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Ablauf der Referendumsfrist: 5. August 2021

Obligationenrecht (Indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt») Änderung vom 19. Juni 2020 Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrats vom 23. November 20161, beschliesst: I Das Obligationenrecht2 wird wie folgt geändert: Gliederungstitel vor Art. 957

Zweiunddreissigster Titel: Kaufmännische Buchführung, Rechnungslegung, weitere Transparenz- und Sorgfaltspflichten 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Gliederungstitel vor Art. 964bis

Sechster Abschnitt: Transparenz über nichtfinanzielle Belange Art. 964bis A. Grundsatz

1 2

Unternehmen erstatten jährlich einen Bericht über nichtfinanzielle Belange, wenn sie: 1

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Obligationenrecht (Indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt»)

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1.

Gesellschaften des öffentlichen Interesses im Sinne von Artikel 2 Buchstabe c des Revisionsaufsichtsgesetzes vom 16. Dezember 20053 sind;

2.

zusammen mit den von ihnen kontrollierten in- oder ausländischen Unternehmen, in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren mindestens 500 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt haben; und

3.

zusammen mit den von ihnen kontrollierten in- oder ausländischen Unternehmen, mindestens eine der nachstehenden Grössen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschreiten: a. Bilanzsumme von 20 Millionen Franken, b. Umsatzerlös von 40 Millionen Franken.

Von dieser Pflicht befreit sind Unternehmen, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden: 2

1.

für welches Absatz 1 anwendbar ist; oder

2.

das einen gleichwertigen Bericht nach ausländischem Recht erstellen muss.

Art. 964ter B. Zweck und Inhalt des Berichts

Der Bericht über nichtfinanzielle Belange gibt Rechenschaft über Umweltbelange, insbesondere die CO2 - Ziele, über Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption. Der Bericht enthält diejenigen Angaben, welche zum Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit auf diese Belange erforderlich sind.

1

2

3

SR 221.302

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Der Bericht umfasst insbesondere: 1.

eine Beschreibung des Geschäftsmodells;

2.

eine Beschreibung der in Bezug auf die Belange gemäss Absatz 1 verfolgten Konzepte, einschliesslich der angewandten Sorgfaltsprüfung;

3.

eine Darstellung der zur Umsetzung dieser Konzepte ergriffenen Massnahmen sowie eine Bewertung der Wirksamkeit dieser Massnahmen;

4.

eine Beschreibung der wesentlichen Risiken im Zusammenhang mit den Belangen gemäss Absatz 1 sowie der Handhabung

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dieser Risiken durch das Unternehmen; massgebend sind Risiken: a. die sich aus der eigenen Geschäftstätigkeit des Unternehmens ergeben, und b. wenn dies relevant und verhältnismässig ist, die sich aus seinen Geschäftsbeziehungen, seinen Erzeugnissen oder seinen Dienstleistungen ergeben; 5.

die für die Unternehmenstätigkeit wesentlichen Leistungsindikatoren in Bezug auf die Belange gemäss Absatz 1.

Stützt sich der Bericht auf nationale, europäische oder internationale Regelwerke, wie insbesondere die Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), so ist das angewandte Regelwerk im Bericht zu nennen. Bei der Anwendung solcher Regelwerke ist sicherzustellen, dass alle Vorgaben dieses Artikels erfüllt sind. Nötigenfalls ist ein ergänzender Bericht zu verfassen.

3

Kontrolliert ein Unternehmen allein oder zusammen mit anderen Unternehmen ein oder mehrere andere in- oder ausländische Unternehmen, so umfasst der Bericht alle diese Unternehmen.

4

Verfolgt das Unternehmen in Bezug auf einen oder mehrere Belange gemäss Absatz 1 kein Konzept, so hat es dies im Bericht klar und begründet zu erläutern.

5

6

Der Bericht ist in einer Landessprache oder auf Englisch abzufassen.

Art. 964quater C. Genehmigung, Veröffentlichung, Führung und Aufbewahrung

Der Bericht über nichtfinanzielle Belange bedarf der Genehmigung und Unterzeichnung durch das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan sowie der Genehmigung des für die Genehmigung der Jahresrechnung zuständigen Organs.

1

Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan stellt sicher, dass der Bericht: 2

1.

umgehend nach der Genehmigung elektronisch veröffentlicht wird;

2.

mindestens zehn Jahre lang öffentlich zugänglich bleibt.

Für die Führung und Aufbewahrung der Berichte gilt Artikel 958f sinngemäss.

3

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Gliederungstitel vor Art. 964quinquies

Siebter Abschnitt: Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit Art. 964quinquies A. Grundsatz

Unternehmen, deren Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung sich in der Schweiz befindet, müssen in der Lieferkette Sorgfaltspflichten einhalten und darüber Bericht erstatten, wenn sie: 1

1.

Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten in den freien Verkehr der Schweiz überführen oder in der Schweiz bearbeiten; oder

2.

Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden.

Der Bundesrat legt jährliche Einfuhrmengen von Mineralien und Metallen fest, bis zu denen ein Unternehmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht befreit ist.

2

Er legt fest, unter welchen Voraussetzungen kleine und mittlere Unternehmen sowie Unternehmen mit geringen Risiken im Bereich Kinderarbeit nicht prüfen müssen, ob ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht.

3

Er legt fest, unter welchen Voraussetzungen die Unternehmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten ausgenommen sind, die sich an ein international anerkanntes gleichwertiges Regelwerk, wie insbesondere die Leitsätze der OECD, halten.

4

Art. 964sexies B. Sorgfaltspflichten

Die Unternehmen führen ein Managementsystem und legen darin Folgendes fest: 1

1.

die Lieferkettenpolitik für möglicherweise aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammende Mineralien und Metalle;

2.

die Lieferkettenpolitik für Produkte oder Dienstleistungen, bei denen ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht;

3.

ein System, mit dem die Lieferkette zurückverfolgt werden kann.

Sie ermitteln und bewerten die Risiken schädlicher Auswirkungen in ihrer Lieferkette. Sie erstellen einen Risikomanagementplan und treffen Massnahmen zur Minimierung der festgestellten Risiken.

2

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Sie lassen die Einhaltung der Sorgfaltspflichten bezüglich der Mineralien und Metalle durch eine unabhängige Fachperson prüfen.

3

Der Bundesrat erlässt die näheren Vorschriften; er orientiert sich dabei an international anerkannten Regelwerken, wie insbesondere den Leitsätzen der OECD.

4

Art. 964septies C. Berichterstattung

Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan erstattet jährlich Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten.

1

2

Der Bericht ist in einer Landessprache oder auf Englisch abzufassen.

Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan stellt sicher, dass der Bericht: 3

1.

innerhalb von sechs Monaten seit Ablauf des Geschäftsjahres elektronisch veröffentlicht wird;

2.

mindestens zehn Jahre lang öffentlich zugänglich bleibt.

Für die Führung und Aufbewahrung der Berichte gilt Artikel 958f sinngemäss.

4

Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen anbieten, die einen Bericht verfasst haben, müssen für diese Produkte und Dienstleistungen selber keinen Bericht erstellen.

5

Übergangsbestimmung zur Änderung vom 19. Juni 2020 Die Vorschriften des 6. Abschnitts und des 7. Abschnitts des 32. Titels finden erstmals Anwendung auf das Geschäftsjahr, das ein Jahr nach Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni 2020 beginnt.

II Das Strafgesetzbuch4 wird wie folgt geändert: Art. 325ter Verletzung der Berichtspflichten

4 5

1

Mit Busse bis zu 100 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich: a

in den Berichten gemäss den Artikeln 964bis, 964ter und 964septies des Obligationenrechts5 falsche Angaben macht oder die Berichterstattung unterlässt;

SR 311.0 SR 220

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b.

2

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der gesetzlichen Pflicht zur Aufbewahrung und Dokumentation der Berichte gemäss den Artikeln 964quater und 964septies des Obligationenrechts nicht nachkommt.

Wer fahrlässig handelt, wird mit Busse bis zu 50 000 Franken bestraft.

III Koordination mit der Änderung vom 19. Juni 2020 des Obligationenrechts (Aktienrecht) Unabhängig davon, ob zuerst die Änderung vom 19. Juni 20206 des Obligationenrechts7 (Aktienrecht), nachfolgend Erlass 1, oder die vorliegende Änderung des Obligationenrechts, nachfolgend Erlass 2, in Kraft tritt, werden die nachfolgenden Bestimmungen mit Inkrafttreten des später in Kraft tretenden Gesetzes sowie bei gleichzeitigem Inkrafttreten wie folgt geändert:

1. Obligationenrecht8 Gliederungstitel vor Art. 964a

Sechster Abschnitt: Transparenz über nichtfinanzielle Belange Art. 964a, 964b und 964c = Art. 964bis, 964ter, 964quater von Erlass 2 Gliederungstitel vor Art. 964d

Siebter Abschnitt: Transparenz bei Rohstoffunternehmen Art. 964d, 964e, 964f, 964g und 964h = Art. 964a, 964b, 964c, 964d und 964e von Erlass 1 Art. 964i = Art. 964f von Erlass 1 [mit Anpassung der Verweise «Art. 964a­ 964e» werden zu «Art. 964d­964h»]

6 7 8

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Gliederungstitel vor Art. 964j

Achter Abschnitt: Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit Art. 964j, 964k und 964l = Art. 964quinquies, 964sexies, 964septies von Erlass 2 Übergangsbestimmung Anpassung eines Verweises [Erlass 2] Die Vorschriften des 6. Abschnitts und des 8. Abschnitts des 32. Titels ...

Übergangsbestimmungen [Ziff. III von Erlass 1] Art. 7 Anpassung der Verweise Die Artikel 964d­964h ...

2. Strafgesetzbuch9 Art. 325bis Verletzung der Vorschriften betreffend die Berichterstattung über Zahlungen an staatliche Stellen

Mit Busse wird bestraft, wer vorsätzlich: a.

im Bericht über Zahlungen an staatliche Stellen gemäss Artikel 964d OR10 falsche Angaben macht oder die Berichterstattung ganz oder teilweise unterlässt;

b.

der Pflicht zur Führung und Aufbewahrung der Berichte über Zahlungen an staatliche Stellen gemäss Artikel 964h OR nicht nachkommt.

Art. 325ter Verletzung anderer Berichtspflichten

9 10 11

1

Mit Busse bis zu 100 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich: a.

in den Berichten gemäss den Artikeln 964a, 964b und 964l OR11 falsche Angaben macht oder die Berichterstattung unterlässt;

SR 311.0 SR 220 SR 220

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b.

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der gesetzlichen Pflicht zur Aufbewahrung und Dokumentation der Berichte gemäss den Artikeln 964c und 964l OR nicht nachkommt.

Wer fahrlässig handelt, wird mit Busse bis zu 50 000 Franken bestraft.

Art. 325quater Widerhandlungen gegen die Bestimmungen zum Schutz der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen

Wer den Mieter unter Androhung von Nachteilen, insbesondere der späteren Kündigung des Mietverhältnisses, davon abhält oder abzuhalten versucht, Mietzinse oder sonstige Forderungen des Vermieters anzufechten, wer dem Mieter kündigt, weil dieser die ihm nach dem OR12 zustehenden Rechte wahrnimmt oder wahrnehmen will, wer Mietzinse oder sonstige Forderungen nach einem gescheiterten Einigungsversuch oder nach einem richterlichen Entscheid in unzulässiger Weise durchsetzt oder durchzusetzen versucht, wird auf Antrag des Mieters mit Busse bestraft.

Art. 326bis Randtitel und Abs. 1

2. im Falle von Artikel 325quater

12 13

Werden die in Artikel 325quater unter Strafe gestellten Handlungen beim Besorgen der Angelegenheiten einer juristischen Person, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder Einzelfirma13 oder sonst in Ausübung geschäftlicher oder dienstlicher Verrichtungen für einen anderen begangen, so finden die Strafbestimmungen auf diejenigen natürlichen Personen Anwendung, die diese Handlungen begangen haben.

1

SR 220 Heute: Einzelunternehmen.

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IV 1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

Es ist im Bundesblatt zu publizieren, sobald die Volksinitiative vom 10. Oktober 201614 «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» zurückgezogen oder abgelehnt15 worden ist.

2

3

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Nationalrat, 19. Juni 2020

Ständerat, 19. Juni 2020

Die Präsidentin: Isabelle Moret Der Sekretär: Pierre-Hervé Freléchoz

Der Präsident: Hans Stöckli Die Sekretärin: Martina Buol

Datum der Veröffentlichung: 27. April 2021 Ablauf der Referendumsfrist: 5. August 2021

14 15

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