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21.019 Botschaft zur Änderung des Mehrwertsteuergesetzes vom 24. September 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2017

M

16.3431

Keine Mehrwertsteuer auf subventionierten Aufgaben (S 20.9.16, WAK-S; N 8.3.17)

2019

M

17.3657

Mehrwertsteuer. Beseitigung der Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen (N 13.3.19, Page; S 18.9.19)

2019

M

18.3540

Mehrwertsteuerpflicht von Online-Plattformen bei Verkäufen aus dem Ausland in die Schweiz (S 24.9.18, Vonlanthen; N 13.3.19)

2021

M

18.4194

Mehrwertsteuer für ausländische Tour Operators (S 16.12.20, Stöckli; N 31.5.21)

2021

M

18.4363

Mehrwertsteuer für ausländische Tour Operators (N 17.12.20, von Siebenthal; S 9.6.21)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

24. September 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-3172

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Übersicht Mit dieser Vorlage werden verschiedene parlamentarische Vorstösse im Bereich der Mehrwertsteuer umgesetzt. Im Mittelpunkt stehen die Erhebung der Mehrwertsteuer durch Versandhandelsplattformen sowie die Auskunftspflicht sämtlicher Internet-Plattformen. Weiter sind Vereinfachungen für KMU wie die freiwillige jährliche Abrechnung sowie Massnahmen zur Betrugsbekämpfung enthalten.

Ausgangslage Am 1. Januar 2010 trat das totalrevidierte Mehrwertsteuergesetz vom 12. Juni 2009 in Kraft. Mit der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes, die vom Parlament am 30. September 2016 verabschiedet worden ist, wurden insbesondere mehrwertsteuerbedingte Wettbewerbsnachteile inländischer Unternehmen abgebaut. Die Wirtschaft ist jedoch einem steten Wandel unterworfen, daher besteht erneut Anpassungsbedarf.

Mit der vorliegenden Teilrevision werden parlamentarische Vorstösse, Vereinfachungen für KMU und Betrugsbekämpfungsmassnahmen umgesetzt.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage umfasst verschiedene Änderungen des Mehrwertsteuergesetzes, namentlich in den Bereichen Steuerpflicht, Steuerabrechnung und Steuersicherung. Im Bereich des Versandhandels sollen elektronische Plattformen wie Internet-Marktplätze selbst als Leistungserbringer und Leistungserbringerinnen gelten und nicht mehr die Unternehmen, die ihre Produkte über diese Plattformen vertreiben. Dies entspricht dem Anliegen der vom Parlament überwiesenen Motion Vonlanthen (Mehrwertsteuerpflicht von Online-Plattformen bei Verkäufen aus dem Ausland in die Schweiz; 18.3540). Entziehen sich Plattformen oder Versandhandelsunternehmen ihren Mehrwertsteuerpflichten, kann die ESTV ein Einfuhrverbot oder eine Vernichtung der Sendungen verfügen und die Namen der fehlbaren Unternehmen zum Schutz der Kunden und Kundinnen veröffentlichen. Die Vorlage sieht weiter die Einführung der jährlichen Abrechnung mit Ratenzahlungen zur Senkung des administrativen Aufwands der Unternehmen vor. Als Massnahmen zur Steuersicherung sollen einerseits der Handel mit Emissionsrechten und vergleichbaren Rechten der Bezugsteuer unterstellt und andererseits die Möglichkeit geschaffen werden, in bestimmten Fällen von einem Mitglied des geschäftsführenden Organs einer juristischen Person eine Sicherheit zu verlangen. Schliesslich setzt die Vorlage die überwiesenen Motionen WAK-S (Keine
Mehrwertsteuer auf subventionierten Aufgaben; 16.3431), Page (Mehrwertsteuer.

Beseitigung der Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen; 17.3657), Stöckli (Mehrwertsteuer für ausländische Tour Operators; 18.4194) und von Siebenthal (Mehrwertsteuer für ausländische Tour Operators; 18.4363) sowie die vom Bundesrat zur Annahme beantragten Motionen Maire (Reduzierter Mehrwertsteuersatz für Damenhygieneartikel; 18.4205) und Humbel (Keine Behinderung der hausärztlich koordinierten Versorgung durch den Fiskus; 19.3892) um.

Die Vorlage führt per Saldo grob geschätzt zu jährlichen Mehreinnahmen im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Nicht berücksichtigt sind dabei die nicht quantifizierbaren Mindereinnahmen aufgrund der Umsetzung der Motion WAK-S 16.3431.

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Die grössten finanziellen Auswirkungen hat die Besteuerung der elektronischen Versandhandelsplattformen mit geschätzten Mehreinnahmen von rund 75 Millionen Franken.

Auf die Kantone und Gemeinden wirkt sich die Vorlage leicht positiv aus, da neu alle Mittelverwendungen, die sie ausdrücklich als Subventionen bezeichnen, auch bei der Mehrwertsteuer als Subventionen gelten.

Die privaten Haushalte sind von der Vorlage nur teilweise und zumeist in geringem Ausmass betroffen. Auf die Volkswirtschaft als Ganzes hat sie geringfügige positive Auswirkungen. Es profitieren inländische Detailhandels- und Versandhandelsunternehmen, da ihre mehrwertsteuerbedingten Nachteile gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten und Konkurrentinnen zum grössten Teil eliminiert werden. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelt nicht mehr in die Schweiz geliefert wird und es somit zu Einschränkungen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr ins Inland kommt.

Die Plattformbesteuerung und die jährliche Abrechnung benötigen angemessene Inkraftsetzungsfristen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse Vernehmlassungsverfahren 2.1 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.1.1 Plattformbesteuerung im Grundsatz 2.1.2 Administrative Massnahmen gegen Versandhandelsplattformen 2.1.3 Auskunftspflicht für Versandhandels- und Dienstleistungsplattformen 2.1.4 Ausweitung der Bezugsteuer bei Business-to-BusinessLeistungen (B2B-Leistungen) ausländischer Unternehmen 2.1.5 Bezugsteuerpflicht für Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen 2.1.6 Subventionen ­ gesetzliche Vermutung 2.1.7 Möglicher Verzicht auf Steuervertretung für ausländische Unternehmen 2.1.8 Freiwillige jährliche Abrechnung mit Akontozahlungen 2.1.9 Leistungen von Reisebüros 2.1.10 Reduzierter Steuersatz für Produkte der Monatshygiene 2.1.11 Steuerausnahme für die aktive Teilnahme an kulturellen Anlässen 2.1.12 Steuerausnahme für Leistungen der koordinierten Versorgung 2.1.13 Haftung geschäftsführender Organe bei Serien-Konkursen 2.1.14 Ausfuhr im Reiseverkehr 2.1.15 Steuerbefreiung, wenn nur ausgenommene Leistungen erbracht werden 2.1.16 Streichung der Steuerbefreiung von Beförderungsleistungen, die ausschliesslich im Ausland erbracht werden 2.1.17 Definition des Leistungsempfängers oder der Leistungsempfängerin 2.1.18 Gruppenbesteuerung 2.1.19 Ort der Leistung von Organisatoren und Organisatorinnen von Veranstaltungen 2.1.20 Sitz der Steuervertretung in der Schweiz 2.1.21 Indexierung

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15 15 16 16 17 17 17 18 18 18 19 19 19 20 20 20 21 21 21 22 22 22 22 22 22

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2.2

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2.1.22 Reservierter Dienst nach dem Postgesetz 2.1.23 Normstufenbereinigung der Steuerbefreiung für Umsätze aus der Veräusserung von Gold und Legierungen von Gold 2.1.24 Änderung der MWSTV: Meldeverfahren für die Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.2.1 Plattformbesteuerung im Grundsatz 2.2.2 Administrative Massnahmen gegen Plattformen und Versandhandelsunternehmen 2.2.3 Auskunftspflicht für Versandhandels- und Dienstleistungsplattformen 2.2.4 Ausweitung der Bezugsteuer bei B2B-Leistungen ausländischer Unternehmen 2.2.5 Bezugsteuer für die Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen 2.2.6 Subventionen ­ gesetzliche Vermutung 2.2.7 Möglicher Verzicht auf Steuervertretung für ausländische Unternehmen 2.2.8 Freiwillige jährliche Abrechnung mit Akontozahlungen 2.2.9 Leistungen von Reisebüros 2.2.10 Reduzierter Steuersatz für Produkte der Monatshygiene 2.2.11 Steuerausnahme für die aktive Teilnahme an kulturellen Anlässen 2.2.12 Steuerausnahme für Leistungen der koordinierten Versorgung 2.2.13 Haftung geschäftsführender Organe bei Serien-Konkursen 2.2.14 Ausfuhr im Reiseverkehr 2.2.15 Steuerbefreiung, wenn nur ausgenommene Leistungen erbracht werden 2.2.16 Streichung der Steuerbefreiung von Beförderungsleistungen, die ausschliesslich im Ausland erbracht werden 2.2.17 Definition des Leistungsempfängers oder der Leistungsempfängerin 2.2.18 Gruppenbesteuerung 2.2.19 Ort der Leistung von Organisatoren und Organisatorinnen von Veranstaltungen 2.2.20 Normstufenbereinigung der Steuerbefreiung für Umsätze aus der Veräusserung von Gold und Legierungen von Gold 2.2.21 Änderung der MWSTV: Meldeverfahren für die Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 3.1 Plattformbesteuerung

23 23 23 23 23 25 25 25 25 25 26 26 27 27 27 27 27 28 28 28 28 28 29 29 29 29 29 5 / 74

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3.1.1 3.1.2 3.1.3

3.2 3.3

Aktuelle Rechtslage zum Versandhandel in der Schweiz Arbeiten der OECD Von einer elektronischen Schnittstelle unterstützte Lieferung von Gegenständen in der EU 3.1.4 Sharing Economy und Gig Economy (Wirtschaft des Teilens) Bezugsteuerpflicht für Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen Steuervertretung für ausländische Unternehmen

29 30 30 31 32 33

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.2.1 Aus Sicht der steuerpflichtigen Personen 4.2.2 Aus Sicht des Bundes (ESTV) 4.2.3 Aus Sicht der Konsumenten und Konsumentinnen 4.3 Umsetzungsfragen

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5

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

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6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf die steuerpflichtigen Personen 6.1.1 Auswirkungen der Umsetzung der Motion Vonlanthen 18.3540 betreffend Plattformbesteuerung 6.1.2 Auswirkungen der jährlichen Abrechnung 6.1.3 Auswirkungen der Umsetzung der Motion WAK-S 16.3431 betreffend Subventionen 6.2 Auswirkungen auf den Bund 6.2.1 Finanzielle Auswirkungen 6.2.2 Personelle Auswirkungen 6.3 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.4 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.5 Auswirkungen auf die privaten Haushalte 6.6 Auswirkungen auf die Umwelt 6.7 Auswirkungen auf die Sozialversicherungen

62 62

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.1.1 Voraussetzungen für eine Einschränkung der Eigentumsgarantie 7.1.2 Eigentum liegt beim ausländischen Versandhandelsunternehmen 7.1.3 Eigentum liegt bei den Schweizer Kunden und Kundinnen 7.1.4 Verzicht auf Anhörung der Empfänger und Empfängerinnen

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7.2 7.3 7.4 7.5 7.6

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz Erlassform Unterstellung unter die Ausgabenbremse Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen Datenschutz

Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Trotz der Einführung der Versandhandelsregelung (Art. 7 Abs. 3 Bst. b des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 20091 [MWSTG]) per 1. Januar 2019 bleibt ein beachtlicher Teil des Konsums unbesteuert, denn es ist davon auszugehen, dass sich nicht alle ausländischen Versandhandelsunternehmen, die die Voraussetzungen für die Steuerpflicht erfüllen, auch wirklich haben eintragen lassen. Dies hat Auswirkungen auf die Bundeskasse sowie auf die inländischen Anbieter und Anbieterinnen gleichartiger Produkte, die der Mehrwertsteuer nicht ausweichen können. Indem künftig die Plattformen, wie von der Motion Vonlanthen (18.3540) gefordert, als Leistungserbringerinnen gelten, wird die mehrwertsteuerliche Gleichbehandlung von inund ausländischen Versandhandelsunternehmen sichergestellt (nachfolgend wird jeweils von Plattform gesprochen, ungeachtet davon, ob man die elektronische Plattform im technischen Sinn meint oder die steuerpflichtige Person, d. h. die Person, die die Plattform betreibt). Ausserdem ist es mit weniger Aufwand für die Wirtschaftsakteure und Wirtschaftsakteurinnen und die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) verbunden, wenn anstatt zahlreicher einzelner Versandhandelsunternehmen die Plattformen als steuerpflichtige Personen eingetragen werden.

Weiter besteht unverändert Bedarf an Vereinfachungen für die steuerpflichtigen Personen und teilweise auch für die ESTV. Den grössten Vereinfachungseffekt der vorgeschlagenen Massnahmen hat die Einführung der jährlichen Abrechnung. Insbesondere bei Unternehmen, die nach der effektiven Methode abrechnen, sind die administrativen Entlastungen von Bedeutung. Sie müssen die erzielten Umsätze und die abzugsfähigen Vorsteuern nur noch einmal statt viermal pro Jahr ermitteln. Bei Unternehmen, die mit Hilfe der Saldosteuersätze abrechnen, ist der Vereinfachungseffekt deutlich geringer, da sie aktuell nur halbjährlich abrechnen und nur die Umsätze ermitteln müssen. Eine weitere Vereinfachung ist für Reisebüros vorgesehen. Während heute bei Auslandreisen die einzelnen Komponenten der Reise für die Zwecke der Mehrwertsteuer aufgeschlüsselt und einzeln nach ihrem Leistungsgehalt beurteilt werden müssen, gilt künftig für alle Dienstleistungen von Reisebüros das Erbringerortsprinzip. Die Leistungen von Reisebüros sind von der Steuer befreit, wenn sie im Ausland
bewirkt werden oder wenn sie gestützt auf Artikel 23 MWSTG von der Steuer befreit wären, wenn sie von einer Person erbracht würden, die kein Reisebüro ist.

Ferner sah sich die ESTV in den letzten Jahren vermehrt mit sogenannten SerienKonkursiten und -Konkursitinnen konfrontiert. Mit minimalem Kapital ausgestattete Unternehmen, zumeist GmbHs, sind kurze Zeit auf dem Markt aktiv, häufig mit besonders tiefen Preisen. Sobald bekannt wird, dass sie die Rechnungen nicht bezahlen

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SR 641.20

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und auch keine Sozialabgaben und Steuern abliefern, gehen sie in Konkurs. Kurz darauf gründen dieselben Gesellschafter und Gesellschafterinnen neue Unternehmen mit gleichem Geschäftszweck und -gebaren.

Ebenfalls um Verhinderung von Missbrauch geht es bei der Einführung der generellen Bezugsteuerpflicht bei der Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Rechten, Bescheinigungen und Zertifikaten.

Die Motion WAK-S (16.3431) soll umgesetzt werden mittels einer gesetzlichen Fiktion, wonach von einem Gemeinwesen ausgerichtete Mittel mehrwertsteuerrechtlich als Subvention oder öffentlich-rechtlicher Beitrag gelten, sofern das Gemeinwesen diese Mittel der empfangenden Person gegenüber ausdrücklich als Subvention oder öffentlich-rechtlichen Beitrag bezeichnet. Die gesetzliche Fiktion erhöht die Rechtssicherheit im Bereich der Subventionen und anderen öffentlich-rechtlichen Beiträge signifikant.

Schliesslich sollen, nebst den erwähnten Motionen Vonlanthen und WAK-S, noch weitere Motionen umgesetzt werden (s. Ziff. 1.4).

Sodann werden im Rahmen der laufenden Totalrevision des Zollgesetzes auch Bestimmungen des Mehrwertsteuergesetzes geändert. In der entsprechenden Gesetzesvorlage, die nach der vorliegenden Revision des MWSTG zur Schlussabstimmung kommen wird, werden somit Koordinationsbestimmungen notwendig sein.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Nebst den unter Ziffer 1.1 dargestellten Massnahmen, die umgesetzt werden sollen, wurden folgende Massnahmen in weiteren Handlungsfeldern geprüft und verworfen: Massnahme

Grund für Nichtverfolgung

Senkung der Umsatzgrenze für die Steuerpflicht, um Wettbewerbsverzerrungen zu verringern (Art. 10 Abs. 2 Bst. a MWSTG).

Erst im Jahr 2010 wurde die generelle Limite von 100 000 Franken festgelegt.

Ausserdem forderten die mittlerweile erledigte parlamentarische Initiative Hess (17.479) und die abgelehnte Motion Burgherr (20.4590) eine Erhöhung der Limite.

Senkung der Umsatzgrenze von 150 000 Franken für die Befreiung von der Steuerpflicht von ehrenamtlich geführten, nicht gewinnstrebigen Vereinen und gemeinnützigen Institutionen (Art. 10 Abs. 2 Bst. c MWSTG).

Die Verzerrungen sind zwar teilweise erheblich, aber im ehrenamtlichen Bereich steht aus politischer Sicht die administrative Entlastung im Vordergrund. Die Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben beider Räte haben zudem der parlamentarischen Initiative Feller (17.448), die eine Anhebung der Limite verlangt, Folge gegeben.

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Massnahme

Grund für Nichtverfolgung

System der fraktionierten Zahlung («Split payment») zur Bekämpfung von Steuerausfällen: Bei diesem System wird im Zahlungsverkehr der Zahlungsbetrag aufgeteilt in den Betrag für die erbrachte Leistung und in den Betrag für die darauf ausgewiesene Mehrwertsteuer. Der Finanzintermediär (in der Schweiz ansässige Bank des Leistungserbringers oder der Leistungserbringerin) berechnet die Mehrwertsteuer auf dem Zahlungseingang und überweist sie auf ein Sperrkonto des Leistungserbringers oder der Leistungserbringerin oder direkt an die ESTV; den Rest des Entgelts schreibt er dem Konto des Leistungserbringers oder der Leistungserbringerin gut.

Das Split-payment-System erweist sich zumindest zum aktuellen Zeitpunkt als nicht oder nur sehr schwer umsetzbar.

Ausserdem kann es leicht umgangen werden, indem die Geschäfte in bar abgewickelt werden. Bei den Finanzintermediären dürfte ein solches System auf Widerstand stossen, da sie die Hauptlast des administrativen Aufwandes zu tragen hätten. Ihre Kosten würden sie wahrscheinlich mindestens teilweise auf den Leistungserbringer oder die Leistungserbringerin überwälzen. Auch letztere hätten somit höhere administrative Kosten und damit kein Interesse an einem solchen System.

Einführung der Plattformbesteuerung auch im Bereich der Gig Economy und der Sharing Economy, vor allem in der Beförderungs- und Beherbergungsbranche.

Darauf wurde verzichtet, da sich bisher weder in der OECD noch in der EU eine Vorgehensweise in diesem Bereich herauskristallisiert hat. Es wird aber eine Auskunftspflicht für alle elektronischen Plattformen eingeführt, sodass gewerbliche Anbieter und Anbieterinnen, die Leistungen über solche Plattformen anbieten, identifiziert werden können.

Elektronische Erstellung der Jahresabrechnung für die steuerpflichtige Person durch die ESTV.

Damit dies möglich wäre, müssten die Unternehmen ihre Buchhaltungsdaten so detailliert aufbereiten, dass sie ohne Weiteres auch gleich selbst die Abrechnung ausfüllen können. Es ergäbe sich kein Mehrwert für die Unternehmen.

Aufhebung des Verwertungsverbots nach Artikel 104 Absatz 3 MWSTG. Geprüft wurde dies aufgrund einer Empfehlung der Eidgenössischen Finanzkontrolle.

Die Aufhebung des 2010 eingeführten Verwertungsverbots widerspräche übergeordnetem Recht (Art. 32 der Bundesverfassung2 [BV]; Art. 6 der Konvention vom 4. November 19503 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten; Art. 14 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 19664 über bürgerliche und politische Rechte).

2 3 4

SR 101 SR 0.101 SR 0.103.2

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Massnahme

Grund für Nichtverfolgung

Aufhebung der 5-Franken-Wertfreigrenze bei der Einfuhr von Warensendungen aus dem Ausland (Art. 1 Bst. d der Verordnung des EFD vom 2. April 20145 über die steuerbefreite Einfuhr von Gegenständen in kleinen Mengen, von unbedeutendem Wert oder mit geringfügigem Steuerbetrag).

Dies hätte einen grossen Mehraufwand vor allem für die Post zur Folge. Es sollen zuerst ausreichend Erfahrungen mit der 2019 eingeführten Versandhandelsregelung gesammelt werden. Zudem dürfte die Erhebung der Mehrwertsteuer bei den Versandhandelsplattformen ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen.

Senkung der Bezugsteuer-Limite von 10 000 Franken für Nicht-Steuerpflichtige (Art. 45 Abs. 2 Bst. b MWSTG).

Dies wird nicht umgesetzt, weil die Bezugsteuer im Bereich Business-toConsumer durch die 2018 eingeführte Steuerpflicht ausländischer Unternehmen ab dem ersten Franken Umsatz im Inland an Bedeutung verloren hat.

Steuerpflicht für ganzes Gemeinwesen Dies wäre mit Mehraufwand für die Gestatt für die Dienststellen der Gemeinwe- meinwesen verbunden, da sich die für sen (Art. 12 MWSTG).

das ganze Gemeinwesen geschuldete Steuer nur schwer ermitteln lässt. Gemeinwesen sind in der Regel nur in Bezug auf wenige Leistungen steuerpflichtig. Deshalb ist es nach wie vor sinnvoll, einzelne Organisationseinheiten als Steuerpflichtige einzutragen und nicht das ganze Gemeinwesen.

Leistungen zwischen Gemeinwesen führen nicht zur Steuerpflicht. Ausserdem ist das Zurverfügungstellen von Personal an andere Gemeinwesen von der Steuer ausgenommen. Es wurde geprüft, ob diese Bevorzugung gegenüber Nichtgemeinwesen ausgebaut oder eingeschränkt werden soll (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 und 28bis MWSTG).

Sowohl bei der Totalrevision 2010 als auch bei der Teilrevision 2018 wurde die Steuerausnahme für Gemeinwesen ausgeweitet. Dies spricht gegen eine Einschränkung. Eine weitere Ausweitung würde Private noch stärker benachteiligen, als dies bereits heute der Fall ist, und ist somit abzulehnen.

Inlandleistungen an steuerpflichtige Unternehmen sollen ohne Steuer erfolgen.

Es würde sich um ein ähnliches System handeln wie bei der Warenumsatzsteuer, die Anfang 1995 von der Mehrwertsteuer abgelöst wurde. Mit einem solchen System liessen sich die Liquiditätsbindung

Dies hätte einen deutlichen Mehraufwand für die Steuerpflichtigen zur Folge, da sie immer prüfen müssten, ob eine steuerfreie Leistung möglich ist oder nicht. Ausserdem wäre der Steuertatbestand des Eigenverbrauchs wiedereinzuführen. Verwendet der Empfänger oder die Empfängerin die bezogene Leistung

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SR 641.204

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Massnahme

Grund für Nichtverfolgung

der steuerpflichtigen Personen reduzieren nämlich zur Erbringung von Leistungen, und Steuerausfälle vermindern.

die von der Steuer ausgenommen sind, könnte nicht wie heute der Vorsteuerabzug korrigiert werden, sondern es müsste die Eigenverbrauchssteuer deklariert werden. Eine solche Regelung wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die ESTV mit sehr hohen Debitorenverlusten konfrontiert wäre.

Zwingende Verwendung der elektronischen Abrechnung.

Diese Massnahme kann vom Bundesrat mit Hilfe des Gesetzes über elektronische Verfahren im Steuerbereich umgesetzt werden.

Aufhebung des Einspracheverfahrens (Art. 83 MWSTG).

Rund 80 Prozent aller Einspracheverfahren werden mit dem Einspracheentscheid abgeschlossen. Nur in rund 20 Prozent der Fälle wird ein Einspracheentscheid ans Bundesverwaltungsgericht (BVGer) weitergezogen. Bei Umsetzung dieser Massnahme müssten die Entscheide der ESTV eingehender begründet werden als dies heute der Fall ist. Es wäre mit höherem Personalaufwand bei der ESTV und vor allem beim BVGer zu rechnen.

Ausserdem hätte dies Mehrkosten für die Unternehmen zur Folge, da die Einspracheverfahren im Gegensatz zu den Verfahren vor BVGer kostenlos sind.

Abschaffung von Steuerausnahmen im Geld- und Kapitalverkehr sowie im Versicherungsbereich, sofern technisch machbar. Möglich wäre das beim Kommissionsgeschäft sowie bei den Sach-, Vermögens- und Rückversicherungen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 18 und 19 MWSTG).

Im Gegensatz zum Kommissionsgeschäft ist die Besteuerung der Versicherungen mit dem bei der Mehrwertsteuer üblichen Verfahren nicht möglich. Eine solche Besteuerung wäre zudem nur in Betracht zu ziehen, wenn gleichzeitig die Stempelabgaben auf diesen Geschäften abgeschafft würden, weil ansonsten der gleiche Umsatz zweimal besteuert würde. Per Saldo ergäben sich hohe Steuermindereinnahmen, einerseits wegen der Abschaffung der Stempelabgaben und andererseits, weil auf dem Auslandgeschäft keine Taxe occulte mehr lasten würde.

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Massnahme

Grund für Nichtverfolgung

Anpassung der Definition von «Lieferung» und «Dienstleistung» an die Richtlinie 2006/112/EG6 (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie).

Viele Dienstleistungen in Zusammenhang mit Gegenständen wie beispielsweise Gebrauchsüberlassungen gelten im Schweizer Mehrwertsteuerrecht als Lieferungen. Dies hat den Vorteil, dass schwierige Abgrenzungsfragen im EU-Recht, wie viel «Substanz» bei einer Dienstleistung mitgeliefert werden muss, damit es sich um eine Lieferung handelt, entfallen.

Zur Umsetzung der Motion der WAK-S (16.3431; Keine Mehrwertsteuer auf subventionierten Aufgaben) wurden folgende Alternativen geprüft und verworfen:

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­

Abstellen auf das Bundesgesetz vom 5. Oktober 19907 über Finanzhilfen und Abgeltungen (SuG) oder auf kantonale und kommunale Subventionsgesetze: Bei dieser Handlungsoption müsste die ESTV nach den Kriterien des SuG oder entsprechenden kantonalen oder kommunalen Gesetzen beurteilen, ob es sich um Subventionen handelt. Zudem besteht das Risiko, dass es zu einer ungewollten Verschärfung der Praxis kommt, etwa, wenn im Einzelfall bestimmte formale Anforderungen des SuG nicht erfüllt sind.

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Abstellen auf das Bundesgesetz vom 21. Juni 20198 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB), wobei zwei Auslegungen möglich wären: Zum einen könnte man die Vergabe eines öffentlichen Auftrags nach dem BöB als steuerbare Leistung behandeln, die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe mit gleichzeitiger Bezuschussung hingegen als Subvention. Zum anderen könnten sowohl die Vergabe eines öffentlichen Auftrags als auch die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe als steuerbare Leistungen behandelt werden. Beide Handlungsoptionen überzeugen nicht. Einerseits ist die Abgrenzung zwischen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags und der Übertragung einer öffentlichen Aufgabe häufig unscharf und andererseits würde bei einer Besteuerung beider Tatbestände das Gegenteil dessen erreicht, was die Motion will.

­

Steuerausnahme für die Auslagerung von öffentlichen beziehungsweise von gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben: Die Schaffung einer neuen Steuerausnahme würde zu einer Schmälerung der Bemessungsgrundlage führen und neue Abgrenzungen notwendig machen. Neu wäre zu unterscheiden zwischen der Übertragung öffentlicher Aufgaben und dem Bezug von Leistungen für die eigenen Bedürfnisse, wobei sich ebenfalls schwierige Abgrenzungsfragen stellen können. Ausserdem würde der Kollektivkonsum durch die neue Steuerausnahme in geringerem Ausmass besteuert als im Status quo und deshalb gegenüber dem Individualkonsum noch stärker privilegiert.

Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.

SR 616.1 SR 172.056.1

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Rückerstattung der Mehrwertsteuer, die auf den Vorleistungen und Investitionen der Gemeinwesen lastet: Dabei könnte die Rückerstattung auf solche Vorleistungen und Investitionen beschränkt werden, die zur Erbringung hoheitlicher Tätigkeiten verwendet werden. Es wäre aber auch möglich, jene Mehrwertsteuer zurückzuerstatten, die nicht ohnehin bereits als Vorsteuer in Abzug gebracht werden kann. Der Kollektivkonsum würde durch die Steuerbefreiung nicht mehr oder nur noch in einem geringen Ausmass besteuert und damit gegenüber dem Individualkonsum massiv bevorzugt. Die Wettbewerbsnachteile der privaten Anbieter und Anbieterinnen wären insbesondere dann gross, wenn den Gemeinwesen auch die Vorsteuern auf den bezogenen Gegenständen und Dienstleistungen rückerstattet würden, die sie zur Erbringung von der Steuer ausgenommener Leistungen verwenden. Ausserdem wäre diese Massnahme mit grossem administrativem Aufwand für die Gemeinwesen und hohen Steuermindereinnahmen für die Bundeskasse und die Zweckbindungen an den Mehrwertsteuereinnahmen verbunden.

­

Befreiung an der Quelle für Gemeinwesen: Die Gemeinwesen könnten Gegenstände und Dienstleistungen ohne Mehrwertsteuerbelastung beziehen. Für die Unternehmen, die Leistungen an Gemeinwesen erbringen, wäre dies allerdings mit grossem Mehraufwand verbunden. Besonders hoch wäre dieser dann, wenn nur Leistungen an Gemeinwesen steuerfrei ausgeführt werden dürften, die bei diesen für hoheitliche Tätigkeiten verwendet werden. Dadurch würde ebenfalls der Kollektivkonsum gegenüber dem Individualkonsum steuerlich bevorzugt und es ergäben sich die gleichen hohen Steuermindereinnahmen wie beim vorstehend dargelegten Rückerstattungsmodell.

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Besteuerung der Subventionen als Drittengelt: Volkswirtschaftlich und steuersystematisch wäre dies die sachgerechtere Lösung, da zum einen das Steuersystem spürbar vereinfacht und zum anderen der Kollektivkonsum und der Individualkonsum steuerlich gleichbehandelt würden. Subventionen führen regelmässig dazu, dass Leistungen günstiger angeboten werden können. Um nicht mehrwertsteuerlich einen Anreiz weg vom steuerbaren Marktentgelt hin zu nicht steuerbaren Subventionen zu schaffen, sollten Subventionen als sogenanntes Drittentgelt mehrwertsteuerrechtlich gleichbehandelt werden wie das durch die Subvention vergünstigte Entgelt. Das würde zu einer umfassenden Besteuerung der Subventionen als Teil des subventionierten Entgeltes führen. Da dies politisch nicht gewollt ist, werden im Schweizer Mehrwertsteuerrecht im Unterschied zu ausländischen Rechtsordnungen Subventionen kaum als steuerbares Drittentgelt qualifiziert. Dadurch hat sich der Fokus auf die Frage verschoben, ob zwischen dem Gemeinwesen und den Bezuschussten selbst ein Leistungsverhältnis besteht. Weil die Besteuerung der Subvention als Drittentgelt dem entgegensteht, was die Motion verlangt, wurde diese Massnahme nicht weiterverfolgt.

­

Einfügen einer Delegationsnorm im Gesetz, wonach der Bundesrat definiert, wann aus Sicht der Mehrwertsteuer eine Abgeltung gesetzlicher Aufgaben vorliegt: Das Ziel der Motion liesse sich damit wohl erreichen, aber es wäre

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für den Bundesrat kaum möglich, abschliessend festzulegen, wann eine Abgeltung gesetzlicher Aufgaben vorliegt. Damit würde die Rechtsunsicherheit weiterbestehen.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die vorliegende Botschaft ist in der Botschaft vom 29. Januar 20209 zur Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Sie ist Teil von Ziel 1, wonach für einen ausgeglichenen Bundeshaushalt und eine stabile Finanzordnung gesorgt werden soll. Der Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022­2024 sieht die Verabschiedung der Botschaft zur Reform der Mehrwertsteuer vor (Band 2B, S. 51)10.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Durch diese Botschaft werden folgende Motionen umgesetzt:

9 10

­

Motion WAK-S 16.3431 (überwiesen) Keine Mehrwertsteuer auf subventionierten Aufgaben, wonach von Gemeinwesen ausgerichtete Subventionen nicht der Mehrwertsteuer unterliegen sollen, sofern sie zur Erfüllung grundlegender gesetzlicher Aufgaben ausgerichtet werden;

­

Motion Page 17.3657 (überwiesen) Mehrwertsteuer. Beseitigung der Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen, die Gebühren für die aktive Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen von der Steuer ausnehmen will, wie das bereits für Teilnahmegebühren an sportlichen Anlässen der Fall ist;

­

Motion Vonlanthen 18.3540 (überwiesen) Mehrwertsteuerpflicht von OnlinePlattformen bei Verkäufen aus dem Ausland in die Schweiz. Die Motion verlangt, dass ausländische Online-Marktplätze und Dienstleistungsplattformen bei Lieferungen oder Dienstleistungen in die Schweiz der Mehrwertsteuer unterstellt werden. Die Massnahmen sollen steuerlich faire Wettbewerbsbedingungen für einheimische Anbieter und Anbieterinnen schaffen und Missbräuche verhindern sowie Mindereinnahmen bei Online-Verkäufen und -Dienstleistungen aus dem Ausland verringern. Hinsichtlich der Lieferung von Gegenständen wird die Motion vollumfänglich umgesetzt. Bezüglich der Dienstleistungen wird sie hingegen nicht umgesetzt, da zum einen die Besteuerung bei elektronischen Dienstleistungen heute schon sichergestellt ist und zum anderen es sich im Bereich der Sharing Economy und der Gig Economy häufig um Transaktionen zwischen (Privat-)Personen handelt, welche die Umsatzgrenze für die Steuerpflicht nicht überschreiten. Es wäre mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar, dass die gleichen Leistungen zwischen den gleichen Personen via Plattform der Mehrwertsteuer unterliegen, BBl 2020 1777, Anhang 1, S. 1888.

Abrufbar unter: www.efv.admin.ch > Finanzberichte > Voranschlag mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan.

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ausserhalb einer Plattform jedoch nicht. Die Vorlage sieht aber eine Auskunftspflicht für alle elektronischen Plattformen vor, um Personen zu identifizieren, die mit Hilfe der Plattformen die Umsatzgrenze für die Steuerpflicht überschreiten und deshalb mehrwertsteuerpflichtig werden, beispielsweise indem sie für mehr als 100 000 Franken pro Jahr Ferienwohnungen vermieten.

Da diese Personen in aller Regel im Inland ansässig sind, kann und muss die ESTV die Steuerpflicht direkt bei ihnen durchsetzen. Es rechtfertigt sich nicht, stattdessen die Plattformen zu besteuern. Der Bundesrat wird aber die Entwicklung bei den Dienstleistungsplattformen im Auge behalten und dem Parlament nötigenfalls eine Vorlage unterbreiten. Detailliertere Ausführungen finden sich in Ziffer 4.1, erster Abschnitt; ­

Motion Maire 18.4205 (vom Bundesrat zur Annahme beantragt) Reduzierter Mehrwertsteuersatz für Damenhygieneartikel;

­

Motion Humbel 19.3892 (vom Bundesrat zur Annahme beantragt) Keine Behinderung der hausärztlich koordinierten Versorgung durch den Fiskus, wonach die von den Krankenversicherern an Ärztenetzwerke geleisteten Entschädigungen für die koordinierte Behandlung der Patienten als Teil der Heilbehandlung von der Mehrwertsteuer ausgenommen sein sollen;

­

Die identischen Motionen Stöckli 18.4194 (überwiesen) und von Siebenthal 18.4363 (überwiesen) Mehrwertsteuer für ausländische Tour Operators, wonach ausländische Tour Operators nicht mehr steuerpflichtig werden, wenn sie Reisen in die Schweiz organisieren.

2

Vernehmlassungsverfahren

2.1

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens11

Der Bundesrat hat am 19. Juni 2020 das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, bei den Kantonen, dem Fürstentum Liechtenstein, den politischen Parteien, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Gemeinden, Städte und Berggebiete, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Wirtschaft und den interessierten Kreisen zur Teilrevision des MWSTG und der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 200912 (MWSTV) ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen.

Die Vernehmlassung dauerte bis zum 12. Oktober 2020.

Von den 97 eingegangenen Stellungnahmen haben 5 (GR, OW, Städtische Steuerkonferenz, Arbeitgeberverband, SKS) ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet.

Geäussert haben sich 24 Kantone, 5 Parteien (CVP, FDP, GPS, SPS und SVP) und 63 Organisationen.

11 12

Der Ergebnisbericht ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EFD.

SR 641.201

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2.1.1

Plattformbesteuerung im Grundsatz

Die Einführung der Plattformbesteuerung wird von niemandem abgelehnt.

AI, BS, JU, NW, TI, TG und VD, CVP, SPS und SVP, SGB, Travail.Suisse und der Schweizerische Baumeisterverband (SBV), Die Post, der Verband schweizerischer Speditions- und Logistik-Unternehmen (SPEDLOGSWISS), das Centre Patronal (CP), TREUHAND|SUISSE, der Wirtschaftsverband der ICT- und Online-Branche (SWICO), die Fédération des Entreprises Romandes (FER) und SwissHoldings sowie das Schweizerische Konsumentenforum (kf), die Fédération romande des consommateurs (frc), das KMU-Forum und das Centro di competenze tributarie del Dipartimento economia aziendale, sanità e sociale della Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI) begrüssen die Einführung der Plattformbesteuerung uneingeschränkt.

FDP und GPS, Economiesuisse, der Schweizerische Gewerbeverband (sgv), HotellerieSuisse, GastroSuisse, Swiss Retail Federation, EXPERTsuisse, der Schweizer Tourismus-Verband (STV), die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz (IG DHS), HANDELSVERBAND.swiss, das Mehrwertsteuer-Konsultativgremium (KG), Amazon, eBay und Rakuten begrüssen die Plattformbesteuerung ebenfalls, haben aber gewisse Vorbehalte und Änderungsvorschläge.

2.1.2

Administrative Massnahmen gegen Versandhandelsplattformen

TI, FDP, SPS und SVP sowie Travail.Suisse, SWICO und HANDELSVERBAND.swiss begrüssen die vorgeschlagenen Massnahmen vollumfänglich.

CVP, Swiss Retail Federation, SPEDLOGSWISS, TREUHAND|SUISSE, kf, SwissHoldings, der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH), KG, SUPSI und Amazon sind zwar grundsätzlich einverstanden mit administrativen Massnahmen, haben jedoch verschiedene, teils schwerwiegende Vorbehalte.

Die Post lehnt diese Massnahmen ab. Sie seien nicht mit dem Weltpostvertrag kompatibel und ausserdem sei nicht klar, wie die Massnahmen in der Praxis umgesetzt werden könnten. Insbesondere sei es offen, wie die Sendungen an der Grenze den Plattformen zugeordnet werden können.

2.1.3

Auskunftspflicht für Versandhandels- und Dienstleistungsplattformen

GastroSuisse und SWICO begrüssen diese Massnahme ausdrücklich.

Niemand spricht sich gegen eine solche Auskunftspflicht aus. Teilweise werden geringfügige Anpassungen vorgeschlagen.

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2.1.4

Ausweitung der Bezugsteuer bei Business-to-Business-Leistungen (B2B-Leistungen) ausländischer Unternehmen

BS, VD und ZH, SVP, TREUHAND|SUISSE, HANDELSVERBAND.swiss, SwissHoldings, kf, die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte, SBB und das KMU-Forum sind mit dem Vorschlag vollumfänglich oder zumindest im Grundsatz einverstanden.

SZ, FDK und Städteverband, Economiesuisse, sgv, HotellerieSuisse, Swiss Retail Federation, EXPERTsuisse, SPEDLOGSWISS, IG DHS, FER und KG, Swissuniversities, ETH-Rat, SUPSI, der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) und FH lehnen den Vorschlag ab.

2.1.5

Bezugsteuerpflicht für Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen

TI und VD, Economiesuisse, SwissHoldings, die Stiftung Klimaschutz und CO2Kompensation (KliK), der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und SUPSI sind mit dieser Massnahme vollumfänglich oder zumindest im Grundsatz einverstanden und machen teilweise Vorschläge für ein anderes Vorgehen.

EXPERTsuisse und KG lehnen diesen Massnahme ab und schlagen eine Steuerausnahme für solche Leistungen vor.

2.1.6

Subventionen ­ gesetzliche Vermutung

GE, SO und TG, FDP und SVP, TREUHAND|SUISSE, VSE und SBB begrüssen die vorgeschlagene Lösung.

Die übrigen 34 Vernehmlassungsteilnehmenden (AG, BE, BL, BS, FR, JU, LU, NE, SG, SH, SZ, TI, UR, VD, VS, ZG und ZH, CVP, FDK, Städteverband und Gemeindeverband, Economiesuisse, sgv, SwissHoldings, FER, IG DHS, EXPERTsuisse, KG, SUPSI, Swissuniversities, ETH-Rat, Kantonsspital GR, WaldSchweiz und WaldAargau), die sich zu diesem Thema geäussert haben, lehnen den Vorschlag ab. In den meisten Fällen wird geltend gemacht, dass er keine Rechtssicherheit bringe und eher eine Verschlechterung darstelle. Economiesuisse, IG DHS und SwissHoldings bemängeln, der Vorschlag verschaffe den Gemeinwesen erheblichen Ermessensspielraum und für die Leistungserbringer und Leistungserbringerinnen bestehe das Risiko, dass an Gemeinwesen erbrachte Leistungen zu unerwarteten Vorsteuerkürzungen führen.

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2.1.7

Möglicher Verzicht auf Steuervertretung für ausländische Unternehmen

SwissHoldings und Amazon begrüssen die vorgeschlagene Massnahme.

Die übrigen Vernehmlassungsteilnehmenden, die sich zu diesem Vorschlag geäussert haben (Economiesuisse, SPEDLOGSWISS, EXPERTsuisse, KG, TREUHAND|SUISSE und SUPSI), lehnen ihn ab. Eine Fiskalvertretung biete den ausländischen Unternehmen die Sicherheit, die gesetzlichen Vorgaben in der Schweiz einzuhalten. Ausserdem sei nicht verständlich, weshalb die ausländischen Unternehmen in der Schweiz bei der Mehrwertsteuer kostenmässig entlastet werden sollen.

Des Weiteren könne ein Verzicht auf eine Steuervertretung nur dann in Frage kommen, wenn der Staat, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, Gegenrecht gewährt (KG, TREUHAND|SUISSE, SUPSI).

2.1.8

Freiwillige jährliche Abrechnung mit Akontozahlungen

EXPERTsuisse, TREUHAND|SUISSE, KG und FH lehnen die jährliche Abrechnung ab und Economiesuisse regt an, sie nochmals zu prüfen. Es steige das Risiko von Fehlern, für deren Korrektur dann nur wenig Zeit verbleibe. Die Buchhaltung solle à jour geführt werden. Es bestehe zudem das Risiko von Liquiditätsengpässen, wenn die Akontozahlungen zu niedrig seien und am Schluss des Jahres eine hohe Schlusszahlung geleistet werden müsse. Sie machen auch Vorschläge für den Fall, dass die jährliche Abrechnung umgesetzt wird.

Die übrigen 25 Vernehmlassungsteilnehmenden (AG, AI, BS, GL, JU, NE, NW, SO, TI, VD, und ZH, GPS, Economiesuisse, sgv, SBV, SwissHoldings, CP, HotellerieSuisse, GastroSuisse, STV, SWICO, HANDELSVERBAND.swiss, KMU-Forum, SVV und SUPSI), die sich dazu geäussert haben, begrüssen die jährliche Abrechnung mit Akontozahlungen, haben aber teilweise Änderungsvorschläge.

2.1.9

Leistungen von Reisebüros

VD, SVP, Economiesuisse, HotellerieSuisse, GastroSuisse, STV und TREUHAND|SUISSE begrüssen die Massnahmen insbesondere darum, weil dadurch der Incoming Tourismus (Tourismus durch Personen aus dem Ausland) gestärkt werde.

sgv, SwissHoldings, EXPERTsuisse und KG lehnen den Vorschlag ab, da dadurch inländische Reisebüros bei Reisen in der Schweiz gegenüber ausländischen Reisebüros schlechter gestellt würden.

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2.1.10

Reduzierter Steuersatz für Produkte der Monatshygiene

Fast alle Teilnehmenden (TI und VS, FDP, GPS, SPS und SVP, SGB, IG DHS, Swiss Retail Federation, frc, kf und die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten), die sich zu diesem Vorschlag haben vernehmen lassen, begrüssen ihn oder bekämpfen ihn zumindest nicht. Vereinzelt wird gefordert, den reduzierten Steuersatz auf Windeln (kf) oder sämtliche grundlegenden Hygieneartikel (Swiss Retail Federation) auszudehnen.

Economiesuisse und SwissHoldings lehnen den Vorschlag ab.

KG weist auf die dadurch verursachten Wettbewerbsverzerrungen hin, verzichtet aber darauf, Stellung zu beziehen, da es sich um einen politischen Entscheid handle.

2.1.11

Steuerausnahme für die aktive Teilnahme an kulturellen Anlässen

Fast alle Teilnehmenden (TI und VS, GPS und SVP, SGB, SwissHoldings und kf), die sich zu diesem Vorschlag haben vernehmen lassen, begrüssen ihn.

Economiesuisse lehnt den Vorschlag ab, da er zu Wettbewerbsverzerrungen zulasten des Gewerbes führe.

KG weist auf die dadurch verursachten Wettbewerbsverzerrungen hin, verzichtet aber darauf, Stellung zu beziehen, da es sich um einen politischen Entscheid handle.

2.1.12

Steuerausnahme für Leistungen der koordinierten Versorgung

Fast alle Teilnehmenden (VD, FDP, GPS und SVP, SGB, EXPERTsuisse, curafutura, kf, Santésuisse und medswiss.net), die sich zu diesem Vorschlag haben vernehmen lassen, begrüssen ihn, machen aber teilweise Änderungsvorschläge, da sie befürchten, die Ziele würden sonst nicht erreicht. Santésuisse fordert Klarstellungen in der Verordnung und der Botschaft, damit steuerbare und nicht steuerbare Leistungen klar unterschieden würden. Curafutura verlangt, dass auch die rein administrativen Leistungen von der Steuer ausgenommen werden.

Economiesuisse und SwissHoldings lehnen den Vorschlag ab.

KG weist auf die dadurch verursachten Wettbewerbsverzerrungen hin, verzichtet aber darauf, Stellung zu beziehen, da es sich um einen politischen Entscheid handle.

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2.1.13

Haftung geschäftsführender Organe bei Serien-Konkursen

TI und VD, GPS und SVP, SBV, CP, FER, SwissHoldings, KG und SUPSI begrüssen diese Massnahme ganz oder weitgehend, fordern aber teilweise Präzisierungen des Gesetzestextes, so beispielsweise bezüglich des Begriffs der «kurzen Zeitspanne».

HotellerieSuisse, GastroSuisse und EXPERTsuisse lehnen den Vorschlag ab, nicht nur, aber auch wegen der aktuellen coronabedingten Situation.

CVP begrüsst die Massnahme grundsätzlich, aber sie werfe Fragen auf bezüglich der Abkehr vom Grundsatz, dass bei juristischen Personen eine Haftungsbeschränkung besteht. Ausserdem rügt sie, dass die Massnahme nicht im Rahmen der Botschaft zur Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses aufgenommen worden ist.

Economiesuisse spricht sich nicht generell gegen die Massnahme aus, weist jedoch darauf hin, dass sie von einigen Unterverbänden als zu weitgehend angesehen wird.

Die Massnahme sei im Lichte der Corona-Situation zu überprüfen.

SPEDLOGSWISS gibt keine Empfehlung ab, fragt sich aber, ob Sicherstellungen auch für die Vorauslagen von Zolldienstleistern und Zolldienstleisterinnen im Rahmen des zentralisierten Abrechnungsverfahrens der Zollverwaltung gelten sollen.

TREUHAND|SUISSE erachtet die solidarische Haftung für Treuhandunternehmen als heikel, da diese oft Organfunktionen in Unternehmen ausüben würden, und fordert deshalb eine einschränkendere Formulierung.

2.1.14

Ausfuhr im Reiseverkehr

STV, SwissHoldings, KG, FH, Global Blue und Gübelin begrüssen die Einführung des elektronischen Nachweises für die Ausfuhr im Reiseverkehr. Teilweise wird jedoch die Frage gestellt, ob es hierfür wirklich einer neuen gesetzlichen Bestimmung bedürfe. Es werden zudem verschiedene Vorschläge zur Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen gemacht.

2.1.15

Steuerbefreiung, wenn nur ausgenommene Leistungen erbracht werden

EXPERTsuisse, SwissHoldings und KG bemängeln, dass eine freiwillige Steuerpflicht ­ im Gegensatz zum bestehenden Artikel 121a MWSTV ­ mit dem neuen Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe d VE-MWSTG nur noch rückwirkend auf den Beginn der Steuerperiode möglich ist statt innerhalb der Verjährungsfrist. Artikel 10 oder Artikel 14 MWSTG seien so anzupassen, dass sich keine Verschlechterung ergebe.

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2.1.16

Streichung der Steuerbefreiung von Beförderungsleistungen, die ausschliesslich im Ausland erbracht werden

SwissHoldings begrüsst den Vorschlag.

EXPERTsuisse, KG und SBB beantragen, auf die geplante Streichung der Steuerbefreiung zu verzichten, da ansonsten in gewissen Konstellationen Doppelbesteuerungen entstehen würden.

2.1.17

Definition des Leistungsempfängers oder der Leistungsempfängerin

SwissHoldings begrüsst den Vorschlag.

EXPERTsuisse, KG und SUPSI lehnen die Einführung einer Definition der Person, die die Leistung empfängt, ab.

Santésuisse gibt keine Empfehlung ab, zweifelt jedoch daran, dass dadurch die Rechtssicherheit verbessert werde.

2.1.18

Gruppenbesteuerung

Auf die Präzisierung in Artikel 13 Absatz 1 VE-MWSTG wird in keiner Stellungnahme eingegangen.

2.1.19

Ort der Leistung von Organisatoren und Organisatorinnen von Veranstaltungen

EXPERTsuisse, SwissHoldings und KG begrüssen, dass die Leistungen von Organisatoren und Organisatorinnen von Veranstaltungen neu am Empfängerort steuerbar sind.

2.1.20

Sitz der Steuervertretung in der Schweiz

Auf die Änderung in Artikel 67 Absatz 1 VE-MWSTG wird in keiner Stellungnahme eingegangen.

2.1.21

Indexierung

Auf die Anpassung in Artikel 5 VE-MWSTG wird in keiner Stellungnahme eingegangen.

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2.1.22

Reservierter Dienst nach dem Postgesetz

Auf die Präzisierung in Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 1 VE-MWSTG wird in keiner Stellungnahme eingegangen.

2.1.23

Normstufenbereinigung der Steuerbefreiung für Umsätze aus der Veräusserung von Gold und Legierungen von Gold

SwissHoldings begrüsst den Vorschlag.

KG fordert, den Inhalt von Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe e MWSTV ins Gesetz zu übernehmen. Diese Forderung ist erfüllt.

2.1.24

Änderung der MWSTV: Meldeverfahren für die Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen

Die Kantone TI und VD sowie SPS begrüssen die vorliegende Verordnungsänderung ausdrücklich. Veb.ch ist mit der Verordnungsbestimmung einverstanden.

Economiesuisse, sgv, SwissHoldings, VSE, der Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (durch Verweis auf die Stellungnahme des sgv), EXPERTsuisse und KG sprechen sich gegen die Verordnungsbestimmung aus, weil die Übergangsmassnahme mit zu grossem administrativem Aufwand für die betroffenen Unternehmen verbunden sei. Für den Fall, dass die Verordnungsänderung eingeführt würde, machen Economiesuisse, SwissHoldings, VSE und KG Änderungsvorschläge.

SUPSI stellt die Frage, ob sich eine Übergangsmassnahme lohne, da die Steuerpflichtigen innert kurzer Zeit zweimal technische Anpassungen vornehmen müssten, bei der Einführung und bei der Abschaffung.

Klik und Avenergy suisse erachten die Verordnungsbestimmung als gesetzeswidrig, weil sie unabhängig der im MWSTG festgelegten Mindestlimite von 10 000 Franken für die Anwendung des Meldeverfahrens gelte. Zudem sei das Meldeverfahren zur Betrugsverhinderung nur zwischen inländischen Steuerpflichtigen geeignet, nicht aber, wenn die Gegenpartei ein ausländischer Teilnehmer oder eine ausländische Teilnehmerin sei.

2.2

Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

2.2.1

Plattformbesteuerung im Grundsatz

Die Besteuerung der Plattformen für die von ihnen ermöglichten Lieferungen von Gegenständen ist im Grundsatz unbestritten.

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Nicht übernommen wurden folgende Forderungen: ­

Ausdehnung der Plattformbesteuerung auf Dienstleistungen: Bei den elektronischen Dienstleistungen bieten die grössten Plattformen, die digitale Inhalte anbieten, diese in der Regel im eigenen Namen an und gelten somit bereits als Leistungserbringerinnen. Bei den Dienstleistungen der Sharing Economy und der Gig Economy wie Beherbergung, Verpflegung oder Beförderung befindet sich der Leistungserbringer oder die Leistungserbringerin in aller Regel im Inland. Die ESTV kann und muss die Steuerpflicht direkt bei ihm oder ihr durchsetzen, sofern dieser oder diese die Umsatzgrenze für die Steuerpflicht erreicht, was häufig nicht der Fall sein dürfte. Es rechtfertigt sich nicht, stattdessen die Plattformen zu besteuern. Zudem wäre dann auch der ganze Bereich einbezogen, bei dem es sich häufig um Transaktionen zwischen (Privat) Personen handelt, welche die Umsatzgrenze für die Steuerpflicht nicht überschreiten. Es wäre mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar, dass die gleichen Leistungen zwischen den gleichen Personen via Plattform der Mehrwertsteuer unterliegen, ausserhalb einer Plattform jedoch nicht.

­

Ausklammerung der Consumer-to-Consumer-Lieferungen: Eine Ausklammerung hätte grossen administrativen Aufwand für die Plattformen zur Folge.

Ausserdem unterliegen Plattformen, die nur einen Online-Platz anbieten, auf dem Verkäufer oder Verkäuferinnen ihre Angebote platzieren können, nicht der Steuer.

­

Einschränkung der Plattformbesteuerung auf Kleinsendungen (Sendungen, bei denen sich die Einfuhrsteuer auf nicht mehr als fünf Franken beläuft und die deshalb von der Einfuhrsteuer befreit sind): Eine solche Einschränkung hätte grossen administrativen Aufwand für die Plattformen zur Folge. Insbesondere dann, wenn der Wert nahe der Grenze von 65 Franken (NormalsatzGegenstände) oder 200 Franken (Gegenstände, für die der reduzierte Satz gilt) liegt, wäre es nicht immer eindeutig, ob eine Kleinsendung vorliegt. Der Wert könnte nämlich aufgrund zusätzlicher Versandkosten plötzlich über der Limite liegen.

­

Zulassung des Verlagerungsverfahrens für alle Importeure und Importeurinnen von Waren: Die Erleichterung soll auf Plattformen beschränkt bleiben.

Nur die Plattformen werden mittels einer Fiktion zu Erbringerinnen von Lieferungen erklärt. Zudem wird der Versand der Waren, deren Verkauf von der Plattform ermöglicht wird, in der Regel nicht von der Plattform vorgenommen oder in Auftrag gegeben. Aus diesen Gründen ist es gerechtfertigt, den Plattformen eine Erleichterung bei der Einfuhr zu gewähren. Dies soll dazu beitragen, dass sich die Plattformen auch tatsächlich als steuerpflichtige Personen anmelden. Zudem hat sich bei der letzten Erleichterung der Bedingungen für die Anwendung des Verlagerungsverfahrens ­ seit 2018 sind gemäss Artikel 118 Absatz 1 Buchstabe d MWSTV nur noch 10 000 statt 50 000 Franken Vorsteuerüberschuss aus der Ein- und Ausfuhr von Gegenständen notwendig ­ gezeigt, dass von Seiten der bisherigen Steuerpflichtigen kein Interesse an einer vereinfachten Zulassung zum Verlagerungsverfahren besteht.

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2.2.2

Administrative Massnahmen gegen Plattformen und Versandhandelsunternehmen

Die administrativen Massnahmen werden von der grossen Mehrzahl der Vernehmlassungsteilnehmenden, unter anderem von den Bundesratsparteien und den Plattformen, begrüsst, aber teilweise als völkerrechtswidrig oder als nicht oder nur beschränkt umsetzbar bezeichnet. Die Möglichkeit, administrative Massnahmen einzuleiten, wird mit folgenden Anpassungen beibehalten: Sie sind nicht nur auf ausländische, sondern neu auch auf inländische Plattformen und Versandhandelsunternehmen anwendbar.

Ausserdem kommen sie nur noch bei sogenannten Kleinsendungen zur Anwendung.

Bei den Grosssendungen (Sendungen mit einem Steuerbetrag von mehr als 5 Franken) wird immer die Einfuhrsteuer erhoben, sodass der Bund keinen Steuerausfall erleidet und administrative Massnahmen nicht gerechtfertigt sind. Ferner wird im Gesetz selbst festgelegt, dass immer zuerst ein Einfuhrverbot verfügt werden muss. Nur wenn die steuerpflichtige Person ihren Pflichten trotz Einfuhrverbot weiterhin nicht nachkommt, kann eine Vernichtung von Sendungen verfügt werden.

2.2.3

Auskunftspflicht für Versandhandels- und Dienstleistungsplattformen

Diese wird weiterverfolgt, da sie positiv aufgenommen wurde.

2.2.4

Ausweitung der Bezugsteuer bei B2B-Leistungen ausländischer Unternehmen

Da fast alle Vernehmlassungsteilnehmenden die vorgeschlagenen Änderungen ablehnen, wird darauf verzichtet.

2.2.5

Bezugsteuer für die Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen

Der Vorschlag von zwei Vernehmlassungsteilnehmenden, solche Übertragungen von der Steuer auszunehmen, wird nicht umgesetzt, da jede Steuerausnahme dauerhaft mit Taxe occulte verbunden ist. Die Vermeidung dieser Schattensteuer ist wichtiger als die einmaligen Kosten, die bei der Umstellung vom bisherigen System zur Bezugsteuer anfallen. Es wird deshalb an der generellen Bezugsteuerpflicht für die Übertragung von Emissionsrechten und vergleichbaren Rechten festgehalten.

2.2.6

Subventionen ­ gesetzliche Vermutung

Angesichts der massiven Ablehnung wird die vorgeschlagene Bestimmung, die eine gesetzliche Vermutung vorsah, nicht weiterverfolgt. Die Motion WAK-S 16.3431

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wird deshalb mit der von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmenden der öffentlichen Hand vorgeschlagenen Fiktion umgesetzt: Wenn ein Gemeinwesen eine Mittelverwendung als Subvention oder öffentlich-rechtlichen Beitrag bezeichnet, dann gilt sie mehrwertsteuerrechtlich als eine Subvention oder ein öffentlich-rechtlicher Beitrag. Damit wird Rechtssicherheit geschaffen, denn weder die ESTV noch die Gerichte können die mehrwertsteuerliche Qualifikation in Frage stellen. Dass die Gemeinwesen diese Bestimmung missbrauchen, um Leistungsbezüge als Subventionen auszugeben, ist nicht zu erwarten, denn die Subventionen werden grundsätzlich gestützt auf ein Gesetz oder Reglement ausgerichtet, und die Buchführung der Gemeinwesen wird von einer Finanzkontrolle, einer Revisionsstelle oder der Finanzkommission geprüft. Nicht umgesetzt werden hingegen die unter anderem von der FDK und dem KG geforderten Massnahmen, nämlich der steuerfreie Bezug von Leistungen durch Gemeinwesen und der Verzicht auf eine Vorsteuerabzugskürzung beim Erhalt von Subventionen. Beide Massnahmen wären mit sehr hohen finanziellen Mindereinnahmen verbunden und wurden bereits anlässlich der Totalrevision der Mehrwertsteuer (08.053) diskutiert. Der steuerfreie Bezug von Leistungen durch Gemeinwesen wurde zudem im Rahmen der Vorarbeiten (s. Ziff. 1.2) zur Umsetzung der Motion geprüft.

2.2.7

Möglicher Verzicht auf Steuervertretung für ausländische Unternehmen

Die Mehrzahl der Stellungnehmenden, insbesondere jene aus der Mehrwertsteuerberatungsbranche, bezeichnen eine Steuervertretung als sinnvoll oder notwendig. Da die ESTV gemäss der vorgeschlagenen Bestimmung dann auf eine Steuervertretung verzichten kann, wenn die Erfüllung der Verfahrenspflichten durch die steuerpflichtige Person und der rasche Vollzug dieses Gesetzes auf andere Weise gewährleistet sind, wird an der Gesetzesbestimmung gemäss Vernehmlassungsvorlage festgehalten. Damit werden für ausländische Unternehmen die Hürden für eine Mehrwertsteuerregistrierung im Inland weiter gesenkt und die Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen sichergestellt.

2.2.8

Freiwillige jährliche Abrechnung mit Akontozahlungen

Vor allem von Seiten der Beratungsbranche wird befürchtet, dass die Bücher nicht mehr à jour geführt und Fehler zu spät entdeckt würden. Mehrheitlich wird die Massnahme aber begrüsst. Entsprechend den Stellungnahmen wird im Gesetz selbst klargestellt, wie viele Raten geschuldet sind, wie die ESTV die Höhe der Raten berechnet und dass die ESTV die Raten in Rechnung stellt. Des Weiteren wird im Gesetz und in der Botschaft klarer dargelegt, wann ein Verzugszins geschuldet ist.

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2.2.9

Leistungen von Reisebüros

Die Meinungen zu dieser Massnahme waren geteilt. Die Ausdehnung der Steuerbefreiung für Dienstleistungen von Reisebüros, die im Ausland bewirkt werden oder von der Steuer befreit wären, wenn sie nicht von einem Reisebüro erbracht würden, wird mehrheitlich begrüsst. Im umgekehrten Verhältnis bedeutet dies, dass ausländische Reisebüros bei Reisen in der Schweiz nicht mehr steuerpflichtig werden. Wie bis anhin müssen Schweizer Reisebüros und Tour Operators ihre Leistungen im Inland hingegen versteuern. Da die Tourismusbranche diesen Vorschlag als relevante Verbesserung für den Tourismusstandort Schweiz unterstützt, wird er unverändert in die Botschaftsvorlage aufgenommen.

2.2.10

Reduzierter Steuersatz für Produkte der Monatshygiene

Diese Gesetzesbestimmung war weitestgehend unbestritten. Auf eine Ausdehnung auf weitere Hygieneprodukte wird verzichtet. Zum einen würde dies nicht dem Wortlaut der Motion entsprechen und zum anderen hat der Nationalrat eine frühere Motion von aNR Maire (16.4061), die grundlegende Hygieneartikel (z. B. WC-Papier, Windeln, Seife oder Zahnpasta) dem reduzierten Satz unterstellen wollte, sehr klar abgelehnt.

Die Gesetzesbestimmung wird deshalb unverändert in die Botschaftsvorlage aufgenommen.

2.2.11

Steuerausnahme für die aktive Teilnahme an kulturellen Anlässen

Dieser Vorschlag war in der Vernehmlassung unbestritten und wird unverändert in der Botschaftsvorlage übernommen.

2.2.12

Steuerausnahme für Leistungen der koordinierten Versorgung

Diese Massnahme war in der Vernehmlassung grösstenteils unbestritten. Die von EXPERTsuisse vorgeschlagene Neuformulierung der Gesetzesbestimmung ist nicht besser geeignet, die Motion umzusetzen, weshalb an der Gesetzesbestimmung gemäss Vernehmlassungsvorlage festgehalten wird.

2.2.13

Haftung geschäftsführender Organe bei Serien-Konkursen

Diese Massnahme war in der Vernehmlassung grösstenteils unbestritten. An der Gesetzesbestimmung sind keine Änderungen notwendig. Angepasst werden jedoch die Erläuterungen.

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2.2.14

Ausfuhr im Reiseverkehr

An der Gesetzesbestimmung sind keine Änderungen notwendig. Die Details werden in der Verordnung geregelt.

2.2.15

Steuerbefreiung, wenn nur ausgenommene Leistungen erbracht werden

In der Vernehmlassung wird nicht bemängelt, dass die Befreiung von der Registrierungspflicht nach Artikel 121a MWSTV als Befreiung von der Steuerpflicht ins MWSTG übernommen wird. Allerdings wird teilweise gefordert, es müsse wie bisher ein nachträglicher Verzicht auf die Befreiung innerhalb der Verjährungsfrist möglich sein. Bei einer Befreiung von der Steuerpflicht ist ein Verzicht jedoch jeweils maximal rückwirkend auf den Beginn der laufenden Steuerperiode möglich. Dies gilt auch für die Steuerbefreiung, die neu zur Anwendung kommt, wenn ausschliesslich ausgenommene Leistungen erbracht werden.

2.2.16

Streichung der Steuerbefreiung von Beförderungsleistungen, die ausschliesslich im Ausland erbracht werden

In der Vernehmlassung wurde geltend gemacht, mit der neuen Bestimmung ergäbe sich eine Doppelbesteuerung, wenn der Auftraggeber oder die Auftraggeberin der Leistung Sitz im Inland hat. Aus diesem Grund wird auf die Änderung von Artikel 23 Absatz 2 Ziffer 7 MWSTG verzichtet.

2.2.17

Definition des Leistungsempfängers oder der Leistungsempfängerin

Da die Ausweitung der Bezugsteuer bei B2B-Leistungen ersatzlos gestrichen wird, besteht auch kein Bedarf mehr für eine Definition des Leistungsempfängers oder der Leistungsempfängerin.

2.2.18

Gruppenbesteuerung

Auf diesen Vorschlag zur redaktionellen Anpassung wurde in der Vernehmlassung in keiner Stellungnahme eingegangen. Er wird deshalb unverändert in die Botschaftsvorlage aufgenommen.

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2.2.19

Ort der Leistung von Organisatoren und Organisatorinnen von Veranstaltungen

Die Änderung wird weiterverfolgt, da sie positiv aufgenommen wurde.

2.2.20

Normstufenbereinigung der Steuerbefreiung für Umsätze aus der Veräusserung von Gold und Legierungen von Gold

Zu dieser Normstufenbereinigung wurde einzig geltend gemacht, der Inhalt von Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe e MWSTV sei nicht ins Gesetz übernommen worden. Dies trifft jedoch nicht zu, weshalb die Gesetzesbestimmung bloss mit redaktionellen Änderungen in die Botschaftsvorlage aufgenommen wird.

2.2.21

Änderung der MWSTV: Meldeverfahren für die Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen

Die Änderung wird nicht weiterverfolgt, weil diese Übergangsmassnahme mit zu grossem Aufwand für die Unternehmen verbunden wäre. Allfälligen erhöhten Risiken soll mit verstärkten Kontrollen begegnet werden.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1

Plattformbesteuerung

3.1.1

Aktuelle Rechtslage zum Versandhandel in der Schweiz

Nach aktueller Rechtslage erfüllen Versandhandelsunternehmen die Voraussetzungen für die obligatorische Steuerpflicht, wenn sie jährlich für mindestens 100 000 Franken einfuhrsteuerbefreite Kleinsendungen vom Ausland in die Schweiz liefern (Art. 7 Abs. 3 Bst. b MWSTG). Nutzen sie dafür eine elektronische Plattform, verkaufen die Gegenstände aber im eigenen Namen, wird die Lieferung ihnen zugeordnet; die Plattform gilt dann lediglich als Vermittlerin.

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3.1.2

Arbeiten der OECD

Die OECD hat im März 2019 ihre Arbeiten zu verschiedenen Möglichkeiten zum Einbezug «digitaler Plattformen» in den Online-Verkauf veröffentlicht.13 Statt einer spezifischen Regelung schlägt sie vier miteinander kombinierbare Modelle vor, die die Staaten an ihre Bedürfnisse anpassen können (in Reihenfolge steigender Verbindlichkeit): ­

Melden von Angaben über Transaktionen sowie über Verkäufer und Verkäuferinnen,

­

solidarische Haftung mit Verkäufern und Verkäuferinnen,

­

Erhebung der Mehrwertsteuer im Namen der steuerpflichtigen Verkäufer und Verkäuferinnen,

­

Anerkennen der Plattform als Erbringerin der Leistung.

Nach dem Online-Verkauf von Gegenständen hat sich die OECD mit dem Umgang mit Dienstleistungen und dem Einbezug von Plattformen in den Bemessungs- und Erhebungsprozess der Mehrwertsteuer im Rahmen der Sharing Economy befasst. Der im April 2021 veröffentlichte Bericht14 will den Verwaltungen aufzeigen, wie das Mehrwertsteuersystem gestaltet werden kann, damit es mit dem durch die elektronischen Plattformen herbeigeführten starken Wachstum dieses Sektors Schritt hält. Damit sollen die Steuereinnahmen gesichert und die Wettbewerbsverzerrungen reduziert werden. Der Bericht befasst sich zum einen mit der Integration der Plattformen in den Prozess der Steuererhebung, wobei im Wesentlichen die oben genannten Modelle verwendet werden. Zum anderen werden Möglichkeiten für die Steuerpolitik ausgearbeitet, beispielsweise die Einführung einer Umsatzlimite für die Steuerpflicht oder eine pauschale Besteuerung.

3.1.3

Von einer elektronischen Schnittstelle unterstützte Lieferung von Gegenständen in der EU

Im Dezember 2017 verabschiedete der Europäische Rat ein Massnahmenpaket zum grenzüberschreitenden elektronischen Handel, das am 1. Juli 2021 in Kraft trat15.

Dazu gehören insbesondere Bestimmungen zum von elektronischen Schnittstellen (nachfolgend «Plattformen») unterstützten Verkauf von Gegenständen innerhalb der EU. Wer Verkäufe von Gegenständen über eine Plattform erleichtert, wird behandelt, als hätte er oder sie die Gegenstände selbst erhalten und geliefert, wenn diese:

13

14

15

OECD (2019), The role of digital platforms in the collection of VAT/GST on online sales. Abrufbar unter: www.oecd.org/tax/consumption/the-role-of-digital-platforms-inthe-collection-of-vat-gst-on-online-sales.pdf.

OCDE (2021), L'impact de la croissance de l'économie du partage et à la demande sur la politique et l'administration de la TVA/TPS. Abrufbar unter: www.oecd/fr > Thèmes > fiscalité > impôts sur la consommation.

Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, in der Fassung gemäss Richtlinie (EU) 2017/2455, ABl. L 348 vom 29.12.2017, S. 7.

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aus Drittgebieten oder Drittländern und in Sendungen mit einem Sachwert von nicht mehr als 150 Euro eingeführt wurden, oder

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in der EU durch eine nicht in der EU ansässige steuerpflichtige Person an eine nicht steuerpflichtige Person geliefert werden.

Da die Plattform als Empfängerin und neue Lieferantin des gelieferten Gegenstands gilt, muss sie die auf dieser zweiten Lieferung geschuldete Mehrwertsteuer entrichten.

Die erste Lieferung zwischen Verkäufer oder Verkäuferin und Plattform gilt als Lieferung ausserhalb der EU oder kann ­ bei Lieferung in der EU ­ vom steuerpflichtigen Verkäufer oder von der steuerpflichtigen Verkäuferin steuerfrei erbracht werden.

Um die von ihnen unterstützten Transaktionen korrekt abwickeln und die Mehrwertsteuer darauf erheben zu können, benötigen die Plattformen Informationen (Art. 5c der Durchführungsverordnung (EU) 2019/202616). Für Gegenstände aus Ländern ausserhalb der EU (Drittgebiete) erhebt und fakturiert die Plattform die Mehrwertsteuer am Verkaufsort, kann sie aber über den Import-One-Stop-Shop (IOSS) im Staat ihrer Eintragung gesamthaft deklarieren und entrichten.

Einige europäische Länder haben die Einbindung der Plattformen in den Entrichtungsprozess der Mehrwertsteuer bereits auf nationaler Ebene geregelt. In Deutschland haften Plattformen in unterschiedlichem Mass solidarisch für die vom Verkäufer oder von der Verkäuferin geschuldete Mehrwertsteuer. In Deutschland sowie in Frankreich und Österreich wurden den Plattformen Pflichten auferlegt. Sie müssen Informationen über die von ihnen unterstützten Transaktionen und die über sie tätigen Verkäufer und Verkäuferinnen erheben und bereitstellen.

3.1.4

Sharing Economy und Gig Economy (Wirtschaft des Teilens)

In Bezug auf die Sharing Economy und die Gig Economy hat die EU noch keine gemeinsame Mehrwertsteuerregelung mit Bestimmungen für die Plattformen festgelegt.

In gesetzgeberischer Hinsicht ist jedoch Artikel 242a der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie17 zu erwähnen, wonach Plattformen künftig zu Aufzeichnungen über alle unterstützten Transaktionen verpflichtet werden sollen.

16

17

Durchführungsverordnung (EU) 2019/2026 des Rates vom 21. November 2019 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 bezüglich der über elektronische Schnittstellen unterstützten Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen sowie bezüglich der Sonderregelungen für Steuerpflichtige, die Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen sowie Fernverkäufe von Gegenständen und bestimmte Lieferungen von Gegenständen innerhalb der Union tätigen, ABl. L 313 vom 4.12.2019, S. 14.

In der Fassung gemäss Richtlinie (EU) 2017/2455, ABl. L 348 vom 29.12.2017, S. 7.

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3.2

Bezugsteuerpflicht für Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen

Die Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Rechten, Bescheinigungen und Zertifikaten erfolgt nicht nur national, sondern international und ist betrugsanfällig.18 Die EU hat deshalb ihren Mitgliedstaaten erlaubt, die subjektive Steuerpflicht auf den Leistungsempfänger oder die Leistungsempfängerin zu verschieben (Reverse-Charge-Verfahren)19. In der Schweiz war dies bisher nicht notwendig, da solche Übertragungen gemäss Praxis der ESTV als von der Steuer ausgenommene Leistungen galten und somit kein Vorsteuerabzug möglich war. Da das Bundesgericht20 jedoch am 9. April 2019 entschieden hat, dass solche Leistungen nicht unter den Handel mit Wertrechten subsumiert werden können, handelt es sich um steuerbare Dienstleistungen, die als am Empfängerort steuerbar erbracht gelten.

Damit besteht eine reelle Betrugsgefahr und das Risiko von Mindereinnahmen:

18

19 20

Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 29. September 2009: Bekämpfung von Steuerbetrug: Kommission schlägt Maßnahmen für eine einheitliche Reaktion auf Karussellbetrug in bestimmten Sektoren vor. Abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_09_1376.

Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, in der Fassung gemäss Richtlinie 2010/45/EU, ABl. L 189 vom 22.7.2010, S. 1.

2C_488/2017

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Abbildung 1 Vereinfachtes Beispiel eines Karussellbetrugs im Zusammenhang mit Emissionsrechten Die Firma A rechnet die MWST nicht mit der ESTV ab und wird nach einiger Zeit liquidiert

Schweiz Bezugsteuer 7,7 % und Abzug der Vorsteuer

A steuerpflichtig

ESTV

Abzug Vorsteuer in Abrechnung Erstattung Vorsteuer

Die Firma B hat Anrecht auf Erstattung der Vorsteuer

Ausland

Dienstleistung inkl.

7,7 % MWST

B

Steuerfrei, da Ort der Dienstleistung im Ausland

C steuerpflichtig

steuerpflichtig

Steuerfrei, da Ort der Dienstleistung im Ausland

Die Bekämpfung solcher Betrugsformen liegt zum einen im Interesse der Schweiz.

Zum anderen ist auf das Abkommen vom 23. November 201721 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union zur Verknüpfung ihrer jeweiligen Systeme für den Handel mit Treibhausgasemissionen zu verweisen, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Darin verpflichten sich die Vertragsparteien, umgehend und unter Einsatz der in ihrem Rechtssystem verfügbaren Massnahmen zu reagieren, um Betrug zu verhindern und die Integrität der verknüpften Emissionshandelssysteme zu wahren (Art. 3 Ziff. 5 des Abkommens).

Durch die mit dieser Vorlage eingeführte Bezugsteuer für solche Übertragungen stimmen die Besteuerungssysteme der EU und der Schweiz überein und die Gefahr von Mehrwertsteuerbetrug ist stark eingeschränkt.

3.3

Steuervertretung für ausländische Unternehmen

Steuerpflichtige Personen ohne Wohn- oder Geschäftssitz im Inland haben für die Erfüllung ihrer Verfahrenspflichten eine Vertretung zu bestimmen. Diese muss ihren 21

SR 0.814.011.268

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Wohn- oder Geschäftssitz im Inland haben (Art. 67 Abs. 1 MWSTG). Die Pflichten dieser Vertretung sind rein administrativer Art. Sie haftet also nicht für die vom vertretenen Unternehmen geschuldete Steuer.

In der EU gelten folgende Regeln: Nicht in der EU ansässige Unternehmen haben grundsätzlich eine Steuervertretung zu benennen (Art. 204 der MehrwertsteuerSystemrichtlinie). Die Regeln zur Bestellung einer Steuervertretung unterscheiden sich in der EU jedoch je nach Mitgliedstaat. Deren Bestellung ist zum Teil davon abhängig, ob zwischen dem EU-Mitgliedstaat und dem Sitzstaat des Unternehmens ein Amtshilfeabkommen oder ein Abkommen über den Informationsaustausch im Steuerbereich besteht. Teilweise ist die Bestellung einer Steuervertretung zwar nicht zwingend vorgeschrieben, freiwillig jedoch möglich. Einzig in Irland ist generell keine Steuervertretung vorgesehen.

Die Anforderungen an die Steuervertretung sind in den EU-Mitgliedstaaten vergleichsweise hoch. In der Regel ist sie den von der Fiskalbehörde des entsprechenden EU-Staates zugelassenen Treuhändern und Treuhänderinnen, Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, Notaren und Notarinnen und dergleichen vorbehalten. Dies im Gegensatz zur Schweiz, wo die Steuervertretung von jeder natürlichen oder juristischen Person übernommen werden kann.

In den EU-Mitgliedstaaten hat die Steuervertretung weitgehend dieselben Rechte und Pflichten wie das Unternehmen, das sie vertritt. So ist die Steuervertretung in der Regel nicht nur für die Einreichung der Abrechnungen, sondern auch für die Zahlung der geschuldeten Steuer zuständig und haftet, auch bei freiwilliger Vertretung, für die geschuldete Steuer. Infolgedessen dürften auch die Kosten einer Steuervertretung in der EU deutlich höher sein als in der Schweiz, wo die Pflichten der Vertretung rein administrativer Natur sind.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Mit der Vorlage werden Massnahmen in den folgenden Handlungsfeldern umgesetzt: ­

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Seit 2019 sind ausländische Versandhandelsunternehmen, die Gegenstände in die Schweiz liefern, steuerpflichtig, wenn sie jährlich mindestens 100 000 Franken Umsatz aus sogenannten Kleinsendungen erzielen (Art. 7 Abs. 3 Bst. b MWSTG). Es hat sich jedoch gezeigt, dass die angestrebte Wettbewerbsgleichheit zwischen ausländischen und inländischen Anbietern und Anbieterinnen durch diese Versandhandelsregelung nur unzureichend erreicht werden kann. So sind zum einen nur 350 Versandhandelsunternehmen bei der ESTV registriert (Stand: Anfang August 2021). Zum anderen ist davon auszugehen, dass viele Anbieter und Anbieterinnen weniger als 100 000 Franken Umsatz aus Versandhandelslieferungen in die Schweiz erzielen und in der Schweiz nicht steuerpflichtig werden. In Umsetzung der Motion Vonlanthen 18.3540 sollen deshalb die Plattformen neu als Lieferantinnen der mit ihrer Unterstützung verkauften Gegenstände gelten und dafür die Mehrwertsteuer entrichten. Sind die Sendungen, deren Verkauf von der Plattform ermöglicht

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wurde, entsprechend gekennzeichnet, ist die Einfuhrsteuer nicht der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV; ab 2022 Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, BAZG) zu entrichten, sondern sie kann in der Steuerabrechnung mit der ESTV deklariert und gleich wieder als Vorsteuer in Abzug gebracht werden. Voraussetzung für die Anwendung dieses Verlagerungsverfahrens ist allerdings, dass gegen die Plattform keine administrative Massnahme angeordnet worden ist.

­

Die ESTV erhält die Befugnis, administrative Massnahmen gegen Versandhandelsunternehmen und Online-Plattformen zu verfügen, wenn sich diese zu Unrecht nicht als Steuerpflichtige eintragen lassen oder ihren Abrechnungsund Zahlungspflichten nicht nachkommen. Damit sollen die bestehenden Lücken in der Erhebung der Mehrwertsteuer auf importierten Waren weitgehend geschlossen werden. Die ESTV muss als erstes ein Einfuhrverbot für Lieferungen der betreffenden steuerpflichtigen Person verfügen. Nur wenn sich dieses als ungenügend oder gar wirkungslos erweist, kann die ESTV als Ultima Ratio die Vernichtung der Gegenstände verfügen. Des Weiteren kann sie zum Schutz der Kunden und Kundinnen die Namen der fehlbaren steuerpflichtigen Personen veröffentlichen (Art. 79a E-MWSTG).

Die Motion bezieht auch Dienstleistungen in den Wortlaut ein, die neue Regelung beschränkt sich aber auf die Lieferung von Gegenständen. Bei den elektronischen Dienstleistungen bieten die grössten Plattformen, die digitale Inhalte anbieten, diese in der Regel im eigenen Namen an und gelten somit bereits als Leistungserbringerinnen. Sie wären daher vom neuen Modell nicht betroffen. Bei anderen Arten von Dienstleistungen wie der Beherbergung oder den vor Ort verbrauchten Leistungen (Verpflegung, Freizeit usw.) rechtfertigt sich kein Abweichen von den geltenden Zuordnungsregeln, da es in diesem Bereich aus Sicht der Mehrwertsteuer keine besonderen Probleme gibt. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Leistungserbringer und Leistungserbringerinnen oder die Objekte, die mit der Mehrwertsteuer in Zusammenhang stehen (z. B. die Ferienwohnung, die vermietet wird), im Inland befinden und damit für die ESTV besser zugänglich sind als ausländische Plattformen. Ein Einbezug der Dienstleistungen würde zudem den gesamten Sharing Economy- und Gig Economy-Bereich abdecken, der normalerweise Transaktionen zwischen Privatpersonen ohne unternehmerische Tätigkeit und darüber hinaus auch nicht monetäre Transaktionen umfasst. Selbst wenn man annähme, dass diese Personen eine unternehmerische Tätigkeit ausüben, würde ihr Umsatz in der Regel nicht die für die obligatorische Unterstellung erforderliche Grenze von 100 000 Franken pro Jahr erreichen (Art. 3 Bst. l, 15 Abs. 4bis, 20a, 23 Abs. 2 Ziff. 13, 24 Abs. 5bis, 63 Abs. 1 und 115b E-MWSTG).

­

Darüber hinaus besteht künftig eine Auskunftspflicht für Online-Plattformen in Bezug auf Unternehmen, die Lieferungen oder Dienstleistungen auf der Plattform anbieten. Damit lassen sich die Personen einfacher ermitteln, die insbesondere im Bereich von Beförderungs- und Beherbergungsleistungen die Umsatzgrenze für die Mehrwertsteuerpflicht überschreiten und sich als mehrwertsteuerpflichtige Personen registrieren lassen müssen (Art. 73 Abs. 2 Bst. e E-MWSTG).

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Produkte für die Monatshygiene, die bisher dem Normalsatz von 7,7 Prozent unterstellt waren, werden neu zum reduzierten Steuersatz von 2,5 Prozent besteuert (Umsetzung Motion Maire 18.4205; Art. 25 Abs. 2 Ziff. 10 E-MWSTG).

­

Gebühren für die aktive Teilnahme an kulturellen Anlässen werden von der Mehrwertsteuer ausgenommen, wie dies bereits für Teilnahmegebühren (beispielsweise Startgelder) an sportlichen Anlässen gilt (Umsetzung Motion Page 17.3657; Art. 21 Abs. 2 Ziff. 14bis E-MWSTG).

­

Die von den Krankenversicherern für Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen an Ärztenetzwerke geleisteten Entschädigungen werden als Teil der Heilbehandlung von der Mehrwertsteuer ausgenommen (Umsetzung Motion Humbel 19.3892; Art. 21 Abs. 2 Ziff. 3bis E-MWSTG).

­

Subventionen sind Mittelflüsse ohne Entgeltscharakter und somit vom steuerbaren Leistungsverhältnis abzugrenzen. Ein steuerbares Leistungsverhältnis liegt vor, wenn eine Leistung gegen Entgelt erbracht wird und zwischen Leistung und Entgelt eine innere wirtschaftliche Verknüpfung in dem Sinn besteht, dass die Leistung eine Gegenleistung auslöst. Folglich fehlt es bei der Subvention entweder an der Leistung oder an der inneren wirtschaftlichen Verknüpfung von Leistung und Entgelt. Wer die Mittel ausrichtet und wer die Mittel empfängt, ist in den meisten Fällen objektiv feststellbar. Problematisch sind Konstellationen, in denen der Leistungsempfänger oder die Leistungsempfängerin nicht eindeutig bestimmt werden kann. Diese Frage stellt sich beispielsweise dann, wenn ein Gemeinwesen eine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe durch eine Drittperson erfüllen lässt und dafür Mittel ausrichtet und in den Verträgen mit den Beitragsempfängern detailliert regelt, wofür die Mittel eingesetzt werden müssen. Einerseits kann argumentiert werden, das Gemeinwesen kaufe die Leistung für sich selbst ein, womit die Leistung an das Gemeinwesen erbracht werde und somit auch die innere wirtschaftliche Verknüpfung gegeben sein dürfte. Andererseits kann die Leistung auch gegenüber den Einwohnern und Einwohnerinnen erbracht werden, wobei nicht immer eine innere wirtschaftliche Verknüpfung zwischen der Leistung und den ausgerichteten Mitteln besteht und dementsprechend die Mittel als Subventionen gelten. Bei dieser Unterscheidung liegt immer eine Einzelfallbetrachtung vor, die sich auf eine Vielzahl von Indizien stützt. Diese Problematik führte schliesslich zur Motion der WAK-S (16.3431; Keine Mehrwertsteuer auf subventionierten Aufgaben), die verlangt, dass Mittelflüsse, die für die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben ausgerichtet werden, generell als Subventionen behandelt werden.

Neu wird eine Fiktion ins MWSTG eingefügt, wonach eine Subvention oder ein anderer öffentlich-rechtlicher Beitrag und kein Leistungsverhältnis vorliegt, wenn das Gemeinwesen, das die Zahlung ausrichtet, diese ausdrücklich als Subvention oder anderen öffentlich-rechtlichen Beitrag bezeichnet. Davon abzugrenzen ist jedoch weiterhin die steuerbare Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen für den eigenen Bedarf des Gemeinwesens (Umsetzung Motion WAK-S 16.3431; Art. 18 Abs. 3 E-MWSTG).

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Um eine Handhabe gegen sogenannte Serien-Konkursiten und -Konkursitinnen zu haben, kann die ESTV von einem Mitglied des geschäftsführenden Organs eines solchen Unternehmens eine Sicherheit verlangen, die zur Deckung der Steuerschulden der Unternehmung verwendet werden kann (Art. 15 Abs. 1 Bst. g und Art. 93 Abs. 1bis E-MWSTG).

­

Durch die Einführung der Bezugsteuerpflicht für die Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Rechten, Bescheinigungen und Zertifikaten soll Missbrauch verhindert werden (Art. 45 Abs. 1 Bst. e E-MWSTG).

­

Kleinen und mittleren Unternehmen steht neu die jährliche Abrechnung mit Ratenzahlungen offen. Damit reduziert sich ihr administrativer Aufwand (Art. 5, 35 Abs. 1bis Bst. b, 35a, 86 Abs. 10, 86a, 87 Abs. 1bis, 88 Abs. 1, 94 Abs. 1 und 115b Abs. 1 E-MWSTG).

­

Beim provisorischen Steuerbezug ist ohne Mahnung ein Verzugszins geschuldet, wenn die Zahlung nicht, nur teilweise oder zu spät erfolgt. Dies gilt sowohl für die Raten bei jährlicher Abrechnung als auch für provisorisch geschuldete Steuerbeträge aus Monats-, Quartals-, Semester- oder Jahresabrechnungen (Art. 86, 86a und 87 Abs. 1bis E-MWSTG).

­

Ausländische Unternehmen ohne Sitz, Wohnsitz oder Betriebsstätte im Inland, die steuerpflichtig werden, müssen eine Vertretung bestimmen, die Ansprechpartnerin der ESTV ist. Neu kann die ESTV die steuerpflichtige Person unter bestimmten Voraussetzungen von dieser Pflicht befreien (Art. 67 Abs. 1 und 1bis E-MWSTG).

­

Künftig gelten alle von Reisebüros im eigenen Namen erbrachten Dienstleistungen als Dienstleistungen eines Reisebüros, die am Erbringerort zu versteuern sind und nicht mehr als vom Reisebüro erbrachte Beherbergungs-, Verpflegungs- oder Beförderungsleistungen, die dort zu versteuern wären, wo sie erbracht werden. Leistungen von Reisebüros sind nach Artikel 23 Absatz 2 Ziffer 10 E-MWSTG von der Steuer befreit, wenn sie tatsächlich im Ausland bewirkt werden oder wenn es sich um eine Leistung handelt, die gemäss den übrigen Ziffern von Artikel 23 Absatz 2 MWSTG von der Steuer befreit wäre, wenn sie nicht von einem Reisebüro erbracht würde. Neu fallen auch eigene Leistungen der Reisebüros darunter wie beispielweise die Reiseleitung. Damit werden Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden und der administrative Aufwand für die Reisebüros verringert (Art. 23 Abs. 2 Ziff. 10 E-MWSTG).

­

Die Organisation von Veranstaltungen gilt neu als am Empfängerort erbrachte Leistung, was besser mit ihrer Natur übereinstimmt (Art. 8 Abs. 2 Bst. b).

­

Im Rahmen einer Normstufenbereinigung werden die Bestimmungen zur Steuerbefreiung von Gold und Legierungen von Gold aus der Verordnung auf Gesetzesstufe gehoben, wobei keine materielle Änderung erfolgt (Art. 23 Abs. 2 Ziff. 12, 53 Abs. 1 Bst. m und 107 Abs. 2 E-MWSTG).

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4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

4.2.1

Aus Sicht der steuerpflichtigen Personen

Die Vorlage enthält diverse Einzelmassnahmen mit teilweise gegenläufigen administrativen Belastungswirkungen. Für die bisherigen steuerpflichtigen Personen ergeben sich insgesamt geringere administrative Aufwendungen und höhere Rechtssicherheit.

Einen Mehraufwand erfahren hingegen die Versandhandelsplattformen, die neu steuerpflichtig werden und die Verkäufe versteuern müssen, die durch Dritthandelsunternehmen über ihre Plattform erfolgen. Dieser Mehraufwand ist jedoch gerechtfertigt durch die damit einhergehende steuerliche Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Versandhandelsplattformen und -unternehmen.

4.2.2

Aus Sicht des Bundes (ESTV)

Die Vorlage erlaubt eine vollständigere und damit rechtsgleichere Erhebung der Mehrwertsteuer und führt insgesamt zu Mehreinnahmen im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Diesen Mehreinnahmen stehen die Kosten gegenüber, die sich durch den Mehrbedarf im Ausmass von acht Vollzeitstellen für die ESTV ergeben.

4.2.3

Aus Sicht der Konsumenten und Konsumentinnen

Es ergibt sich teilweise eine Entlastung durch die neuen Steuerausnahmen für die aktive Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen und für die Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen sowie durch die Unterstellung der Monatshygiene-Artikel unter den reduzierten Satz. Auf der anderen Seite werden die privaten Haushalte stärker belastet durch die Ausdehnung der Steuerpflicht auf Versandhandelsplattformen, die Gegenstände an Kunden und Kundinnen in der Schweiz liefern. Dadurch wird es nur noch in Ausnahmefällen möglich sein, im Versandhandel Gegenstände ohne Mehrwertsteuerbelastung zu kaufen.

4.3

Umsetzungsfragen

Die Änderung des MWSTG wird in einigen Bereichen Anpassungen der MWSTV zur Folge haben. Dies gilt insbesondere für die Plattformbesteuerung, die jährliche Abrechnung mit Ratenzahlungen, die koordinierte Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen und die Produkte der Monatshygiene. Darüber hinaus wird das EFD Ausführungsbestimmungen betreffend Ausfuhren im Reiseverkehr und Ratenzahlungen bei Anwendung der jährlichen Abrechnung erlassen.

Die Kantone und Gemeinden sind bei dieser Vorlage insbesondere in ihrer Eigenschaft als steuerpflichtige Personen betroffen. So haben ihre steuerpflichtigen Dienststellen die Möglichkeit, nur noch einmal statt viermal jährlich eine Mehrwertsteuerabrechnung einzureichen. Aber auch als Subventionsgeber und -empfänger sind sie von den Gesetzesänderungen betroffen, denn neu gilt die Fiktion, dass eine Zahlung, 38 / 74

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die vom leistenden Gemeinwesen als Subvention oder öffentlich-rechtlicher Beitrag bezeichnet wird, auch mehrwertsteuerlich als Subvention oder öffentlich-rechtlicher Beitrag gilt.

5

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Art. 1 Abs. 2 Bst. b Diese Umformulierung bringt das geltende Gesetzesverständnis besser zum Ausdruck, ohne eine Änderung der Rechtslage zu bewirken. Die Bezugsteuer knüpft an den Leistungsort im Inland an, mit Ausnahme der Einfuhr von Datenträgern ohne Marktwert (Art. 45 Abs. 1 Bst. b MWSTG). Nicht zwingend ist hingegen, dass auch die Personen im Inland ansässig sind, die die Leistungen empfangen. So würde es beispielsweise keinen Sinn machen, wenn die Bezugsteuer auf Unterhaltsarbeiten an einer Liegenschaft im Inland, die durch ein ausländisches Unternehmen ausgeführt werden, nur dann geschuldet wäre, wenn die Eigentümerschaft im Inland ansässig ist.

Bei Dienstleistungen, die als am Empfängerort erbracht gelten, stellt sich die Frage hingegen nicht, da Leistungsort und Ansässigkeitsort definitionsgemäss zusammenfallen. Neu kommt zudem für den Erwerb von Emissionsrechten und ähnlichen Rechten generell die Bezugsteuer zur Anwendung, also auch dann, wenn der oder die Übertragende den Sitz, den Wohnsitz oder die Betriebsstätte im Inland hat. Der Erwerb solcher Rechte muss somit hier ebenfalls aufgeführt werden.

Art. 3 Bst. l Die Bestimmung definiert den Begriff der elektronischen Plattform aus Sicht der Mehrwertsteuer. Er wird weit gefasst, weil die Vielfalt von möglichen Formen und Ausgestaltungen gross und die Technologie und die Geschäftsmodelle der Unternehmen, die diese Technologie nutzen, in ständiger Entwicklung sind. Als elektronische Plattformen gelten beispielsweise elektronische Marktplätze, aber auch Portale oder Applikationen (Apps). Aber nicht jede elektronische Schnittstelle ist auch eine elektronische Plattform. Sie ist es nur dann, wenn sie online einen direkten Kontakt ermöglicht zwischen Personen, die Gegenstände oder Dienstleistungen zum Kauf, zum Tausch oder zum Teilen anbieten, und Personen, die solche Lieferungen oder Dienstleistungen nachfragen.

Art. 5 Die jährliche Abrechnung ist wie die Saldosteuersatzmethode bis zu einem Umsatz von 5 005 000 Franken wählbar. Damit diese Übereinstimmung auch dann gewährleistet bleibt, wenn die Umsatzlimite für die Anwendung der Saldosteuersätze infolge der Teuerung angepasst wird, wird Artikel 35 Absatz 1bis Buchstabe b E-MWSTG hier ebenfalls aufgeführt.

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Art. 8 Abs. 2 Bst. b Die Leistungen von Organisatoren und Organisatorinnen von Veranstaltungen waren bisher unter diesem Buchstaben geregelt und sind neu am Empfängerort (Art. 8 Abs. 1 MWSTG) steuerbar. Dies entspricht besser dem eigentlichen Gehalt einer Organisationsleistung, da sie vorwiegend konzeptionelle, administrative und beratende Teilleistungen umfasst. Sie stellt also im Prinzip eine Art Managementleistung dar und ist demzufolge mit den Leistungen, die als am Empfängerort erbracht gelten, vergleichbar.

Für Leistungen von Reisebüros bleibt auch weiterhin der Erbringerort massgebend.

Neu gilt die gesamte Reise aber als an dem Ort erbracht, an dem das Reisebüro seinen Sitz hat. Eine Aufteilung der Reise in ihre verschiedenen Komponenten ist nicht mehr notwendig. Kauft ein Reisebüro beispielsweise eine Beherbergungsleistung ein und verkauft diese im eigenen Namen an den Kunden oder die Kundin weiter, dann erbringt es nicht mehr eine zu 3,7 Prozent steuerbare Beherbergungsleistung, sondern eine grundsätzlich zu 7,7 Prozent steuerbare Leistung eines Reisebüros. Damit werden Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden und der administrative Aufwand für die Reisebüros verringert. Sofern diese Leistungen im Ausland bewirkt werden oder von der Steuer befreit wären, wenn sie nicht von einem Reisebüro erbracht würden, sind sie nach Artikel 23 Absatz 2 Ziffer 10 E-MWSTG von der Steuer befreit. Diese Neuregelung führt im umgekehrten Verhältnis dazu, dass ausländische Reisebüros oder Tour Operators im Inland nicht mehr steuerpflichtig werden, wenn sie Reisen in die Schweiz organisieren. Sie können im Gegenzug die Vorsteuern auf im Inland bezogenen Leistungen nicht zurückfordern. Inländische Reisebüros und Tour Operators müssen solche Inland-Reisen hingegen unverändert voll versteuern. Dies führt zwar zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung in- und ausländischer Reisebüros bezüglich Reiseleistungen in der Schweiz, senkt aber insbesondere wegen der Reduktion des administrativen Aufwands die Hürde für ausländische Reisebüros, Reiseleistungen in der Schweiz anzubieten und wirkt sich somit positiv auf den Tourismus-Standort Schweiz aus. Damit werden die beiden identischen Motionen Stöckli 18.4194 und von Siebenthal 18.4363 (Mehrwertsteuer für ausländische Tour Operators) umgesetzt.

Art. 10 Abs. 2 Bst. b
Einleitungssatz und Ziff. 1bis, c und d Buchstabe b: Der Einleitungssatz wird redaktionell an die im Rahmen der letzten Teilrevision eingeführte Terminologie angepasst.

Buchstabe b Ziffer 1bis ersetzt den bisherigen Artikel 121a MWSTV in Bezug auf Unternehmen mit Sitz im Ausland. Damit soll vermieden werden, dass ausländische Unternehmen im Register der steuerpflichtigen Personen zu führen sind, obwohl im Endergebnis keine Mehrwertsteuer geschuldet ist, weil sie im Inland nur von der Steuer ausgenommene Leistungen oder allenfalls noch steuerbefreite und der Bezugsteuer unterliegende Leistungen erbringen.

Im bisherigen Absatz 2 Buchstabe c ist die Rede von «gemeinnützigen Institutionen», während Artikel 3 Buchstabe j MWSTG die «gemeinnützige Organisation» definiert.

Gemeint ist beide Male das Gleiche. Bei dieser Änderung geht es also nur darum, die Begriffe anzugleichen.

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Buchstabe d ersetzt den bisherigen Artikel 121a MWSTV in Bezug auf Unternehmen mit Sitz im Inland. Da der weltweite Umsatz eines Unternehmens für die Steuerpflicht massgeblich ist (Art. 10 Abs. 2 Bst. a MWSTG), können steuerbare Leistungen im Ausland die Steuerpflicht im Inland auslösen, selbst wenn im Inland ausschliesslich von der Steuer ausgenommene Leistungen erbracht werden. Obwohl keine Mehrwertsteuer geschuldet wäre, müsste das Unternehmen Steuerabrechnungen einreichen. Die ESTV ihrerseits müsste Unternehmen im Mehrwertsteuerregister führen, die keine Mehrwertsteuer bezahlen und auch keine Vorsteuerabzüge vornehmen können. Deshalb befreit diese Bestimmung ansässige Unternehmen von der Steuerpflicht, wenn sie im Inland ausschliesslich von der Steuer ausgenommene Leistungen erbringen.

Art. 13 Abs. 1 Redaktionelle Anpassung an die im Rahmen der letzten Teilrevision eingeführte Terminologie.

Art. 15 Abs. 1 Bst. g und Abs. 4bis Absatz 1 Buchstabe g: Diese Bestimmung hängt mit Artikel 93 Absatz 1bis E-MWSTG zusammen, der die Leistung einer Sicherheit durch Mitglieder von geschäftsführenden Organen vorsieht, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass diese Mitglieder Serien-Konkursiten oder Serien-Konkursitinnen sind. Damit eine Sicherstellung beim Organ nach Artikel 93 Absatz 1bis E-MWSTG für die Ausstände des Unternehmens verwendet werden kann, muss eine solidarische Haftung zwischen einem Organ, das in Serien-Konkurse verwickelt war, und dem Unternehmen bestehen, ansonsten die Sicherstellung technisch von keinerlei Nutzen wäre. Absatz 1 Buchstabe g sieht deshalb bei Konkursen in einem kurzen Zeitraum die solidarische Haftung der Organe im formellen Sinn und der Personen, denen faktische Organstellung zukommt, vor und zwar bis zum Betrag der geforderten Sicherheit. Damit kann die Sicherheit beim Organ auf die gleiche Weise für die Forderungen des Unternehmens verwendet werden wie die Sicherheit beim Unternehmen (Art. 93 MWSTG). Die Verrechnung kann erfolgen, wenn Mehrwertsteuerforderungen offenbleiben und die Betreibung gegen das Unternehmen erfolglos war. Bestreitet das geschäftsführende Organ die Verwendung der Sicherheit für die Schulden der Gesellschaft, kann es eine Verfügung nach Artikel 82 MWSTG verlangen.

Absatz 4bis: Die subsidiäre Haftung der Verkäufer und Verkäuferinnen, die elektronische
Plattformen für den Verkauf oder Vertrieb ihrer Produkte nutzen, dient dazu, sie bei Lieferungen über Plattformen nicht vollständig von der Haftung für die Steuer auszunehmen. Möglichkeiten zum Steuerbetrug werden damit eingeschränkt.

Art. 18 Abs. 3 Zur Umsetzung der Motion der WAK-S 16.3431 (Keine Mehrwertsteuer auf subventionierten Aufgaben) wurden diverse Varianten der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Subventionen geprüft (s. Ziff. 1.2), die sich als nicht zielführend erwiesen haben.

Die vorliegende Bestimmung sieht nun die gesetzliche Fiktion vor, dass von einem Gemeinwesen ausgerichtete Mittel als Subvention oder anderer öffentlich-rechtlicher Beitrag gelten, sofern das Gemeinwesen diese Mittel gegenüber dem Empfänger oder 41 / 74

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der Empfängerin ausdrücklich als Subvention oder anderen öffentlich-rechtlichen Beitrag bezeichnet. Die gesetzliche Fiktion führt zu einer signifikanten Erhöhung der Rechtssicherheit, indem die Qualifikation des direkt betroffenen Gemeinwesens übernommen wird, wenn dieses einen Mittelfluss aus steuerlicher Sicht als Subvention oder anderen öffentlich-rechtlichen Beitrag (Nicht-Entgelt) qualifiziert. Die Gemeinwesen können jedoch nicht willkürlich Mittelflüsse als steuerfreie Subventionen bezeichnen, da sie an die subventionsrechtlichen Vorgaben gebunden sind. Ausserdem wird die Jahresrechnung jedes Gemeinwesens von einer Revisionsstelle oder einer Finanzkontrolle geprüft. Ein Gemeinwesen kann also auch mit der neuen Gesetzesbestimmung beispielsweise weder Computer noch Bauleistungen steuerfrei beziehen.

Im umgekehrten Fall, in dem das Gemeinwesen und der Beitragsempfänger oder die Beitragsempfängerin Mittel, bei denen es sich um Subventionen oder andere öffentlich-rechtliche Beiträge handelt, als Entgelt für eine steuerbare Leistung deklarieren, kommt die Fiktion nicht zum Zuge und es gelten weiterhin die allgemeinen Beweisregeln.

Art. 20a Dieser Artikel schafft die gesetzliche Grundlage zur Umsetzung der Motion Vonlanthen 18.3540 (Mehrwertsteuerpflicht von Online-Plattformen bei Verkäufen aus dem Ausland in die Schweiz). Die Zuordnung der Leistungen zu den elektronischen Plattformen schafft eine Fiktion, die von den üblichen Zuordnungsregeln nach Artikel 20 MWSTG abweicht. Diese Fiktion ist allerdings nur in ganz bestimmten Fällen anwendbar, nämlich wenn die Plattform Verkäufer und Verkäuferinnen mit Käufern und Käuferinnen zusammenbringt, so dass diese auf der Plattform einen Vertrag zur Lieferung von Gegenständen abschliessen können.

Absatz 1: Plattformen bieten teils sowohl eigene Produkte (Verkauf im eigenen Namen) als auch solche von unabhängigen Verkäufern und Verkäuferinnen an. Für diese zweite Art der Lieferung gelten nach geltendem Recht Verkäufer und Verkäuferinnen, die Plattformen für den Verkauf verwenden, grundsätzlich als Leistungserbringer oder Leistungserbringerinnen. Plattformen gelten diesfalls aus Mehrwertsteuersicht und wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind als einfache Vermittlerinnen. Der Umsatz aus dem Verkauf wird ihnen nicht zugeordnet.

Nach der mit dem neuen
Artikel aufgestellten Fiktion sind die Plattformen künftig sowohl Empfängerinnen als auch Erbringerinnen des verkauften Gegenstands. Es liegen zwei aufeinanderfolgende Lieferungen vor, nämlich zwischen 1.

dem Verkäufer oder der Verkäuferin und der Plattform, und

2.

der Plattform und dem Kunden oder der Kundin.

Betroffen sind sämtliche Lieferungen von auf Plattformen verkauften Gegenständen aus dem In- oder Ausland. Absatz 1 umfasst auch Plattformen mit Sitz, Wohnsitz oder Betriebsstätte in der Schweiz.

Durch die Zuordnung der Lieferung zu den Plattformen, die besser identifizierbar und weniger zahlreich sind als die Verkäufer und Verkäuferinnen, die darüber ihre Produkte vertreiben, wird es in der Regel nicht mehr notwendig sein zu prüfen, ob diese für sich allein die Bedingungen für die Steuerpflicht erfüllen.

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Für den Verkäufer oder die Verkäuferin gilt somit: Liegt der Ort der Lieferung aus Sicht der Mehrwertsteuer im Ausland, unterliegt die Lieferung nicht der Schweizer Mehrwertsteuer. Liegt der Ort der Lieferung im Inland, ist sie für den Verkäufer oder die Verkäuferin von der Steuer befreit, sofern die Plattform im Register der Steuerpflichtigen bei der ESTV eingetragen ist (Art. 23 Abs. 2 Ziff. 13 E-MWSTG). Das bedeutet: ­

Ausländische Verkäufer und Verkäuferinnen bleiben von der inländischen Steuerpflicht befreit (Art. 10 Abs. 2 Bst. b Ziff. 1 MWSTG).

­

Inländische Verkäufer und Verkäuferinnen, die solche Lieferungen ausführen und damit weltweit mindestens 100 000 Franken Umsatz erzielen, sind nicht von der Steuerpflicht befreit (Art. 10 Abs. 2 Bst. a MWSTG). Ihre Steuerbelastung ist jedoch nicht höher als diejenige der ausländischen Verkäufer oder Verkäuferinnen, da ihre im Inland gemäss Fiktion an steuerpflichtige Plattformen erbrachten Lieferungen von der Steuer befreit sind.

Die Prüfung der Steuerpflicht der Plattformen erfolgt nach den Bestimmungen von Artikel 10 MWSTG. Stammen die im Inland gelieferten Gegenstände aus dem Ausland, so gilt die Lieferung im Inland als von der Plattform erbracht, wenn diese mit der Lieferung von einfuhrsteuerbefreiten Kleinsendungen mindestens 100 000 Franken pro Jahr erzielt (Art. 7 Abs. 3 Bst. b MWSTG; Versandhandelsregelung). In diesem Fall wird die Plattform steuerpflichtig. Wo sie ansässig ist, ist dabei unerheblich.

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Inlandsteuer: Fr 150 000. zum Satz von 7,7 % oder 2,5 %

Plattform

Versandhandelsunternehmen 2 entrichtet die Einfuhrsteuer auf den Gegenständen, die der Einfuhrsteuer unterliegen (Fr. 30 000. ) und zieht sie als Vorsteuer wieder ab

7,7 % oder 2,5 % Inlandsteuer

Versandhandelsunternehmen 2 Versandhandelsunternehmen 1

Fr. 120 000. aus Kleinsendungen + Fr. 30 000. mit anderen Gegenständen STEUERPFLICHTIG in der Schweiz

Ausland

Plattform importiert Gegenstände im eigenen Namen = Importeurin: Entrichtung der Einfuhrsteuer und Abzug der Vorsteuer oder Anwendung des Verlagerungsverfahrens

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Kundschaft entrichtet die Einfuhrsteuer auf den Gegenständen, die der Einfuhr-steuer unterliegen (Fr. 70 000. )

Inland

Steuerpflichtig, da > Fr. 100 000.

Umsatz mit Lieferung von Kleinsendungen ins Inland

Fr. 45 000. aus Kleinsendungen + Fr. 70 000. mit anderen Gegenständen NICHT steuerpflichtig in der Schweiz

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Abbildung 2 Versandlieferungen von Versandhandelsunternehmen und registrierten Plattformen mit Sitz im Ausland

Kundschaft

Kundschaft

Kundschaft

(Privatpersonen oder Steuerpflichtige)

(Privatpersonen oder Steuerpflichtige)

(Privatpersonen oder Steuerpflichtige)

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Abbildung 3 Versandlieferungen von registrierten und nicht registrierten Plattformen in der Schweiz oder im Ausland

Versandhandelsunternehmen

Plattform 1

Plattform 2

Fr. 130 000. Umsatz mit Lieferung von Kleinsendungen ins Inland steuerpflichtig

Fr. 60 000. Umsatz mit Lieferung von Kleinsendungen ins Inland nicht steuerpflichtig

Ausland

Inland

Plattform 3 Fr. 140 000. Umsatz weltweit

steuerpflichtig

Kundschaft (Privatpersonen oder Steuerpflichtige)

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Abbildung 4 Versandlieferungen von schweizerischem Versandhandelsunternehmen über Plattformen im In- und Ausland

Plattform 1 Fr. 160 000. Umsatz mit Lieferung von Kleinsendungen ins Inland steuerpflichtig

Steuerfreie Lieferung nach Art. 23 Abs. 2 Ziff. 13 E-MWSTG (der Gegenstand befindet sich im Inland)

Plattform 1 importiert die Gegenstände im eigenen Namen = Importeurin: Entrichtung der Einfuhrsteuer und Abzug der Vorsteuer oder Anwendung des Verlagerungsverfahrens

Versandhandelsunternehmen

Ausland Inland

Kundschaft

Plattform 2

(Privatpersonen oder Steuerpflichtige)

Fr. 2 000 000. Umsatz weltweit

steuerpflichtig

Die Plattformen müssen die Leistung korrekt besteuern und die Mehrwertsteuer beim Kunden oder der Kundin oder, wenn dies nicht möglich ist, beim Verkäufer oder der Verkäuferin erheben können. Das bedeutet: 1.

Das Geschäft (Kaufvertrag) muss auf der Plattform abgeschlossen werden, der Kunde oder die Kundin muss seine oder ihre Bestellung also auf der Plattform definitiv bestätigen.

2.

Die Verkaufs- und Lieferbedingungen müssen der Plattform bekannt sein oder von ihr in Erfahrung gebracht werden können.

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3.

Die Zahlung muss über die Plattform erfolgen oder die Plattform muss in der Lage sein, zusätzlich zur Kommission die Mehrwertsteuer beim Verkäufer oder der Verkäuferin oder beim Kunden oder der Kundin zu erheben.

4.

Die Plattform muss die Möglichkeit haben, eine Rechnung oder eine Auftragsbestätigung mit Mehrwertsteuer zu erstellen, um einen möglichen Vorsteuerabzug durch den mehrwertsteuerpflichtigen Kunden oder die mehrwertsteuerpflichtige Kundin zu gewährleisten.

5.

Die Plattform muss wissen, ob der Gegenstand tatsächlich geliefert wurde und ob er retourniert wurde.

In Absatz 2 werden bestimmte Arten von Plattformen ausgeschlossen, bei denen die Anwendung von Absatz 1 nicht möglich ist oder unverhältnismässige Ressourcen erfordern würde. Angesichts der Vielfalt von Plattformen und der ständigen Entwicklung dieses Marktes ist die Definition von Ausschlusskriterien einfacher als eine genaue Beschreibung der Vorgaben, die die Plattformen erfüllen müssen. Die Plattformen müssen sich für die Festlegung, ob die Plattformbesteuerung anwendbar ist oder nicht, auf einfache und eindeutige Kriterien stützen können.

So sind diejenigen Plattformen ausgeschlossen, die nicht an der Bestellung der Gegenstände beteiligt sind und die somit nicht wissen können, ob eine Bestellung abgeschlossen wurde oder wann sie erfolgt ist (Bst. a). Dieser Ausschluss gilt demzufolge nicht für Plattformen, die die technischen Mittel (in der Regel einen Warenkorb) zur Verfügung stellen, damit der Käufer oder die Käuferin die Bestellung validieren kann, oder die nach Abschluss der Bestellung eine Bestätigung oder auch nur die Details der Bestellung an eine oder beide beteiligten Parteien (Käufer oder Käuferin und Verkäufer oder Verkäuferin) übermitteln. Die Zurverfügungstellung eines blossen Kommunikationsmittels für die Käufer und Käuferinnen und die Verkäufer und Verkäuferinnen wie beispielsweise eines Mailsystems oder eines Chats reicht hingegen nicht aus, um von einer Beteiligung der Plattform am Bestellvorgang auszugehen. Diesbezüglich sind die Plattformen zu erwähnen, die nur Platz für Anzeigen zur Verfügung stellen, ohne dass man gleich einen Kauf tätigen kann (Bst. d). Die Verhandlung erfolgt in diesen Fällen direkt zwischen dem Verkäufer oder der Verkäuferin und dem Käufer oder der Käuferin ­ beispielsweise per SMS, per Telefon oder physischem Kontakt.

Nicht betroffen sind auch diejenigen Personen, die lediglich die Zahlungsabwicklung im Zusammenhang mit der Bestellung durchführen, obwohl sie technisch in der Lage wären, die Mehrwertsteuer zu erheben (Bst. c). Sie verfügen nämlich nicht über die notwendigen Informationen zur steuerlichen Behandlung dieser Transaktionen. Es handelt sich diesbezüglich in erster Linie um Kreditkartenorganisationen sowie Online-Bezahlsysteme.

Ausgeschlossen sind weiter Plattformen, die im Zusammenhang mit den von ihnen ermöglichten Lieferungen keine
Umsätze erzielen, namentlich, weil die angebotenen Dienste gratis sind für die Verkäufer und Verkäuferinnen und die Käufer und Käuferinnen (Bst. b). Sie könnten kaum die auf diesen Lieferungen geschuldete Mehrwertsteuer erheben. Dies gilt allerdings nicht für Plattformen, die dem Verkäufer oder der Verkäuferin oder dem Käufer oder der Käuferin Kosten oder eine Kommission basierend auf dem Bestellwert in Rechnung stellen.

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Des Weiteren gelten Plattformen, die ausschliesslich auf Waren aufmerksam machen, die auf anderen Webseiten zum Kauf angeboten werden oder die bloss Werbeleistungen erbringen, nicht als Leistungserbringerinnen (Bst. e).

Nur die Plattform, auf der die Bestellung abgeschlossen wird, gilt als Leistungserbringerin. Deshalb werden Plattformen, die nur Links auf andere Webseiten oder Plattformen zur Verfügung stellen oder die Kunden und Kundinnen automatisch auf eine Webseite oder eine Plattform um- oder weiterleiten, auf der sie die gewünschten Gegenstände bestellen können, ebenfalls ausgeschlossen (Bst. f). In diesem Fall gilt die letztgenannte Plattform als diejenige, die die Lieferung ermöglicht hat und somit als Leistungserbringerin, auch wenn der Bestellvorgang auf derjenigen Plattform begonnen hat, die den Kunden oder die Kundin weitergeleitet hat (Aufspaltung des Bestellvorgangs).

Art. 21 Abs. 2 Ziff. 1, 3bis und 14bis Ziffer 1: Diese Präzisierung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Neu wird der Verweis auf Artikel 18 des Postgesetzes vom 17. Dezember 201022 im Gesetzestext selbst geregelt statt nur in der Fussnote. Gleichzeitig wird entsprechend dem Postgesetz von Briefen statt von Gegenständen und vom reservierten Dienst in der Einzahl gesprochen.

Ziffer 3bis: Mit dieser neuen Ziffer wird die gesetzliche Grundlage zur Umsetzung der Motion Humbel 19.3892 (Keine Behinderung von hausärztlich koordinierter Versorgung durch den Fiskus) geschaffen. Neu sind Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Die Koordinationsleistungen beinhalten beispielsweise das Überweisungsmanagement, interprofessionelle Fallbesprechungen, Programme zur Behandlung von chronisch Kranken und Polymedikationschecks. Neben den direkten Heilbehandlungen am Patienten erbringt jeder Leistungserbringer und jede Leistungserbringerin weitere administrative Tätigkeiten (z. B. Dokumentation, Rechnungsstellung, Vertragsmanagement, Qualitätsaktivitäten), die als Gemeinkosten (Overheadkosten) in die Tarifberechnungen einfliessen. Werden Koordinationsleistungen beispielsweise in Spitälern erbracht, sind sie bereits heute von der Steuer ausgenommen. Mit der Umsetzung der Motion Humbel werden somit steuerliche Ungleichbehandlungen eliminiert. Nicht alle bisher
steuerbaren Leistungen sind jedoch neu von der Steuer ausgenommen. So bleiben die mit der koordinierten Versorgung zusammenhängenden rein administrativen Leistungen wie namentlich administrative Organisationsleistungen der Ärztenetzwerke steuerbar.

Ziffer 14bis: Diese neue Ziffer schafft die gesetzliche Grundlage zur Umsetzung der Motion Page 17.3657 (Mehrwertsteuer. Beseitigung der Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen). Neu sind Gelder für die aktive Teilnahme an kulturellen Anlässen samt den darin eingeschlossenen Nebenleistungen von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Als Nebenleistungen gelten beispielsweise Medaillen, Souvenirpreise, T-Shirts oder Pokale, welche die Teilnehmenden vor oder nach dem Wettkampf erhalten, die Verpflegung sowie der in Verbindung mit der kulturellen 22

SR 783.0

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Veranstaltung stehende Personentransport. So unterliegt beispielsweise die Einschreibegebühr für die Teilnahme am Musikwettbewerb eines Jodelfests nicht mehr der Mehrwertsteuer. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese Leistungen freiwillig zum reduzierten Satz zu versteuern (Option), damit die Vorsteuern in Abzug gebracht werden können.

Art. 23 Abs. 2 Ziff. 10, 12 und 13 sowie Abs. 5 zweiter Satz Ziffer 10: Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b E-MWSTG umfasst nur noch Leistungen von Reisebüros und nicht mehr jene von Organisatoren und Organisatorinnen von Veranstaltungen, wobei sich der Ort sämtlicher von Reisebüros erbrachten Dienstleistungen nach dem Erbringerortsprinzip richtet. Im Vergleich zur aktuellen Anwendung von Ziffer 10 bringt dies eine weitaus einfachere Handhabung für die steuerpflichtigen Personen, was der Wirtschaftlichkeit der Entrichtung (Art. 1 Abs. 3 Bst. b MWSTG) dient. Für die Leistungserbringer und Leistungserbringerinnen erübrigt sich künftig die komplizierte Aufteilung der verschiedenen Leistungskomponenten einer Reise, weil der Ort jeder Komponente bisher nach ihrer Art zu bestimmen war, was wiederum verschiedentlich zu Abgrenzungsschwierigkeiten führte. Zur besseren Umsetzung des Bestimmungslandprinzips, das für die Mehrwertsteuer als Konsumsteuer massgeblich ist, sieht die vorliegende Bestimmung eine erweiterte Steuerbefreiung für die Leistungen von Reisebüros vor, die im Ausland bewirkt werden oder gemäss Artikel 23 MWSTG von der Steuer befreit wären, wenn sie von einer Person erbracht würden, die kein Reisebüro ist. So ist ein Flug von Paris nach Athen auch dann steuerbefreit, wenn er von einem schweizerischen Reisebüro verkauft wird und damit als Leistung eines Reisebüros gilt. Da die Leistungen der Reisebüros als im Inland erbracht gelten, wären ohne diesen Verweis die Bestimmungen von Artikel 23 nicht anwendbar. So ist für die Geltendmachung der Steuerbefreiung neu nicht mehr erforderlich, dass die zu befreiende Leistung von Dritten zugekauft wurde, sondern die Steuerbefreiung erfasst auch selbst erbrachte Dienstleistungen (so z. B. die Reiseleitung vor Ort), soweit diese im Ausland bewirkt werden. Bei einer selbst erbrachten Dienstleistung erfolgt der Konsum und damit der Verbrauch der Leistung ebenso im Ausland, wie dies bei von Dritten bezogenen Leistungen der Fall
ist. Die Regelung stellt damit sicher, dass keine Besteuerung von Leistungskomponenten erfolgt, die wirtschaftlich betrachtet im Ausland konsumiert werden.

Ziffer 12: Diese neue Ziffer führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Die heute in Artikel 44 MWSTV geregelte Steuerbefreiung für bestimmte Umsätze aus der Veräusserung von Gold und Legierungen von Gold wird materiell unverändert in die übrigen Steuerbefreiungstatbestände in Artikel 23 E-MWSTG eingegliedert. Die sprachlichen Anpassungen sind lediglich der Struktur des bestehenden Artikels 23 geschuldet. Die bisherige Delegationsnorm in Artikel 107 Absatz 2 MWSTG wird aufgehoben.

Ziffer 13: Nach der in Artikel 20a E-MWSTG aufgestellten Fiktion nimmt eine Person, die über eine elektronische Plattform Gegenstände verkauft, eine Lieferung an die Plattform vor, die ihrerseits eine zweite Lieferung an den Kunden oder die Kundin vornimmt. Liegt der Ort der ersten Lieferung im Inland, so können die Lieferungen zu einer Unterstellung des Verkäufers oder der Verkäuferin führen beziehungsweise sind die Lieferungen zu versteuern, wenn der Verkäufer oder die Verkäuferin bereits 49 / 74

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als steuerpflichtige Person eingetragen ist. Werden die Lieferungen an den Kunden oder die Kundin gestützt auf Artikel 20a E-MWSTG einer steuerpflichtigen Plattform zugeordnet, ermöglicht die neue Ziffer 13 zum einen die Befreiung ausländischer Verkäufer und Verkäuferinnen von der Steuerpflicht, wenn sie im Inland nur Lieferungen an Plattformen erbringen. Zum anderen werden damit Lieferungen im Inland durch bereits unterstellte Verkäufer oder Verkäuferinnen von der Steuer befreit, wobei der Anspruch auf Vorsteuerabzug gewahrt bleibt. Des Weiteren wird damit die Beziehung zwischen Verkäufer oder Verkäuferin und Plattform in administrativer und steuerlicher Hinsicht vereinfacht.

Absatz 5 zweiter Satz: Es erfolgt keine Anpassung der bestehenden Regelung, dass Inlandlieferungen von Gegenständen zwecks Ausfuhr im Reiseverkehr gemäss der Verordnung des EFD vom 24. März 201123 über die Steuerbefreiung von Inlandlieferungen von Gegenständen zwecks Ausfuhr im Reiseverkehr von der Mehrwertsteuer befreit sind, sofern die Ausfuhr nachgewiesen ist. Die Möglichkeit, den Nachweis in elektronischer Form zu erbringen, ist bei der ESTV in Arbeit.

Art. 24 Abs. 5bis Die als Erbringerin der Leistung nach Artikel 20a E-MWSTG geltende Plattform ist vollumfänglich zuständig für Berechnung, Einzug und Entrichtung der Mehrwertsteuer ­ so, als ob sie selbst die verkauften Gegenstände geliefert hätte. Die Zuordnung der Leistung ist jedoch eine Fiktion. Meist sind die Plattformen dabei gänzlich auf die Angaben angewiesen, die ihnen die Verkäufer oder Verkäuferinnen der gelieferten Gegenstände melden. Das von den Plattformen getragene Risiko und ihre Haftung müssen deshalb begrenzt werden, wenn sie alles ihnen Zumutbare zur korrekten Besteuerung der ihnen zugeordneten Lieferungen getan haben. Sollte es nach dem Kauf über die Plattform beispielsweise noch zu einer Preiserhöhung kommen, die nicht auf der Plattform abgewickelt worden ist, so wäre die Plattform für die darauf entfallende Mehrwertsteuer nicht haftbar.

Art. 25 Abs. 2 Bst. a Ziff. 10 Mit dieser neuen Ziffer wird die Motion Maire 18.4205 (Reduzierter Mehrwertsteuersatz für Damenhygieneprodukte) umgesetzt. Bei den Produkten für die Monatshygiene handelt es sich in erster Linie um Tampons, Damenbinden und Slipeinlagen, aber auch um Menstruationsschwämmchen,
Menstruationsbecher und -tassen, Softcups und ähnliche Hilfsmittel. Mit der Einschränkung auf Produkte für die Monatshygiene werden die Damenhygieneprodukte klar von anderen Hygieneprodukten abgegrenzt.

Art. 35 Abs. 1 und 1bis Zur besseren Verständlichkeit besteht der Absatz 1 nur noch aus den bisherigen Buchstaben a und b. Der Inhalt von Buchstabe c wird in den neuen Absatz 1bis verschoben.

23

SR 641.202.2

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Absatz 1bis umfasst die beiden Fälle, in denen auf Antrag andere als die in Absatz 1 festgelegten Abrechnungsperioden zur Anwendung kommen. Buchstabe a enthält die Bestimmung des bisherigen Absatzes 1 Buchstabe c betreffend monatlicher Abrechnungsperiode. Neu ist hingegen Buchstabe b betreffend die jährliche Abrechnung.

Deren Ziel ist die administrative Vereinfachung für die steuerpflichtigen Personen.

Die jährliche Abrechnung soll einerseits einem Grossteil der steuerpflichtigen Personen offenstehen, andererseits aber auf KMU-Betriebe beschränkt sein. Wer die Bedingung bezüglich der Umsatzhöhe erfüllt, hat grundsätzlich Anrecht auf Anwendung der jährlichen Abrechnung. Dennoch ist es notwendig, dass er oder sie einen Antrag stellt und die ESTV diesen Antrag bewilligt. Zum einen muss die ESTV die Raten berechnen und den steuerpflichtigen Personen zustellen und zum anderen muss sichergestellt sein, dass keine Mahnungen für ausstehende Quartals- oder Semesterabrechnungen ausgestellt werden. Damit alle mit Hilfe der Saldosteuersatzmethode abrechnenden steuerpflichtigen Personen von dieser Erleichterung profitieren können, wird die Umsatzgrenze für die jährliche Abrechnung gleich hoch angesetzt wie jene von Artikel 37 Absatz 1 MWSTG. Die Anwendung der jährlichen Abrechnung ändert nichts an der Abrechnungsmethode. Auch bei der jährlichen Abrechnung wird also entweder effektiv oder ­ wenn eine entsprechende Bewilligung vorliegt ­ mit Saldosteuersätzen oder Pauschalsteuersätzen abgerechnet. Gestützt auf die Daten von 2018 können rund 360 000 oder etwa 94 Prozent aller steuerpflichtigen Personen die jährliche Abrechnung beantragen.

Art. 35a Absatz 1: Kommt eine steuerpflichtige Person ihren Abrechnungs- oder Zahlungsverpflichtungen nicht oder nur teilweise nach, soll die ESTV die Möglichkeit haben, den Wechsel zur jährlichen Abrechnung zu verweigern. Die Gefahr von Zahlungsausfällen ist bei der jährlichen Abrechnung nämlich höher als bei der viertel- oder halbjährlichen Abrechnung. Ebenso soll die ESTV die Möglichkeit haben, steuerpflichtigen Personen, die sich nicht pflichtgemäss verhalten, die Bewilligung zur jährlichen Abrechnung wieder zu entziehen. Wer beispielsweise keine, zu niedrige oder nur einen Teil der Ratenzahlungen leistet, dem kann die ESTV vorschreiben, vierteljährlich oder ­ bei Anwendung
der Saldosteuersatzmethode ­ halbjährlich abzurechnen.

Absatz 2: Bezüglich der minimalen Anwendungsdauer der jährlichen Abrechnung gilt die gleiche Regelung wie bei der Saldosteuersatzmethode (Art. 37 Abs. 4 MWSTG).

Möchte die steuerpflichtige Person wieder zur vierteljährlichen, halbjährlichen oder monatlichen Abrechnungsperiode wechseln, soll sie dies bereits nach mindestens einer ganzen Steuerperiode tun können. Entscheidet sich eine im Verlauf einer Steuerperiode ins Mehrwertsteuerregister eingetragene Person für die jährliche Abrechnung, muss sie also die angebrochene Steuerperiode und die ganze nächste Steuerperiode jährlich abrechnen, bevor sie wechseln kann. Jeder Wechsel hat administrative Aufwendungen für die steuerpflichtige Person und die ESTV zur Folge. Einen Wechsel bereits nach der angebrochenen Steuerperiode zuzulassen wäre also allenfalls dann sinnvoll, wenn die jährliche Abrechnung finanzielle Auswirkungen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

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Absatz 3: Jeder Wechsel ist mit administrativem Aufwand für die steuerpflichtige Person und die ESTV verbunden. Liesse man einen jährlichen Wechsel in beide Richtungen zu, würde folglich das Ziel der administrativen Vereinfachung unterlaufen. Je nachdem, ob die steuerpflichtige Person für das Folgejahr mit einer höheren oder niedrigeren Steuerforderung rechnet, würde sie sich für einen Einstieg in oder einen Ausstieg aus der jährlichen Abrechnung entscheiden. Für die Wiederunterstellung unter die jährliche Abrechnung gilt deshalb eine Wartefrist von drei Steuerperioden, wie sie sich bei der Saldosteuersatzmethode bewährt hat. Diese Wartefrist wird sowohl bei Unternehmen, die sich bei Beginn der Steuerpflicht gegen die jährliche Abrechnung entschieden haben, als auch bei Unternehmen, die von der jährlichen Abrechnung zur monatlichen, vierteljährlichen oder halbjährlichen Abrechnung gewechselt haben, angewendet.

Absatz 4: Aus administrativen Gründen sind Wechsel jeweils nur auf den Beginn einer Steuerperiode möglich.

Art. 40 Abs. 3 Korrektur eines falschen Verweises.

Art. 45 Abs. 1 Bst. e Neu wird die steuerliche Behandlung der Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Rechten, Bescheinigungen und Zertifikaten ausdrücklich im Gesetz geregelt. Bis zu einem Urteil des Bundesgerichts vom 9. April 2019 stufte die ESTV solche Übertragungen gestützt auf Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 19 Buchstabe e MWSTG als von der Steuer ausgenommenen Handel mit Wertrechten ein. Seit diesem Bundesgerichtsurteil werden solche Übertragungen nun jedoch als steuerbare Dienstleistungen nach Artikel 8 Absatz 1 MWSTG qualifiziert. Da die vorliegenden Rechte, Zertifikate und dergleichen sehr leicht übertragbar sind, wurden sie in der Vergangenheit insbesondere in der EU häufig dazu verwendet, auf betrügerische Weise die Auszahlung der Vorsteuer zu erwirken, ohne dass die Mehrwertsteuer auf dem entsprechenden Umsatz abgeliefert worden war. Der jährliche finanzielle Schaden wurde auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. Zwecks Betrugsverhinderung passte die EU im Frühjahr 2010 die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie24 an und ermächtigte die Mitgliedstaaten, für den Handel mit sogenannten Treibhausgasemissionen die subjektive Steuerpflicht
auf den Leistungsempfänger oder die Leistungsempfängerin (Reverse Charge) zu übertragen.

In Anlehnung an die europäischen Rahmenbedingungen wird durch die vorliegende Einführung der Bezugsteuer auf alle Übertragungen derartiger Rechte, Zertifikate und dergleichen sichergestellt, dass die Steuerschuld und der Vorsteuerabzug stets beim gleichen Steuersubjekt anfallen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der oder die Übertragende Sitz im Ausland oder im Inland hat. Durch die Bezugsteuerpflicht kann keine Vorsteuer zurückgefordert werden, die nicht auch als Umsatzsteuer entrichtet wurde.

24

In der Fassung gemäss Richtlinie 2010/45/EU, ABl. L 189 vom 22.7.2010, S. 1.

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Art. 53 Abs. 1 Bst. m Diese Bestimmung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Da Artikel 44 MWSTV für die Zwecke der Inlandsteuer materiell unverändert auf Gesetzesstufe gehoben wurde (Art. 23 Abs. 2 Ziff. 12 E-MWSTG), ist der Regelungsgehalt der analogen Bestimmung für die Einfuhrsteuer von Artikel 113 Buchstabe g MWSTV ebenfalls in den E-MWSTG aufzunehmen.

Art. 63 Abs. 1 Buchstabe a enthält den bisherigen Artikel 63 Absatz 1 MWSTG.

Buchstabe b: Registrierte Plattformen werden in der Zollanmeldung als Importeurinnen aufgeführt. Als solche schulden sie die Einfuhrsteuer, sofern diese fünf Franken übersteigt. Damit die nur wegen der Fiktion von Artikel 20a steuerpflichtigen Plattformen nicht erst die Einfuhrsteuer entrichten müssen und sie später wieder als Vorsteuer geltend machen können, sollen sie die Steuer im sogenannten Verlagerungsverfahren in der Abrechnung mit der ESTV deklarieren können.

Die Plattformen tragen die volle Verantwortung für die Entrichtung der Mehrwertsteuer und gelten als Importeurinnen der Gegenstände. Sie haben jedoch keine weitergehenden Verantwortlichkeiten betreffend die Gegenstände, deren Verkauf sie ermöglicht haben. Für die Produktsicherheit und die Abklärung, ob ein Import in die Schweiz zulässig ist, bleibt der Verkäufer oder die Verkäuferin zuständig. Für die Plattform gelten diesbezüglich die schon heute üblichen Verantwortlichkeiten ­ so wie soziale Medien den Inhalt prüfen müssen, der über ihre Plattformen veröffentlicht wird.

Sofern sie aus zollrechtlicher Sicht nicht anmeldepflichtige Personen sind, der Verkauf also nicht im eigenen Namen erfolgt, haben die Plattformen auch keine weiteren Verpflichtungen betreffend Transport und Import der Gegenstände sowie Zollanmeldung. Sie müssen einzig dafür sorgen, dass der Verkäufer oder die Verkäuferin alle notwendigen Angaben auf den Sendungen anbringt, damit die Einfuhrveranlagung korrekt erfolgen kann. Notwendig sind hierfür Angaben zur Identifikation der Plattform sowie deren Bewilligungsnummer für das Verlagerungsverfahren.

Art. 67 Abs. 1 und 1bis Absatz 1: Ausländische Unternehmen, die Leistungen im Inland erbringen und deshalb steuerpflichtig werden, müssen sich ins Mehrwertsteuerregister eintragen lassen.

Zuständig für die Eintragung ist gemäss Beschluss Nr. 61 vom 22. Januar 201525 der Gemischten
Kommission Schweiz-Liechtenstein betreffend Mehrwertsteuer die ESTV, und zwar auch dann, wenn ein Teil der Leistungen im Fürstentum Liechtenstein erbracht wird. Dies ist sinnvoll, weil in aller Regel der weitaus grösste Teil der Leistungen auf die Schweiz entfällt. Nur wenn ausschliesslich Leistungen im Fürstentum Liechtenstein erbracht werden, erfolgt die Eintragung im liechtensteinischen 25

Der Beschluss ist gemäss Publikationsgesetz nicht publiziert. Er kann kostenlos eingesehen werden bei der ESTV, Abteilung Steuergesetzgebung, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern.

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Mehrwertsteuerregister. Dementsprechend hält dieser Absatz neu fest, dass auch die Steuervertretung ihren Sitz oder Wohnsitz in der Schweiz haben muss.

Absatz 1bis: Die Steuervertretung in der Schweiz dient dazu, die Kommunikation mit der steuerpflichtigen Person zu ermöglichen. Sie nimmt zur Hauptsache Korrespondenz entgegen und leitet diese an die Vertretenen weiter. Sie haftet jedoch nicht für die Steuerforderung. Die Zustellung von amtlichen Schriftstücken und insbesondere die Eröffnung von Verfügungen im Ausland stellt einen hoheitlichen Akt dar, dessen Ausführung grundsätzlich ausschliesslich den territorial zuständigen Behörden zusteht. Zulässig über die Landesgrenzen hinaus ist nur die Zustellung von blossen Mitteilungen ohne rechtsgestaltende Wirkung. Die Zustellung von Dokumenten, die über Mitteilungen mit rein informativem Inhalt hinausgehen, ist rechtlich sehr heikel und allenfalls gar strafrechtlich relevant. Das Zustellen von Verfügungen ins Ausland statt an die Steuervertretung kann somit grundsätzlich nur auf dem beschwerlichen, langwierigen und somit für Massenverfahren nicht praktikablen diplomatischen Weg erfolgen. Eine Ausnahme hiervon ist in Artikel 28bis des Abkommens zwischen der Schweiz und Frankreich vom 9. September 196626 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht geregelt, wonach eine direkte postalische Zustellung ins Ausland zulässig ist für die Zustellung von amtlichen Schriftstücken und Dokumenten betreffend die Eintreibung von Steuern.

Es ist somit möglich, dass in gewissen Fällen auf die Bestellung einer Steuervertretung verzichtet werden kann. Zu diesem Zweck wird Artikel 67 um den Absatz 1bis ergänzt, wonach die ESTV in bestimmten Fällen auf das Bestellen einer Steuervertretung verzichten kann.

Art. 73 Abs. 2 Bst. e Es gibt viele Arten von elektronischen Plattformen, die Leistungserbringer oder Leistungserbringerinnen und ihre Kunden oder Kundinnen für die Erbringung von Lieferungen oder Dienstleistungen zusammenbringen. Damit die ESTV die auf diesen Plattformen tätigen und in der Schweiz potenziell steuerpflichtigen Akteure und Akteurinnen besser prüfen kann, müssen diese Plattformen als auskunftspflichtige Dritte gelten. Zur Anwendung kommt diese
Informationspflicht insbesondere bei der Sharing Economy und bei der Gig Economy, beispielsweise bei Plattformen, auf denen Ferienwohnungen oder Transportleistungen angeboten werden.

Art. 74 Abs. 2 Bst. e Damit die ESTV die Namen der Versandhandelsunternehmen und Plattformen veröffentlichen darf, gegen die nach Artikel 79a Absatz 5 administrative Massnahmen mit einer rechtskräftigen Verfügung angeordnet worden sind, müssen die Personen, die mit dem Vollzug des MWSTG betraut sind oder die dazu beigezogen werden, hierfür von der Geheimhaltungspflicht befreit werden.

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SR 0.672.934.91

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Art. 79a Absatz 1: Mit der Plattformbesteuerung wird Wettbewerbsgleichheit zwischen ausländischen und inländischen Anbietern und Anbieterinnen angestrebt. Ausländische Versandhandelsunternehmen und Versandhandelsplattformen sind in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig, wenn sie für mindestens 100 000 Franken Gegenstände ins Inland liefern, die wegen ihres geringen Werts aus administrativen Gründen von der Einfuhrsteuer befreit sind. Ist diese Bedingung erfüllt, dann gilt die Mehrwertsteuerpflicht nicht nur für diese Kleinsendungen, sondern für sämtliche Sendungen dieser Unternehmen. Melden sie sich jedoch zu Unrecht nicht an oder mangelt es an ihrer Abrechnungs- oder Zahlungsmoral, hat die Verwaltung derzeit praktisch keine Möglichkeiten, die geschuldete Steuer einzuziehen. Informationsschreiben, Mahnungen und Ermessenseinschätzungen, mit denen zuerst versucht wird, rechtstreues Verhalten der steuerpflichtigen Personen zu erwirken, verfehlen mangels griffiger internationaler Abkommen ihre Wirkung. Dieses Problem war auch Thema mehrerer parlamentarischer Vorstösse: Postulat Moser 17.4228 «Gleich lange Spiesse für alle OnlineVersandhändler», Interpellation Amherd 18.3222 «Marktverzerrung zulasten der Schweiz» und Interpellation Candinas 18.3360 «Online-Handel prüfen, überwachen und einschränken». Unter Berücksichtigung dieser Vorstösse sieht die Vorlage deshalb vor, dass die ESTV administrative Massnahmen gegen Plattformen und Versandhandelsunternehmen anordnen kann. Die administrativen Massnahmen können gleichermassen gegen in- und ausländische Personen verhängt werden, sofern diese ihre Kunden und Kundinnen aus dem Ausland beliefern. Ausländische Unternehmen werden durch diese Massnahmen gegenüber inländischen Unternehmen, die aus dem Ausland liefern, nicht schlechter gestellt (Inländerbehandlung). Gegenüber inländischen Unternehmen können darüber hinaus auch alle übrigen Kontroll- (Art. 78 MWSTG) und Vollzugsmassnahmen (Art. 96 ff. MWSTG) ergriffen werden.

Absatz 2 hält fest, dass die ESTV nur dann administrative Massnahmen anordnen darf, wenn sie die fehlbare Person vorgängig anhört. Bei inländischen Personen erfolgt die Anhörung mittels Schreiben mit Rechtsmittelbelehrung, bei bereits eingetragenen ausländischen Personen mittels Schreiben an die Steuervertretung. Ist die ausländische steuerpflichtige
Person noch nicht im Mehrwertsteuer-Register eingetragen, wird sie mit einem Schreiben der ESTV unter anderem aufgefordert, ein Zustelldomizil in der Schweiz zu bestimmen. Dieses Schreiben ist auf diplomatischem Weg zuzustellen. Kommt die Person dieser Aufforderung nicht nach, wird die Verfügung im Bundesblatt publiziert. Durch die Anhörung wird die Person in die Situation versetzt, sich rechtskonform zu verhalten und für Zwecke der Mehrwertsteuer registrieren zu lassen beziehungsweise die Abrechnungs- und Zahlungspflichten zu erfüllen.

Verfügt die ESTV administrative Massnahmen, sind jeweils viele Sendungen betroffen. Weder der Post oder den Kurierdiensten im Falle einer Einfuhrverbotsverfügung noch der ESTV oder der EZV (ab 2022 BAZG) im Falle einer Verfügung auf Vernichtung der Gegenstände wäre es möglich, die Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen vorgängig anzuhören. Ausserdem haben die Schweizer Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen ­ wie in den Erläuterungen zu Absatz 3 ausgeführt ­ die Möglichkeit, sich vor der Bestellung der Waren entsprechend zu informieren, ob allenfalls administrative Massnahmen zu gewärtigen sind. Absatz 2

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sieht deshalb vor, dass die Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen vor dem Verfügen der administrativen Massnahme nicht angehört werden.

Absatz 3: Die ESTV kann zwei Arten von administrativen Massnahmen verfügen mit dem Ziel, dass sich Versandhandelsunternehmen und Plattformen rechtstreu verhalten und die Mehrwertsteuer entrichten. Dabei muss sie in jedem Fall zuerst die mildere Massnahme, also das Einfuhrverbot, verfügen. Wie alle behördlichen Verfügungen sind auch diese Verfügungen beschwerdefähig. Sowohl das Einfuhrverbot als auch die Vernichtung können nur für Kleinsendungen verfügt werden: Erster Satz: Die ESTV kann verfügen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt keine vom betreffenden Unternehmen gelieferten Kleinsendungen mehr ins Inland eingeführt werden dürfen. Die mit dem Transport der Gegenstände beauftragte Post oder der damit beauftragte Kurierdienst muss die Sendungen daraufhin blockieren. Inwiefern ein Zurückschicken an den Absender oder die Absenderin möglich ist, ist von Fall zu Fall zu beurteilen. Das Versandhandelsunternehmen oder die Plattform haben in der Folge die Möglichkeit, für eine rechtskonforme Zustellung an den Kunden oder die Kundin zu sorgen.

Zweiter Satz: Die Vernichtung der eingeführten Kleinsendungen ist eine einschneidende Massnahme und soll deshalb nur mit grosser Zurückhaltung angewandt werden.

Sie kann erst dann ergriffen werden, wenn die Verfügung eines Einfuhrstopps keine Wirkung gezeigt hat. Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen können sich mindestens teilweise vor der Vernichtung ihrer Waren schützen, indem sie bei der Bestellung prüfen, ob das Versandhandelsunternehmen oder die Plattform auf der von der ESTV auf ihrer Webseite veröffentlichten Liste der steuerpflichtigen Versandhandelsunternehmen und Plattformen aufgeführt ist. Eine solche Prüfung empfiehlt sich insbesondere, wenn das Versandhandelsunternehmen oder die Plattform dem Leistungsempfänger oder der Leistungsempfängerin keine schweizerische Mehrwertsteuer in Rechnung stellt. Ausserdem können sie sich auf der Webseite der ESTV darüber informieren, ob gegen ihren Lieferanten oder ihre Lieferantin eine administrative Massnahme angeordnet worden ist (s. Ausführungen zu Absatz 5).

Absatz 4: Die EZV (ab 2022 BAZG) ist für die Kontrolle der Ein- und Ausfuhr von Waren und die Erhebung der
Einfuhrsteuer zuständig und setzt deshalb die administrativen Massnahmen im grenzüberscheitenden Verkehr um.

Absatz 5: Die Verfügung von Massnahmen wirkt sich nicht nur auf die Empfänger und Empfängerinnen der Verfügung ­ also die Versandhandelsunternehmen und Plattformen ­ aus, sondern auch auf die Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen. Nur wenn sie von diesen Massnahmen Kenntnis haben, können sie sich wirksam davor schützen, dass die von ihnen bestellten Waren an der Einfuhr gehindert oder gar vernichtet werden. Dies geschieht dadurch, dass die ESTV die Namen der Versandhandelsunternehmen und Plattformen auf ihrer Webseite veröffentlicht, sobald eine rechtskräftige Verfügung vorliegt. Zudem ist vorgesehen, dass die Verfügung erst 14 Arbeitstage nach Eintritt der Rechtskraft zur Anwendung kommen soll, womit die Konsumenten und Konsumentinnen in der Regel frühzeitig gewarnt sind.

Damit die ESTV die Namen der Versandhandelsunternehmen und Plattformen auf

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ihrer Webseite veröffentlichen darf, bedarf es diesbezüglich einer Aufhebung der Geheimhaltungspflicht nach Art. 74 MWSTG (vgl. Ausführungen zu Art. 74 Abs. 2 Bst. e E-MWSTG).

Art. 86 Abs. 10 In Absatz 10 wird neu ausdrücklich festgehalten, dass die Bestimmungen der Absätze 1 bis 9 unabhängig davon gelten, welche Abrechnungsperiode gewählt wurde.

Das heisst, dass sie auch auf die jährliche Abrechnung angewendet werden. Da auch bei der jährlichen Abrechnungsmethode zwischen Abrechnungsperiode und Steuerperiode zu unterscheiden ist, obwohl diese zeitlich deckungsgleich sind, wird klargestellt, dass der Steuerbetrag nach diesem Artikel eingetrieben werden muss. Würden hingegen bei der jährlichen Abrechnung die Abrechnungen sowie die Schätzungen wegen Nichteinreichens der Abrechnung oder wegen offensichtlich unvollständigen Abrechnungen gleich definitiv, nur weil die Abrechnungsperiode die ganze Steuerperiode umfasst, könnten sie nur noch im Rahmen einer Kontrolle durch die ESTV geändert werden.

Art. 86a Absatz 1: Ohne Ratenzahlungen wären Anwender und Anwenderinnen der jährlichen Abrechnung finanziell deutlich bessergestellt als vierteljährlich oder halbjährlich Abrechnende, da sie Liquiditätsvorteile hätten. Ausserdem bestünde bei Unternehmen mit Liquiditätsschwierigkeiten die Gefahr, dass am Ende der Steuerperiode, wenn die jährliche Abrechnung einzureichen und die Jahres-Steuerforderung zu entrichten ist, das Geld hierfür nicht mehr vorhanden ist. Es wäre also mit deutlich höheren Debitorenverlusten für die Bundeskasse und die Zweckbindungen (Fonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHV-Fonds], Bahninfrastrukturfonds, Krankenkassen) zu rechnen.

Absatz 2: Die ESTV stellt den jährlich abrechnenden steuerpflichtigen Personen die anhand der Steuerforderung der Vorjahres-Steuerperiode berechneten Raten in Rechnung. Dabei kann sie die Raten runden. Resultierte damals ein Steuerguthaben für die steuerpflichtige Person, so zahlt ihr die ESTV keine Raten aus, sondern teilt ihr mit, dass in der laufenden Steuerperiode keine Ratenzahlungen zu leisten sind. Neu steuerpflichtige Personen haben in der Regel keine Vorjahresumsätze. Die Höhe ihrer Raten wird deshalb gestützt auf die voraussichtliche Steuerforderung für die Zeit vom Beginn der Steuerpflicht bis zum Ende der ersten Steuerperiode ermittelt.
Ist die Steuerforderung im Zeitpunkt, in dem die Höhe der Raten festgelegt werden muss, noch nicht bekannt, wird sie von der ESTV geschätzt. Sie wird dabei in der Regel auf die Steuerforderung des Vorvorjahres abstellen. Bei neu eingetragenen steuerpflichtigen Personen kann die Steuerforderung durch Multiplikation des von der steuerpflichtigen Person für die ersten 12 Monate geschätzten Umsatzes mit dem für die betreffende Tätigkeit gültigen Saldosteuersatz ermittelt werden.

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Beispiel Eine Schreinerei wird auf den 1. Januar ins Register der Steuerpflichtigen eingetragen. Sie entscheidet sich für die effektive Abrechnungsmethode und für die jährliche Abrechnung. In der Steueranmeldung beziffert sie den bis Ende Jahr erwarteten steuerbaren Umsatz auf 300 000 Franken. Die ESTV berechnet mit Hilfe des für Schreinereien gültigen Saldosteuersatzes von 3,5 Prozent eine Steuerforderung von 10 500 Franken. Diese 10 500 Franken sind massgebend für die Festlegung der Höhe der Raten. Die ESTV stellt somit drei Raten in der Höhe von einem Viertel der Steuerforderung, also je 2625 Franken, in Rechnung.

Absatz 3: Grundsätzlich sind 3 Raten und eine Schlusszahlung geschuldet. Eine Rate beläuft sich somit auf einen Viertel der Steuerforderung nach Absatz 2. Eine Ausnahme bilden die Steuerpflichtigen, die nach Artikel 37 Absatz 1 MWSTG mit Hilfe der Saldosteuersatzmethode abrechnen. Da diese grundsätzlich halbjährlich abrechnen, sind bei jährlicher Abrechnung auch nur zwei Zahlungen ­ eine Rate und eine Schlusszahlung ­ geschuldet.

Absatz 4: Aus Gründen der administrativen Vereinfachung werden keine Kleinstbeträge in Rechnung gestellt. Die Kompetenz zu bestimmen, was als Kleinstbetrag gilt und ab welchem Betrag die Raten fakturiert werden, wird gemäss Artikel 108 Buchstabe d E-MWSTG dem EFD übertragen.

Absatz 5: Schwankungen des Geschäftsverlaufs und damit auch der Steuerforderung sind die Regel. Die erwartete Steuerforderung des laufenden Jahres kann massiv von der Steuerforderung der vorangegangenen Steuerperiode abweichen. In diesen Fällen kann eine Anpassung der Raten sinnvoll sein. Hierfür muss die steuerpflichtige Person einen entsprechenden Antrag an die ESTV stellen. Diese stellt ihr daraufhin neue Raten in Rechnung. Es erfolgen weder Mahnungen noch Betreibungen, wenn die Raten nicht, zu spät oder nur teilweise bezahlt werden, aber dafür ist Verzugszins geschuldet. Gemäss Artikel 35a Absatz 1 E-MWSTG hat die ESTV zudem die Möglichkeit, die Bewilligung zur Anwendung der jährlichen Abrechnung auf das Folgejahr zu entziehen, wenn die steuerpflichtige Person ihren Abrechnungs- und Zahlungspflichten nicht oder nur teilweise nachkommt.

Absatz 6: Die Daten zur Zahlung der Raten orientieren sich an den Zahlungsfristen, die bei vierteljährlicher beziehungsweise halbjährlicher Abrechnung
gelten.

Absatz 7: Sobald die Jahresabrechnung eingereicht ist, steht die Steuerforderung dieser Steuerperiode fest. Nach Abzug der Ratenzahlungen ergibt sich die Höhe der zu leistenden Schlusszahlung.

Fortsetzung 1 des Beispiels von Absatz 2 Die Schreinerei zahlt Ende Mai, Ende August und Ende November je eine Rate von 2625 Franken. Im Februar des Folgejahres reicht sie die Jahresabrechnung ein, aus der sich eine Steuerforderung von 8500 Franken ergibt. Ende Februar ist somit eine Schlusszahlung in Höhe von 625 Franken zu leisten.

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Fortsetzung 2 des Beispiels von Absatz 2 Die Schreinerei zahlt Ende Mai, Ende August und Ende November je eine Rate von 2625 Franken. Im Februar des Folgejahres reicht sie die Jahresabrechnung mit einer Steuerforderung von 7400 Franken ein, womit sie ein Guthaben von 475 Franken hat. Die ESTV zahlt dieses Guthaben innert 60 Tagen aus oder verwendet es zur Verrechnung nach Artikel 88 Absatz 2 MWSTG.

Art. 87 Abs. 1bis Beim provisorischen Steuerbezug ist ohne Mahnung ein Verzugszins geschuldet, wenn die steuerpflichtige Person nicht, nur teilweise oder zu spät bezahlt. Dies gilt sowohl für die Raten bei jährlicher Abrechnung nach dem neuen Artikel 86a als auch für Steuerbeträge aus Abrechnungen nach Artikel 86 MWSTG. In seinem Urteil vom 31. August 201627 hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass für provisorische Steuerbeträge nach Artikel 86 MWSTG keine Verzugszinsen geschuldet sind, sondern nur für Mehrwertsteuerforderungen, die bei Nichtzahlung nach Artikel 89 MWSTG in Betreibung gesetzt werden. Mit der neuen Bestimmung gelten künftig die gleichen Verzugszinsregelungen für provisorisch geschuldete Steuerbeträge aus Monats-, Quartals-, Semesterabrechnungen und für die neue, freiwillige jährliche Abrechnung.

Werden die Raten bei jährlicher Abrechnung fristgerecht und vollumfänglich bezahlt, ist auch dann kein Verzugszins geschuldet, wenn die Steuerforderung der laufenden Steuerperiode weit über jener der vorangegangenen Steuerperiode liegt. Geht die steuerpflichtige Person davon aus, dass sie im laufenden Jahr die im Vorjahr erzielte Steuerforderung nicht erreichen wird, kann sie nach Artikel 86a Absatz 5 von der ESTV eine Anpassung der Raten verlangen. Bezahlt sie die von der ESTV in Rechnung gestellten angepassten Raten fristgerecht und in voller Höhe, ist kein Verzugszins geschuldet, selbst wenn sich am Ende der Steuerperiode herausstellt, dass eine zu starke Reduktion der Raten beantragt wurde.

Der Verzugszins wird nicht für jede einzelne Rate in Rechnung gestellt, sondern nach Eingang der Schlusszahlung für die ganze Steuerperiode.

27

BVGE A-5523/2015 E. 5.3.1

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Beispiel In der vorangegangenen Steuerperiode ergab sich aus der Abrechnung der steuerpflichtigen Person eine Steuerforderung von 32 000 Franken. Die ESTV stellt ihr deshalb Raten in der Höhe von 8000 Franken in Rechnung. Sie bezahlt die erste Rate fristgerecht. Da das Geschäft schlechter läuft als erwartet, stellt sie im Verlaufe des Sommers bei der ESTV den Antrag, die Höhe der zweiten und dritten Rate zu halbieren. Die ESTV stellt ihr daraufhin neue Rechnungen für die zweite und dritte Rate von je 4000 Franken zu. Sie bezahlt die angepassten Raten fristgerecht. Aus der im Februar des Folgejahres eingereichten Jahresrechnung ergibt sich eine Steuerforderung von 25 000 Franken. Die Schlusszahlung von 9000 Franken erfolgt am 28. Februar. Da alle Zahlungen fristgerecht und in voller Höhe erfolgten, ist kein Verzugszins geschuldet.

Art. 88 Abs. 1 So wie kein Verzugszins anfällt, wenn die Steuerforderung der laufenden Steuerperiode höher ist als diejenige der vorangegangenen Steuerperiode, so wird auch kein Vergütungszins ausgerichtet, wenn sich die auf Basis der vorangegangenen Steuerperiode berechneten Raten bei der Einreichung der jährlichen Abrechnung als zu hoch erweisen. Übertreffen die Ratenzahlungen nach Artikel 86a E-MWSTG gar die Steuerforderung, wird dieser Überschuss der steuerpflichtigen Person ausbezahlt. Erfolgt die Auszahlung später als 60 Tage nach Eintreffen der Steuerabrechnung, wird für die Zeit ab dem 61. Tag bis zur Auszahlung ein Vergütungszins ausgerichtet (Art. 88 Abs. 4).

Art. 93 Abs. 1bis Ziel ist die Bekämpfung des organisierten Betrugs mit Serienkonkursen. Man spricht diesbezüglich von Serien-Konkursiten und -Konkursitinnen. Dabei bereichern sich Unternehmer und Unternehmerinnen durch Serienkonkurse auf Kosten von Gläubigern und Gläubigerinnen sowie von Endkonsumenten und Endkonsumentinnen, ohne dass sie in ein Strafverfahren im weiteren Sinne verwickelt wären. Die Geschwindigkeit, mit der das passiert, lässt kaum ein Eingreifen zu und reduziert den Staat auf die Rolle eines geschädigten Gläubigers. Es braucht zusätzliche Massnahmen, die ein erfolgreiches Vorgehen der ESTV zum Schutz der finanziellen Interessen des Bundes ermöglichen. Dabei geht es auch um Gleichbehandlung und den Schutz der Unternehmer und Unternehmerinnen in der Schweiz.

Die Änderung zielt nicht auf
Unternehmen ab, die ein oder mehrmals «unverschuldet» in Konkurs gefallen sind, sondern auf Unternehmer und Unternehmerinnen, die vorsätzlich Serienkonkurse verursachen, indem sie Unternehmen ihrer Substanz berauben und sie beispielsweise an Strohmänner übertragen, die die Liquidation herbeiführen. Es muss aus der Gesamtheit der Umstände ersichtlich sein, dass ein nicht konformes Verhalten vorliegt, das strafrechtlich belangt werden könnte. Genauer gesagt: Das Phänomen des Serien-Konkursiten oder der Serien-Konkursitin lässt sich erkennen anhand der systematischen Verwendung gewisser Vorgehensweisen wie der Verwendung von Strohmännern sowie an Indizien wie der betroffenen Branche, den 60 / 74

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Geschäftsbeziehungen, Versicherungsbetrug oder der Unmöglichkeit, Schriftstücke zuzustellen. Nicht notwendig ist es hingegen, dass ein Strafverfahren eröffnet oder eine Busse ausgesprochen worden ist. Eine «kurze Zeitspanne» liegt vor, wenn zwischen der Eröffnung des ersten und der Eröffnung des zweiten Konkurses nicht mehr als rund drei Jahre vergangen sind. Der Begriff «geschäftsführendes Organ» wurde von Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe f MWSTG übernommen. Betroffen sind in erster Linie im Handelsregister eingetragene Teilhaber und Teilhaberinnen, geschäftsführende Verwaltungsräte und Verwaltungsrätinnen sowie de facto mit der Geschäftsführung betraute Personen. Die ESTV wird von diesen Personen nur dann eine Sicherheit verlangen, wenn ein Strauss von Indizien darauf schliessen lässt, dass sie mit ihrem Verhalten Steuern, Zinsen und Kosten (Verfahrens- und Betreibungskosten) gefährden.

In diesen Fällen müssen die als Serien-Konkursiten oder -Konkursitinnen qualifizierten Unternehmer und Unternehmerinnen sowie die Strohmänner, über die die Konkurse abgewickelt werden, umgehend zur Rechenschaft gezogen werden können, indem sie eine persönliche Sicherheit für die Forderungen ihres neuen Unternehmens leisten müssen. Das geschäftsführende Organ kann gegen die Sicherstellungsverfügung beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde führen (Art. 93 Abs. 4 MWSTG).

Da die Sicherstellung eine vorsorgliche Massnahme ist, muss die ESTV regelmässig überprüfen, ob die Voraussetzungen dafür noch erfüllt sind.

Art. 93a Inlandlieferungen von Gegenständen zwecks Ausfuhr im Reiseverkehr sind gemäss der Verordnung des EFD über die Steuerbefreiung von Inlandlieferungen von Gegenständen zwecks Ausfuhr im Reiseverkehr von der Mehrwertsteuer befreit, sofern die Ausfuhr nachgewiesen ist. Künftig soll der Nachweis der Ausfuhr auch elektronisch erbracht werden können (Art. 23 Abs. 5 zweiter Satz). Derzeit prüft die ESTV verschiedene Varianten einer elektronischen Ausfuhrbestätigung. Für einen steuerfreien Einkauf im Laden mit gleichzeitiger provisorischer Erhebung einer Sicherheit in Höhe der Steuer direkt bei der Kundschaft bräuchte es die vorliegende gesetzliche Grundlage. Aufgrund der langen Dauer der Gesetzgebungsverfahren wird diese Bestimmung bereits im jetzigen Zeitpunkt in den Vorentwurf aufgenommen.

Art. 94 Abs. 1 Auch
ein Überschuss zugunsten der steuerpflichtigen Person aus der Anrechnung der bezahlten Raten an die Steuerforderung muss für Sicherheitsleistungen verwendet werden können.

Art. 107 Abs. 2 Da der Regelungsgehalt von Artikel 44 MWSTV neu zu den übrigen Steuerbefreiungen in Artikel 23 E-MWSTG überführt wurde, erübrigt sich diese Delegationsnorm.

Sie kann daher gestrichen werden.

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Art. 108 Bst. d Bei Anwendung der jährlichen Abrechnung sind Ratenzahlungen zu leisten. Die Höhe der Raten orientiert sich grundsätzlich an der Steuerforderung der vorangegangenen Steuerperiode. Fiel diese sehr niedrig aus, ergäben sich unter Umständen Raten von wenigen Franken. Solche Kleinstbeträge sollen aus administrativen Gründen nicht in Rechnung gestellt werden. Die Kompetenz festzulegen, welche Beträge als nicht in Rechnung zu stellende Kleinstbeträge gelten, wird dem EFD übertragen.

Art. 115b Absatz 1: Würde man die in Artikel 114 Absatz 2 MWSTG vorgesehenen 90 Tage hier ebenfalls anwenden, dann erhielten alle vierteljährlich abrechnenden steuerpflichtigen Personen, die der ESTV später als 60 Tage nach Inkrafttreten der Teilrevision mitteilen, dass sie jährlich abrechnen wollen, zunächst eine Abrechnung für das erste Quartal zugestellt oder sie würden auf elektronischem Weg aufgefordert, die Abrechnung einzureichen. Mit dieser Regelung können im Sinne der Wirtschaftlichkeit der Entrichtung und der Erhebung solche Korrekturen vermieden werden.

Absatz 2: Mit dieser Bestimmung wird sichergestellt, dass Versandhandelsplattformen, über die in grösserem Umfang Waren in die Schweiz verkauft werden, ab dem Datum des Inkrafttretens der Teilrevision und nicht erst ein Jahr später steuerpflichtig werden.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf die steuerpflichtigen Personen

Der Grossteil der bisher steuerpflichtigen Personen ist von den vorgesehenen Änderungen wenig betroffen. Nachstehend werden die Auswirkungen der wichtigsten Änderungen dargestellt.

6.1.1

Auswirkungen der Umsetzung der Motion Vonlanthen 18.3540 betreffend Plattformbesteuerung

Gemäss Artikel 20a E-MWSTG werden Plattformen Leistungserbringerinnen der von Dritten über die Plattform erbrachten Lieferungen. Dadurch ändert sich nicht nur die mehrwertsteuerliche Situation der Plattformen, sondern auch diejenige der Unternehmen, die mit Hilfe von Plattformen Gegenstände an Empfänger und Empfängerinnen im Inland verkaufen.

Eine ausländische Plattform wird steuerpflichtig, sobald sie für mindestens 100 000 Franken Lieferungen von Gegenständen an Empfänger und Empfängerinnen im Inland erbringt, die nach Artikel 53 Absatz 1 Buchstabe a MWSTG von der Einfuhrsteuer befreit sind (Kleinsendungen). Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um selbst hergestellte oder eingekaufte Gegenstände handelt oder ob es Gegenstände sind, 62 / 74

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die ein Versandhandelsunternehmen mit Hilfe der Plattform verkauft. Es lässt sich nicht schätzen, wie viele Plattformen sich werden eintragen lassen.

Eine inländische Plattform wird steuerpflichtig, wenn sie im In- und Ausland für mehr als 100 000 Franken Leistungen erbringt, die nicht von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind.

Ein steuerpflichtiges Versandhandelsunternehmen, das nur über Plattformen oder daneben für jährlich weniger als 100 000 Franken Lieferungen von sogenannten Kleinsendungen direkt an Kunden und Kundinnen im Inland erbringt, fällt also mit Inkrafttreten der Plattformbesteuerung aus der Steuerpflicht. Von den im Mehrwertsteuerregister eingetragenen Versandhandelsunternehmen dürften allerdings nur wenige diese Bedingungen erfüllen.

Die administrativen Kosten der nach der effektiven Methode abrechnenden steuerpflichtigen Personen betragen im Durchschnitt 7272 Franken.28 Die administrativen Kosten der Plattformen lassen sich nicht schätzen, dürften aber bei ausländischen Plattformen über diesem Wert liegen. Der Grund liegt zum einen darin, dass diese in der Schweiz eine Vertretung bestimmen und bezahlen müssen. Die Bestimmung einer Steuervertretung kostet rund 1800 Franken.29 Hinzu kommen noch die laufenden Kosten der Steuervertretung, zu denen die Studie von PWC keine Angaben macht.

Zum anderen dürfte der Aufwand für die Erfassung und korrekte Abrechnung der Mehrwertsteuer beachtlich sein, unter anderem auch, weil jeweils darauf geachtet werden muss, welcher der beiden in Frage kommenden Steuersätze zur Anwendung kommt.

6.1.2

Auswirkungen der jährlichen Abrechnung

Die Anwendung der jährlichen Abrechnung mit Ratenzahlungen führt zu einer Reduktion der administrativen Kosten für die steuerpflichtigen Personen, da nicht mehr unter dem Jahr ermittelt werden muss, wie hoch der Quartals- oder Semesterumsatz ist. Unter der Annahme, dass die Kosten für das Ausfüllen und Einreichen einer Abrechnung immer gleich hoch sind, verringern sich die Abrechnungskosten gemäss der Studie von PWC30 aus dem Jahr 2013 pro steuerpflichtige Person geschätzt um jährlich durchschnittlich rund 129 Franken. Bei effektiver Abrechnungsmethode beträgt die Entlastung 163 Franken und bei Abrechnung mit Saldosteuersätzen 56 Franken.

Die Tabelle 1 zeigt auf, wie hoch diese administrativen Entlastungen insgesamt sind, je nachdem, wie viele steuerpflichtige Personen sich für die jährliche Abrechnung entscheiden.

28

29 30

Schätzung der ESTV anhand des Schlussberichts vom 26. September 2013 der Studie von Pricewaterhousecoopers PWC, Messung der Regulierungskosten im Bereich Steuern (nachfolgend Schlussbericht zur PWC-Studie); das Total der administrativen Kosten wurde der Tabelle 17 entnommen und die Anzahl der effektiv abrechnenden steuerpflichtigen Personen der Ziff. 8.2 auf S. 70.

Schlussbericht zur PWC-Studie, Ziff. 8.2, S. 69.

Schlussbericht zur PWC-Studie, Tabelle 19 und Ziff. 8.2.

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Tabelle 1 Geschätzte eingesparte Abrechnungskosten durch Anwendung der jährlichen Abrechnung Franken

Eingesparte Abrechnungskosten pro steuerpflichtige Person * Total Steuerpflichtige, die jährlich abrechnen können: Anteil neu jährlich abrechnender Steuerpflichtiger:

129 357 000 20 %

9 Mio.

25 %

12 Mio.

30 %

14 Mio.

35 %

16 Mio.

40 %

18 Mio.

* Kosten für das Ausfüllen und Einreichen der Abrechnung.

Schätzung ESTV auf Basis des Schlussberichts zur PWC-Studie, Tabelle 19 und Ziffer 8.2 einerseits, und den deklarierten Umsätzen im Jahr 2018 andererseits. Annahme, dass von den vierteljährlich und den mit Saldosteuersätzen abrechnenden Personen prozentual gleich viele Personen zur jährlichen Abrechnung wechseln.

Ein Teil dieser Einsparungen wird allerdings wieder aufgehoben durch die administrativen Aufwendungen für allfällige Gesuche um Anpassung der Raten und für die Entrichtung der Ratenzahlungen.

Gestützt auf die Daten für das Jahr 2018 haben etwa 94 Prozent aller rund 380 000 steuerpflichtigen Personen die Möglichkeit, jährlich abzurechnen. Dies sind zum einen alle Personen, die mit Hilfe von Saldosteuersätzen abrechnen und zum anderen rund 92 Prozent aller vierteljährlich abrechnenden steuerpflichtigen Personen.

Wie viele steuerpflichtige Personen tatsächlich jährlich abrechnen werden, lässt sich nicht vorhersagen. Unternehmen, die regelmässig Vorsteuerüberschüsse haben, dürften kaum ein Interesse an der jährlichen Abrechnung haben, da sie ihre Steuerguthaben möglichst schnell ausbezahlt haben möchten. Eine Auswertung der ESTV über die Jahre 2018 und 2019 hat gezeigt, dass rund 135 000 vierteljährlich abrechnende steuerpflichtige Personen in mindestens einer dieser acht Abrechnungsperioden einen Vorsteuerüberschuss aufwiesen und rund 40 000 gar in mindestens fünf der acht Abrechnungsperioden. Aber auch die Verpflichtung, Raten leisten zu müssen, die grundsätzlich aufgrund der Vorjahreswerte berechnet wurden, dürfte diverse steuerpflichtige Personen davon abhalten, jährlich abzurechnen, auch wenn bei der ESTV eine Anpassung der Ratenhöhe beantragt werden kann.

6.1.3

Auswirkungen der Umsetzung der Motion WAK-S 16.3431 betreffend Subventionen

Mit der neuen gesetzlichen Fiktion werden vermehrt von Gemeinwesen ausgerichtete Gelder als Subventionen qualifiziert. Der Empfänger oder die Empfängerin muss die 64 / 74

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Gelder, die er oder sie vom Gemeinwesen erhält, zwar nicht mehr versteuern, dafür aber seinen oder ihren Vorsteuerabzug kürzen, womit sich sein oder ihr administrativer Aufwand erhöht. Dieser Mehraufwand lässt sich nicht quantifizieren, weil nicht abschätzbar ist, wie viele Zahlungen, die bisher als Entgelt für eine Leistung behandelt wurden, neu als Subvention behandelt werden. Diese nicht abzugsfähige Vorsteuer bleibt als Taxe occulte in der Bundeskasse. Kein Mehraufwand ergibt sich, wenn der Empfänger oder die Empfängerin des Beitrags mit Saldo- oder Pauschalsteuersätzen abrechnet. Die Auswirkungen auf den Bund sind in Ziffer 6.2.1 dargestellt und die Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden in Ziffer 6.3.

6.2

Auswirkungen auf den Bund

6.2.1

Finanzielle Auswirkungen

Einige der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen haben nennenswerte finanzielle Auswirkungen auf den Bund, die sich allerdings nur grob quantifizieren lassen.

31

­

Die Besteuerung der Plattformen (Umsetzung Motion Vonlanthen 18.3540) führt aus zwei Gründen zu Mehreinnahmen: Unter dem aktuellen Recht gelangen zum einen viele Sendungen ohne Mehrwertsteuer in die Schweiz, weil das Versandhandelsunternehmen zu Recht oder zu Unrecht nicht als steuerpflichtige Person eingetragen ist. Zum anderen wird bei vielen Paketen der Wert der Gegenstände zu niedrig angegeben, insbesondere um die Einfuhrsteuer zu umgehen, die erst ab einem Steuerbetrag von mehr als fünf Franken erhoben wird.31 Mit der Besteuerung der elektronischen Plattformen sollten diese Falschdeklarationen massiv abnehmen, da die Plattformen in aller Regel den Wert kennen, zu dem die Waren verkauft werden. Zudem ist davon auszugehen, dass viele Lieferungen, die die Lieferanten und Lieferantinnen bisher zu Recht oder zu Unrecht nicht deklariert haben, nun von den Plattformen deklariert werden. Wie gross die finanziellen Auswirkungen sind, lässt sich angesichts der spärlichen verfügbaren Daten nur sehr grob abschätzen. Die ESTV geht auf der Basis von Daten für das Jahr 2018 von Mehreinnahmen von rund 60 Millionen Franken pro Jahr aus. Da die Entwicklung im OnlineHandel ­ auch aufgrund der Coronapandemie ­ sehr dynamisch ist und das revidierte Mehrwertsteuergesetz nicht vor 2023 in Kraft treten wird, ist eine statische Betrachtungsweise nicht zielführend. Geht man von einem jährlichen Umsatzwachstum des Import-Online-Handels von 5 Prozent aus, was dem Wachstum in den Jahren 2019 und 2020 entspricht, ergäben sich im Jahr 2023 Mehreinnahmen für den Bund von rund 75 Millionen Franken. Im Einführungsjahr der Plattformbesteuerung würden die Mehreinnahmen nur rund 80 Prozent des Jahreswertes betragen.

­

Die Einführung der jährlichen Abrechnung hat nur geringe Auswirkungen auf die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Da die ESTV die Höhe der Raten Bericht Gleich lange Spiesse für alle Online-Versandhändler des Bundesrates vom 4. September 2019 in Erfüllung des Postulates 17.4228, Moser, Ziff. 3.3, 4.2 und 5.4; www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/58290.pdf.

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anhand der Steuerforderung der Vorjahres-Steuerperiode berechnet, sollten weder im Einführungsjahr noch in den Folgejahren spürbare Mehr- oder Mindereinnahmen resultieren. Um die jährliche Abrechnung einführen zu können, sind jedoch Anpassungen an der IT der ESTV notwendig. Die ESTV schätzt die einmaligen IT-Entwicklungskosten auf rund 1,6 Millionen Franken und die zusätzlichen Betriebskosten auf jährlich rund 300 000 Franken; über die ersten fünf Betriebsjahre betrachtet belaufen sich die IT-Kosten auf 3,05 Millionen Franken.

­

Die Umsetzung der Motion WAK-S 16.3431 betreffend Subventionen wird Mindereinnahmen zur Folge haben, da Zahlungen von Gemeinwesen vermehrt als Subventionen statt als Entgelt für eine empfangene Leistung behandelt werden. Die Mindereinnahmen lassen sich jedoch nicht schätzen, denn sie hängen in erster Linie vom Verhalten der subventionsgebenden Gemeinwesen ab. Der Bund kann diese Mindereinnahmen allerdings teilweise kompensieren, indem er die Höhe der von ihm ausgerichteten Subventionen reduziert, um zu verhindern, dass der Empfänger oder die Empfängerin der Subvention finanziell bessergestellt wird als in einem Leistungsverhältnis. Inwiefern dies in der Praxis umgesetzt würde, ist offen.

­

Die Umsetzung der Motion Maire 18.4205, die den reduzierten Satz für Produkte der Monatshygiene verlangt, hat geschätzte jährliche Mindereinnahmen von rund fünf Millionen Franken zur Folge.

­

Die Umsetzung der Motion Page 17.3657, die eine Steuerausnahme für Teilnahmegebühren an kulturellen Anlässen fordert, hat geschätzte jährliche Mindereinnahmen von bis zu einer Million Franken zur Folge.

­

Sowohl die Einführung der Bezugsteuerpflicht für den Handel mit Emissionsrechten und dergleichen als auch die Ausdehnung der Sicherstellung auf geschäftsführende Organe verhindern Steuerausfälle infolge Betrugs, die sich aber nicht quantifizieren lassen.

­

Die Umsetzung der Motion Humbel 19.3892 betreffend die Ausweitung der Steuerausnahme im Bereich der Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen hat grob geschätzt jährliche Mindereinnahmen zwischen einigen Hunderttausend und einigen Millionen Franken zur Folge.

­

Die Änderungen bei den Reisebüros haben gewisse Mindereinnahmen zur Folge: Zum einen werden bei inländischen Reisebüros keine im Ausland bewirkten Leistungen mehr in der Schweiz besteuert. Zum anderen werden ausländische Reisebüros und Tour Operators nicht mehr in der Schweiz steuerpflichtig, wenn sie Reisen im Inland durchführen.

Per Saldo wäre also mit jährlich wiederkehrenden Mehreinnahmen im mittleren zweistelligen Millionenbereich zu rechnen. Dabei nicht berücksichtigt sind die nicht schätzbaren Mindereinnahmen aus der Umsetzung der Motion WAK-S 16.3431 betreffend Subventionen.

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6.2.2

Personelle Auswirkungen

Die Umsetzung der Motion WAK-S 16.3431 betreffend Subventionen sowie die neuen Steuerausnahmen für Teilnahmegebühren an kulturellen Anlässen (Motion Page 17.3657) und für Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen (Motion Humbel 19.3892) haben einen Mehraufwand zur Folge. Der Grund hierfür liegt darin, dass wegen der notwendig werdenden Vorsteuerkorrekturen und -kürzungen die Fehlerquellen für die Steuerpflichtigen zunehmen und deshalb auch der Kontrollbedarf grösser wird.

Sodann ergibt sich ein Mehraufwand aus der Auskunftspflicht für Internet-Plattformen, wer über ihre Plattform Lieferungen oder Dienstleistungen erbringt. So werden beispielsweise sehr viele Ferienwohnungen und -häuser über in- und ausländische Plattformen angeboten. Die Einholung und Auswertung der Informationen sowie die anschliessend notwendigen Tätigkeiten wie das Anschreiben und Eintragen der mutmasslichen steuerpflichtigen Personen sind aufwändig. Dieser Aufwand dient dazu, die Anbieter und Anbieterinnen gleichartiger Leistungen steuerlich gleich zu behandeln. Weiter geht es darum, die ausländischen Unternehmen den Unternehmen mit Sitz in der Schweiz gleichzustellen, wie es von den betroffenen Verbänden sowie auch vom Parlament in verschiedenen Vorstössen insbesondere zum Online-Versandhandel und zum Einkaufstourismus gefordert wurde. Dieser Zusatzaufwand ist nicht einmalig, sondern wiederkehrend, da angestrebt wird, systematisch Informationen einzuholen und auszuwerten.

Ein Mehraufwand ergibt sich des Weiteren dadurch, dass die ESTV eruieren muss, welche Versandhandelsunternehmen und Plattformen sich zu Unrecht nicht haben eintragen lassen oder ihren Abrechnungs- und Zahlungspflichten nicht nachkommen.

Dabei handelt es sich in erster Linie um ausländische Unternehmen aus der ganzen Welt. Der Aufwand der ESTV für die Identifikation der steuerpflichtigen Unternehmen und für deren Eintragung ins Mehrwertsteuerregister ist deshalb deutlich höher, als wenn es nur inländische Unternehmen wären. Hinzu kommt noch der Aufwand für die Verfügung eines Einfuhrverbots für die von diesen Unternehmen gelieferten Gegenstände oder für die Verfügung auf entschädigungslose Vernichtung dieser Gegenstände. Da es sich dabei um einschneidende Massnahmen handelt, sind in diesem Bereich besondere eingehende
Abklärungen durch Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen der ESTV erforderlich.

Die jährliche Abrechnung hat bei der ESTV per Saldo einen geringen Mehraufwand zur Folge. Mehraufwendungen ergeben sich, weil die Raten zu berechnen und in Rechnung zu stellen sowie auf Antrag der Steuerpflichtigen abgeänderte Raten zu fakturieren sind. Weiter verursachen die Wechsel zwischen der viertel- oder halbjährlichen Abrechnung zur jährlichen Abrechnung und zurück ­ ob von der steuerpflichtigen Person gewünscht oder wegen Nichteinhaltens der Vorschriften von der ESTV vorgeschrieben ­ einen Zusatzaufwand für die ESTV. Auf der anderen Seite sind weniger Abrechnungen zu bearbeiten und weniger ausstehende Abrechnungen zu mahnen als bisher. Weiter müssen weniger Steuerschätzungen vorgenommen und weniger ausstehende Zahlungen gemahnt und betrieben werden. Da schon heute der weitaus grösste Teil der Abrechnungen vollautomatisch von der ESTV kontrolliert und ver-

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bucht wird, hält sich dieser Minderaufwand allerdings in Grenzen. Nicht berücksichtigt werden die beträchtlichen Mehraufwendungen in der Einführungsphase der jährlichen Abrechnung.

Mehraufwand ergibt sich auch aufgrund der Massnahmen zur Bekämpfung der Serien-Konkursiten und -Konkursitinnen. Dieser Aufwand fällt an für die Recherche, das Festlegen und Einfordern der Sicherheitsleistung, gegebenenfalls für die Betreibung auf Sicherheitsleistung und für die Fallüberwachung. Mit einem Minderaufwand im Konkursprozess ist nicht zu rechnen.

Bei der Umsetzung dieser Vorlage ist also mit einem personellen Mehrbedarf der ESTV zu rechnen. Dieser wird im Rahmen des Inkraftsetzungsverfahrens genauer zu definieren sein, dürfte aber acht Vollzeitstellen nicht übersteigen.

Für die EZV (ab 2022 BAZG) ergibt sich aus der Befugnis, auf Verfügung der ESTV hin Sendungen zu vernichten, kein Mehrbedarf an Personal. Hingegen geht ihr Mehraufwand zulasten der Kontrolltätigkeit in anderen Vollzugsbereichen.

6.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Kantone und Gemeinden können von den administrativen Erleichterungen durch die jährliche Abrechnung profitieren, sofern ihre steuerpflichtigen Dienststellen davon Gebrauch machen.

Die Kantone und Gemeinden würden auch von der Umsetzung der Motion WAK-S 16.3431 betreffend Subventionen entlastet: Mit der vorgeschlagenen Lösung werden Mittelflüsse von Gemeinwesen vermehrt als Subventionen statt als Entgelt für eine empfangene Leistung behandelt. Dies führt dazu, dass Kantone und Gemeinden ihre Subventionen um den nicht mehr geschuldeten Steuerbetrag kürzen können, ohne die Subventionsempfangenden gegenüber dem Status quo schlechter zu stellen. Inwiefern dies in der Praxis umgesetzt würde, ist offen.

Urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete sind von der Vorlage nicht speziell betroffen.

6.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft sind nur in geringem Masse zu erwarten. Zum einen werden durch die Plattformbesteuerung mehrwertsteuerbedingte Wettbewerbsnachteile der inländischen Versand- und Detailhandelsunternehmen eliminiert und der Konsum im Inland umfassender besteuert. Der Wegfall dieser Wettbewerbsnachteile dürfte sich positiv auf die inländischen Anbieter und Anbieterinnen auswirken. Die Massnahmen könnten sich negativ auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr ins Inland auswirken, da nicht auszuschliessen ist, dass einige Versandhandelsunternehmen und Plattformen nicht mehr in die Schweiz liefern oder aber das Produktangebot einschränken werden, um der Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz zu entgehen. Bei 68 / 74

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funktionierenden Märkten werden jedoch früher oder später andere Anbieter oder Anbieterinnen die Lücke füllen. Zum anderen führt die Neuregelung der mehrwertsteuerlichen Behandlung der Subventionen dazu, dass gewisse Leistungsverhältnisse neu als Subventionsverhältnisse behandelt werden. Der Kollektivkonsum wird somit gegenüber dem Privatkonsum stärker privilegiert. Diese Auswirkungen sind jedoch nur gering. Zum einen sind die Mehrwertsteuersätze in der Schweiz niedrig und zum anderen können die Gemeinwesen nicht willkürlich Mittelflüsse als steuerfreie Subventionen bezeichnen. Die übrigen Massnahmen der Vorlage haben keine nennenswerten volkswirtschaftlichen Auswirkungen.

6.5

Auswirkungen auf die privaten Haushalte

Die privaten Haushalte sind von der Vorlage teilweise betroffen. Zum einen erfahren jene Haushalte eine Mehrbelastung, die Waren mit geringem Wert bei nicht im Mehrwertsteuerregister eingetragenen ausländischen Versandhandelsunternehmen kaufen und somit aktuell keine Mehrwertsteuerlast zu tragen haben. Mit der neuen Regelung muss sich die Plattform im Schweizer Mehrwertsteuerregister eintragen lassen, womit auch solche Lieferungen der Steuer unterliegen. Die Mehrbelastung aufgrund der steuerbedingt höheren Preise wird auf insgesamt rund 75 Millionen Franken geschätzt (Stand: 2023; s. Ziff. 6.2.1), wobei im Einführungsjahr nur rund 80 Prozent davon anfallen. Zudem ist möglich, dass das Warenangebot mindestens vorübergehend eingeschränkt wird (s. Ziff. 6.4.). Würden die Waren dann in der Schweiz gekauft, wäre die Mehrbelastung für die privaten Haushalte höher, da die auf solchen Plattformen angebotenen Waren in der Schweiz in der Regel teurer sind.

Zum anderen werden diejenigen Haushalte um jährlich insgesamt rund 5 Millionen Franken entlastet, die Produkte für die Monatshygiene kaufen. Von vernachlässigbarer Bedeutung sind die Entlastungen durch die Umsetzung der Motionen Page 17.3657 und Humbel 19.3892.

6.6

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine spürbaren Auswirkungen auf die Umwelt.

6.7

Auswirkungen auf die Sozialversicherungen

Von den jährlichen Mehreinnahmen im mittleren zweistelligen Millionenbereich würde nebst der allgemeinen Bundeskasse und dem Bahninfrastrukturfonds auch die Alters- und Hinterlassenenversicherung profitieren. Für den AHV-Fonds werden die jährlichen Mehreinnahmen grob auf 5 bis 10 Millionen Franken geschätzt.

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7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 130 BV, der dem Bund die Kompetenz gibt, eine Mehrwertsteuer zu erheben.

Das Vernichten von Gegenständen tangiert die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und ist als letzte Massnahme zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung gedacht, wenn Rechtssubjekte mit Sitz oder Wohnsitz im In- oder Ausland in einem Massengeschäft willentlich die Steuerpflicht unterlaufen. Der Bundesrat ist sich der verfassungsrechtlichen Problematik bewusst, hält aber den Eingriff in die Eigentumsgarantie aus den nachfolgenden Überlegungen für gerechtfertigt.

7.1.1

Voraussetzungen für eine Einschränkung der Eigentumsgarantie

Abhängig davon, in welchem Land das Versandhandelsunternehmen seinen Sitz hat und welches Recht anwendbar ist, ist das Eigentum im Zeitpunkt der Vernichtung noch beim Versandhandelsunternehmen oder es ist bereits auf die Schweizer Kunden und Kundinnen übergegangen.

Die Eigentumsgarantie kann nach Artikel 36 BV eingeschränkt werden, wenn: 1.

eine gesetzliche Grundlage dies vorsieht,

2.

ein öffentliches Interesse besteht, und

3.

die Einschränkung verhältnismässig ist.

Verhältnismässig heisst, dass die administrative Massnahme: a. geeignet, b. erforderlich, und c. zumutbar sein muss, um das im öffentlichen Interesse liegende Ziel zu erreichen. Es muss ein gegenüber den privaten Interessen überwiegendes öffentliches Interesse daran bestehen.

7.1.2

Eigentum liegt beim ausländischen Versandhandelsunternehmen

Die Prüfung der Zulässigkeit einer Einschränkung der Eigentumsgarantie ergibt Folgendes: 1.

Mit Art. 79a E-MWSTG besteht eine Grundlage im Gesetz selbst.

2.

Das öffentliche Interesse ist gegeben, da mehrwertsteuerbedingte Wettbewerbsverzerrungen zwischen in- und ausländischen Anbietern und Anbieterinnen verhindert und damit die Gleichbehandlung sichergestellt werden kann.

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3.

Die Verhältnismässigkeit ist gegeben: a. Geeignet ist die Massnahme, da das Versandhandelsunternehmen keine unversteuerten Waren mehr in die Schweiz senden kann und damit die Gleichbehandlung sichergestellt und die Wettbewerbsverzerrung behoben wird.

b. Erforderlich ist die Massnahme, da eine mildere Massnahme, nämlich das Unternehmen direkt ins Recht zu fassen, bei ausländischen Unternehmen mangels griffiger internationaler Abkommen kaum umsetzbar ist. Somit ist es das mildeste, geeignete Mittel.

c. Auch die Zumutbarkeit ist gegeben. Wer sich nicht rechtstreu verhält, der muss mit Gegenmassnahmen rechnen. Das öffentliche Interesse an fairen Wettbewerbsbedingungen ist höher zu gewichten als der Schutz des Eigentums des Versandhandelsunternehmens an der nicht versteuerten Ware.

Der Eingriff in die Eigentumsgarantie des Versandhandelsunternehmens ist somit gerechtfertigt.

7.1.3

Eigentum liegt bei den Schweizer Kunden und Kundinnen

Ist die Zulässigkeit eines Eingriffs in die Eigentumsgarantie gegenüber Schweizer Kunden und Kundinnen zu prüfen, ist grundsätzlich gleich vorzugehen. Einzig bei der Zumutbarkeit ist eine gesonderte Prüfung nötig: 3.

Die Verhältnismässigkeit ist gegeben: c. Die Zumutbarkeit ist gegeben. Schweizer Kunden und Kundinnen können selbst überprüfen, ob das ausländische Versandhandelsunternehmen Mehrwertsteuer in Rechnung stellt. Ist das nicht der Fall, riskieren sie, dass die Ware nicht ankommt. Ausserdem können sie sich auf der Webseite der ESTV informieren, ob gegen das Unternehmen Massnahmen nach Artikel 79a E-MWSTG angeordnet worden sind. Bestellungen im Ausland sind im Übrigen immer mit Risiko verbunden, da eine Erfüllung des Vertrags auf dem Rechtsweg nur schwierig durchzusetzen ist, was den Kunden und Kundinnen bewusst ist.

Der Eingriff in die Eigentumsgarantie der Schweizer Kunden und Kundinnen ist somit gerechtfertigt.

7.1.4

Verzicht auf Anhörung der Empfänger und Empfängerinnen

Bei der Verfügung von Massnahmen sind jeweils viele Sendungen betroffen. Weder der Post oder den Kurierdiensten noch der ESTV oder der EZV (ab 2022 BAZG) wäre es möglich, die Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen vorgängig anzu-

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hören. Ausserdem haben die Schweizer Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen ­ wie in den Erläuterungen zu Artikel 79a Absatz 3 ausgeführt ­ die Möglichkeit, sich vor der Bestellung der Waren entsprechend zu informieren, ob allenfalls administrative Massnahmen zu gewärtigen sind.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Da die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, gestaltet sie ihr Mehrwertsteuerrecht weitestgehend autonom. Die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU berühren die Mehrwertsteuer insbesondere im Rahmen der Amts- und Rechtshilfe32.

Diese Bestimmungen erfahren durch die Vorlage keine Änderungen.

Aufgrund des Abkommens vom 23. November 201733 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union zur Verknüpfung ihrer jeweiligen Systeme für den Handel mit Treibhausgasemissionen, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, besteht eine Verpflichtung, Betrug zu verhindern und die Integrität der verknüpften Emissionshandelssysteme zu wahren (Art. 3 Ziff. 5 des Abkommens).

Durch die Einführung der Bezugsteuerpflicht für die Übertragung von Emissionsrechten und dergleichen kommt die Schweiz ihren Verpflichtungen nach.

Potenziell würden den Sanktionen nach Artikel 79a E-MWSTG auch Plattformen unterstehen, die in der EU ihren Sitz haben. Wären die Massnahmen diskriminierend oder unverhältnismässig ausgestaltet, könnte das Abkommen vom 22. Juli 1972 34 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (FHA72) betroffen sein. Ein Einfuhrverbot und die Vernichtung von Sendungen können sowohl gegen inländische als auch gegen ausländische Versandhandelsunternehmen und Versandhandelsplattformen verfügt werden. Die Vernichtung von Sendungen wird zudem nur als allerletztes Mittel eingesetzt. Somit sind die Massnahmen weder diskriminierend noch unverhältnismässig ausgestaltet und die Vereinbarkeit von Artikel 79a E-MWSTG mit dem FHA72 ist gegeben.

Die Plattformbesteuerung muss auch mit den Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der Welthandelsorganisation vereinbar sein. Dies ist dadurch gewährleistet, dass inländische und ausländische Plattformen und Versandhandelsunternehmen gleichbehandelt werden und administrative Massnahmen wie Einfuhrstopp und ­ als als Ultima Ratio ­ Vernichtung von Gegenständen auf Kleinsendungen beschränkt sind und nur ergriffen werden, wenn alle milderen Massnahmen, wie die Anhörung des Unternehmens, versagen.

32

33 34

Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen; SR 0.351.926.81 SR 0.814.011.268 SR 0.632.401

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Weiter stellt sich die Frage, ob das Einfuhrverbot und die Vernichtung von Sendungen nach Art. 79a E-MWSTG mit dem Weltpostvertrag vom 26. September 201935 vereinbar ist. Der Weltpostvertrag lässt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den Geltungsbereich der verbotenen Gegenstände durch Erlass von nationalen Bestimmungen auszudehnen. Paketsendungen sollen auch vernichtet werden können, wenn deren Einfuhr durch die nationale Gesetzgebung untersagt ist. In diesem Sinne sind die für verbotene Gegenstände vorgesehenen Massnahmen analog auf Sendungen anwendbar, welche die nationalen Zollanforderungen nicht erfüllen. Vorliegend geht es um die Registrierungspflicht für Versandhandelsunternehmen und Versandhandelsplattformen. Die Verletzung dieser Registrierungspflicht ist als Nichterfüllung der nationalen Zollanforderungen anzusehen, womit keine Verletzung des Weltpostvertrags vorliegt. Allerdings sollte die Vernichtung immer die Ausnahme bleiben.

Zu erwähnen ist weiter der Vertrag vom 28. Oktober 199436 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Mehrwertsteuer im Fürstentum Liechtenstein. Mit diesem Vertrag übernimmt das Fürstentum Liechtenstein, das mit der Schweiz ein einziges Zollgebiet bildet, das in der Schweiz geltende Mehrwertsteuerrecht für sein Staatsgebiet. Ziel des Vertrags ist es, eine einheitliche Regelung, Auslegung und Durchsetzung der Mehrwertsteuer in beiden Ländern zu gewährleisten. Dieser Vertrag behält seine Gültigkeit, sofern er nicht von einer der beiden Vertragsparteien aufgekündigt wird. Entsprechend dem genannten Vertrag wird das Fürstentum Liechtenstein sein Mehrwertsteuerrecht dem revidierten schweizerischen Mehrwertsteuergesetz anpassen müssen.

7.3

Erlassform

Die Vorlage umfasst eine Revision des Mehrwertsteuergesetzes und betrifft wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe d BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für den Erlass des Gesetzes ergibt sich aus Artikel 163 Absatz 1 BV. Der Erlass unterliegt dem fakultativen Referendum (Art. 141 Abs. 1 Bst. a BV).

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

35 36

SR 0.783.52 SR 0.641.295.142

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7.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Nach Artikel 182 Absatz 1 BV erlässt der Bundesrat rechtsetzende Bestimmungen in der Form der Verordnung, soweit er durch Verfassung oder Gesetz dazu ermächtigt ist. Der vorliegende Gesetzesentwurf verpflichtet den Bundesrat, Ausführungsbestimmungen zum Mehrwertsteuergesetz zu erlassen. Soweit weitere Vollzugsbestimmungen erforderlich sind, ergibt sich die Regelungskompetenz des Bundesrates aus seiner Vollzugskompetenz (Art. 182 Abs. 2 BV).

Im folgenden Bereich werden Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert: ­

Artikel 5: Der Bundesrat wird neu die Umsatzlimite für die Anwendung der jährlichen Abrechnung (Art. 35 Abs. 1bis Bst. b E-MWSTG) anpassen, sobald sich der Landesindex der Konsumentenpreise seit der letzten Festlegung um mehr als 30 Prozent erhöht hat.

In den folgenden Bereichen werden Rechtsetzungsbefugnisse an das EFD delegiert: ­

Artikel 23 Absatz 5: Das EFD regelt die Bedingungen, unter denen Inlandlieferungen zwecks Ausfuhr im Reiseverkehr von der Steuer befreit sind und legt die hierfür erforderlichen Nachweise fest. Diese können neu auch in elektronischer Form erbracht werden.

­

Artikel 108 Buchstabe d: Das EFD legt fest, was bei der Anwendung der jährlichen Abrechnung (Art. 35a und Art. 86a E-MWSTG) als nicht in Rechnung zu stellender Kleinstbetrag gilt.

7.6

Datenschutz

Die ESTV veröffentlicht die Namen derjenigen Unternehmen, gegen die sie mit einer rechtskräftigen Verfügung Massnahmen angeordnet hat. Die hierfür nach Artikel 19 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199237 über den Datenschutz (DSG) notwendige gesetzliche Grundlage liegt mit Artikel 79a Absatz 5 E-MWSTG vor. Da Artikel 74 Absatz 2 Buchstabe e E-MWSTG das Steuergeheimnis aufhebt, steht einer Veröffentlichung der Namen nichts im Weg (vgl. Art. 19 Abs. 4 DSG).

37

SR 235.1

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