaben bei Banken und Versicherungsunternehmen mehr gewärtigen; alle übrigen Zinserträge unterliegen nicht der Verrechnungssteuer (s. Erläuterungen zu Art. 4 Abs. 1 Bst. a).

Absatz 2 entspricht weitgehend dem bisherigen Recht. Der Anwendungsbereich wird lediglich auf Kundenguthaben eingegrenzt, da nur noch diese Zinserträge der Verrechnungssteuer unterliegen.

Art. 56

e. Beschwerde an das Bundesgericht

Neu soll neben der antragstellenden Person nicht nur die ESTV zur Beschwerde an das Bundesgericht legitimiert sein. Das betroffene und mit dem konkreten Fall regelmässig enger vertraute kantonale Verrechnungssteueramt soll selbständig zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt sein.

Art. 61­64 Mit Anpassungen redaktioneller Natur sollen die Strafnormen an die heute geltenden Standards angepasst werden. Auch die Kodifizierung der vorsätzlichen und fahrlässi-

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gen Tatbegehung in separaten Bestimmungen und die dafür unterschiedliche Strafdrohung sind eine Anpassung an die heute geltenden Standards. In der Praxis wurden bereits unterschiedliche Strafrahmen für die vorsätzliche und die fahrlässige Begehung angewendet, sodass sich in der Rechtsanwendung keine Änderung ergeben wird.

­

Artikel 61, 62 und 63: Die Artikel werden so umgestellt, dass die Strafandrohung jeweils am Anfang steht.

­

Artikel 61 und 62: Der im bisherigen Recht enthaltene Vorbehalt der Strafbestimmungen des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes vom 22. März 197428 (Art. 14­16 VStrR) wird gestrichen, da dieser rein deklaratorischer Natur ist.

­

Artikel 61 und 62: Die vorsätzliche und die fahrlässige Begehung der Hinterziehung und der Gefährdung der Verrechnungssteuer werden in separaten Absätzen geregelt. Der Strafrahmen bei vorsätzlicher Begehung entspricht dem bisherigen Recht. Der obere Strafrahmen für die fahrlässige Hinterziehung wird auf 10 000 Franken oder, sofern dies einen höheren Betrag ergibt, auf das Einfache der hinterzogenen Steuer oder des unrechtmässigen Vorteils festgesetzt. Für die fahrlässige Gefährdung der Verrechnungssteuer ist neu eine Busse bis 10 000 Franken vorgesehen. Die fahrlässige Tatbegehung wird als strafwürdig erachtet, jedoch nicht im selben Umfang wie die vorsätzliche Begehung. Als oberer Strafrahmen für die fahrlässige Begehung erscheint ein Drittel des Strafrahmens für die vorsätzliche Begehung angemessen. Der obere Strafrahmen für die vorsätzliche Begehung bleibt unverändert.

­

Artikel 64: Absatz 1 Buchstabe b soll in Anwendung des Bestimmtheitsgebots auf den notwendigen Inhalt reduziert werden. Lediglich die Verletzung einer Verfügung soll künftig noch unter Busse gestellt sein. Die übrigen Elemente haben sich als nicht relevant für die Praxis erwiesen und sind deshalb zu streichen. Die Fahrlässigkeit wird neu in den Einleitungssatz aufgenommen, womit der bisherige Absatz 2 nicht mehr nötig ist.

Art. 69 Da Zinserträge aus Obligationen generell nicht mehr der Verrechnungssteuer unterliegen, kann die Ausnahme aufgehoben werden.

Art. 70e

VII. Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Die vorliegende Änderung ist mit ihrem Inkrafttreten auf sämtliche ab diesem Zeitpunkt fällig werdenden Erträge anwendbar. Massgebend ist also nicht der Zeitpunkt der Zahlung, sondern deren Fälligkeit. Dies bedeutet insbesondere, dass nach dem Inkrafttreten der Änderung nur noch fällig gewordene Zinsen aus Kundenguthaben der Verrechnungssteuer unterliegen. Für alle übrigen Zinserträge entfällt bei Fälligkeit nach dem Inkrafttreten der Abzug der Verrechnungssteuer.

28

SR 313.0

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5.2

Bundesgesetz über die Stempelabgaben

Art. 1 Abs. 1 Bst. b Ziff. 1 und 6, Bst. bbis und bter Artikel 1 regelt die der Umsatzabgabe unterliegenden Steuerobjekte.

Neu unterliegt der Handel mit inländischen Obligationen nicht mehr der Umsatzabgabe, weshalb Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 1 bisherigen Rechts aufgehoben wird. Die unverändert der Umsatzabgabe unterliegenden ausländischen Obligationen werden in Absatz 1 Buchstabe bbis erwähnt.

Bei Absatz 1 Buchstabe bter handelt es sich um rein redaktionelle Anpassungen und um eine Anpassung der Verweise.

Art. 13 Abs. 2 Bst. a Ziff. 1, Bst. abis, b und c Artikel 13 definiert die Urkunden, deren Handel der Umsatzabgabe unterliegen. Mit der vorgeschlagenen Aufhebung von Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 1 ist sichergestellt, dass inländische Obligationen nicht der Umsatzabgabe unterliegen. Für die Qualifikation als Effektenhändler sind inländische Obligationen unbeachtlich. Damit dürfte die Zahl der Effektenhändler aber nur geringfügig sinken, da sich zumeist weitere Urkunden im Bestand befinden.

Der zweite Satz von Absatz 2 Buchstabe b ist zu streichen. Die Regelung geht auf nicht mehr geltende Vorschriften zurück und ist daher überflüssig.

In Buchstabe c wird lediglich der Verweis auf Buchstabe abis ergänzt.

Art. 14 Abs. 1 Bst. a, f und g In Buchstabe a werden die inländischen Obligationen gestrichen, da diese nicht mehr Objekt der Umsatzabgabe sind.

Buchstabe f nimmt unter anderem die Ausgabe ausländischer Obligationen von der Umsatzabgabe aus. Nach geltendem Recht ist erforderlich, dass diese Obligationen auf eine fremde Währung lauten. Dieses Erfordernis kann gestrichen werden, da die Währung nicht relevant ist für die Frage, ob es sich um eine in- oder ausländische Obligation handelt. Dafür ist der Sitz der Emittentin massgebend.

In Buchstabe g kann die Ausnahme auf ausländische Geldmarktpapiere beschränkt werden, da inländische Geldmarktpapiere nicht mehr als Objekt der Umsatzabgabe infrage kommen.

Art. 45, Art. 46 Abs. 1 und 1bis sowie Art. 47 Es handelt sich um dieselben Anpassungen wie bei der Verrechnungssteuer (s. Erläuterungen zu den Art. 61­64 VStG).

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5.3

Finanzmarktinfrastrukturgesetz

Art. 77 Abs. 1 Bst. e Der Zugang der ESTV zum Transaktionsregister kann für Transaktionsdaten über Derivatgeschäfte wichtig sein. Diese bereits vorhandenen Daten können insbesondere für Unternehmensprüfungen im Bereich der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben genutzt werden, um die jeweiligen (Gegen-)Parteien zu identifizieren und die korrekte Abwicklung der Steuern sicherzustellen. Im Bereich des Dividend-Strippings können damit ungerechtfertigte Rückerstattungen vermieden werden. Unter früherem Recht konnten bei Banken im Umsatzregister die Gegenparteien von steuerlich motivierten Transaktionen ausfindig gemacht werden. Mit der Schaffung der zentralen Gegenpartei wird nur noch diese im Umsatzregister genannt; die dahinter operierende Gegenpartei bleibt nun verborgen. Für die Steuerbehörde stellt es einen unverhältnismässigen Aufwand dar, in diesen Fällen Amts- oder Rechtshilfe beantragen zu müssen. Dadurch würde die Arbeit der ESTV in diesem Bereich deutlich verzögert.

6

Auswirkungen

6.1

Datenbasis

Basis für die folgende Schätzung der finanziellen Auswirkungen sind Daten der ESTV zu den Eingängen und Rückerstattungen der Verrechnungssteuer, Statistiken der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zum Wertschriftenbestand in- und ausländischer Anlegerinnen und Anleger mit Gegenpartei im In- und Ausland sowie nach Ländern gewichtete, in den Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarte Residualsteuern auf Zinserträgen. Datenbasis ist in der Regel das Jahr 2019. Die Schätzung beinhaltet keine Hochrechnung auf das zukünftige Einnahmenniveau der Verrechnungssteuer, sondern bezieht sich auf das Verrechnungssteueraufkommen von 2019.

Die ESTV hatte im Vorfeld zur Vernehmlassung BAK Economics damit beauftragt, die längerfristigen dynamischen Effekte einer umfassenden Reform der Verrechnungssteuer und der Abschaffung der Stempelabgaben (mit Ausnahme der Stempelabgabe auf Versicherungsprämien) zu untersuchen.29 Die Studie wurde für die Schätzung der Effekte ebenfalls herangezogen.

Die Mindereinnahmen bei der Verrechnungssteuer fallen zu 90 Prozent, diejenigen bei der Umsatzabgabe vollständig beim Bund an. Die Effekte bei der Einkommensund Gewinnsteuer fallen bei Bund sowie Kantonen und Gemeinden an. Die Effekte bei der Einkommens- respektive der Vermögenssteuer fallen vornehmlich respektive ausschliesslich bei den Kantonen und Gemeinden an.

Bezüglich sämtlicher Komponenten der geschätzten Effekte bestehen Unsicherheiten, die zum einen auf die unvollständige Datenlage und zum anderen auf das Zinsniveau zurückzuführen sind. Erstens können mangels Daten einige Bausteine der Reform gar 29

BAK Economics, Volkswirtschaftliche Auswirkungen einer Reform der Stempelabgaben und Verrechnungssteuer, Studie im Auftrag der Eidgenössischen Steuerverwaltung, Juni 2019, abrufbar unter: www.bak-economics.com/fileadmin/documents/reports/ BAK_Economics_Wirkungsanalyse_Reform_Stempelabgabe_Verrechnungssteuer.pdf.

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nicht quantifiziert werden. Zweitens mussten für diejenigen Bestandteile, bei denen die Datenlage begrenzt ist, eine Reihe kritischer Annahmen getroffen werden. Drittens werden die Mindereinnahmen automatisch zunehmen, wenn das Zinsniveau steigt. Viertens konnten nicht alle potenziellen Verhaltensanpassungen modelliert werden. Fünftens gehen die Schätzungen vom Niveau des Verrechnungssteueraufkommens vor dem Ausbruch der Covid-19-Krise aus und bilden deshalb deren mögliche Effekte nicht ab.

6.2

Auswirkungen auf den Bund

Bezüglich der finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind drei Reformeffekte zu unterscheiden: einmalige kurzfristige (betr. Verrechnungssteuer), wiederkehrende statische (betr. Verrechnungssteuer und Umsatzabgabe) und längerfristige dynamische Effekte (betr. Verrechnungssteuer, Einkommens-, Gewinn- und Vermögenssteuern).

6.2.1

Einmalige kurzfristige Effekte

Die Rückerstattung der Verrechnungssteuer an die Anlegerinnen und Anleger30 kann bis zu drei Jahre nach Fälligkeit der Leistung beantragt werden. Dies bedeutet, dass im ersten Jahr nach Inkrafttreten der Reform (und mit abnehmender Tendenz in den beiden folgenden Jahren) noch Rückerstattungsanträge eingehen werden und zeitgleich von Zinserträgen (ausser von Zinsen aus Kundenguthaben31) keine Verrechnungssteuer mehr abgezogen wird.32 Diese Reformeffekte sind einmalig und auf drei Jahre befristet. Sie können durch in der Vergangenheit gebildete Rückstellungen aufgefangen werden. Die geschätzten Effekte sind in Tabelle 1 ausgewiesen.

Bei ausländischen Anlegerinnen und Anlegern wurde unterstellt, dass 32 Prozent der Rückerstattungen noch in derselben Periode (t) erfolgen, 43 Prozent sich auf das 30

31

32

Die Schätzung zu den ausländischen Anlegerinnen und Anlegern bezieht sich auf sämtliche Anlegergruppen, d. h. ausländische Privatanlegerinnen und -anleger, ausländische juristische Personen und ausländische KKA.

Da die Schätzungen zu den finanziellen Auswirkungen der Reform der Verrechnungssteuer mit Hilfe von Aggregatdaten erfolgen, wird der Umstand, dass bei Zinsen aus Kundenguthaben auf Zinsen bis 200 Franken keine Verrechnungssteuer erhoben wird, nicht berücksichtigt. Daraus folgt, dass die ermittelte Rendite für Kundenguthaben wohl etwas zu tief angesetzt ist. Da die Rendite für die Ermittlung der Residualsteuer relevant ist, sind auch die Mindereinnahmen aus dem Verlust an Residualsteuer wohl etwas zu tief angesetzt.

Im heutigen System greift die Verrechnungssteuer auf Ebene der KKA. Inländische KKA können eine Rückerstattung beantragen. Bei ausländischen KKA scheitert die Rückerstattung oft an praktischen oder rechtlichen Hürden. Infolge der Reform der Verrechnungssteuer wird der Zinsertrag, der in die KKA fliesst, auf Ebene KKA von der Verrechnungssteuer befreit. Bei inländischen KKA ergibt sich lediglich ein Liquiditätseffekt, bei ausländischen KKA ein einmaliger kurzfristiger (und auch ein wiederkehrender statischer) Effekt. Der einmalige kurzfristige Effekt ist in den Zahlen der Tabelle 1 bei den ausländischen Anlegerinnen und Anlegern in ausländische KKA enthalten.

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Vorjahr (t­1) beziehen und sich die restlichen 25 Prozent etwas stärker auf die Periode t­2 (14 %) als auf die Periode t­3 (11 %) verteilen.33 Bei inländischen juristischen Personen einschliesslich inländischer KKA34 wird der Anteil der noch in derselben Periode erfolgten Rückerstattungen auf 55 Prozent geschätzt; auf die Vorperiode entfallen 40 Prozent und die restlichen 5 Prozent auf die Perioden t­2 und t­3.35 Die Basis für inländische natürliche Personen wurde im Vergleich zu derjenigen für juristische Personen leicht nach unten korrigiert, da bei dieser Gruppe Zinsen aus Kundenguthaben verrechnungssteuerpflichtig bleiben. Bezüglich des Rückerstattungsmusters wird bei inländischen natürlichen Personen unterstellt, dass sämtliche Rückerstattungen in späteren Perioden erfolgen, wovon 70 Prozent auf die Vorperiode, 25 Prozent auf t­2 und 5 Prozent auf t­3 entfallen.36 Die auf Basis des Rückstellungsmusters geschätzten Werte wurden bei inländischen natürlichen Personen und bei ausländischen Anlegerinnen und Anlegern leicht reduziert, um den Umstand Rechnung zu tragen, dass nicht jede Rückerstattungsberechtigung tatsächlich in eine Rückerstattung mündet.37

33 34 35

36

37

Die prozentuale Verteilung ergibt sich aus einer Auswertung der Rückerstattungsanträge ausländischer Antragstellerinnen und -steller ab dem Jahr 2007.

Wenn im Folgenden von inländischen juristischen Personen die Rede ist, sind inländische KKA miteingeschlossen, obgleich sie oftmals nicht als juristische Person geführt werden.

Die Basis, auf die sich das Rückerstattungsmuster bezieht, wurde anhand der Verrechnungssteuereingänge auf Zinserträgen von etwa 2,2 Milliarden Franken hergeleitet.

Davon wurde der Anteil, der auf inländische juristische Personen entfällt, mittels der Annahme geschätzt, dass dieser dem Anteil juristischer Personen an der jeweiligen Anlagekategorie entspricht. Dieser Anteil wurde wiederum anhand von SNB-Daten hergeleitet, aus welchen berechnet werden kann, wie stark einzelne Anlegegruppen in den einzelnen Anlagekategorien (Aktien, Obligationen, Bargeld und Kundenguthaben sowie KKAAnteile) investiert sind. Der Anteil juristischer Personen an der gesamten Rückerstattung belief sich in den betrachteten Perioden auf etwas mehr als 50 Prozent. Die andere Hälfte entfiel in geringerem Masse auf inländische natürliche Personen sowie auf ausländische Anlegerinnen und Anleger. Datengrundlage für die Schätzung sind SNB-Daten zum Wertschriftenbestand ausländischer Anlegerinnen und Anleger, finanzieller und nicht finanzieller Unternehmen sowie (inländischer) privater Haushalte.

Das Muster ergibt sich aus dem Rückerstattungen vergangener Jahre. Einige wenige Kantone sehen die Möglichkeit einer separaten Rückerstattung vor. Dieser Effekt wurde bei der Abbildung des Rückstellungsmusters bei inländischen natürlichen Personen vernachlässigt. Er ist quantitativ nicht bedeutsam.

Die Gründe, aus denen manche Anlegergruppen von ihrem Recht keinen Gebrauch machen, sind vielfältig. Bei juristischen Personen wurde indes unterstellt, dass diese von ihrer Rückerstattungsberechtigung vollständig Gebrauch machen.

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In der Summe werden die einmaligen kurzfristigen Mindereinnahmen auf etwas mehr als 1 Milliarde Franken geschätzt.38 Davon entfallen etwa zwei Drittel auf inländische juristische Personen, der Rest mehrheitlich auf ausländische Anlegerinnen und Anleger. Bei inländischen natürlichen Personen fällt der temporäre Effekt vergleichsweise tief aus, da diese vergleichsweise wenige inländische Obligationen halten.

Mangels Daten nicht geschätzt wurden potenzielle Mehreinnahmen aus der vorgeschlagenen Erfassung von Ersatzzahlungen, die neu gesetzlich der Verrechnungssteuer unterstellt werden, während die Rückerstattungen (teilweise) in späteren Perioden anfallen.

Tabelle 1 Zusammenfassung der geschätzten einmaligen kurzfristigen Effekte (Mio. Fr.)

Zinserträge / Personenkreis

Prozentsatz Rückerstattung in einem späteren Jahr als dem Jahr der Steuererhebung (Annahme)

einmaliger kurzfristiger Effekt (Mio. Fr.)

Ausländische Anleger/-innen

68 %

­ 291

Inländische juristische Personen und KKA

45 %

­ 662

Inländische natürliche Personen

100 %

­ 85

Pro memoria: Ersatzzahlungen

Mehreinnahmen nicht quantifizierbar

Summe

­1038

38

Neben dem hier verwendeten Ansatz, der Rückerstattungsquoten nach Personengruppe und Anlagekategorie differenziert, wurde der einmalige kurzfristige Effekt alternativ mit einem etwas aggregierteren Ansatz mit Hilfe von Daten der ESTV geschätzt. Diese Variante wurde in der Vernehmlassungsvorlage verwendet und unterscheidet sich lediglich in der Datengrundlage (Daten der Verrechnungssteuerstatistik versus SNB-Daten), nicht aber in der Methodik vom in Tabelle 1 genutzten Verfahren. Bei Nutzung der Daten aus der Verrechnungssteuerstatistik wurde der prozentuale Anteil der jeweiligen Gruppe an der gesamten Rückerstattung über alle Anlagearten hinweg ermittelt. Die mit dieser Datengrundlage ermittelten temporären Mindereinnahmen belaufen sich auf etwa 1,2 Milliarden Franken und liegen nicht allzu weit von der im Text erwähnten Schätzung entfernt.

Implizite Annahme des aggregierten Ansatzes ist, dass die betrachteten Anlegerinnenund Anlegergruppen eine sehr ähnliche Portfoliostruktur aufweisen. Dies ist nur bedingt der Fall, da z. B. private Haushalte vergleichsweise wenige inländische Obligationen halten. Aus diesem Grund liegen bei Nutzung der beiden Datengrundlagen die Summen des einmaligen kurzfristigen Effekts nicht weit auseinander, wohl aber bestehen bezüglich der Verteilung auf einzelne Anlegerinnen- und Anlegergruppen Unterschiede. Im Vergleich zu den in Tabelle 1 abgebildeten Schätzwerten resultieren aus der Nutzung der Verrechnungssteuerstatistik anstelle der SNB-Daten höhere Mindereinnahmen bei inländischen natürlichen Personen, im Gegenzug aber tiefere Mindereinnahmen bei inländischen juristischen Personen.

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6.2.2

Wiederkehrende statische Effekte

Die Reform führt zu wiederkehrenden statischen Mindereinnahmen, da Zinserträge für vormals belastete Anlegerinnen und Anleger nunmehr nicht mehr der Verrechnungssteuer unterliegen. Es sind dieselben Anlagekategorien und Anlegerinnen- und Anlegerkreise wie bei den einmaligen kurzfristigen Effekten betroffen. Tabelle 2 weist die geschätzten wiederkehrenden statischen Effekte aus.

Da neu Zinserträge für ausländische Anlegerinnen und Anleger von der Verrechnungssteuer ausgenommen werden, ergeben sich aus der wegfallenden Residualsteuer ­ bezogen auf das Verrechnungssteueraufkommen von 2019 ­ Mindereinnahmen in der Höhe von schätzungsweise 92 Millionen Franken pro Jahr.

Darüber hinaus fallen weitere Mindereinnahmen an, da davon auszugehen ist, dass ein gewisser Prozentsatz der heute rückforderbaren Verrechnungssteuer auf Zinserträgen bisher nicht geltend gemacht wurde. Im Zeitraum von 1995 bis 201639 betrug die durchschnittliche Rückerstattungsquote (über alle Anlagekategorien und Anlegerkreise) etwa 84 Prozent; die geschätzte Rückerstattungsberechtigung für ausländische Anlegerinnen und Anleger betrug für Zinserträge im Jahr 2019 rund 440 Millionen Franken. Wenn 16 Prozent des rückforderbaren Betrags nicht zurückgefordert werden, resultieren daraus Mindereinnahmen in Höhe von 70 Millionen Franken.

Bei inländischen juristischen Personen wird unterstellt, dass diese heute fristgerecht eine Rückerstattung beantragen. Auch dann können sich aber Liquiditätseffekte einstellen, da zwischen der Erhebung und der Rückerstattung einige Zeit vergeht. Im aktuellen Zinsumfeld, in welchem aufgrund von Negativzinsen Anlegerinnen und Anleger mit der Rückerstattung zuwarten könnten, ist der Effekt vernachlässigbar.

Selbst in einem normalisierten Zinsumfeld dürften sich die jährlichen Mindereinnahmen aus dem neu entstehenden Liquiditätsnachteil des Bundes lediglich auf einen zweistelligen Millionenbetrag belaufen.

Tabelle 2 Zusammenfassung der geschätzten wiederkehrenden statischen Effekte auf die Verrechnungssteuereinnahmen (Mio. Fr.)

Zinserträge / Personenkreis

Aufkommenseffekt (Mindereinnahmen in Mio. Fr. gegenüber dem Status quo)

Ausländische Anleger/-innen: Verlust an Residualsteuer

­ 92

Ausländische Anleger/-innen: nicht zurückgeforderte Verrechnungssteuer

­ 70

Inländische juristische Personen (Liquiditätseffekt)

0

Inländische natürliche Personen (Liquiditätseffekt)

0

39

Es wurde nur der Zeitraum bis 2016 gewählt, da aufgrund von Negativzinsen Anlegerinnen und Anleger mit der Rückerstattung zuwarten könnten und die Rückerstattungsquoten der letzten Jahre somit nach unten verzerrt sein könnten.

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Zinserträge / Personenkreis

Inländische natürliche Personen: nicht zurückgeforderte Verrechnungssteuer

Aufkommenseffekt (Mindereinnahmen in Mio. Fr. gegenüber dem Status quo)

­ 10

Pro memoria: Ersatzzahlungen

Mehreinnahmen nicht quantifizierbar

Summe

­172

Bei inländischen natürlichen Personen unterliegen Zinserträge (Ausnahme: Zinsen aus Kundenguthaben sowie aus indirekt gehaltenen Anlagen) nicht mehr der Verrechnungssteuer. Da zwischen der Erhebung und der Rückerstattung der Verrechnungssteuer (mindestens) ein Jahr vergeht, resultiert ein Liquiditätseffekt. Dieser ist aber im aktuellen Zinsumfeld vernachlässigbar.

Dagegen entstehen Mindereinnahmen bei der Verrechnungssteuer, soweit diese bisher nicht zurückgefordert wurde. Die Höhe der Mindereinnahmen hängt massgeblich vom Anteil der bisher nicht deklarierten inländischen Zinspapieren ab. Gemäss Daten der SNB hielten private Haushalte im Jahr 2018 inländische Schuldtitel in einem Volumen von knapp 30 Milliarden Franken. Unterstellt man eine Rendite von etwa 1 Prozent auf diesen Anlagen, resultiert hieraus gesamthaft ein Kapitalertrag von knapp 300 Millionen Franken. Auf Basis dessen wird das Verrechnungssteuervolumen bei inländischen Zinspapieren von privaten Haushalten auf knapp 100 Millionen Franken geschätzt.

Würden diese Erträge vollständig nicht deklariert, so würden die Mindereinnahmen der Verrechnungssteuer diesen knapp 100 Millionen Franken entsprechen. Da die vollständige Nichtdeklaration keine realistische Annahme darstellt, wurden Sensitivitätsanalysen durchgeführt, bei denen der Anteil bisher nicht deklarierter inländischer Zinspapiere zwischen 1 Prozent und 20 Prozent schwankt. Daraus ergeben sich potenzielle Mindereinnahmen von 1 bis 20 Millionen Franken pro Jahr. Der Bundesrat hat keine Kenntnis darüber, wie hoch der Anteil der bisher nicht deklarierten Vermögenserträge ist, sodass die Schätzungen zu den statischen wiederkehrenden Effekten auf einem nicht deklarierten Anteil von 10 Prozent basieren. Basierend auf dieser Annahme wird die Höhe der Mindereinnahmen auf 10 Millionen Franken geschätzt (siehe Tabelle 2).

Von denjenigen Personen, die bisher verrechnungssteuerpflichtige Zinserträge nicht deklariert haben, sind aber keine zusätzlichen Mindereinnahmen bei der Einkommens- und Vermögenssteuer zu erwarten. Bei den geschätzten Mindereinnahmen in Tabelle 2 handelt es sich um eine statische Schätzung, die nicht berücksichtigt, dass sich die Anlegerinnen und Anleger an die neue Situation anpassen könnten (siehe dazu Ziff. 6.2.3).

Neben den Massnahmen bei der Verrechnungssteuer
wird die Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen aufgehoben. Die Höhe des Aufkommens aus dem Handel mit inländischen Obligationen ist der ESTV nicht bekannt. Um die Effekte zu schätzen, hat die ESTV im Jahr 2020 eine Umfrage bei Banken durchgeführt. Diese schlüsselt die Ablieferungen der Banken in KKA, Beteiligungsrechte und Obligationen auf, wobei bei sämtlichen Kategorien nochmals unterschieden wurde, ob es sich um aus- oder 40 / 60

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inländische Anlagen handelt. Auf Basis der im Jahr 2020 durchgeführten Umfrage werden die Mindereinnahmen aus einer Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen auf etwa 25 Millionen Franken geschätzt.

In der Summe werden die wiederkehrenden statischen Mindereinnahmen aus einer Reform der Verrechnungssteuer und der Aufhebung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen auf etwa 195 Millionen Franken geschätzt, wobei die Verrechnungssteuerreform mit 170 Millionen den Grossteil ausmacht. In einem Umfeld mit höheren Zinsen würden auch die Mindereinnahmen höher ausfallen.

6.2.3

Längerfristige dynamische Effekte

Die Reform ermöglicht es inländischen Konzernen, ihre Obligationen zu besseren Rahmenbedingungen aus der Schweiz heraus zu emittieren. Gleichzeitig entfallen auch die heutigen verrechnungssteuerlichen Hindernisse für die konzerninterne Finanzierung. Hinzu kommen positive Effekte für den Finanzplatz Schweiz sowie für die hiesige Rechts- und Unternehmensberatung, mit deren Unterstützung solche Finanzierungen abgewickelt werden. Diese positiven volkswirtschaftlichen Effekte führen zu Mehreinnahmen beim Bund, bei den Sozialversicherungen sowie bei den Kantonen und Gemeinden.

Die ESTV hat im Vorfeld zur Vernehmlassung BAK Economics damit beauftragt, die längerfristigen dynamischen Effekte einer umfassenden Reform der Verrechnungssteuer und einer Abschaffung der Stempelabgaben (mit Ausnahme der Abgabe auf Versicherungsprämien) zu untersuchen. BAK Economics hat neben einer gleichzeitigen Umsetzung beider Reformelemente auch ein zweistufiges Szenario analysiert.

Darin würden zuerst die fremdkapitalbezogenen Elemente der Reform und in einem zweiten Schritt ab dem vierten Jahr zusätzlich die eigenkapitalbezogenen Elemente umgesetzt. Wenngleich der Analyse eine weitergehende Reform des Fremdkapitalmarkts zugrunde gelegt war als die vorliegende Reform, bietet sie doch nützliche Hinweise zu den längerfristigen dynamischen Effekten der Reform.40 Abbildung 7 weist die realen BIP-Wirkungen der Reform infolge der Stärkung der Standortattraktivität im Vergleich zu einem Szenario ohne Reform aus.41 Im Vergleich zur Fortführung des Status quo läge das reale BIP nach zehn Jahren etwa 0,7 Prozent höher und nach fünf Jahren etwa 0,5 Prozent höher.

40

41

Die von BAK Economics analysierte Reform der Verrechnungssteuer war insofern weitergehend, als Gutschriften aus inländischen KKA nicht mit der Verrechnungssteuer besichert worden wären. Des Weiteren hätte sie eine Abschaffung der Umsatzabgabe auf sämtlichen (und nicht nur auf inländischen) Obligationen vorgesehen.

BAK Economics identifiziert drei Kanäle, über die die Anpassungsprozesse laufen: Mit grossem Abstand am bedeutendsten ist der Standortkanal. Daneben wird ein Investitionskanal (die Finanzierungsbedingungen bereits in der Schweiz operierender Unternehmen verbessern sich) sowie die Reallokation von Mitteln aus dem öffentlichen hin zum privaten Sektor (Budgetinzidenz) identifiziert.

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Abbildung 7 Standortwirkungen einer Stärkung des Fremd- und Eigenkapitalmarkts

Quelle: BAK Economics, 2019, S. 67

Wird davon ausgegangen, dass eine proportionale Beziehung zwischen der BIPEntwicklung und den Fiskaleinnahmen besteht ­ dies ist eine zentrale Annahme, die der Schuldenbremse zugrunde liegt ­, so sollten die Fiskaleinnahmen des Bundes fünf Jahre nach der Reform ebenfalls 0,5 Prozent und zehn Jahre nach der Reform 0,7 Prozent höher ausfallen als ohne Reform. Die Fiskaleinnahmen des Bundes betrugen im Jahr 2020 rund 67 Milliarden Franken, sodass fünf Jahre nach der Reform ein zusätzliches Einnahmenpotenzial von etwa 350 Millionen Franken beim Bund resultieren könnte. Somit könnte die Reform nach etwa vier bis fünf Jahren auch auf Ebene des Bundes selbstfinanzierend sein. Die zusätzlichen Einnahmen entstünden hauptsächlich bei der Gewinn-, der Einkommens- und der Mehrwertsteuer.

Einschränkend ist zu erwähnen, dass BAK Economics eine weitergehende Stärkung des Fremdkapitalmarkts betrachtet hat und dass die Ergebnisse der Untersuchung von einer Vielzahl von Annahmen abhängen.42 Des Weiteren sind für die Attraktivität des Schweizer Kapitalmarkts auch der Bedarf an Schweizerfranken und die Konditionen der Refinanzierung relevant. Nicht zuletzt aufgrund des erstarkten Frankens haben sich ausländische Schuldner mit Franken-Emissionen in den letzten Jahren zurückgehalten. Auch wurden Anpassungsreaktionen mit Blick auf die Steuerehrlichkeit vernachlässigt. Grundsätzlich können sich infolge des Wegfalls des Sicherungszwecks Mindereinnahmen infolge nicht aufgedeckter Steuerhinterziehung bei inländischen juristischen Personen ergeben. Dieser Effekt dürfte aufgrund der Buchführungspflicht beziehungsweise des Massgeblichkeitsprinzips* allerdings gering ausfallen.

42

BAK Economics, 2019, S. 61­64

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Gewichtiger dürften dagegen die Anpassungsreaktionen natürlicher Personen bei Zinsanlagen sein. Die Reform führt zu einer Schwächung des Sicherungszwecks.

Diese Schwächung hat auch negative Rückwirkungen auf die Einkommens- und Vermögenssteuer. Aus Sicht inländischer natürlicher Personen bestünde eine Option darin, ihr Portfolio umzustrukturieren und vornehmlich Erträge aus nicht mit Verrechnungssteuer besicherten Anlagen (neu: inländische Obligationenzinsen) zu vereinnahmen. In diesem Fall ist eine korrekte Deklaration der Einkünfte nicht sichergestellt, wenngleich die Kundenbeziehung im Inland verbleiben kann.

Es ist wahrscheinlich, dass die negativen Anreize im Hinblick auf eine korrekte Deklaration nicht stark wirken ­ zumindest solange das Zinsniveau auf dem derzeitig tiefen Stand verharrt. Des Weiteren besteht bereits heute die Möglichkeit, Erträge aus nicht mit der Verrechnungssteuer belasteten Anlagen zu vereinnahmen und diese bei der Deklaration zu verschweigen. Dies kann durch eine Anlage im Inland oder in einem Staat geschehen, mit dem die Schweiz keinen AIA durchführt. Dem Nachteil aus der Schwächung des Sicherungszwecks stehen somit die Vorteile einer erhöhten Standortattraktivität bei der Fremdkapitalfinanzierung gegenüber.

BAK Economics hat bezüglich der Standortwirkungen neben dem Referenzszenario auch ein optimistisches und pessimistisches Szenario modelliert. Dabei scheint eine Reform zur Stärkung des Standorts selbst unter pessimistischen Annahmen vorteilhaft abzuschneiden. In der Summe ist eine Verrechnungssteuerreform auf Zinserträgen und eine Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten als ausgesprochen vorteilhaft zu bewerten und könnte auch für den Bund mittelfristig selbstfinanzierend sein.

6.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Kantone erhalten 10 Prozent von den Einnahmen der Verrechnungsteuer (vor Rückstellungen für künftige Rückerstattungen). Sie sind somit auch mit 10 Prozent an den einmaligen kurzfristigen Mindereinnahmen in Höhe von geschätzt etwas mehr als 1 Milliarde Franken beteiligt. Die Budgetwirksamkeit hängt von etwaigen kantonalen Rückstellungen ab.

Des Weiteren sind die Kantone bei der Verrechnungssteuer an den in Ziffer 6.2.2 ausgewiesenen wiederkehrenden statischen Mindereinnahmen ebenfalls zu 10 Prozent beteiligt. Von denjenigen Personen, die bisher der Verrechnungssteuer unterstellte Zinserträge nicht deklariert haben, sind aber keine zusätzlichen Mindereinnahmen bei der Einkommens- und Vermögenssteuer zu erwarten. Aus der Aufhebung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen ergeben sich für die Kantone in statischer Hinsicht keine Auswirkungen. In der Summe bewegen sich die geschätzten statischen Mindereinnahmen aus der Reform im sehr tiefen zweistelligen Millionenbereich.

In einer längerfristigen dynamischen Hinsicht ist nicht auszuschliessen, dass ein Teil der Anlegerinnen und Anleger, die bisher aufgrund des Verrechnungssteuerabzugs korrekt deklariert haben, in Zukunft davon Abstand nehmen werden. Aufgrund dieser potenziellen Anpassungsreaktionen bei inländischen natürlichen Personen könnten 43 / 60

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vermehrt Vermögenswerte und Einkommen aus diesen Vermögen nicht mehr deklariert werden. In diesem Fall würden Mindereinnahmen vornehmlich bei der Einkommens- und Vermögenssteuer anfallen, die vollständig (Vermögenssteuer) oder überwiegend (Einkommenssteuer) die kantonalen Haushalte belasten.

Die Kantone profitieren auch von zusätzlichen Mehreinnahmen aus der Belebung des inländischen Kapitalmarkts, was ihnen zusätzliche Einnahmen bei der Gewinnund Einkommenssteuer bescheren sollte. Insgesamt werden bei einer längerfristigen dynamischen Betrachtung für Kantone und Gemeinden innerhalb weniger Jahre Mehreinnahmen aus der Reform resultieren. Diese Mehreinnahmen dürften stärker auf Regionen mit einer ausgeprägten Präsenz des Finanzsektors konzentriert sein.

6.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

6.4.1

Standort- und Effizienzwirkungen

Aus der vorliegenden Reform sind folgende Effekte auf die Volkswirtschaft zu erwarten: ­

Stärkung des Emissionsgeschäfts (konzernexterne Finanzierung): Die Reform ermöglicht es inländischen Konzernen, ihre Obligationen unter besseren Rahmenbedingungen aus der Schweiz heraus zu emittieren. Es ist davon auszugehen, dass bisher im Ausland getätigte Emissionen verstärkt aus der Schweiz heraus erfolgen werden. Unter Umständen können auch ausländische Konzerne dazu bewogen werden, Obligationen aus der Schweiz zu emittieren.

­

Stärkung der konzerninternen Finanzierung (Treasury und Cash-Pooling): Mit der Reform besteht die Chance, dass auch die konzerninterne Finanzierung vermehrt aus der Schweiz betrieben wird. Dies zum einen, weil die Schweiz neben einer vergleichsweise tiefen Gewinnsteuerbelastung eine hohe Rechtssicherheit bietet. Zum anderen dürfte aufgrund gestiegener Substanzanforderungen im internationalen Verhältnis ohnehin eine Tendenz zur Zentralisierung von Konzernaktivitäten bestehen. Mit der Reform der Verrechnungssteuer wird ein gewichtiges Hindernis beseitigt, sodass die anderen Standortvorteile der Schweiz ihre Wirkung besser entfalten können.

­

Leichte Belebung des Wertschriften- und Vermögensverwaltungsgeschäfts: Ein Teil des von der Schweiz aus verwalteten Wertschriftenvermögens wird derzeit aufgrund der Umsatzabgabe in ausländischen Depots gehalten. Wenngleich der Reformschritt bei der Umsatzabgabe wohl nicht ausreicht, um dieses Wertschriftenvermögen und die damit verbundene Wertschöpfung im grossen Umfang in die Schweiz zurückzuführen, wird es für Anlegerinnen und Anleger infolge der Reform attraktiver, inländische Obligationen über einen inländischen Effektenhändler zu erwerben, da die Umsatzabgabe entfällt.

Des Weiteren entfällt auf Zinsanlagen die Verrechnungssteuer, sodass die Attraktivität eines im Ausland verwalteten Depots abnehmen sollte.

­

Abbau von Kapitalmarktverzerrungen: Aus Unternehmenssicht trägt die Reform der Verrechnungssteuer zu einem Abbau von Verzerrungen bei, da bis-

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herige steuerliche Hindernisse bei der Emission von inländischen Obligationen beseitigt werden. Die Aufhebung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen beseitigt zudem die steuerlichen Nachteile einer Kapitalmarktfinanzierung gegenüber der Kreditfinanzierung über eine Bank. Allerdings werden Verzerrungen, wie sie heute zwischen direkten und indirekten Anlagen bestehen, eher weiter ausgebaut, da via ausländische KKA vereinnahmte Zinserträge neu verrechnungssteuerfrei bei der Anlegerin und dem Anleger ankommen. Für Anlegerinnen und Anleger wird der Erwerb von Anteilen an einer ausländischen KKA somit attraktiver. In der Summe wird aus Anlegerinnen- und Anlegersicht die Entscheidungsneutralität des Steuersystems durch die Reform aber gestärkt, da die positiven Effekte vergleichsweise bedeutender sind.

­

6.4.2

Indirekte / Induzierte Effekte: Die zuvor beschriebenen Reformfolgen stellen direkte Reformeffekte dar. Die damit verbundene Wertschöpfung und die geschaffenen Arbeitsplätze fallen primär in den Finanzabteilungen der Unternehmen und im Finanzsektor an. Mit der Reform gehen infolge der Nachfrageimpulse des Finanzsektors aber auch indirekte beziehungsweise induzierte Effekte in anderen Branchen einher, wie zum Beispiel für die hiesige Rechtsund Unternehmensberatung, mit deren Unterstützung die zuvor beschriebenen Tätigkeiten abgewickelt werden.

Administrativer Aufwand

Die vorliegende Reform zeichnet sich im Vergleich zu anderen Reformvarianten und früheren Vorschlägen durch ihre administrative Einfachheit aus. Denn sowohl im Vergleich zum Status quo als auch im Vergleich zum Vorschlag in der Vernehmlassungsvorlage ist der administrative Aufwand geringer. Beim Schuldner der Verrechnungssteuer kommt es zu einer administrativen Entlastung, da er die Verrechnungssteuer auf Zinserträgen ­ ausser bei Zinsen aus Kundenguthaben ­ nicht mehr erheben und abführen muss. Ebenso erfährt die ESTV eine administrative Entlastung, da die Zahl der Rückerstattungsgesuche ausländischer Personen und inländischer juristischer Personen zurückgehen dürfte. Da ein Grossteil der Anträge allerdings (auch) inländische Beteiligungserträge betrifft, dürfte diese Erleichterung gering ausfallen. Aus diesem Grund ergeben sich aus der Vorlage keine Auswirkungen auf den Personalbestand der ESTV.

Für die Kantone, die für die Rückerstattung der Verrechnungssteuer an natürliche Personen im Inland zuständig sind, ist ebenfalls mit einem leicht reduzierten administrativen Aufwand zu rechnen, da die Zahl der Rückerstattungsgesuche zurückgehen dürfte. Die Erleichterung dürfte jedoch bescheiden ausfallen, da die kantonalen Behörden ohnehin das Wertschriftenverzeichnis prüfen müssen. Aus der verringerten Sicherungsfunktion ergeben sich fiskalische Risiken.

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7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Der Bund hat im Bereich der Verrechnungssteuer eine umfassende Gesetzgebungskompetenz (Art 132 Abs. 2 der Bundesverfassung43, BV).

Die Bundesverfassung stellt keine besonderen Anforderungen an die Ausgestaltung der Verrechnungssteuer und überlässt damit dem Gesetzgeber einen grossen Handlungsspielraum. Der Gesetzgeber hat die Grundsätze von Artikel 127 Absatz 1 BV (Legalitätsprinzip) und ­ soweit es die Art der Steuer zulässt ­ von Artikel 127 Absatz 2 BV (Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung) zu beachten.

Der vorliegende Gesetzesentwurf regelt in Erfüllung der Anforderungen des Legalitätsprinzips Steuersubjekt, Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersatz.

Die Gebote der Allgemeinheit und die Gleichmässigkeit der Besteuerung erfordern, dass die der Einkommens- und Vermögenssteuer respektive der Gewinn- und Kapitalsteuer unterliegenden Erträge und Vermögenswerte bei allen steuerpflichtigen Personen einer Besteuerung zugeführt werden. Dies bedeutet, dass eine möglichst flächendeckende Besteuerung mit geeigneten Massnahmen sichergestellt wird. Hierzu dient die Verrechnungssteuer in ihrer Funktion als Sicherungssteuer. Aufgrund der umfassenden Gesetzgebungskompetenz steht es dem Gesetzgeber aber grundsätzlich frei, bestimmte Erträge nicht der Verrechnungssteuer zu unterstellen und die Besteuerung mit anderen geeigneten Mitteln sicherzustellen. Das geltende System sichert nur bestimmte Zinserträge aus inländischer Quelle.

Sind inländische juristische Personen Empfänger von Zinserträgen, erscheint der vorgeschlagene Verzicht auf die Verrechnungssteuer unproblematisch. Hier erfüllen die Buchführungspflicht und das Massgeblichkeitsprinzip die Sicherungsfunktion und damit die steuerliche Erfassung mit der Gewinn- und Kapitalsteuer. Bei von der Gewinnsteuer befreiten Anlegerinnen und Anlegern (bspw. Pensionskassen) entfällt das Sicherungsbedürfnis.

Sind inländische natürliche Personen Empfängerinnen und Empfänger, bleibt die Sicherung durch die Verrechnungssteuer bei Zinsen aus Kundenguthaben bestehen. Bei den übrigen Zinserträgen an natürliche Personen in Inland entfällt die Sicherung durch die Verrechnungssteuer. Im Rahmen der Vernehmlassung hat der Bundesrat ein Konzept vorgestellt, wie die Stärkung des Fremdkapitalmarkts und des Sicherungszwecks gleichzeitig erreicht werden
können. Die vorgeschlagene Zahlstellensteuer wurde von den Vernehmlassungsteilnehmenden jedoch als technisch zu komplex eingestuft (Ziff. 1.2.1, 2.2). Aufgrund dieser Einwände verzichtet der Bundesrat darauf, diesen Vorschlag weiterzuverfolgen. Er hat auch eine eingeschränkte Zahlstellensteuer verworfen, da eine solche Lösung auch mit Blick auf die Steuersicherung nicht zielführend ist. Steuerunehrliche Anlegerinnen und Anleger können bei jeder Art der partiellen Sicherung auf die nicht besicherte Anlagekategorien ausweichen. Ein Meldeverfahren hat sich bislang als politisch nicht mehrheitsfähig erwiesen, weswegen der Bundesrat auch ein solches verworfen hat (Ziff. 1.2.1). Damit entfällt die Sicherung dieser Erträge durch die Verrechnungssteuer ersatzlos. Dies ist mit Blick auf die 43

SR 101

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Allgemeinheit und die Gleichmässigkeit der Besteuerung zwar nicht unproblematisch.

Es handelt sich jedoch um eine klar umgrenzte Anlagekategorie, und im Rahmen der Veranlagung bestehen die Mitwirkungspflichten der einkommens- und vermögenssteuerpflichten Person weiterhin.

Bei den Stempelabgaben verfügen der Bund und die Kantone gemäss Artikel 132 Absatz 1 BV über eine konkurrierende Kompetenz. Bei einer konkurrierenden Kompetenz bleiben die Kantone zuständig, solange der Bund nicht von seiner Kompetenz Gebrauch macht. Verzichtet der Bund später wieder auf die Ausübung der Kompetenz, so lebt diejenige der Kantone wieder auf. Artikel 134 BV hält zwar fest, dass die Kantone und Gemeinden nicht mit gleichartigen Steuern belasten dürfen, was die Bundegesetzgebung für steuerfrei erklärt. Ein Verzicht auf die (weitere) Ausübung der Kompetenz zur Erhebung der Stempelsteuer ist aber nicht mit einer «SteuerfreiErklärung» im Sinne von Artikel 134 BV gleichzusetzen.

Mit dem vorliegenden Entwurf würde der Bund weiterhin auf bestimmten Wertschriften eine Umsatzabgabe und andere Stempelabgaben erheben. Die inländischen Obligationen wären implizit von der Umsatzabgabe befreit. Die kantonale Kompetenz würde somit nicht wiederbelebt.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) haben die Besonderheit, dass sie das Besteuerungsrecht nach dem nationalen Recht der Vertragsstaaten einschränken. Sie schaffen jedoch keine neuen, direkt gegenüber den steuerpflichtigen Personen durchsetzbaren Verpflichtungen. Die Schweiz ist gemäss den von ihr abgeschlossenen DBA nicht zur Erhebung einer Verrechnungssteuer verpflichtet. Die vorgeschlagene Neuerung ist daher mit Blick auf die internationalen Verpflichtungen unproblematisch. Die Umsatzabgabe fällt grundsätzlich nicht in den Geltungsbereich der DBA.

7.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

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Glossar Auszahlungskonto

Der Begriff Auszahlungskonto bezeichnet ein Konto bei einem Versicherungsunternehmen nach VAG, auf das Leistungen zugunsten der Kundin oder des Kunden überwiesen werden (bspw. Todes- oder Erlebensfallkapital, Rente). Das Auszahlungskonto ist vergleichbar mit einem Kundenguthaben bei Banken. Im vorliegenden Zusammenhang ist zentral, dass das Konto jederzeit widerrufbar ist.

Die Erträge und das Kapital unterliegen der Einkommensbzw. der Vermögenssteuer. Der Begriff kann im Rahmen von Praxisanweisungen präzisiert werden.

Automatischer Am 15. Juli 2014 hat der Rat der Organisation für wirtschaftInformationsaustausch liche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) den neuen über Finanzkonten globalen Standard für den internationalen automatischen In(AIA) formationsaustausch in Steuersachen (AIA-Standard) verabschiedet. Bisher haben sich mehr als 100 Staaten, darunter alle wichtigen Finanzzentren (ohne USA), zur Übernahme dieses Standards bekannt, auch die Schweiz. Der AIA-Standard sieht vor, dass insbesondere Banken, kollektive Kapitalanlagen und Versicherungsgesellschaften Finanzinformationen ihrer Kundinnen und Kunden sammeln, sofern diese im Ausland steuerlich ansässig sind. Diese Informationen umfassen alle Kapitaleinkommensarten, Veräusserungserlöse und den Saldo des Kontos. Die Informationen werden der ESTV übermittelt, die die Daten an die für die Kundin oder den Kunden zuständige Steuerbehörde im Ausland weiterleitet. Diese Transparenz soll vermeiden, dass Steuersubstrat im Ausland vor dem Fiskus verborgen werden kann. Im Gegenzug erhält die Schweiz die erwähnten Kontoinformationen von ausländischen Finanzinstituten, welche Finanzvermögen von Schweizer Kundinnen und Kunden verwalten.

Bank

Der Begriff der Bank wird in Artikel 1 BankG definiert und in der Verordnung konkretisiert. Als Banken gelten Unternehmen, die hauptsächlich im Finanzbereich tätig sind und insbesondere gewerbsmässig Publikumseinlagen entgegennehmen oder sich öffentlich dafür empfehlen. Banken benötigen zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit eine Bewilligung und werden von der FINMA prudenziell überwacht. Der Begriff der Banken umfasst auch Sparkassen.

Beteiligungsabzug

Für Gewinne, die von in- und ausländischen Kapitalgesellschaften und Genossenschaften an in der Schweiz steuerpflichtige Kapitalgesellschaften und Genossenschaften ausgeschüttet werden, besteht die Möglichkeit einer Steuerermässigung (sog. Beteiligungsabzug).

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Um in den Genuss des Beteiligungsabzugs zu kommen, muss die Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft: ­ zu mindestens 10 Prozent am Grund- oder Stammkapital einer anderen Gesellschaft beteiligt sein, ­ zu mindestens 10 Prozent am Gewinn und an den Reserven einer anderen Gesellschaft beteiligt sein, oder ­ Beteiligungsrechte im Verkehrswert von mindestens einer Million Franken halten.

Die Gewinnsteuer vermindert sich im Verhältnis des Nettoertrags (Bruttoertrag abzüglich anteiliger Finanzierungs- und Verwaltungskosten) aus den qualifizierenden Beteiligungsrechten zum gesamten steuerbaren Reingewinn.

Der Beteiligungsabzug folgt damit dem System der indirekten Freistellung von Beteiligungserträgen.

Cash-Pooling

Der Begriff Cash-Pooling bezeichnet einen konzerninternen Liquiditätsausgleich, der durch eine zentrale Konzerngesellschaft, in vielen Fällen die Konzernobergesellschaft, übernommen wird. Durch gezieltes Finanzmanagement wird den Konzerngesellschaften überschüssige Liquidität entzogen bzw. nötige Liquidität zur Verfügung gestellt. Es gibt unterschiedlichste Arten von Cash-Pooling. Bisweilen wird die Liquidität effektiv zentralisiert; denkbar ist aber auch, dass dies rein buchhalterisch erfolgt.

Ziel eines Cash-Poolings ist die Optimierung der Liquiditätssteuerung und die Verschaffung eines zentralen Überblicks über die Liquidität des Konzerns und seiner Gesellschaften.

Einerseits soll den Konzerneinheiten die notwendige Liquidität zur Verfügung gestellt werden, andererseits können so die anfallenden Kosten durch minimale Fremdmittelaufnahme optimiert werden. Das Cash-Pooling konzentriert sich auf die Innenfinanzierung eines Konzerns und ist Teil des Treasury eines Konzerns (s. Treasury). Es wird ein konzerninterner Liquidationsausgleich angestrebt, um die Fremdkapitalbeanspruchung möglichst niedrig zu halten.

Dividend-Stripping

Beim Dividend-Stripping überträgt die Eigentümerin oder der Eigentümer eines inländischen Beteiligungsrechts, die bzw.

der keinen oder nur einen teilweisen Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer hat, das Eigentum an diesem Beteiligungsrecht an eine Person mit idealerweise vollem Rückerstattungsanspruch. Diese Person macht die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf diesem Beteiligungsertrag geltend. Um Dividend-Stripping handelt es sich, wenn die wirtschaftliche Berechtigung an der Dividende bei der vormaligen

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Eigentümerin oder dem vormaligen Eigentümer des Beteiligungsertrags verbleibt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die neue Eigentümerin oder der neue Eigentümer verpflichtet ist, die Dividenden an die vormalige Eigentümerin oder den vormaligen Eigentümer weiterzuleiten. Oftmals trägt die vormalige Eigentümerin oder der vormalige Eigentümer damit die wirtschaftlichen Risiken und Chancen.

Sehr oft wird für Dividend-Stripping auf strukturierte Produkte zurückgegriffen, um zu erreichen, dass die wirtschaftlichen Risiken und Chancen bei der ursprünglichen Eigentümerin oder dem ursprünglichen Eigentümer der Beteiligungsrechte an der inländischen Gesellschaft verbleiben.

Dem Fiskus entstehen bei erfolgreichem Dividend-Stripping potenzielle Mindereinnahmen in beachtlicher Höhe.

Doppelbesteuerungs- DBA sind völkerrechtliche Verträge, die primär zum Ziel haabkommen (DBA) ben, die Doppelbesteuerung von natürlichen und juristischen Personen mit internationalen Anknüpfungspunkten im Bereich der Steuern (meist Einkommen und Vermögen) zu vermeiden. Sie tun dies unter anderem, indem sie den Umfang des Besteuerungsrechts den beteiligten Staaten zuweisen. Möglich sind ausschliessliche Besteuerungsrechte eines Staates (oft bspw. bei Renten) oder geteilte Besteuerungsrechte (oft bei Beteiligungserträgen). Liegt ein geteiltes Besteuerungsrecht vor, so definiert das DBA oft die Residualsteuer (s. Residualsteuer).

Eigenkapitalmarkt

Der Eigenkapitalmarkt ist Teil des Kapitalmarkts. Das Eigenkapital umfasst denjenigen Teil des Kapitals, der der positiven Differenz aus Vermögen und Schulden entspricht. Darunter fallen Aktien und Partizipationsscheine. Unter bestimmten Voraussetzungen können steuerlich auch andere Finanzierungsformen als Eigenkapital qualifizieren.

Emissionsabgabe

Siehe Stempelabgaben.

Ersatzzahlung

Die Ersatzzahlung ersetzt den entgangenen originären Ertrag.

Ersatzzahlungen sind vorwiegend in zwei Konstellationen anzutreffen: beim Securities Lending and Borrowing sowie bei Cum-Ex-Transaktionen. Eine ausführliche Definition kann Ziffer 5.1 (Erläuterungen zu Art. 4 Abs. 1 Bst. d VStG) entnommen werden.

Fremdkapitalmarkt

Der Fremdkapitalmarkt ist Teil des Kapitalmarkts. Fremdkapital umfasst im vorliegenden Zusammenhang die Schulden eines Unternehmens. Für diese Vorlage relevant sind Obligationen und weitere Anlagen (etwa Bankkredite).

Kapitalisationsgeschäft

Der Begriff Kapitalisationsgeschäft bezeichnet eine vertragliche Vereinbarung ohne minimales biometrisches Risiko

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(bspw. Alter, Invalidität, Krankheit des Versicherungsnehmers oder dgl.) zwischen einem Lebensversicherungsunternehmen nach VAG und einer Versicherungsnehmerin oder einem Versicherungsnehmer. Der Vertrag sieht vor, dass das Versicherungsunternehmen Vermögenswerte der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers übernimmt und diese möglichst gewinnbringend anlegt. Das Kapitalisationsgeschäft endet an einem vereinbarten Zeitpunkt oder beim Tod der versicherten Person.

Die Erträge und das Kapital unterliegen der Einkommensbzw. der Vermögenssteuer. Der Begriff kann im Rahmen von Praxisanweisungen präzisiert werden.

Kollektive Kapitalanlagen (KKA)

Der Begriff umfasst die KKA gemäss KAG; Vermögen ähnlicher Art fallen in dieser Vorlage nicht unter den Begriff der KKA. Das KAG regelt vier Formen von KKA: Anlagefonds auf vertraglicher Basis (FCP) sowie solche auf gesellschaftlicher Grundlage als juristische Personen (SICAV oder SICAF) oder als Personengesellschaften in Form von Kommanditgesellschaften für kollektive Kapitalanlagen (KmGK). Ausschliesslicher Zweck dieser Anlageformen ist die kollektive Kapitalanlage. Ausgenommen von der Unterstellungspflicht sind beispielsweise Einrichtungen und Hilfseinrichtungen der beruflichen Vorsorge, einschliesslich Anlagestiftungen. Als inländische KKA gemäss KAG gelten die vorgenannten vom Regulator genehmigten KKA.

Zentrales Kriterium einer KKA ist die gemeinschaftliche Vermögensanlage (Sondervermögen), bei der die Anlagebedürfnisse sämtlicher Anlegerinnen und Anleger gleichermassen berücksichtigt werden. Dabei steht ihnen regelmässig kein oder nur ein sehr eingeschränktes Mitspracherecht zu. Die Kapitalbeschaffung erfolgt aufgrund öffentlicher Werbung. Die KKA können offen oder geschlossen sein. Die Vermögensverwaltung erfolgt in der Regel auf Rechnung der Anlegerinnen und Anleger und wird durch eine von den Anlegerinnen und Anlegern unabhängige Fondsleitung vorgenommen (Fremdverwaltung). KKA sind in der Regel von einem Regulator zum Vertrieb zugelassen und beaufsichtigt. Bei der Lancierung der KKA werden die Anlagebedingungen und Informationen zur Emittentin offengelegt. Organisatorisch verfügt eine KKA über Funktionsträger wie Investmentmanager, Depotbank usw.

Erträge aus KKA werden den Anlegerinnen und Anlegern für die Zwecke der Einkommenssteuer direkt zugerechnet und unterliegen damit im Jahr der Erzielung durch die KKA der Einkommenssteuer.

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Konzernexterne Finanzierung

Bei der konzernexternen Finanzierung finanziert sich ein Unternehmen über Dritte. Die konzernexterne Finanzierung kann marktbasiert (z. B. Emission einer Obligation; Kapitalerhöhung) oder bankbasiert (z. B. Einräumung einer Kreditlinie durch die Hausbank) erfolgen. Die konzernexterne Finanzierung kann Teil des Treasury sein.

Konzerninterne Finanzierung

Bei der konzerninternen Finanzierung erhalten Gesellschaften eines Konzerns Mittel von anderen Teilen des Konzerns. Allerdings können sich diese die Mittel wiederum intern (über einbehaltene Gewinne) oder extern beschaffen, sodass die konzerninterne Finanzierung in einigen Fällen einer indirekten konzernexternen Finanzierung entspricht und sich von dieser lediglich darin unterscheidet, dass die Kapitalaufnahme nicht direkt über diejenige Einheit vonstattengeht, die letztlich die Mittel erhält. Ursache für diesen indirekten Weg ist oftmals ein besseres Rating der Gesellschaft, die das Kapital aufnimmt.

Vorliegend umfasst die konzerninterne Finanzierung das Cash-Pooling und das Treasury.

Kundenguthaben

Als Kundenguthaben gilt ein Konto bei einer Bank oder einem Versicherungsunternehmen. Die Bank und das Versicherungsunternehmen unterstehen dabei einer Aufsicht (s. Bank, Versicherer). Im vorliegenden Zusammenhang ist zentral, dass das Konto jederzeit widerrufbar ist. So gehören beispielsweise Festgelder und Obligationen nicht zum Begriff der Kundenguthaben. Darunter fallen jedoch Spareinlagen, Lohnkonten, Auszahlungskonten, Prämiendepots und dgl. mehr. Der Begriff des Kundenguthabens wird im Rahmen von Weisungen zu konkretisieren sein.

Die Erträge und das Kapital unterliegen der Einkommensbzw. der Vermögenssteuer. Der Begriff kann im Rahmen von Praxisanweisungen präzisiert werden.

Liquiditätsnachteil

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Ein Liquiditätsnachteil aufgrund der Verrechnungssteuer entsteht, weil die Verrechnungssteuer an der Quelle abgezogen wird und der Anlegerin oder dem Anleger erst später ganz oder teilweise zurückerstattet wird. Im Zeitraum zwischen dem Empfang des um die Verrechnungssteuer gekürzten Ertrags und der Rückerstattung der Verrechnungssteuer steht der Anlegerin oder dem Anleger der Betrag der Rückerstattung nicht als Liquidität zur Verfügung.

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Massgeblichkeitsprinzip

Massgeblich für die Ermittlung des steuerbaren Reingewinns einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft ist grundsätzlich die handelsrechtlich korrekt erstellte Jahresrechnung. Von der handelsrechtlichen Gewinnermittlung ist abzuweichen, wenn die Buchhaltung nicht korrekt geführt wurde oder wenn das Steuerrecht Korrekturnormen vorsieht.

Meldeverfahren

Die Verrechnungssteuerpflicht wird grundsätzlich durch Entrichtung der Steuer erfüllt. In bestimmten Fällen kann die Verrechnungssteuer auch durch Meldung der steuerbaren Leistung erfüllt werden.

Meldeverfahren sind vorgesehen für Versicherungsleistungen, Naturalgewinne aus Geldspielen sowie aus Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung sowie unter bestimmten Voraussetzungen für Beteiligungserträge. Für Zinserträge, die der Verrechnungssteuer unterliegen, ist nach geltendem Recht kein Meldeverfahren vorgesehen.

Im internationalen Verhältnis besteht der AIA.

Obligation

Da gemäss dieser Vorlage Zinserträge mit einer Ausnahme (Ziff. 4.1.2) nicht mehr der Verrechnungssteuer unterliegen, ist die Definition der Obligation zur Abgrenzung wichtig. Obligationen im Sinne des der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben sind schriftliche, auf feste Beträge lautende Schuldanerkennungen, die zwecks kollektiver Beschaffung von Fremdkapital, kollektiver Anlagegewährung oder Konsolidierung von Verbindlichkeiten in einer Mehrzahl von Exemplaren zu gleichartigen Bedingungen ausgegeben werden und dem Gläubiger zum Nachweis, zur Geltendmachung oder zur Übertragung der Forderung dienen. Sie unterscheiden sich durch abweichende Konditionen wie verschieden lange Laufzeiten, Emissionswährungen oder Verzinsungen. Letztere kann entweder fest, variabel oder strukturiert (abhängig von bestimmten Ereignissen) sein. Der Gläubiger der Obligation hat Anspruch auf Rückzahlung des Nominalwerts, ggf. zuzüglich einer Verzinsung.

Sogenannte Anleihensobligationen werden in einer Mehrzahl von Exemplaren zu identischen Bedingungen ausgegeben. Bei der Obligation handelt es sich um ein einheitliches, in sich geschlossenes Kreditgeschäft. Sogenannte Kassenobligationen werden in einer Mehrzahl von Exemplaren fortlaufend und zu variablen Bedingungen ausgegeben. Anleihensobligationen qualifizieren in der Regel als Obligationen ab 10 Titeln, Kassenobligationen ab 20 Titeln. Einzelschuldverhältnisse qualifizieren demnach regelmässig nicht als Obligation.

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Prämiendepot

Der Begriff Prämiendepot bezeichnet ein Guthaben bei einem Versicherungsunternehmen nach VAG. Das Depot lautet auf die Versicherungsnehmerin oder den Versicherungsnehmer und besteht aus vorausbezahlten Prämien für Versicherungen.

Artikel 119 der Verordnung vom 9. November 200544 über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen beschränkt den Maximalbetrag auf die Summe aller künftigen Prämien. Das verzinsliche Konto kann einmalig oder periodisch geäufnet und jederzeit gekündigt werden. Im Todesfall oder bei Vertragsablauf wird der Saldo zurückerstattet.

Allfällige Erträge und das Kapital unterliegen der Einkommens- und Vermögenssteuer. Der Begriff kann im Rahmen von Praxisanweisungen präzisiert werden.

Recht zur Nutzung

Das Recht zur Nutzung besitzt, wer im Zeitpunkt der Fälligkeit der steuerbaren Leistung die freie Verfügungsberechtigung über den steuerbaren Ertrag hat und keiner Weiterleitungspflicht unterliegt. Das Nutzungsrecht ist eine Voraussetzung für die Rückerstattung der auf Kapitalerträgen erhobenen Verrechnungssteuer. Nur wenn die Empfängerin oder der Empfänger des verrechnungssteuerbelasteten Ertrags das Nutzungsrecht am Vermögensertrag hat, ist sie oder er auch rückerstattungsberechtigt. Es handelt sich beim Nutzungsrecht um einen wirtschaftlichen und nicht um einen zivilrechtlichen Begriff. Das Konzept des Nutzungsrechts erlaubt die korrekte Zuordnung von Kapitalerträgen zur Empfängerin oder zum Empfänger, die oder der darüber unbelastet von vertraglichen oder rechtlichen Verpflichtungen zur Weiterleitung verfügen kann.

Residualsteuer

Die Residualsteuer ist derjenige Anteil an der Quellensteuer, den ein Land bei Kapitalanlagen ausländischer Anlegerinnen und Anleger aufgrund der anwendbaren DBA definitiv einbehalten darf. Je nach Anlageart und Partnerstaat unterscheidet sich die Höhe der Residualsteuer. Bei Zinserträgen sehen viele DBA einen Nullsatz vor, womit die ausländische Anlegerin oder der ausländische Anleger die Verrechnungssteuer vollständig zurückfordern kann. Bei Beteiligungserträgen sehen DBA oft nur eine teilweise Rückerstattung vor, womit dem Quellenland eine Residualsteuer verbleibt.

Sicherungszweck

Die Verrechnungssteuer wird für inländische Anlegerinnen und Anleger nicht unmittelbar zwecks Generierung von Staatseinnahmen erhoben, sondern um die auf diesen Vermögenswerten anfallenden Einkommens- und Vermögenssteuern zu sichern. Deklariert die leistungsbegünstigte inländische

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natürliche Person den Ertrag sowie den zugrunde liegenden Vermögensgegenstand bei der Einkommens- und Vermögenssteuer in korrekter Weise und sind die übrigen Voraussetzungen allesamt erfüllt (vgl. dazu Art. 21 ff. VStG), so besteht Anspruch auf Rückerstattung. Bei inländischen juristischen Personen ist die korrekte Verbuchung für die Zwecke der Gewinn- und der Kapitalsteuer Voraussetzung.

Verpasst die steuerpflichtige Person die Deklaration oder Verbuchung oder erfüllt sie eine andere Voraussetzung nicht, so stellt die Verrechnungssteuer eine definitive Belastung dar, die zusätzlich zur Einkommens- resp. Gewinnsteuer anfällt. Damit wird ein Anreiz zur korrekten Deklaration gesetzt.

Stempelabgaben

Die Stempelabgaben sind vom Bund erhobene Steuern auf bestimmten Vorgängen des Rechtsverkehrs, insbesondere der Ausgabe (Emissionsabgabe) und dem Handel (Umsatzabgabe) von Wertschriften, also der Kapitalbeschaffung und des Kapitalverkehrs, sowie der Zahlungen von Versicherungsprämien (Abgabe auf Versicherungsprämien). Ausgenommen von den Stempelabgaben sind Urkunden des Grundstück- und Grundpfandverkehrs.

Die Emissionsabgabe auf Beteiligungsrechten (z. B. Aktien) beträgt 1 Prozent und wird auf dem Betrag erhoben, welcher der Gesellschaft oder Genossenschaft bei der Emission von Beteiligungsrechten oder der Erhöhung des Nennwerts von Beteiligungsrechten zufliesst. Es gibt eine einmalige Freigrenze von 1 Million Franken. Die Emissionsabgabe kennt zahlreiche Spezialbestimmungen und Ausnahmen (u. a. die erwähnte Freigrenze, Umstrukturierungen, Sitzverlegungen, Sanierungen, nennwertlose Genussscheine usw.). Abgabepflichtig (Steuersubjekt) ist die Gesellschaft oder Genossenschaft, welche die Beteiligungsrechte ausgibt.

Zur Umsatzabgabe siehe Umsatzabgabe.

Die Abgabe auf Versicherungsprämien wird auf den Prämienzahlungen für Versicherungen bestimmter Anbieter erhoben.

Die Abgabe beträgt 5 Prozent der Barprämie (2,5 Prozent bei Lebensversicherungen mit Einmalprämie). Abgabepflichtig (Steuersubjekt) ist das Versicherungsunternehmen, es sei denn, die Versicherung wurde mit einem ausländischen Versicherungsunternehmen abgeschlossen. In diesem Fall hat die inländische Versicherungsnehmerin bzw. der inländische Versicherungsnehmer die Abgabe zu entrichten.

Steuerauszug

Der Steuerauszug ist eine für die jeweilige Steuerperiode insbesondere von Banken für ihre Kundinnen und Kunden ausgestellte Bescheinigung. Er enthält die für die Steuererklärung

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von natürlichen Personen notwendigen Angaben zum Vermögen und zu den Erträgen daraus (mit und ohne Verrechnungssteuerabzug), den Schulden, den Schuldzinsen sowie den abzugsfähigen Spesen.

Der elektronische Steuerauszug enthält darüber hinaus standardisierte Barcodes, mit denen die Informationen in einigen Kantonen in die elektronischen Steuererklärungsformulare importiert werden können. Ein manueller Eintrag der steuerpflichtigen Person erübrigt sich.

Steuerliches Bankgeheimnis

Das steuerliche Bankgeheimnis ist ein Teilaspekt des Bankkundengeheimnisses. Es umschreibt die Tatsache, dass die Banken gegenüber Steuerbehörden im Steuerveranlagungsverfahren betreffend ihre Kundinnen und Kunden nicht auskunftspflichtig sind. Das Berufsgeheimnis der Banken geht ihrer Bescheinigungspflicht gegenüber den Steuerbehörden vor.

Kommt eine Bankkundin oder ein Bankkunde den Bescheinigungspflichten gegenüber den Steuerbehörden nicht nach, so kann die Steuerbehörde die Bescheinigungen nicht bei der Bank einholen.

Strukturierte Produkte

Als strukturierte Produkte gelten alle auf Geld- oder Sachleistungen lautenden Forderungen, bei denen die Rückzahlung des ursprünglich investierten Kapitals und/oder des Entgelts für die Überlassung des Kapitals ganz oder teilweise garantiert ist oder bei denen die Höhe der Rückzahlung und/oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis (in der Regel von der Wertentwicklung eines oder mehrerer Basiswerte) abhängt.

Die Zahlung aus einem strukturierten Produkt für einen entgangenen Ertrag an die Anlegerinnen und Anleger wird als Ausgleichszahlung bezeichnet. Ausgleichszahlungen unterliegen im Zeitpunkt der Ausschüttung der Einkommenssteuer.

TBTF

Too-big-to-fail. Um in Zukunft staatliche Rettungsmassnahmen für systemrelevante Banken und damit mögliche Kostenfolgen für die Steuerpflichtigen zu minimieren, hat die Schweiz eine gezielte TBTF-Regulierung erlassen.

Zur Reduktion der Ausfallwahrscheinlichkeit und zur Verbesserung von Sanierung und Liquidierbarkeit sind vier Massnahmen vorgesehen45: ­ Höhere Eigenmittel: Systemrelevante Banken sind verpflichtet, höhere Eigenmittel zur Verlustdeckung aufzubauen.

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Faktenblatt der FINMA vom 1. Dezember 2014, Das Schweizer Too-big-to-fail-Regime, abrufbar unter www.finma.ch.

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­ Verbesserung der Liquidität: Die Resistenz der Bank gegenüber einem Liquiditätsschockereignis wird mit einem besonderen Liquiditätsregime verbessert.

­ Planung der Stabilisierung und Sanierung/Abwicklung: Mit der Vorbereitung für den Krisenfall wird frühzeitig begonnen. Mit dem Notfallplan muss die Weiterführung von systemrelevanten Dienstleistungen im Insolvenzfall gewährleistet werden.

­ Änderung der Bestimmungen zur Bankeninsolvenz: Das rechtliche Instrumentarium zur Sanierung und Abwicklung von Finanzinstituten wurde angepasst.

Der Aufsicht der FINMA unterstellte Banken können aufgrund der TBTF-Gesetzgebung u. a. dazu verpflichtet sein, TBTF-Instrumente (s. dort) zur Stärkung der Eigenmittelbasis oder zur Erfüllung der Anforderungen an zusätzliche verlustabsorbierende Mittel auszugeben.

TBTF-Instrumente

TBTF-Instrumente stellen bei der emittierenden Gesellschaft Fremdkapital dar. Die TBTF-Bestimmungen des BankG sollen verhindern, dass Banken, die der Aufsicht der FINMA unterstellt sind, im Krisenfall mit Steuergeldern gerettet werden müssen. Dazu müssen diese Institute bestimmte Anforderungen an Eigenmittel und verlustabsorbierende Mittel erfüllen.

Die Bestimmungen sind seit dem 1. März 2012 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt können Banken Pflichtwandelanleihen (CoCos) und Anleihen mit Forderungsverzicht (Write-offBonds) emittieren, die den regulatorischen Eigenmitteln angerechnet werden.

Gestützt auf den im BankG verankerten Auftrag an den Bundesrat muss dieser alle zwei Jahre eine Evaluation durchführen. Im Rahmen dieses Prozesses können mit der Änderung vom 1. Juli 2016 neu auch Bail-in-Bonds emittiert werden.

Bail-in Bonds sind Schuldinstrumente zur Verlusttragung bei Insolvenzmassnahmen und dienen den Banken als zusätzliches Pufferkapital. Es handelt sich um Anleihensobligationen, die bei (drohender) Insolvenz im Rahmen eines durch die FINMA eingeleiteten Sanierungsverfahrens nach den Artikeln 28­32 BankG und insbesondere nach Artikel 31 Absatz 3 BankG reduziert oder in Eigenkapital umgewandelt werden können. Bail-in-Bonds können nicht nur als Anleihensobligationen, sondern auch als Darlehen zu analogen Bedingungen genehmigt werden.

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CoCos (Contingent Convertibles) sind Pflichtwandelanleihen, die bei Eintritt eines bestimmten, in den Emissionsbedingungen vordefinierten Ereignisses (sog. Trigger) in Eigenkapital (meist Aktien) der betreffenden Bank umgewandelt werden.

Write-off-Bonds sind Anleihen mit Forderungsverzicht. Sie werden bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses (Trigger wie bei den CoCos; vgl. dort) nicht in Eigenkapital umgewandelt, sondern abgeschrieben (der ersatzlose Wegfall der Fremdkapitalverpflichtung schafft Eigenkapital). Der Forderungsverzicht ist nicht eine Option im Krisenfall, sondern wurde von der Emittentin als Variante von Beginn weg gewählt. Je nach Rechtsform des emittierenden Instituts (insb. öffentliche Körperschaft oder Genossenschaft) muss diese Variante allein schon deswegen gewählt werden, weil eine Wandlung in Gesellschaftskapital sich gar nicht realisieren liesse.

Vor der Abschreibung resp. Wandlung handelt es sich bei den TBTF-Instrumenten steuerrechtlich um Fremdkapital. Aufsichtsrechtlich können die Mittel an die Eigenmittel oder an die zusätzlich verlustabsorbierenden Mittel angerechnet werden.

Treasury

Das Treasury eines Konzerns umfasst das Cash-Pooling, aber auch die zentrale Steuerung der gesamten Finanztätigkeiten.

So werden in der Treasury-Einheit beispielsweise auch die Aufnahme von Kapital am Markt und die Auszahlungen von Gewinnen an die Anlegerinnen und Anleger gesteuert oder der Zahlungsfluss sowie die Bankbeziehungen optimiert.

Ziel einer zentralisierten Treasury-Einheit ist die Minimierung der Risiken und Kosten bei gleichzeitiger Optimierung der Konditionen der Finanzierungstätigkeit über den ganzen Konzern hinweg. Zusätzlich ist die Absicherung von Zins- und Währungsrisiken sowie Versorgungsrisiken ein zentraler Aufgabenbereich des Treasury.

Umsatzabgabe

Die Umsatzabgabe wird auf dem Handel mit Obligationen, Beteiligungsrechten und dgl. erhoben. Die Abgabe fällt an, wenn mindestens eine der am Handel beteiligten Parteien ein Schweizer Effektenhändler ist. Pro beteiligten Effektenhändler wird eine halbe Abgabe fällig. Die gesamte Abgabe bei inländischen Obligationen beläuft sich auf 0,15 Prozent, bei ausländischen Titeln auf 0,3 Prozent des Verkaufserlöses.

Verrechnungssteuer

Die Verrechnungssteuer ist eine vom Bund erhobene Quellensteuer. Sie wird insbesondere auf Erträgen beweglichen Kapitalvermögens erhoben (Steuerobjekt). Zudem fällt die Verrechnungssteuer auf bestimmten Lotteriegewinnen und Versicherungsleistungen an.

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Die Erhebung der Verrechnungssteuer erfolgt entweder durch Entrichtung der Verrechnungssteuer oder durch Meldung der steuerbaren Leistung. Im Falle der Entrichtung richtet der Schuldner der steuerbaren Leistung (Steuersubjekt, bspw.

Emittent einer Aktie) der Anlegerin oder dem Anleger (bspw.

Inhaberin oder Inhaber der Aktie) 65 Prozent des Ertrags aus; 35 Prozent überweist er der ESTV. Steuerpflichtig sind ausschliesslich Schuldner, die ihren Sitz in der Schweiz haben.

Versicherungsunternehmen

Mit dem Begriff Versicherungsunternehmen sind solche Unternehmen gemeint, die der Aufsicht der FINMA unterstehen.

Hinzu kommen Versicherungsunternehmen, die einer kantonalen Aufsicht unterstehen.

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