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21.027 Botschaft zur Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit), des Eurodac-Protokolls zwischen der Schweiz und der EU, des Abkommens mit den Vereinigten Staaten über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung (Anpassung des Strafgesetzbuchs, des DNA-Profil-Gesetzes, des Asylgesetzes und des Ausländer- und Integrationsgesetzes) und über einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus vom 5. März 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung und die Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit) und des Eurodac-Protokolls zwischen der Schweiz, der EU und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr-und Strafverfolgungszwecke, sowie den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung und Umsetzung des Abkommens mit den Vereinigten Staaten über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie des Bundesbeschlusses über einen entsprechenden Verpflichtungskredit, mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. März 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-0730

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Übersicht Kriminalität kennt keine Grenzen. Der rasche internationale Abgleich von DNAProfilen und Fingerabdruckdaten ist entscheidend, um Ermittlungen voranzutreiben und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Fällen festzustellen. Die Vernetzung von Schweizer Informationssystemen (AFIS, CODIS und IVZ) mit denjenigen anderer europäischer Staaten (Prümer Zusammenarbeit) trägt dazu bei, insbesondere, indem die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen die Kriminalität effizienter wird. Das mit den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossene Abkommen zur Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten (Preventing and Combating Serious Crime, PCSC) verfolgt dasselbe Ziel. Dank einem weiteren Kooperationsabkommen (Eurodac-Protokoll) sollen die Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die in der Eurodac-Datenbank gespeicherten Fingerabdruckdaten erhalten. Diese drei Instrumente werden dem Bundesamt für Polizei (fedpol), der Bundesanwaltschaft und den kantonalen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden erlauben, den Terrorismus und die grenzüberschreitende Kriminalität noch wirksamer zu bekämpfen.

Zur Weiterentwicklung dieses Programms in der Periode 2020­2024 sieht der Bundesrat Informatik-Investitionen in der Grössenordnung von 14,7 Millionen Franken vor. Der Anteil der Eigenleistungen liegt bei rund 3,7 Millionen Franken. Mit der vorliegenden Botschaft unterbreitet der Bundesrat dem Parlament einen Verpflichtungskredit im Umfang von 11 Millionen Franken.

Ausgangslage Derzeit können die schweizerischen Polizeibehörden nicht auf einen automatisierten Abgleich mit anderen nationalen Datenbanken in Europa zurückgreifen, um international Informationen zu DNA-Profilen oder Fingerabdruckdaten zu erhalten. Sie müssen in jedem Land einzeln nachfragen, ohne zu wissen, ob ein Land über relevante Informationen verfügt, und ohne die Gewissheit, eine Antwort zu erhalten. Die Vernetzung bestimmter schweizerischer Informationssysteme (DNA-Profile, Fingerabdruckdaten, Fahrzeugdaten) mit denen anderer europäischer Staaten (Prümer Zusammenarbeit) schafft Abhilfe. Dank dieser Vernetzung wird es den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden und insbesondere der Polizei möglich sein, innerhalb kurzer Zeit festzustellen, welche ausländischen Behörden über relevante Informationen verfügen. Ermittlungen ebenso wie die
Identifizierung gesuchter, vermisster oder verstorbener Personen gestalten sich dadurch effizienter. Anhand DNA-gestützter Beweise können zudem verwandtschaftliche Beziehungen von Personen mit grösserer Sicherheit als bisher festgestellt werden. Dank dieser Vernetzung kann die grenzüberschreitende Kriminalität besser bekämpft werden. Nicht zuletzt kann mit der DNA eine fälschlich beschuldigte Person vom Tatverdacht entlastet und der eigentliche Täter identifiziert werden.

Bei der Prümer Zusammenarbeit handelt es sich nicht um eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Am 27. Juni 2019 hat die Schweiz mit der EU ein Abkommen zur Beteiligung an Prüm unterzeichnet.

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Ebenfalls am 27. Juni 2019 unterzeichneten die Schweiz, Liechtenstein und die EU das Eurodac-Protokoll. Die Eurodac-Datenbank enthält Fingerabdruckdaten von Drittstaatsangehörigen, die in einem Dublin-Staat ein Asylgesuch stellen oder die beim Versuch, illegal in den Dublin-Raum einzureisen, in Gewahrsam genommen worden sind. Im Juni 2013 haben das Europäische Parlament und der Rat der EU die Verordnung (EU) Nr. 603/2013 verabschiedet. Diese Verordnung umfasst die Bestimmungen für den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf die Daten in der Eurodac-Datenbank. Diese Bestimmungen gelten, im Gegensatz zur restlichen Verordnung, nicht als Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands. Mit der Unterzeichnung des Eurodac-Protokolls haben die schweizerischen Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf Informationen, die grundlegend für Ermittlungen im Zusammenhang mit Terrorismus oder schweren Straftaten sind.

Das am 12. Dezember 2012 unterzeichnete PCSC-Abkommen bezweckt eine verbesserte polizeiliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika beim Austausch von DNA- und Fingerabdruckdaten. Die schweizerischen Behörden können somit innert kürzester Zeit in Erfahrung bringen, ob die USamerikanischen Behörden über relevante Informationen verfügen, und umgekehrt.

Ausserdem ist die Umsetzung des PCSC-Abkommens eine der Bedingungen, damit die Schweiz weiterhin am Visa Waiver Program (VWP) teilnehmen kann.

Einige Bestimmungen des Abkommens zur Beteiligung an Prüm, des Eurodac-Protokolls und des PCSC-Abkommens bedingen Gesetzesanpassungen. Die wichtigsten Anpassungen betreffen das Strafgesetzbuch), das DNA-Profil-Gesetz, das Ausländerund Integrationsgesetz und das Asylgesetz.

Da diese Dossiers technische und juristische Synergien aufweisen, ist es unabdingbar und wirtschaftlicher, dass sie sowohl beim politischen Prozess als auch bei der technischen Umsetzung parallel geführt werden. Aus diesem Grund ist bei fedpol eine Programmstruktur mit der Bezeichnung «Programm Prüm Plus» geschaffen worden.

Da mit dem Projekt über das laufende Voranschlagsjahr hinaus wirkende finanzielle Verpflichtungen eingegangen werden, unterbreitet der Bundesrat dem Parlament einen Verpflichtungskredit im Umfang von 11 Millionen Franken.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

7

Ausgangslage 1.1 Ausgangslage der Beteiligung an Prüm, am Eurodac-Protokoll und am PCSC-Abkommen 1.1.1 Abkommen über die Beteiligung an Prüm und am Eurodac-Protokoll 1.1.2 PCSC-Abkommen 1.2 Anlass des Finanzbegehrens Ziele 1.3 Handlungsbedarf und Ziele 1.4 Weitere geprüfte Lösungen 1.5 Ablauf und Ergebnis der Verhandlungen 1.5.1 Abkommen zur Beteiligung an Prüm und am EurodacProtokoll 1.5.2 PCSC-Abkommen 1.6 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

7 7 10 11 11 13 13 13 16 16

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.2 Entwurfsänderungen 2.3 Weitere Entwurfsanpassungen

17 17 18 22

3

Inhalt der Abkommen 3.1 Abkommen zur Beteiligung an Prüm und am Eurodac-Protokoll 3.1.1 Abkommen zur Beteiligung an Prüm 3.1.2 Eurodac-Protokoll 3.2 PCSC-Abkommen

22 23 23 29 31

4

Erläuterungen zu den Bestimmungen der Abkommen 4.1 Abkommen zur Beteiligung an Prüm 4.1.1 Erläuterungen zu den Bestimmungen des Beschlusses 2008/615/JI 4.1.2 Erläuterungen zum Beschluss 2008/616/JI 4.1.3 Erläuterungen zum Rahmenbeschluss 2009/905/JI 4.2 Eurodac-Protokoll 4.2.1 Erläuterungen zu den Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 4.2.2 Datenschutz 4.3 PCSC-Abkommen

32 32

Ausführungen zu den Umsetzungserlassen 5.1 Die beantragte Neuregelung 5.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

57 57 58

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32 41 42 43 43 46 46

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5.3 6

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Umsetzungsfragen

Erläuterungen zu den Bestimmungen der Umsetzungserlasse 6.1 Beschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit) und des Eurodac-Protokolls zwischen der Schweiz, der EU und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke 6.1.1 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration 6.1.2 Asylgesetz 6.1.3 Strafgesetzbuch 6.1.4 DNA-Profil-Gesetz 6.2 Beschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten 6.2.1 Strafgesetzbuch 6.2.2 DNA-Profil-Gesetz 6.2.3 Schengen-Informationsaustausch-Gesetz

59 59

59 59 61 62 65

67 67 74 77

Bundesbeschluss über einen Verpflichtungskredit zur Umsetzung des Programms Prüm Plus (Abkommen Prüm, PCSC und Eurodac-Protokoll)

77

8

Auswirkungen 8.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund 8.2 Personelle und finanzielle Auswirkungen auf die Kantone 8.3 Volkswirtschaftliche Auswirkungen 8.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 8.5 Auswirkungen auf die Umwelt

78 78 81 82 82 82

9

Rechtliche Aspekte 9.1 Verfassungsmässigkeit 9.2 Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz 9.3 Erlassform 9.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

83 83

Liste der Abkürzungen

84 84 85 86

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Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten zur Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten (Entwurf) BBl 2021 739 Abkommen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten

BBl 2021 740

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit) und des Eurodac-Protokolls zwischen der Schweiz, der Europäischen Union und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr-und Strafverfolgungszwecke (Entwurf) BBl 2021 741 Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit)

BBl 2021 742

Protokoll zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union, und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehrund Strafverfolgungszwecke BBl 2021 743 Bundesbeschluss über einen Verpflichtungskredit zur Umsetzung des Programms Prüm Plus (Prümer Abkommen, Eurodac-Protokoll und PCSC-Abkommen) (Entwurf) BBl 2021 744

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Ausgangslage der Beteiligung an Prüm, am Eurodac-Protokoll und am PCSC-Abkommen

1.1.1

Abkommen über die Beteiligung an Prüm und am Eurodac-Protokoll

Abkommen über die Beteiligung an Prüm Kriminalität ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, die vernetzt, mobil und global ist.

Terroristen und Mitglieder organisierter Kriminalität kennen keine Grenzen und agieren vernetzt. Um diese neuen Herausforderungen zu meistern, braucht die Polizei neue Instrumente. Für die Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten ist es von grundlegender Bedeutung, dass präzise Informationen rasch und effizient ausgetauscht werden können. Dazu sind Verfahren vorzusehen, die den Austausch von DNA-Profilen, Fingerabdruckdaten oder Daten zu Fahrzeugen und deren Halterinnen und Haltern begünstigen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, erliess der Rat der Europäischen Union (EU) zwei Rechtsvorschriften1, die in den europäischen Gesetzesrahmen integriert wurden.

Das Hauptziel der Prümer Zusammenarbeit besteht in der Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit in Europa, insbesondere indem der Abgleich von DNAProfilen und Fingerabdruckdaten sowie ein automatisierter Zugang zu den nationalen Datenbanken für Fahrzeuge und Fahrzeughalter erleichtert werden. Durch die Vernetzung der nationalen Informationssysteme (DNA-Profile, Fingerabdruckdaten, Fahrzeugdaten) lässt sich so rasch in Erfahrung bringen, welche anderen Staaten über Informationen verfügen, die eine Ermittlung voranbringen können. Abgesehen von diesen Massnahmen regeln diese Rechtsvorschriften auch den Datenaustausch bei Grossveranstaltungen, die Datenübermittlung zur Verhütung terroristischer Straftaten sowie weitere Formen der Zusammenarbeit wie gemeinsame Einsätze, Unterstützung bei Massendemonstrationen, Katastrophen oder schweren Unfällen.

Die Prümer Zusammenarbeit stellt keine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands dar. Um sich an dieser Zusammenarbeit zu beteiligen, muss die Schweiz daher

1

Beschluss 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ABl. L 210 vom 06.08.2008, S. 1, und Beschluss 2008/616/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Durchführung des Beschlusses 2008/615/JI zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität ABl. L 210 vom 06.08.2008, S. 12.

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mit der EU ein separates Assoziierungsabkommen abschliessen, wie dies auch Norwegen und Island 20092 getan haben.

Am 3. September 2014 hat der Bundesrat sein Interesse bekundet, sich an der Prümer Zusammenarbeit zu beteiligen, indem er den Entwurf des vorgeschlagenen Verhandlungsmandats vorbehaltlich der Konsultation der Kantone und der aussenpolitischen Kommissionen der Bundesversammlung genehmigt hat.

Am 16. Oktober 2014 hat die aussenpolitische Kommission des Ständerats den Entwurf des Verhandlungsmandats ohne Gegenstimme genehmigt. Die Kommission ist davon überzeugt, dass die Prümer Zusammenarbeit ein wertvolles Instrument für die Polizei darstellt. Am 3. November 2014 hat auch die aussenpolitische Kommission des Nationalrates den Entwurf einstimmig genehmigt. Am 19. Dezember 2014 hat sich die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) für die Aufnahme der Verhandlungen ausgesprochen.

Der Bundesrat hat am 13. März 2015 ein Verhandlungsmandat erteilt. Die Verhandlungen haben gemeinsam mit dem Fürstentum Liechtenstein stattgefunden (vgl.

Ziff. 1.4.). Am 24. Mai 2018 wurden sie mit der Paraphierung des Abkommens zur Beteiligung an Prüm abgeschlossen. Am 27. Juni 2019 wurde das Abkommen in Brüssel unterzeichnet.3 Eurodac-Protokoll Die Eurodac-Datenbank enthält Fingerabdruckdaten von Drittstaatsangehörigen, die in einem Dublin-Staat ein Asylgesuch stellen oder die beim Versuch, illegal in den Dublin-Raum einzureisen, in Gewahrsam genommen werden. Diese Datenbank ist in erster Linie ein Migrationsinstrument, mit dem Dublin-Staaten überprüfen, ob Drittstaatsangehörige in einem anderen Land bereits ein Asylgesuch gestellt haben oder ob sie über ein Drittland oder einen anderen Dublin-Staat eingereist sind.

Die Europäische Kommission erklärte in ihrer Mitteilung vom 24. November 2005 an den Rat und das Europäische Parlament betreffend die Verbesserung der Effizienz der europäischen Datenbanken im Bereich Justiz und Inneres (JI) und die Steigerung ihrer

2

3

Übereinkommen zwischen der Europäischen Union sowie Island und Norwegen über die Anwendung einiger Bestimmungen des Beschlusses 2008/615/JI des Rates zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, und des Beschlusses 2008/616/JI des Rates zur Durchführung des Beschlusses 2008/615/JI zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, und seines Anhangs, ABl. L 353 vom 31.12.2009, S. 1.

Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anwendung einiger Bestimmungen des Beschlusses 2008/615/JI des Rates zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, des Beschlusses 2008/616/JI des Rates zur Durchführung des Beschlusses 2008/615/JI zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, und seines Anhangs sowie des Rahmenbeschlusses 2009/905/JI des Rates über die Akkreditierung von Anbietern kriminaltechnischer Dienste, die Labortätigkeiten durchführen, ABl. L 187 vom 12.7.2019, S. 3.

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Interoperabilität, dass der Zugang zu Eurodac von der Umsetzung der «Prümer Beschlüsse» (2008/615/JI und 2008/616/JI)4 abhänge und dass die für die innere Sicherheit zuständigen Behörden in genau bestimmten Fällen Zugang erhalten könnten, das heisst, wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Täterin oder der Täter einer terroristischen Straftat oder einer sonstigen schweren Straftat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. In dieser Mitteilung stellte die Europäische Kommission auch fest, dass Eurodac nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nur abgefragt werden darf, wenn ein überwiegendes öffentliches Sicherheitsinteresse besteht, d. h. wenn die von den zu identifizierenden Straftätern oder Terroristen begangene Straftat so gravierend ist, dass die Abfrage einer Datenbank, in der Personen ohne kriminelle Vergangenheit registriert sind, gerechtfertigt ist; die Schwelle für die Abfrage von Eurodac durch die für die innere Sicherheit zuständigen Behörden müsse deshalb stets signifikant höher sein als die Schwelle für die Abfrage strafrechtlicher Datenbanken.

Daher umfasst die Verordnung (EU) Nr. 603/20135 seit Juli 2013 Bestimmungen für den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf die Daten in der Eurodac-Datenbank.

Diese Verordnung erlaubt es insbesondere den Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden, Eurodac zum Zwecke der Verhütung und Aufdeckung terroristischer und sonstiger schwerer Straftaten sowie für entsprechende Ermittlungen zu konsultieren. Sie soll es diesen Behörden ermöglichen, den Abgleich von Fingerabdruckdaten mit den im Zentralsystem gespeicherten Daten zu beantragen, wenn sie die genaue Identität einer Person festzustellen versuchen, die des Terrorismus oder einer schweren Straftat verdächtigt wird, oder um mehr Informationen zu dieser Person zu erhalten.

Die Schweiz wendet die in der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vorgesehenen asylbezogenen Elemente an, wie dies das Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (Dublin-Assoziierungsabkommen; DAA)6 vorsieht. Allerdings fällt der Zugang zu Eurodac zu repressiven Zwecken nicht in den Geltungsbereich dieses Abkommens und stellt somit keine Weiterentwicklung des
Dublin/Eurodac-Besitzstandes dar. Daher haben der EU-Rat und die Europäische Kommission den assoziierten Staaten und Dänemark aus Gründen der inneren Sicherheit vorgeschlagen, ein zusätzliches Abkommen abzuschliessen, damit diese Bestimmungen angewendet werden können.

4 5

6

Vgl. Fussnote 1.

Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und von Europol auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (ABl. L 180 vom 26.09.2013, S. 1).

SR 0.142.392.68

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Am 12. September 2014 hat der Bundesrat beschlossen, die aussenpolitischen Kommissionen der beiden Kammern zum vorgeschlagenen Verhandlungsmandat für den Zugriff auf die Eurodac-Datenbank im Rahmen von strafrechtlichen Verfolgungen zu konsultieren. Die Kommissionen begrüssten die Aufnahme von Verhandlungen mit der EU. Am 19. November 2014 erteilte der Bundesrat das Verhandlungsmandat. Die Verhandlungen wurden gemeinsam mit Norwegen, Island und Liechtenstein geführt (vgl. Ziff. 1.4). Am 22. November 2017 wurden sie mit der Paraphierung des Zusatzprotokolls zu den jeweiligen mit der Schweiz und Liechtenstein geschlossenen Dublin-Assoziationsabkommen (nachfolgend Eurodac-Protokoll) abgeschlossen. Am 27. Juni 2019 wurde das Abkommen in Brüssel unterzeichnet.

1.1.2

PCSC-Abkommen

Derzeit werden DNA-Profile und Fingerabdruckdaten zwischen der Schweiz und den USA über den INTERPOL-Kanal ausgetauscht. Wie die Prümer Zusammenarbeit zielt auch das Abkommen mit den Vereinigten Staaten zur Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten (Preventing and Combating Serious Crime, PCSC) auf eine Vereinfachung der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika ab, indem ein automatisierter Abgleich von DNAund daktyloskopischen Daten ermöglicht wird. Dank diesem Abkommen können die Polizeibehörden beider Länder rasch in Erfahrung bringen, ob das andere Land über Informationen über eine Person verfügt, die einer schweren Straftat verdächtigt wird.

Seit 1986 nimmt die Schweiz am Visa Waiver Program (VWP) der Vereinigten Staaten von Amerika teil. Dank diesem Programm können Schweizerinnen und Schweizer zu geschäftlichen oder touristischen Zwecken für bis zu 90 Tage ohne Visum in die Vereinigten Staaten von Amerika einreisen. Diese Bestimmung gilt umgekehrt auch für amerikanische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die in die Schweiz reisen. Am 5. Oktober 2009 haben die Vereinigten Staaten von Amerika bekanntgegeben, dass der Abschluss eines («Prüm-ähnlichen») PCSC-Abkommens, das den Austausch von DNA- und daktyloskopischen Daten betreffend Personen vorsieht, die schwere Straftaten begangen haben, neu eine Voraussetzung für den Verbleib der Schweiz im VWP ist. Am 16. September 2011 hat der Bundesrat entschieden, Sondierungsgespräche zu führen. Diese Gespräche haben im November 2011 in Washington D.C. stattgefunden. Am 1. Februar 2012 hat der Bundesrat festgehalten, dass der Verbleib der Schweiz im VWP wünschenswert ist. Am 2. März 2012 hat der Bundesrat das Verhandlungsmandat genehmigt, vorbehaltlich der Konsultation der aussenpolitischen Kommissionen der beiden Kammern und der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD). Im März 2012 hat das Eidgenössische Justiz-und Polizeidepartement (EJPD) die beiden Kommissionen und die KKJPD konsultiert. Auch die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates konnte sich zu diesen Verhandlungen äussern. Mit Ausnahme dieser Kommission, welche die Unterbrechung der Verhandlungen aus Datenschutzgründen verlangte, wurde der Entscheid des Bundesrates unterstützt, Verhandlungen
für den Abschluss eines Abkommens mit den Vereinigten Staaten aufzunehmen. Die Verhandlungen wurden am 26. Juni 2012 durch die Paraphierung des Dokuments in Bern abgeschlossen (vgl. Ziff. 1.4). Am 12. Dezember 2012 wurde das Abkommen in Washington unterzeichnet.

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1.2

Anlass des Finanzbegehrens Ziele

Der Bundesrat plant für die Umsetzung des Prümer und PCSC-Abkommens sowie des Eurodac-Protokolls Informatik-Investitionen von rund 14,7 Millionen Franken.

Da das (EJPD) mit der Umsetzung der erforderlichen Projekte Verpflichtungen über das Voranschlagsjahr 2022 hinaus im Umfang von rund 11 Millionen Franken eingeht, ist die Einrichtung eines Verpflichtungskredits gemäss Artikel 21 Absatz 1 des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 20057 (FHG) notwendig.

1.3

Handlungsbedarf und Ziele

Derzeit können die schweizerischen Polizeibehörden für die Erlangung von Informationen zu DNA-Profilen oder Fingerabdruckdaten auf internationaler Ebene nicht auf einen automatisierten Abgleich mit anderen nationalen Datenbanken in Europa zurückgreifen. Sie müssen in jedem Land einzeln nachfragen, ohne zu wissen, ob ein Land überhaupt über relevante Informationen verfügt, und ohne Garantie, eine Antwort zu erhalten. Die Vernetzung gewisser schweizerischer Informationssysteme (DNA-Profile, Fingerabdruckdaten, Fahrzeugdaten) mit jenen anderen europäischen Staaten (Prümer Zusammenarbeit) kann diesem Mangel Abhilfe schaffen. Sie wird es den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden erlauben, in kurzer Zeit festzustellen, welche ausländischen Behörden über relevante Informationen verfügen. Diese Entwicklung wird sich positiv auf die Ermittlung und Identifizierung gesuchter, vermisster oder verstorbener Personen sowie auf die entsprechende Informationsbeschaffung auswirken und folglich eine gezieltere Durchführung von Ermittlungen ermöglichen.

Stellen wir uns ein Tötungsdelikt vor. Die Kriminaltechnik entnimmt DNA-Spuren.

Die Analyse zeigt, dass ein Drittel dieser Spuren nicht verwendbar ist. Ein weiteres Drittel ist nicht relevant (etwa, weil diese Spuren vom Opfer selbst stammen). Das letzte Drittel erlaubt es, das DNA-Profil der mutmasslichen Täterin oder des mutmasslichen Täters zu erstellen, das nicht in unserer nationalen Datenbank vorhanden ist.

­

Heute nutzt die Polizei den INTERPOL-Kanal. Sie richtet ihre Anfrage an jeden europäischen Staat. In diesem Beispiel geben fast alle Länder eine negative oder gar keine Antwort. Nur ein Land antwortet positiv, jedoch erst nach einem Monat. Die Unsicherheit bei den Ländern, die keine Antwort geliefert haben, bleibt: War der Abgleich negativ, oder wurde er gar nicht durchgeführt? Allenfalls muss die Anfrage erneut ausgelöst werden.

­

Künftig kann die Polizei dank der Beteiligung an Prüm das Profil automatisiert abgleichen, und sie weiss fast unmittelbar, ob es in einem oder in mehreren Staaten der Prümer Zusammenarbeit eine Übereinstimmung gibt. So kann sie direkt bei den betreffenden Ländern relevante Informationen anfordern.

Dank Prüm identifizieren die österreichischen Behörden jeden Monat rund 100 Personen, die mit Justizverfahren in Verbindung stehen. Ein Beispiel: Ein in Wien ver-

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hafteter Serienmörder konnte dank Übereinstimmungen von DNA-Profilen und Fingerabdruckdaten, die in Datenbanken in den Niederlanden, in Deutschland und in Polen verzeichnet sind, überführt werden.

Die Schweiz hat eine rasch zunehmende Nutzung des Prümer Systems in der EU festgestellt. Wegen der beschränkten Personalressourcen ziehen es die meisten Staaten der Prümer Zusammenarbeit bereits vor, die Anfragen über dieses System zu leiten, und lassen sich Zeit mit der Bearbeitung von Anfragen, die über andere Kanäle wie Interpol eingehen. Einige Staaten der Prümer Zusammenarbeit beantworten Anfragen über diese anderen Kanäle gar nicht mehr oder erst nach wiederholter Nachfrage.

Eine Beteiligung der Schweiz an diesen Mechanismen würde es den Polizeibehörden erlauben, aktiv am Austausch von DNA- und Fingerabdruckdaten teilzunehmen, der ­ auf europäischer Ebene ­ fast ausschliesslich über diese Kanäle erfolgt.

Zudem ist die Teilnahme an der Prümer Zusammenarbeit eine unerlässliche Voraussetzung, damit die schweizerischen Strafverfolgungsbehörden auf sämtliche Daten der Eurodac-Datenbank zugreifen dürfen. Momentan sind diese Daten ausschliesslich den Migrationsbehörden im Rahmen der Dublin-Zusammenarbeit vorbehalten. So haben die Strafverfolgungsbehörden keinen Zugriff auf Informationen, die sich im Kampf gegen den Terrorismus und andere schwere Straftaten als grundlegend erweisen könnten.

Das PCSC-Abkommen bringt vergleichbare Sicherheitsvorteile wie diejenigen, die im Zusammenhang mit dem Abkommen zur Beteiligung an Prüm genannt wurden.

Ausserdem stellt die Umsetzung des PCSC eine der Bedingungen für den Verbleib der Schweiz im VWP dar. Da die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern von grosser Bedeutung sind, ist der Verbleib der Schweiz im VWP wünschenswert.

Der automatisierte Abgleich im Rahmen der Prümer Zusammenarbeit und des PCSCAbkommens bietet eine Reihe von Vorteilen: ­

Die Strafverfolgungsbehörden können biometrische Daten effizienter und einfacher als bisher mit den Daten abgleichen, die in anderen europäischen Ländern und in den Vereinigten Staaten von Amerika verzeichnet sind. Dadurch wird eine massgeblich höhere Zahl positiver Übereinstimmungen erreicht.

­

Die Schweiz beteiligt sich auf europäischer Ebene wieder vollumfänglich am Austausch biometrischer Daten. Wegen der beschränkten personellen Ressourcen ziehen es die Prüm-Staaten bereits heute vor, ihre Anfragen über dieses System zu stellen, und lassen sich bei via INTERPOL gestellten Anfragen Zeit. Einige Prüm-Staaten reagieren gar nicht mehr auf Anfragen über diesen Kanal oder antworten erst nach wiederholten Anfragen.

­

Anfragen darüber, ob es eine Übereinstimmung gibt, werden viel schneller beantwortet, wodurch strafrechtliche Ermittlungen rascher durchgeführt werden können. So lassen sich die bei einem jeweiligen Land gestellten Anträge auf Auskunft zu personenbezogenen Daten gezielter stellen.

­

Verbindungen von und zu kriminellen Netzen können besser aufgedeckt werden.

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Entsprechend werden diese drei Instrumente den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden erlauben, den Terrorismus und die grenzüberschreitende Kriminalität noch wirksamer zu bekämpfen.

1.4

Weitere geprüfte Lösungen

Bei einer Nichtteilnahme der Schweiz an der Prümer Zusammenarbeit und am polizeilichen Eurodac-Teil müssten die nationalen Partner für ihre Anfragen einen anderen Kanal, wie INTERPOL, nutzen, was das Risiko birgt, dass ihre klassischen Informationsanfragen von den europäischen Partnern wegen des zusätzlichen Mehraufwands nicht mehr bearbeitet werden. Dies würde für die schweizerischen Polizeibehörden zu Problemen bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit führen, insbesondere was den Abgleich von Fingerabdruckdaten mit gewissen Staaten der Prümer Zusammenarbeit betrifft.

Diese «Standardlösung» ist für die nationalen Partner nicht mehr zufriedenstellend, da gewisse Prüm-Staaten schon heute nicht mehr oder erst nach einer langen Wartezeit von durchschnittlich einem Jahr auf Anfragen via anderen Kanälen antworten.

Dies führt dazu, dass sie in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten, warten und ihre Anfragen aufmerksamer verfolgen müssen, um gegebenenfalls nachfragen zu können.

Diese Situation bringt Sicherheitsrisiken mit sich.

Beteiligt sich die Schweiz nicht am PCSC-Abkommen, könnte sie nicht im VWP verbleiben. Zusätzlich zum Verlust möglicher Sicherheitsvorteile würden Schweizer Bürgerinnen und Bürger gezwungen, ein Visum zu beantragen und zu bezahlen, um in die Vereinigten Staaten von Amerika zu reisen, sei es aus touristischen oder geschäftlichen Gründen. Dieser Umstand könnte die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern beeinträchtigen.

1.5

Ablauf und Ergebnis der Verhandlungen

1.5.1

Abkommen zur Beteiligung an Prüm und am Eurodac-Protokoll

Abkommen zur Beteiligung an Prüm Die Schweizer Delegation wurde vom Bundesamt für Polizei (fedpol) und von der Direktion für Europäische Angelegenheiten (DEA) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) geleitet. Begleitet wurde sie von Vertreterinnen und Vertretern des Bundesamtes für Justiz, der Mission der Schweiz bei der EU, der Direktion für Völkerrecht des EDA (DV) und von einem Vertreter der Kantone.

Vom Mai 2016 bis November 2017 fanden in Brüssel Sondierungsgespräche und zwei Verhandlungsrunden statt. Diese Verhandlungen wurden gemeinsam mit den Verhandlungen für das Fürstentum Liechtenstein geführt. Am 24. Mai 2018 wurden die Verhandlungen mit der Paraphierung des Abkommens zur Beteiligung an Prüm abgeschlossen.

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Das Ergebnis der Verhandlungen entspricht den vom Bundesrat im März 2015 beschlossenen Leitlinien. Nun kann die Schweiz sich an sämtlichen Formen der Zusammenarbeit beteiligen, die in der Prümer Zusammenarbeit vorgesehen sind.

Hinsichtlich des Datenschutzes erwähnt das Abkommen, dass der Austausch (Übermittlung und Empfang) zusätzlicher personenbezogener Daten erst erfolgen darf, nachdem im nationalen Recht die Datenschutzbestimmungen der Prümer Beschlüsse umgesetzt worden sind. Dieser Austausch erfolgt nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts des ersuchten Staates und nur wenn ein Treffer vorliegt, der von den zuständigen Fachleuten überprüft wurde. Des Weiteren muss das anwendbare nationale Recht den Vorschriften der Richtlinie (EU) 2016/6808 entsprechen, die mit dem SchengenDatenschutzgesetz vom 28. September 20189 (SDSG)in das schweizerische Recht übernommen und umgesetzt wurde.

Die Schweiz kann beim Gerichtshof der EU schriftliche Stellungnahmen abgeben, wenn ein Vorabentscheidungsverfahren über Fragen zur Auslegung von Bestimmungen zur Prümer Zusammenarbeit hängig ist. So kann sich die Schweiz am Verfahren für die Auslegung des EU-Rechts beteiligen und der gängigen schweizerischen Praxis Rechnung tragen, um eine effiziente Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden zu gewährleisten.

Für die Übernahme von Änderungen sieht das Abkommen eine Frist von höchstens zwei Jahren für den Fall vor, dass Änderungen von der Bundesversammlung genehmigt werden müssen und das Referendum ergriffen werden sollte. Zudem ist vorgesehen, dass die EU, falls sie es für notwendig erachtet, die in den Geltungsbereich des ausgehandelten Abkommens fallenden Rechtsvorschriften zu ändern, die Schweiz so früh wie möglich unterrichtet und um ihre Stellungnahme ersucht. Die Schweizer Fachleute werden im Rahmen der Arbeiten, die innerhalb der Europäischen Kommission erfolgen, ebenfalls konsultiert.

Die Mitarbeit in Arbeitsgruppen wird in einer Erklärung geregelt, die als Anhang zum Abkommen fungiert und mit der Unterzeichnung des Abkommens genehmigt wurde.

So können die Schweizer Fachleute in alle Arbeitsgruppen des Rates der EU eingeladen werden, die sich mit den technischen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit der ordnungsgemässen Umsetzung oder mit den Änderungen der in Artikel 1 des Abkommens genannten
Bestimmungen befassen.

Bei Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung der jeweiligen Regeln und Entwicklungen in diesem Bereich ist vorgesehen, dass diese im Rahmen einer Sondersitzung zwischen Vertretern der Schweiz und der EU-Mitgliedstaaten behandelt werden.

Schliesslich trägt jeder Staat, wie auch die anderen an der Prümer Zusammenarbeit beteiligten Staaten, die Kosten, die seine eigenen Behörden im Zusammenhang mit 8

9

Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89).

SR 235.3

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der nationalen Umsetzung und Anwendung der Prümer Zusammenarbeit verursacht haben.

Eurodac-Protokoll Die Schweizer Delegation wurde von fedpol und von der DEA geleitet. Begleitet wurde die Delegation von Vertreterinnen und Vertretern des Bundesamtes für Justiz, der Mission der Schweiz bei der EU, der DV, einem Vertreter des Staatssekretariats für Migration und einem Vertreter der Kantone.

Die Sondierungsgespräche sowie zwei Verhandlungsrunden fanden von Mai 2016 bis Januar 2017 in Brüssel statt. Die Verhandlungen wurden einerseits zwischen der Europäischen Kommission und den mit Dublin assoziierten Staaten und andererseits parallel zwischen der Europäischen Kommission und Dänemark geführt. Die Verhandlungen wurden am 22. November 2017 in Brüssel mit der Paraphierung des EurodacProtokolls abgeschlossen, mit dem die Schweiz und Liechtenstein an die Vereinbarungen angeschlossen wurden. Dieses Abkommen wurde am 27. Juni 2019 in Brüssel unterzeichnet. Es gilt auch für Dänemark, Island und Norwegen, soweit zwischen diesen Staaten und der EU ähnliche Abkommen bestehen, die die Schweiz und Liechtenstein als Teilnehmerstaaten anerkennen. Somit ist kein Gegenseitigkeitsabkommen mit diesen drei Ländern notwendig. Das Ergebnis der Verhandlungen entspricht den vom Bundesrat im November 2014 genehmigten Leitlinien. Damit hat die Schweiz den gleichen Zugang wie die EU-Mitgliedstaaten. Allerdings sind die Daten aus der Schweiz und aus Europa erst zugänglich, nachdem die Prümer Zusammenarbeit juristisch wie technisch umgesetzt worden ist.

In puncto Datenschutz sieht das Eurodac-Protokoll explizit die Anwendung der Richtlinie (EU) 2016/680 vor. Die Umsetzung dieser Richtlinie stellt für das Inkrafttreten des Protokolls eine unerlässliche Voraussetzung dar. Gleichzeitig gelten auch die in der Richtlinie (EU) 603/2013 enthaltenen Bestimmungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Diese Bestimmungen stellen eine Weiterentwicklung des Dublin-Besitzstands dar, die bereits in die nationale Rechtsordnung übernommen und umgesetzt wurden.

Das ausgehandelte Eurodac-Protokoll ist statisch. Allerdings können Änderungen erforderlich sein. So sieht der Text des Abkommens für die Übernahme von Änderungen ein bestimmtes Verfahren für die Beteiligung an deren Erarbeitung vor, d. h. für die Regeln des DAA. Sie beziehen
sich jedoch auf den spezifischen Kontext des Eurodac-Protokolls. Eine allfällige Nichtübernahme würde sich nicht auf das DAA auswirken und führte nur zur Beendigung des Protokolls.

Zudem ist vorgesehen, dass hinsichtlich der Auslegung und Anwendung dieses Protokolls und insbesondere der Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Protokoll die Regeln des DAA gelten, einschliesslich der Rolle des Gemischten Ausschusses.

Schliesslich erlaubt der Text der Schweiz, das Protokoll unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zu kündigen, ohne dass dies den Austritt der Schweiz aus der Zusammenarbeit von Dublin oder Schengen zur Folge hätte. Umgekehrt würde aber die Beendigung der Zusammenarbeit von Dublin oder Schengen zur Beendigung des Protokolls führen. Dies erklärt sich durch den rechtlichen Bezug zwischen den Texten.

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1.5.2

PCSC-Abkommen

Die Schweizer Delegation wurde von fedpol angeführt, begleitet von der DV sowie der Schweizer Botschaft in Washington. Erste Verhandlungen fanden im Mai 2012 in Washington statt. Sie wurden am 26. Juni 2012 mit der Paraphierung des Dokuments in Bern abgeschlossen. Am 21. September 2012 genehmigte der Bundesrat die Unterzeichnung des Abkommens, die am 12. Dezember 2012 in Washington stattfand.

Die im Verhandlungsmandat bestimmten Richtlinien wurden vollumfänglich im Abkommen berücksichtigt. In den Verhandlungen wurde den Datenschutzanliegen der Schweiz und der grundsätzlichen Beschränkung des Anwendungsbereichs des Abkommens auf schwere Straftaten und andere strafbare Handlungen, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bestraft werden, ein grosser Stellenwert eingeräumt. Die Schweiz verfügt nun über eine weitgehende und solide Regelung mit den USA. In Anbetracht dieses Verhandlungserfolgs der Schweizer Delegation und der Wichtigkeit des Verbleibs der Schweiz im VWP der Vereinigten Staaten von Amerika hat der Bundesrat das PCSC-Abkommen genehmigt und dessen Unterzeichnung beschlossen.

Der auf dem Prümer System der EU basierende automatisierte Abruf von Fingerabdruck- und DNA-Daten erleichtert den polizeilichen Informationsaustausch zwischen der Schweiz und den USA. Das Abkommen schafft die Rechtsgrundlage dafür, dass die Parteien im Rahmen der Bekämpfung schwerer Kriminalität Fingerabdruck- oder DNA-Daten mit den anonymisierten Referenzdaten der jeweils anderen Partei abgleichen können. Stimmen die Daten überein, kann die abrufende Partei beantragen, dass ihr die den anonymisierten Referenzdaten entsprechenden Personendaten auf dem ordentlichen Weg der polizeilichen Amtshilfe oder der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen zur Verfügung gestellt werden. Der automatisierte Abruf ermöglicht der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika somit, Kriminalitätsbezüge zwischen den beiden Staaten schneller aufzudecken und den Informationsaustausch zu intensivieren.

Die im Abkommen vorgesehene Möglichkeit, eine Kontingentierung der Abrufe zu vereinbaren, nimmt Rücksicht auf die Bedürfnisse der Schweiz aus operationeller Sicht. Mit der Kontingentierungsmöglichkeit wird auch allfälligen begrenzten technischen und personellen Kapazitäten bei der Umsetzung des Abkommens in der Schweiz Rechnung getragen.

1.6

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Annahme der Botschaft zur Genehmigung der Abkommen über die Beteiligung an Prüm, am Eurodac-Protokoll und am PCSC-Abkommen wurde in der Botschaft vom 29. Januar 2020 zur Legislaturplanung 2015­201910 (Ziel 14) angekündigt. Die-

10

Botschaft zur Legislaturplanung 2019­2023 vom 29. Januar 2020, 19.078, BBl 2020 1805.

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ses Ziel muss mit der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung und der Strategie zur Kriminalitätsbekämpfung 2020­2023 verbunden werden, in der die polizeilichen Prioritäten für die jeweilige Legislaturperiode im Kompetenzbereich des EJPD festgelegt werden.

Die Schweiz geniesst ein hohes Mass an Sicherheit. Doch die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist für das Land eine tägliche Herausforderung. Um die Sicherheit in der Schweiz weiterhin zu gewährleisten und sogar zu verbessern, ist die Prävention von Gewalt, Kriminalität und Terrorismus von grosser Bedeutung. Bei der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus konzentriert sich der Bund vor allem auf den Kampf gegen profitorientierte Organisationen und Gruppen, gegen terroristische Organisationen, gegen Cyberkriminalität sowie gegen die organisierte Schleusung von Migrantinnen und Migranten und den Menschenhandel. Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch sowohl intern mit den zuständigen kantonalen Behörden als auch extern mit Partnerstaaten und internationalen Organisationen ist unerlässlich.

Um auf internationaler Ebene Informationen über DNA-Profile oder Fingerabdrücke zu erhalten, kann sich die Schweizer Polizei heute nicht auf einen automatisierten Abgleich mit anderen europäischen oder US-amerikanischen nationalen Datenbanken stützen. Ziel des Programms «Prüm Plus» ist die Vernetzung nationaler Informationssysteme, in denen DNA-Profile, Fingerabdrücke und Fahrzeugdaten gespeichert sind.

Die Prümer Zusammenarbeit wird es den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden somit ermöglichen, möglichst rasch festzustellen, welche ausländischen Behörden über relevante Informationen zu DNA, Fingerabdrücken und Fahrzeugen und deren Halterin oder Halter verfügen. Ein vergleichbares Abkommen über den Abgleich von DNA-Profilen und Fingerabdrücken wurde mit den Vereinigten Staaten von Amerika unterzeichnet. Schliesslich wird das Eurodac-Protokoll den Strafverfolgungsbehörden ermöglichen, für Fingerabdrücke auf die Eurodac-Datenbank zuzugreifen.

Die Umsetzung dieser drei Abkommen steht nicht im Widerspruch zu einer Strategie des Bundesrates.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Die Vernehmlassung ist nach Massgabe von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b und c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200511 (VlG)durchgeführt worden. Aufgrund der Covid-19-Pandemie beantragten einige Teilnehmende der Vernehmlassung eine Verlängerung der Frist. Diese wurde bis am 17. April 2020 gewährt.

Der Bundesbeschluss sieht einerseits die Genehmigung der Verträge mit der EU zu Prüm und Eurodac sowie des PCSC-Abkommens mit den USA und andererseits die Anpassung bestimmter Bestimmungen bestehender Bundesgesetze vor (vgl. Ziff. 9.3 unten).

11

SR 172.061

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Stellung genommen haben 24 Kantone, 5 politische Parteien, 2 Dachverbände, das Bundesgericht, das Bundesverwaltungsgericht und 14 interessierte Kreise. Insgesamt sind 47 Stellungnahmen abgegeben worden. Zehn zur Vernehmlassung Eingeladene haben ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet. Keiner der Adressaten hat empfohlen, die Vorlagen abzulehnen.

Die Kantone Aargau, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, St. Gallen, die FDP, die CVP und Centre Patronal unterstützen das Projekt vollumfänglich und weisen darauf hin, dass diese Instrumente eine grössere Effizienz bei der Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, mehr Möglichkeiten zur Personenfahndung, einen Gewinn an Schnelligkeit und Effizienz bei der Lösung von Strafermittlungen und ein Datenschutzniveau bringen, das im Einklang mit dem schweizerischen Recht ist.

Zahlreiche Kantone und die SVP betonen den grossen Mehrwert dieser Instrumente bei der Bekämpfung der Schwerkriminalität. Sie sind der Meinung, dass diese Abkommen namentlich die Arbeit der kantonalen Strafverfolgungsbehörden unterstützen werden. Insbesondere sind sie der Ansicht, dass die Abkommen es den Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden ermöglichen werden, sich verstärkt auf ihre Ermittlungsarbeit zu konzentrieren und Ermittlungen zielgerichteter durchzuführen.

Die SVP und Centre Patronal sind der Meinung, dass die weitere Teilnahme der Schweiz am VWP sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht einen Mehrwert darstellt und dieser auch weiterhin gewährleistet werden soll. Sie stellen fest, dass die Umsetzung des PCSC-Abkommens als Bedingung für den Verbleib der Schweiz im VWP als legitime Forderung erscheinen mag, aber auch als ein Druckmittel aufgefasst werden kann.

Die Grünen und die SP setzen sich kritisch mit diesen drei zur Konsultation vorgelegten Abkommen auseinander und fordern, dass die Achtung der Grundrechte, die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Schutz der Daten der betroffenen Personen bei der Umsetzung dieser Abkommen ausdrücklich berücksichtigt werden. Die SP ist der Ansicht, dass die Annahme und Umsetzung des Prümer Abkommens und des Eurodac-Protokolls vorteilhaft ist, insbesondere im Hinblick auf die Vereinfachung der Verfahren im Zusammenhang mit den Abkommen von Schengen und Dublin.

2.2

Entwurfsänderungen

Datenschutzfragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Prümer, Eurodacund PCSC-Abkommen und der entsprechenden Entwürfe für die Bundesbeschlüsse Obwohl die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer der Auffassung ist, dass die Abkommen ausreichende Datenschutzgarantien bieten, sind die SP, die Grünen und AsyLex der Ansicht, dass die Grundrechte der betroffenen Personen im Kampf gegen Terrorismus und Schwerkriminalität gewahrt werden müssen. Sie fordern insbesondere eine Aufsicht durch den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB).

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Die Abkommen sehen eine spezifische Datenschutzregelung vor. Die Übermittlung von Personendaten erfolgt in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht des ersuchten Staates, d. h. nach den Regeln der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen oder der polizeilichen Amtshilfe, und erst nach Überprüfung einer von Fachleuten geprüften Übereinstimmung. Eine Übermittlung ist nur insoweit zulässig, als das Schweizer Recht dies vorsieht. Nach dem Grundsatz der Verfügbarkeit können Personendaten von den Polizeibehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit übermittelt werden. Für das PCSC-Abkommen ist vorgesehen, dass beim Vergleich von daktyloskopischen Daten oder DNA-Profilen den Datenschutzbestimmungen der Artikel 13­23 des Abkommens besondere Beachtung geschenkt werden muss. Für das Prümer Abkommen und das Eurodac-Protokoll gilt das SDSG. Auf diese Weise werden die Grundrechte der betroffenen Personen respektiert.

Was die Aufsichtsbehörde betrifft, so verweisen alle Abkommen ausdrücklich auf die Zuständigkeit und die Befugnisse der unabhängigen Datenschutzbehörde, die nach dem nationalen Recht der Vertragsparteien eingerichtet wurde. In der Schweiz ist diese Behörde der EDÖB.

Todesstrafe (PCSC-Abkommen und Entwurf des Bundesbeschlusses) Der Kanton Genf, die SP, die Grünen und Amnesty International haben ihre Besorgnis über die Übermittlung von Daten im Rahmen des PCSC-Abkommens zum Ausdruck gebracht. Sie weisen darauf hin, dass einige der Einzelstaaten in den Vereinigten Staaten von Amerika noch immer die Todesstrafe anwenden und dass die Übermittlung von Daten zur Todesstrafe einer Person führen kann. Vorgeschlagen wird, eine Ausnahmeklausel in die Gesetzgebung aufzunehmen, die es der Schweiz erlaubt, die Übermittlung von Daten an ihren US-Partner abzulehnen, wenn sie keine Garantien erhält, dass die betreffende Person nicht zum Tode verurteilt oder gar hingerichtet wird. Amnesty International ist der Ansicht, dass es unmöglich ist, auszuschliessen, dass ein Datenaustausch mit den Vereinigten Staaten zu einem Todesurteil beitragen könnte, und stellt fest, dass dies im Widerspruch zur Politik der Schweiz in diesem Bereich stünde (die Abschaffung der Todesstrafe ist in der Bundesverfassung (BV) 12 verankert und wird auch vom Bundesrat als Priorität im Bereich der Menschenrechtsförderung erwähnt).

Gemäss Artikel
4 und 6 des PCSC-Abkommens unterliegen automatisierte Abfragen und Abgleiche dem Recht des ersuchenden Staates. Die Übermittlung personenbezogener Daten im Anschluss an eine Übereinstimmung ist in den Artikeln 5 und 7 des PCSC-Übereinkommens geregelt: Sie erfolgt in Übereinstimmung mit «dem innerstaatlichen Recht der ersuchten Vertragspartei, einschliesslich deren Vorschriften über die Rechtshilfe». Bezieht sich die Datenübermittlung auf ein Strafverfahren, so erfolgt sie im Einklang mit den Anforderungen des Gesetzes vom 20. März 198113 über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) . Dies bedeutet, dass sich die Schweiz als ersuchte Partei nach dem automatisierten Abgleich im Zusammenhang mit der nachfolgenden Weiterleitung von Personendaten und anderen Informationen an die Vereinigten Staaten auf ihr innerstaatliches Recht (einschliesslich des Rechts der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen) berufen kann. Die Schweiz 12 13

SR 101 SR 351.1

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kann sich nötigenfalls weigern, die Daten an die Vereinigten Staaten zu übermitteln.

In diesem Zusammenhang könnte von den Vereinigten Staaten beispielsweise verlangt werden, dass sie zusichern, die ihnen zur Verfügung gestellten Daten nicht zur Verhängung der Todesstrafe zu verwenden, da dies gegen Artikel 2 des IRSG verstossen würde. Daher gibt es ausreichende Sicherheitsvorkehrungen, und es besteht keine Notwendigkeit, das PCSC-Abkommen zu ändern oder andere Massnahmen in das nationale Recht einzuführen.

Identifizierung unbekannter Leichen und Personen, die ihre Identität nicht preisgeben können oder wollen (E-Art. 13a des DNA-Profil-Gesetzes des Bundesbeschlusses Prüm/Eurodac und E-Artikel 13b des DNA-Profil-Gesetzes des Bundesbeschlusses PCSC) Mehrere Teilnehmer sind der Meinung, dass der Entwurf die Möglichkeit vorsehen müsste, zu Identifizierungszwecken Informationen über Personen anzufordern, die nicht in der Lage oder nicht willens sind, Auskunft über ihre Identität zu geben. Dasselbe gilt für unbekannte Leichen.

Artikel 10 des DNA-Profil-Gesetzes vom 20. Juni 200314 lautet wie folgt: «Das DNAProfil-Informationssystem ermöglicht den Vergleich von DNA-Profilen zum Zwecke der Strafverfolgung und der Identifizierung unbekannter oder vermisster Personen.» Die Prümer Zusammenarbeit und das PCSC-Abkommen ermöglichen im Einzelfall den Abgleich von DNA-Profilen für die Untersuchung von Straftaten. Soweit dies innerhalb des vorgeschriebenen rechtlichen Rahmens liegt, sehen die Artikelentwürfe diese Möglichkeit bereits implizit vor. Daher ist keine Gesetzesänderung erforderlich.

Verwendung von Daten über Fahrzeuge und deren Halter (Art. 12 Beschluss 2008/615/JI in Verbindung mit E-Art. 357 Abs. 4 des Bundesbeschlusses Prüm/Eurodac) Die Arbeitsgemeinschaft der Chefs der Verkehrspolizeien der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein möchte für die Bearbeitung von Bussen und die Verfolgung von Widerhandlungen nach dem Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 15 (SVG) Daten über Fahrzeuge und deren Halterinnen und Halter automatisiert austauschen können.

Diese Bitte ist legitim und hat zu einer Klärung der Botschaft geführt. Artikel 12 des Beschlusses 2008/615/JI sieht vor, dass der Zugang zu den Daten zum Zwecke der Verhütung und Aufklärung von Straftaten und im Zusammenhang mit der Verarbeitung
von Daten zu anderen Verstössen, die in die Zuständigkeit der Gerichte oder der Staatsanwaltschaft des Mitgliedstaats fallen, der die Abfrage durchführt, beantragt werden kann. Nach schweizerischem Recht umfasst der im Artikel 12 erwähnte Begriff «solcher Verstösse» Verkehrsdelikte und andere Geldstrafen. Diese können möglicherweise in die Zuständigkeit einer Justizbehörde fallen. Im Interesse der Gleichbehandlung mit Prüm-Mitgliedstaaten, die die Prümer Zusammenarbeit auch für die Verfolgung von einfachen Bussen nutzen, sollte Schweizer Polizeibeamten diese Möglichkeit eingeräumt werden. Artikel 357 Absatz 4 des Strafgesetzbuches 16 14 15 16

SR 363 SR 741.01 SR 311.0

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(StGB) (Bundesbeschluss Prüm/Eurodac) wurde in diesem Sinne abgeändert und die Botschaft präzisiert.

Abgleich von DNA-Profilen von Personen durch die Polizei (E-Art. 13a des DNA-Profil-Gesetzes des Bundesbeschlusses Prüm/Eurodac und E-Art. 13b des DNA-Profil-Gesetzes des Bundessbeschlusses PCSC) Alle Kantone sind der Ansicht, dass nach der heutigen Praxis auch Polizeibeamte die Möglichkeit haben sollten, den Abgleich von DNA-Profilen bereits ermittelter Personen zu beantragen. Sie stellen fest, dass der gegenwärtige Entwurf diese Möglichkeit nicht vorsieht und dieses Recht den Strafverfolgungsbehörden oder den Gerichten vorbehalten ist. Sie bitten darum, die vorgeschlagenen Entwürfe zu den Bundesbeschlüssen zu ändern und die Botschaft entsprechend zu präzisieren.

Der Antrag der Kantone ist völlig legitim. Diese drei Instrumente sollen die Schweizer Justiz- und Polizeibehörden in die Lage versetzen, Terrorismus und grenzüberschreitende Kriminalität wirksamer zu bekämpfen. Eine Nichtänderung der Bundesbeschlüsse würde darauf hinauslaufen, den Polizeibeamten ein bestehendes Recht zu entziehen, das sie über andere Kanäle (Interpol, Europol, Polizeiattachés) ausüben.

Darüber hinaus würde es das Verfahren komplizieren und den Verwaltungsaufwand für die Polizeibeamten erhöhen. Infolgedessen wurden die Bundesbeschlüsse in der oben geforderten Weise geändert. Ebenso wurden in der Botschaft des Bundesrates Klarstellungen vorgenommen. Die vorgenommenen Anpassungen ändern in keiner Weise die in der Strafprozessordnung17 festgelegten Befugnisse und entsprechen der gängigen Praxis. Somit ist die kantonale Staatsanwaltschaft die zuständige Behörde, um die Erstellung eines DNA-Profils einer Person anzuordnen. Sobald dieses Profil erstellt ist, können die Polizeibehörden beantragen, welche Personenprofile ausgetauscht werden sollen.

Expertenprüfung von Übereinstimmungen mit DNA-Spurprofilen (Art. 357 Abs. 2 Bst. b StGB des Bundesbeschlusses Prüm/Eurodac und 359 Abs. 2 Bst. b StGB des Bundesbeschlusses PCSC) Der Kanton Waadt, das Centre universitaire romand de médecine légale und die Interkantonale Kriminalpolizeiliche Arbeitsgruppe Kriminaltechnik fordern die Beibehaltung des gegenwärtigen Verfahrens zur Kontrolle von Übereinstimmungen. Sie schlagen daher vor, Artikel 357 Absatz 2 (VE-StGB) («Nationale
Kontaktstellen») wie folgt zu ändern: «Sie überprüfen Übereinstimmungen, die im Fingerabdruck-Informationssystem eines Vertragsstaates auf Ersuchen der Schweiz erzielt wurden, und ersuchen das Labor, das das DNA-Profil der biologischen Spur erstellt hat, Übereinstimmungen, die im DNA-Informationssystem eines Vertragsstaates auf Ersuchen der Schweiz erzielt wurden, zu überprüfen.» Der Antrag der Teilnehmer ist begründet. In der Tat ist es wichtig, dass die Überprüfung der Übereinstimmung eines Spuren-DNA-Profils von Fachleuten aus DNAAnalyselabors durchgeführt wird, damit die Daten bei den Ermittlungen effektiv genutzt werden können und die Informationen als zuverlässig gelten. Dieses Vorgehen

17

SR 312.0

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ist im Artikel 8 der DNA-Analyselabor-Verordnung EJPD vom 8. Oktober 201418 beschrieben: «Auf Verlangen der Koordinationsstelle nimmt das Labor bei einem Treffer im Informationssystem die Profilüberprüfung vor und meldet das Ergebnis.» In der Folge wurden die Entwürfe der Bundesbeschlüsse durch Streichung des Hinweises auf die Prüfung von DNA-Profilen durch die nationale Kontaktstelle (fedpol) in den Artikeln 357 Absatz 2 Buchstabe b StGB und 359 Absatz 2 Buchstabe b StGB geändert. Somit wird das derzeitige Verifizierungsverfahren eingehalten.

2.3

Weitere Entwurfsanpassungen

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2019 beauftragte der Bundesrat das EJPD, in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) zu prüfen, ob der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) das Recht eingeräumt werden kann, bei Terrorismusverdacht oder zur Prävention und Aufdeckung von schweren Straftaten im Rahmen von Prüm, Eurodac und PCSC Anfragen zu stellen. Aus den Diskussionen gingen die nachfolgenden Erklärungen hervor.

Gemäss Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 sind die Behörden, die ein Ersuchen stellen können, jene Behörden, die für die Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten zuständig sind. Der Beschluss 2008/615/JI und das PCSC-Abkommen präzisieren nicht, welche Behörden Abgleiche verlangen können, sondern nur die Zwecke, für die solche Abgleiche vorgenommen werden können. Gemäss Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses 2008/615/JI können zur Verfolgung von Straftaten DNA-Profile verglichen werden. Gemäss Artikel 9 Absatz 1 des Beschlusses 2008/615/JI können Fingerabdrücke zum Zwecke der Verhütung und Verfolgung von Straftaten verglichen werden. Nach Artikel 4 des PCSC-Abkommens ist der Abgleich von Fingerabdruckdaten zur Verhütung und Untersuchung schwerer Straftaten zulässig. Dasselbe gilt für den Abgleich von DNAProfilen gemäss Artikel 6 des PCSC-Abkommens.

Obwohl die EZV im Rahmen ihrer zollrechtlichen und nichtzollrechtlichen Aufgaben auch Sicherheitsaufgaben im Grenzraum erfüllt, um zur inneren Sicherheit des Landes und zum Schutz der Bevölkerung beizutragen (Art. 96 Zollgesetz vom 18. März 2005 [ZG]19), gibt es im innerstaatlichen Recht derzeit keine formell-gesetzliche Grundlage für die EZV, solche Abgleiche zu verlangen. Entsprechend wird die EZV die notwendigen rechtlichen Schritte unternehmen, um die geeignete rechtliche Grundlage für die Stellung von Anträgen nach Prüm, Eurodac und PCSC zu schaffen.

3

Inhalt der Abkommen

Bei Daten aus nationalen DNA-Analyse-Dateien (Zusammenarbeit im Rahmen von Prüm und PCSC) und automatisierten daktyloskopischen Identifizierungssystemen (Zusammenarbeit im Rahmen von Prüm, PCSC und Eurodac) sollte ein Treffer/Kein18 19

SR 363.11 SR 631.0

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Treffer-System den abfragenden Staat in die Lage versetzen, in einem zweiten Schritt die personenbezogenen Daten von dem dateiführenden Staat anzufordern und gegebenenfalls auf dem Wege der Rechts- oder Amtshilfe um zusätzliche Informationen zu ersuchen.

Es sei daran erinnert, dass diese Abkommen über grenzüberschreitende Zusammenarbeit den Bedingungen unterliegen, die für das Prinzip der Verfügbarkeit gelten.

Nach diesem Grundsatz kann jeder Strafverfolgungsbeamte eines Vertragsstaates solcher Abkommen, der zur Erfüllung seiner Aufgaben bestimmte Informationen benötigt, diese von den Strafverfolgungsbehörden des anderen Vertragsstaates, der über diese Informationen verfügt und der sie ihm für den angegebenen Zweck zur Verfügung stellt, erhalten, wobei die Erfordernisse der in diesem anderen Staat laufenden Ermittlungen zu berücksichtigen sind.

3.1

Abkommen zur Beteiligung an Prüm und am Eurodac-Protokoll

3.1.1

Abkommen zur Beteiligung an Prüm

In der Präambel äussern die Parteien den Wunsch, die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der EU und der Schweiz unbeschadet der Vorschriften zum Schutz der Freiheit des Einzelnen zu verbessern. Es ist daher wichtig, dass Informationen rasch und wirksam ausgetauscht werden können, dies unter Achtung der Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens sowie des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten. Vor diesem Hintergrund gewähren sich die Mitgliedstaaten gegenseitig Zugriffsrechte auf ihre automatisierten DNA-Analyse-Dateien, ihre automatisierten daktyloskopischen Identifizierungssysteme und ihre Fahrzeugregisterdaten. Durch diesen grenzüberschreitenden Datenabgleich soll eine neue Dimension der Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung eröffnet werden. Die gewonnenen Erkenntnisse werden neue Ermittlungsansätze erschliessen und so massgeblich zur Unterstützung der Strafverfolgungs- und Justizbehörden der Staaten beitragen. Es wird ebenfalls daran erinnert, dass die Staaten unter bestimmten Voraussetzungen in der Lage sein sollten, personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten zu übermitteln zur Prävention von Straftaten und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Zusammenhang mit Grossveranstaltungen mit grenzüberschreitendem Bezug. Daher müssen weitere Formen der engeren Zusammenarbeit der Polizeibehörden geregelt werden, insbesondere durch gemeinsame Einsatzformen zur Gefahrenabwehr (z. B. gemeinsame Streifen).

Artikel 1 des Abkommens definiert Gegenstand und Zweck. In Absatz 1 werden die verschiedenen Bestimmungen des Beschlusses 2008/615/JI des Rates aufgeführt, die im Rahmen des Abkommens zur Beteiligung an Prüm Anwendung finden. Es handelt

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sich um die folgenden Bestimmungen (detaillierte Ausführungen finden sich unter Ziff. 4.1): ­

Artikel 1 legt den Zweck und Geltungsbereich des Beschlusses 2008/615/JI des Rates fest, d. h. die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere des Informationsaustauschs zwischen den für die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten zuständigen Behörden;

­

Artikel 2 bis 12 enthalten Bestimmungen über die Voraussetzungen und Verfahren für den automatisierten Abgleich von DNA-Profilen, daktyloskopischen Daten sowie Fahrzeug- und Fahrzeughalterdaten;

­

Artikel 13 bis 15 umfassen die Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Übermittlung von Daten im Zusammenhang mit Grossveranstaltungen mit grenzüberschreitendem Bezug;

­

Artikel 16 regelt die Voraussetzungen für die Übermittlung von Informationen zur Verhinderung terroristischer Straftaten;

­

Artikel 17 bis 23 definieren die Voraussetzungen und Verfahren für die Intensivierung der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit durch verschiedene Massnahmen, beispielsweise gemeinsame Einsätze, Unterstützung bei Massendemonstrationen, Katastrophen oder schweren Unfällen;

­

Artikel 24, 25 Absatz 1, und 26 bis 32 beziehen sich auf die allgemeinen Bestimmungen zum Datenschutz. Es handelt sich dabei insbesondere um das Schutzniveau, die Verwendungszwecke, die Behörden, die für die Richtigkeit, die Aktualität und die Aufbewahrungsfrist der Daten zuständig sind, technische und organisatorische Massnahmen zur Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit;

­

Artikel 34 regelt die Kosten. Jeder Mitgliedstaat trägt die seinen Stellen entstehenden operativen Kosten.

Artikel 1 Absatz 2 des Abkommens zählt die Bestimmungen des Beschlusses 2008/616/JI auf, die im Rahmen des Abkommens zur Beteiligung an Prüm Anwendung finden, d. h. die Artikel 1 bis 19 und Artikel 21 sowie sein Anhang mit Ausnahme von Kapitel 4 Nummer 1 im Zusammenhang mit den Evaluationen. Dieser Beschluss befasst sich mit der technischen Umsetzung des Datenaustauschs sowie mit anderen Formen der Zusammenarbeit.

Im Artikel 1 Absatz 4 des Abkommens werden die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2009/905/JI20 aufgeführt, d. h. die Artikel 1 bis 5 und Artikel 6 Absatz 1.

Sie präzisieren die Normen, welche die Anbieter kriminaltechnischer Dienste, die Labortätigkeiten durchführen, einhalten müssen. Diese Normen werden in der Schweiz angewandt.

Im Artikel 2 des Abkommens werden unter «Definitionen» die verschiedenen Begriffe definiert, die von den Parteien der Vereinbarung verwendet werden. Die «Vertragsparteien» des Abkommens sind die EU und die Schweizerische Eidgenossenschaft.

20

Rahmenbeschluss 2009/905/JI des Rates vom 30. November 2009 über die Akkreditierung von Anbietern kriminaltechnischer Dienste, die Labortätigkeiten durchführen, ABl. L 322 vom 9.12.2009, S. 14.

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Dieses Abkommen gilt somit nur für die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Um auch mit den anderen an der Prümer Zusammenarbeit beteiligten Staaten, nämlich Norwegen, Island und Liechtenstein, diese Zusammenarbeit nutzen zu können, muss daher zu einem späteren Zeitpunkt ein ergänzendes Gegenseitigkeitsabkommen mit diesen Staaten abgeschlossen werden. Im Falle Grossbritanniens wird wahrscheinlich auch ein ergänzendes Gegenseitigkeitsabkommen abgeschlossen werden müssen. Diese Frage hängt jedoch vom Ergebnis der Verhandlungen zwischen der EU und Grossbritannien im Zusammenhang mit dem Brexit ab. Unter dem Begriff «Mitgliedstaat» ist ein EU-Mitgliedstaat zu verstehen. Schliesslich wird die Verwendung des Begriffs «Staat» präzisiert. In diesem Fall ist damit ein Mitgliedstaat oder die Schweizerische Eidgenossenschaft gemeint.

Artikel 3 des Abkommens regelt die «einheitliche Anwendung und Auslegung». Es liegt im Interesse der an der Prümer Zusammenarbeit beteiligten Staaten, dass die im Artikel 1 des Vertrages aufgeführten Bestimmungen einheitlich ausgelegt und angewendet werden. Um dies zu gewährleisten, verfolgen die Teilnehmerstaaten laufend die Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU und der Schweizer Gerichte in diesem Bereich. Wie im Falle von Schengen (Artikel 9 Absatz 1 SAA 21) vorgesehen, berichtet die Schweiz dem Gemischten Ausschuss darüber, wie ihre Gerichte die in Artikel 1 des Abkommens aufgeführten Bestimmungen ausgelegt und angewandt haben. Artikel 3 Absatz 2 sieht vor, dass die Schweiz beim Gerichtshof der EU Schriftsätze einreichen oder schriftliche Erklärungen abgeben kann, wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats dem Gerichtshof eine Frage bezüglich der Auslegung einer in Artikel 1 genannten Bestimmung zur Vorabentscheidung vorlegt.

Artikel 4 des Abkommens befasst sich mit der «Streitbeilegung». Im Gegensatz zu dem, was im SAA und im DAA vorgesehen ist, sieht der Prümer Vertrag nicht die Einrichtung eines Gemischten Ausschusses vor. So wird im Falle einer Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens oder einer der in Artikel 1 des Abkommens und seiner Änderungen genannten Bestimmungen eine Sitzung der Vertreterinnen und Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten und der Schweizerischen Eidgenossenschaft organisiert. Wird keine Lösung
gefunden, so kann jede der Vertragsparteien das Abkommen nach dem Verfahren des Artikels 10 des Abkommens kündigen.

Artikel 5 des Abkommens betrifft «Änderungen» des Abkommens. Absatz 1 sieht vor, dass die EU oder die Europäische Kommission die Schweiz so bald wie möglich über geplante Änderungen der im Artikel 1 des Abkommens genannten Artikel informiert.

Gegebenenfalls holt die Europäische Kommission allfällige Stellungnahmen der Schweiz ein. Im Rahmen der Arbeiten innerhalb der Europäischen Kommission werden auch Schweizer Fachleute zu dieser Frage konsultiert. Gemäss Absatz 2 werden der Schweiz allfällige Änderungen notifiziert, sobald sie angenommen worden sind.

Die Annahme dieses Rechtsakts oder dieser Massnahme durch die Schweiz ist als Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages zu betrachten. Die interne Zuständigkeit

21

Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands; SR 0.362.31.

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für seine Annahme hängt vom Inhalt des zu übernehmenden Rechtsakts oder der zu übernehmenden Massnahme ab: ­

Sie fällt gemäss Artikel 7a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199722 (RVOG) an den Bundesrat, wenn es sich um einen Vertrag von geringer Bedeutung handelt oder wenn ein Spezialgesetz oder ein Staatsvertrag eine Kompetenzdelegation zu dessen Gunsten vorsieht.

Der Bundesrat hat nach Annahme durch die EU-Institutionen eine Frist von drei Monaten, um den Rechtsakt anzunehmen oder abzulehnen (Art. 5 Abs. 2 des Abkommens).

­

In anderen Fällen ist der Gesetzgeber, d. h. die Bundesversammlung oder die Bürgerinnen und Bürger, zuständig (Art. 5 Abs. 3 des Abkommens). Sobald die Schweiz in der Lage ist festzustellen, dass die Annahme der Übernahme einer Weiterentwicklung des Besitzstandes in die Zuständigkeit der Bundesversammlung oder des Stimmvolkes fällt, wird sie oder der in ihrem Namen handelnde Bundesrat die EU entsprechend informieren. Die Schweiz muss die EU jedoch spätestens innerhalb der im Artikel 5 Absatz 3 des Abkommens festgelegten Dreimonatsfrist informieren.

­

Die Höchstfrist für die Übernahme einer Weiterentwicklung des gemeinschaftlichen Besitzstandes durch die Schweiz beträgt in den Fällen, in denen der Gesetzgeber zuständig ist, zwei Jahre; diese Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, in dem die EU der Schweiz den zu übernehmenden Rechtsakt oder die zu übernehmende Massnahme notifiziert hat (Art. 5 Abs. 2 des Abkommens).

Diese Frist muss es ermöglichen, dass das parlamentarische Verfahren oder sogar das Referendum zur Genehmigung des Vertrags normal ablaufen kann.

Sollte also ein Referendum ergriffen werden, bleibt genügend Zeit, um eine Volksabstimmung durchzuführen. Spätestens am Ende der zweijährigen Frist unterrichtet die Schweiz die EU «über die Erfüllung aller verfassungsrechtlichen Anforderungen». Sobald das interne Verfahren zur Genehmigung des Vertrags und gegebenenfalls zur Umsetzung des Vertrags abgeschlossen ist, muss die Schweiz den zuständigen EU-Institutionen mitteilen, dass sie «ihre verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt» hat. Wenn aufgrund des Ergebnisses des Parlaments- oder Referendumsverfahrens die Übernahme eines Rechtsakts durch die Schweiz abgelehnt wird, findet das im Abkommen für den Fall der Nichtübernahme des Besitzstands vorgesehene Verfahren Anwendung (Art. 5 Abs. 4 und 5 des Abkommens).

Gemäss dem letzten Satz von Artikel 5 Absatz 3 des Abkommens muss die Schweiz den Inhalt der Änderung nach Möglichkeit provisorisch anwenden. Es ist jedoch Sache der Schweiz, in Übereinstimmung mit ihren internen Vorschriften zu bestimmen, ob eine vorläufige Anwendung möglich ist oder nicht. Darüber hinaus muss der Rechtsakt direkt anwendbar sein.

Artikel 5 Absatz 4 sieht vor, dass, falls die Schweiz den Inhalt der Änderung nicht akzeptiert, das Abkommen zunächst ausgesetzt wird. Ein Treffen zwischen den Vertragsparteien wird einberufen. Zweck dieses Treffens ist es, alle Möglichkeiten zur 22

SR 172.010

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Aufrechterhaltung des Abkommens zu prüfen, einschliesslich der Anerkennung der Gleichwertigkeit der Gesetzgebung. Die Aussetzung wird aufgehoben, sobald die Schweiz ihre Annahme des Inhalts der Änderung notifiziert oder wenn die Vertragsparteien beschliessen, das Abkommen erneut anzuwenden. Wenn innerhalb von 6 Monaten nach der Aussetzung keine Lösung gefunden werden konnte, tritt dieses Abkommen ausser Kraft (Art. 5 Abs. 5 des Abkommens). Artikel 5 Absatz 6 schliesst die Anwendung dieses Aussetzungs- oder Beendigungsmechanismus für Änderungen der Kapitel 3 (Grossveranstaltungen), 4 (Massnahmen zur Verhinderung terroristischer Straftaten) und 5 (Weitere Formen der Zusammenarbeit) des Beschlusses 2008/615/JI und des Artikels 17 (Gemeinsame Streifen sowie sonstige gemeinsame Einsatzformen) des Beschlusses 2008/616/JI aus. Die Schweiz muss die EU über ihre Ablehnung und die Gründe dafür informieren. In diesem Fall gelten die fraglichen Bestimmungen in ihrer vorherigen Fassung.

Artikel 6 des Abkommens sieht eine gemeinsame «Überprüfung» des Abkommens innerhalb von fünf Jahren nach dessen Umsetzung vor. Diese Überprüfung erstreckt sich insbesondere auf die praktische Durchführung, Auslegung und Entwicklung des Abkommens.

Artikel 7 des Abkommens regelt das «Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten».

Bestehende bilaterale oder multilaterale Abkommen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bleiben anwendbar, soweit sie nicht mit dem Abkommen zur Beteiligung an Prüm unvereinbar sind. Die Schweiz muss solche Abkommen der EU notifizieren (Abs. 1). Nach Inkrafttreten des Abkommens zur Beteiligung an Prüm kann die Schweiz in diesem Bereich neue Abkommen abschliessen, sofern sie die Ziele des Abkommens zur Beteiligung an Prüm erweitern oder ausbauen. Die Schweiz muss solche Abkommen innerhalb von drei Monaten nach ihrer Unterzeichnung notifizieren (Abs. 2). Die von der Schweiz abgeschlossenen oder noch abzuschliessenden Abkommen lassen die Beziehungen zu Mitgliedstaaten, die nicht Vertragsparteien sind (Abs. 3), sowie die Abkommen über die Rechtshilfe oder die gegenseitige Anerkennung von Gerichtsentscheidungen (Abs. 4) unberührt.

Artikel 8 des Abkommens befasst sich mit «Notifikationen, Erklärungen und Inkrafttreten». Gemäss Absatz 1 notifizieren die Vertragsparteien einander den
Abschluss der internen Verfahren, die erforderlich sind, damit sie durch das Abkommen zur Beteiligung an Prüm gebunden sind. Absatz 2 gilt für die EU. Die EU kann ihre Zustimmung geben, auch dann gebunden zu sein, wenn EU-Entscheidungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten noch nicht für alle Mitgliedstaaten getroffen worden sind. Sobald das Abkommen zur Beteiligung an Prüm unterzeichnet ist, findet Artikel 5 Absatz 1­2 vorläufig Anwendung (Abs. 3). Die in Artikel 5 Absatz 2 vorgesehene Dreimonatsfrist nach Annahme durch die EU-Organe für die Annahme oder Ablehnung einer Änderung beginnt mit dem Tag des Inkrafttretens des Abkommens zur Beteiligung an Prüm (Abs. 4). Erklärungen, die der Schweiz im Rahmen dieses Abkommens vorliegen, können bei der Notifikation des Abschlusses der erforderlichen internen Verfahren oder zu jedem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden (Abs. 5). Das Abkommen zur Beteiligung an Prüm tritt am ersten Tag des dritten Monats in Kraft, der auf das Datum der letzten Notifizierung der Zustimmung zur Bindung folgt (Abs. 6).

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Artikel 8 Absatz 7 sieht vor, dass personenbezogene Daten erst übermittelt werden dürfen, nachdem die Artikel des Kapitels 6 des Beschlusses 2008/615/JI über den Datenschutz in nationales Recht umgesetzt worden sind. Gemäss Artikel 8 Absatz 10 des Abkommens zur Beteiligung an Prüm dürfen die Bestimmungen des Beschlusses 2008/615/JI über den Abgleich von DNA-Profilen, Fingerabdrücken und Daten von Fahrzeughalterinnen und -haltern erst angewandt werden, wenn die Schweiz die Richtlinie (EU) 2016/68023 in ihr nationales Recht umgesetzt hat. Es gilt das Recht des ersuchten Staates, d. h. die Bestimmungen der gegenseitigen Amtshilfe in Polizeiangelegenheiten oder die Bestimmungen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und nur nach einer von Fachleuten geprüften Konkordanz. Um dies zu überprüfen, muss ein Evaluationsbesuch in der Schweiz und ein Pilotversuch zum Datenaustausch durchgeführt werden. Dieses Verfahren ist im Kapitel 4 des Beschlusses 2008/616/JI geregelt. Auf der Grundlage des allgemeinen Evaluierungsberichts legt der Rat der EU die Zeitpunkte fest, ab denen automatisierte Abgleiche und die Übermittlung personenbezogener Daten beginnen sollen. Zusätzlich zu den Bestimmungen von Kapitel 6 des Beschlusses 2008/615/JI muss die Schweiz die Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2016/680 im Zusammenhang mit dem Austausch personenbezogener Daten umgesetzt haben und anwenden (Art. 8 Abs. 8 des Abkommens).

Diese Richtlinie stellt eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands dar, zu dessen Übernahme sich die Schweiz gemäss Artikel 2 Absatz 3 des SAA verpflichtet hat.

Sie wurde im SDSG umgesetzt. Gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a des SDSG gelten genetische und biometrische Daten, die eine natürliche Person eindeutig identifizieren, klar als sensible Daten. Ist davon auszugehen, dass die geplante Bearbeitung ein hohes Risiko für die Grundrechte der betroffenen Person birgt, muss das Bundesorgan zuerst eine Folgenabschätzung zum Schutz der Personendaten durchführen (Art. 13 Abs. 1 SDSG), und der EDÖB muss konsultiert werden (Art. 14).

Gemäss Artikel 8 Absatz 9 des Abkommens muss die Schweiz der Europäischen Kommission den Bundesbeschluss über die in Artikel 1 Absatz 1 des Abkommens genannten Bestimmungen notifizieren. Damit die Bestimmungen über den Abgleich von DNA-Profilen und Fingerabdrücken
und den Austausch von Daten über Fahrzeuge und deren Halter in der Schweiz angewendet werden können, müssen die Absätze 8­ 9 des Artikels 8 des Abkommens umgesetzt und angewandt worden sein (Art. 8 Abs. 10 des Abkommens).

Artikel 9 des Abkommens behandelt den «Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Union». Er schafft Rechte und Pflichten zwischen diesen neuen Mitgliedstaaten und der Schweiz.

Artikel 10 befasst sich mit der «Kündigung». Das Abkommen kann jederzeit von einer der Vertragsparteien gekündigt werden (Abs. 1). Die Kündigung wird sechs Monate nach der Notifikation der Kündigung wirksam (Abs. 2).

23

Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2006, S. 89).

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Das Abkommen zur Beteiligung an Prüm wurde in englischer Sprache ausgehandelt.

Alle Fassungen in den Amtssprachen der EU sind jedoch verbindlich.

Die anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens abgegebene Erklärung der Vertragsparteien umfasst verschiedene technische Punkte. So sollen in der Schweiz für jede Datenkategorie, die unter den Vertrag fällt, technische Verbindungen zu allen an der Prümer Zusammenarbeit beteiligten Staaten hergestellt werden. Zu diesem Zweck stellt die EU alle verfügbaren Dokumente, spezifische Software und eine Liste von Kontakten zur Verfügung. Partnerschaften mit Staaten, die an der Prümer Zusammenarbeit zum Erfahrungsaustausch und zur Erleichterung der Umsetzung teilnehmen, können direkt zwischen Staaten geschlossen werden. Schliesslich verweist die Erklärung auf die Modalitäten für die Teilnahme von Schweizer Experten an den Arbeitsgruppen des EU-Rates, die sich mit den technischen Aspekten des Abkommens befassen. Wenn die Diskussionen in direktem Zusammenhang mit der Anwendung und Weiterentwicklung des Inhalts der Beschlüsse 2008/615/JI, 2008/616/JI und 2009/905/JI stehen, können Schweizer Experten zu den Sitzungen eingeladen werden. Diese Erklärung wurde zum Zeitpunkt der Unterzeichnung angenommen und dem Abkommen als Anhang beigefügt.

3.1.2

Eurodac-Protokoll

In der Präambel werden die verschiedenen Abkommen vom 26. Oktober 200424 zwischen der EU und der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein aufgeführt. Für die Schweiz wird hier das Abkommen über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags genannt. Hingewiesen wird auch auf den Zweck des Protokolls hingewiesen, d. h. auf die Verordnung (EU) Nr. 603/2013 (vgl. Ziff. 4.2 für detaillierte Erläuterungen) und insbesondere auf die Anträge der Gefahrenabwehrund Strafverfolgungsbehörden zum Abgleich von Fingerabdruckdaten mit den Daten in der Eurodac-Datenbank.

In der Präambel wird zudem daran erinnert, dass hinsichtlich der Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 603/2013, die die Verfahren für den Abgleich und die Übertragung von Daten für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke betreffen, ein zusätzliches Abkommen mit der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossen werden muss. Diese Bestimmungen stellen keine Weiterentwicklung des Dublin-Besitzstands dar und bedürfen deshalb eines separaten Abkommens, damit sie anwendbar sind. In der Präambel wird ausserdem darauf hingewiesen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die benannten Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder anderer schwerer Straftaten gemäss diesem Protokoll nach jeweiligem nationalem Recht einem Standard für den Schutz personenbezogener Daten unterliegen, der der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 sowie den anderen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 entspricht.

24

SR 0.142.392.68

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Abschliessend geht die Präambel noch auf die Bedingungen für den Kaskadenzugriff durch die benannten Behörden ein. Der Zugriff ist nur statthaft, wenn: ­

ein Abgleich mit den nationalen Fingerabdruckdatenbanken des anfragenden Staates nicht zur Feststellung der Identität des Betroffenen geführt hat;

­

ein Abgleich mit den automatisierten daktyloskopischen Identifizierungssystemen aller anderen teilnehmenden Staaten nach dem Beschluss 2008/615/JI nicht zur Feststellung der Identität der oder des Betroffenen geführt hat. Von dieser Bedingung kann aber abgewichen werden, wenn der antragstellende Staat darlegen kann, dass berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass solche Abgleiche es nicht ermöglichen würden, die Identität der betreffenden Person festzustellen, insbesondere wenn keine operativen oder ermittlungstechnischen Verbindungen zu einem an der Prümer Zusammenarbeit beteiligten Staat bestehen;

­

die Bedingungen für den Zugriff auf das Visa-Informationssystem (VIS) erfüllt sind und der Abgleich mit dem VIS nicht zur Feststellung der Identität des Betroffenen geführt hat.

Artikel 1 des Protokolls legt den Anwendungsbereich fest, insbesondere die Umsetzung der Bestimmungen über den Zugang, der den benannten Strafverfolgungsbehörden gewährt wird. Absatz 1 besagt, dass die Schweiz die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 über den Abgleich von Fingerabdruckdaten zu Strafverfolgungszwecken umsetzt. Das Protokoll gilt für die Beziehungen zu Liechtenstein und den anderen Teilnehmerstaaten, namentlich den EU-Mitgliedstaaten (Abs. 3) sowie Dänemark, Island und Norwegen (Abs. 4). Die Frage des Status des Vereinigten Königreichs wird von der Lösung abhängen, die mit der EU im Rahmen des Brexit gefunden wird. Absatz 2 hat den gleichen Inhalt wie Absatz 1 und gilt für Liechtenstein.

Artikel 2 regelt die Frage des Inkrafttretens des Protokolls für die Schweiz (Abs. 1) und Liechtenstein (Abs. 2). Voraussetzung dafür ist, dass die Datenschutzbestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 sowie die der Richtlinie (EU) 2016/680 in der Schweiz umgesetzt worden sind und gelten. Die Richtlinie wurde wie das Abkommen zur Beteiligung an Prüm (vgl. oben 3.1.1) durch das SDSG in schweizerisches Recht umgesetzt und ist insoweit anwendbar. Die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 über die Bearbeitung von Personendaten sind auch in der Schweiz bereits anwendbar. Diese stellen eine Weiterentwicklung des Dublin-Besitzstandes dar, die bereits übernommen und in die nationale Rechtsordnung umgesetzt worden sind.

Artikel 3 regelt die Frage der Wiederaufnahme von Entwicklungen und der Beteiligung an ihrer Ausarbeitung. Das ausgehandelte Protokoll ist statisch. Es können jedoch Änderungen erforderlich sein. Deshalb sieht der Text des Abkommens eine besondere Regelung für diesen Bereich vor. Dieser Artikel sieht die Anwendung der im DAA enthaltenen Vorschriften über die Ausarbeitung möglicher Weiterentwicklungen des Dublin-Besitzstands (Art. 3 DAA) und deren Übernahme (Art. 4 DAA) vor.

Diese werden jedoch in den spezifischen Kontext des Protokolls gestellt, d. h., eine allfällige Nichtübernahme hat keine Auswirkungen auf das DAA und führt nur zur Beendigung des Protokolls.

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Artikel 4 Absatz 1 des Protokolls regelt die Frage der Notifizierung durch die Schweiz und Liechtenstein im Hinblick auf die Ratifizierung oder Genehmigung. Sobald die internen Verfahren abgeschlossen sind, müssen sie den EU-Rat informieren. Das Protokoll tritt am ersten Tag nach Eingang der Notifikation in Kraft (Abs. 2). Das Protokoll ist jedoch nur anwendbar, wenn die Datenschutzanforderungen nach Artikel 2 des Protokolls erfüllt sind, die Datenschutzbestimmungen von Kapitel 6 des Beschlusses 2008/615/JI umgesetzt wurden und die in Kapitel 4 des Beschlusses 2008/615/JI vorgesehenen Evaluierungen stattgefunden haben (für die Schweiz: Abs. 3; für Liechtenstein: Abs. 4).

Artikel 5 des Protokolls befasst sich mit den Modalitäten der Kündigung. Jede Vertragspartei kann das Protokoll einseitig kündigen. In diesem Fall verliert das Protokoll sechs Monate nach der Hinterlegung einer solchen Erklärung (Abs. 1) seine Anwendbarkeit gegenüber denjenigen Parteien, die es gekündigt haben. Macht die Schweiz von diesem Recht Gebrauch, so bleibt das Eurodac-Protokoll zwischen der EU und Liechtenstein anwendbar. Damit es nicht mehr voll anwendbar ist, muss die Kündigung entweder von der EU oder gemeinsam von der Schweiz und Liechtenstein ausgehen (Abs. 2). Es sei darauf hingewiesen, dass die Beendigung des Eurodac-Protokolls nicht zum Rückzug der Schweiz oder Liechtensteins aus der Dublin- oder Schengen-Zusammenarbeit führt (Abs. 5). Umgekehrt endet mit der Beendigung der Dublin- oder Schengen-Zusammenarbeit das Eurodac-Protokoll für die Schweiz (Abs. 3) oder Liechtenstein (Abs. 4). Dies erklärt sich im letzteren Fall durch die rechtliche Verbindung zwischen diesen Texten.

Artikel 6 des Protokolls regelt die Sprachenfrage, d. h., der Text wird in alle EU-Sprachen übersetzt. Alle Texte sind verbindlich.

3.2

PCSC-Abkommen

In der Präambel bekunden die Parteien ihr Interesse an einer Verstärkung der Zusammenarbeit zur wirksameren Bekämpfung von schweren Straftaten wie organisierter Kriminalität und Terrorismus durch den automatisierten Austausch von Informationen. Grosse Bedeutung wird der Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten, der Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus und des Schutzes der Privatsphäre sowie den Individualrechten der betroffenen Personen beigemessen. Das Abkommen stützt sich auf den Prümer Vertrag25; es sieht den Austausch von Informationen bei schweren Straftaten vor und berücksichtigt dabei die Verpflichtungen aus der Schengen-Assoziierung der Schweiz.

Artikel 1 bis 12 definieren die wichtigsten Begriffe, bestimmen den Zweck und Anwendungsbereich des Abkommens und regeln den automatisierten Abruf von Fingerabdruck- und DNA-Daten zum einen sowie weiterer personenbezogener Daten und

25

Vertrag vom 27. Mai 2005 zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Grossherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration.

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sonstiger Informationen zum anderen. Zur Verhinderung schwerer Straftaten und terroristischer Handlungen sehen die Artikel ausserdem die Möglichkeit des spontanen Informationsaustauschs vor. Sie enthalten zudem Bestimmungen über die zuständigen nationalen Kontaktstellen und über die Möglichkeit, die Anzahl der Abrufe zu kontingentieren und Durchführungsvereinbarungen auszuarbeiten.

Artikel 13 bis 22 beinhalten Vorschriften zum Datenschutz. Dabei werden Grundsätze für und Grenzen im Umgang mit personenbezogenen Daten festgelegt. Die Möglichkeiten zur Bereinigung, Sperrung, Löschung oder Überprüfung von Daten werden ebenso aufgeführt wie auch Verpflichtungen zur Dokumentation, Datensicherheit und Datentransparenz. Zudem gewährleisten die Vertragsparteien angemessene innerstaatliche Möglichkeiten zur Geltendmachung von datenschutzrechtlichen Ansprüchen durch die betroffenen Personen.

Artikel 23 bis 29 regeln das Verhältnis des Abkommens zu anderen Übereinkünften der Parteien sowie das Verfahren der gegenseitigen Konsultation über die Umsetzung des Abkommens. Ausserdem sehen sie Bestimmungen über die Kosten, die Kündigung, Suspendierung, Abänderung und das Inkrafttreten des Abkommens vor.

Im Anhang werden die Straftaten aufgeführt, die in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen. Zusätzlich definiert er die Strafbarkeit des Versuchs der Begehung und die Strafbarkeit des Versuchs der Begehung solcher Straftaten zu solchen Straftaten sowie der Teilnahme in einer organisierten kriminellen Organisation.

Für detaillierte Kommentare zu den Artikeln des PCSC-Abkommens sei auf Ziffer 4.3 verwiesen.

4

Erläuterungen zu den Bestimmungen der Abkommen

Das Abkommen zur Beteiligung an Prüm und das Eurodac-Protokoll enthalten keine inhaltlichen Bestimmungen, die die Zusammenarbeit im Einzelnen regeln. Vielmehr beziehen sie sich auf das anwendbare Sekundärrecht des EU-Rechts. Das PCSCAbkommen mit den USA enthält hingegen solche Bestimmungen. Der Inhalt der relevanten materiell-rechtlichen Bestimmungen lässt sich wie folgt zusammenfassen.

4.1

Abkommen zur Beteiligung an Prüm

4.1.1

Erläuterungen zu den Bestimmungen des Beschlusses 2008/615/JI

Artikel 2 bis 7 (DNA-Profile) Gemäss Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 2008/615/JI 615 dürfen die indexierten Daten, zu denen der ersuchende Mitgliedstaat Zugang erhalten kann, nur DNA-Profile aus dem nicht kodierenden Teil der DNA enthalten, d. h. aus Teilen, die keine genetischen Informationen (Gene) enthalten.

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Das geltende DNA-Profil-Gesetz erfüllt diese Anforderung (vgl. Art. 2 Abs. 1). Das Bundesgesetz vom 15. Juni 201826 über die menschliche DNA-Analyse (GUMG), das 2021 in Kraft treten soll, unterscheidet bei der gesetzlichen Definition eines DNAProfils im Sinne des DNA-Profil-Gesetzes nicht mehr zwischen kodierenden und nicht kodierenden Teilen. Aber in der Praxis hat sich nichts geändert. Die für die Erstellung von DNA-Profilen nach dem DNA-Profil-Gesetz verwendeten Genloci (sogenannte Marker) werden weiterhin nur durch ihre spezifischen Längenvariationen charakterisiert sein, ohne dass sie eine kodierende Funktion im Genom haben. Sie enthalten daher nur neutrale Informationen. Wie im Beschluss 2008/616/JI gefordert (vgl. Art. 2 Bst. d), wird das DNA-Profil auch in Zukunft keine Elemente enthalten, aus denen «funktionale Eigenschaften eines Organismus» abgeleitet werden können.

Die Referenzdaten dürfen keine Daten enthalten, die eine Person direkt identifizieren würden. Sie geben lediglich Auskunft darüber, dass bereits ein DNA-Profil im System enthalten ist.

Artikel 3 Absatz 1: Die Bestimmung sieht vor, dass die durch das Abkommen zur Beteiligung an Prüm gebundenen Staaten den nationalen Kontaktstellen der anderen Mitgliedstaaten im Einzelfall zum Zwecke der Ermittlung von Straftaten den Zugriff auf die indexierten Daten in ihren DNA-Analyse-Dateien gestatten. «Im Einzelfall» bedeutet, dass die ersuchende Partei der ersuchten Partei jeweils nur einen Datensatz pro Anfrage übermitteln darf. Dabei handelt es sich um eine automatisierte Abfrage, d. h. um einen «unmittelbaren Zugriff auf eine automatisierte Datenbank einer anderen Stelle in einer Weise, dass die Anfrage vollständig automatisiert beantwortet wird» (Art. 24 Abs. 1 Bst. b, Beschluss 2008/615/JI) bzw. um ein «Online-Zugangsverfahren» (Art. 2 Bst. b, Beschluss 2008/616/JI). Ein menschliches Eingreifen ist nicht erforderlich. Der «automatisierte Abruf» im Sinne des Beschlusses 2008/615/JI entspricht der Bereitstellung von Personendaten «durch ein Abrufverfahren» gemäss Artikel 19 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199227 über den Datenschutz (DSG). Die Fundstellendatensätze dürfen nur das DNA-Profil des nicht kodierenden Teils der DNA und einen Fundstellennachweis enthalten, jedoch keine Daten, die eine betroffene Person unmittelbar
identifizieren (Art. 2 Abs. 2 des Beschlusses 2008/615/JI).

Die Abgleiche müssen «nach dem nationalen Recht des ersuchenden Mitgliedstaates» vorgenommen werden (vgl. Punkt 6.1.3). Nimmt die Schweiz als «ersuchender Staat» einen Abgleich vor, so unterliegt dieser ausschliesslich schweizerischem Recht. Handelt es sich bei dem «ersuchenden Mitgliedstaat» um einen anderen Prüm-Mitgliedstaat (in der Terminologie von Artikel 9 Absatz 2 des Beschlusses 2008/615/JI: «Datei führender Mitgliedstaat»), so gilt für das Ersuchen ausschliesslich dessen Recht.

Artikel 3 Absatz 2 (Inhalt der Ergebnismeldung): Im Falle einer Übereinstimmung werden die indexierten Daten dem ersuchenden Staat direkt und ohne menschliches Zutun übermittelt («auf automatisierte Weise» im Sinne des Beschlusses 2008/615/JI). Wenn keine Übereinstimmung gefunden wird, erfolgt ebenfalls eine automatische Benachrichtigung.

26 27

BBl 2018 3509 (Der Entwurf unterliegt dem Referendum) SR 235.1

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Artikel 4 (Gesamtabgleich der Spurenprofile): Der Gesamtabgleich ermöglicht den Abgleich nicht identifizierter DNA-Spurenprofile des anfragenden Staates mit allen Personen- und Spurenprofilen der anderen Staaten, sofern und soweit dies im Einzelfall gegenseitig vereinbart worden ist («im gegenseitigen Einvernehmen»). Die Übermittlung der offenen Spuren zwecks Abgleich muss der abrufende Staat in seinem Recht vorsehen (siehe Ziff. 6.1.4). Das Verfahren zur Ergebnismeldung ist identisch mit jenem im Falle einer automatisierten Abfrage nach Artikel 3.

Artikel 5 (Übermittlung weiterer personenbezogener Daten und sonstiger Informationen): Diese Bestimmung regelt die Übermittlung von Daten, welche nicht bereits in den automatisiert übermittelten Fundstellendatensätzen enthalten sind. Zu denken ist insbesondere an Daten, über die die Vertragsstaaten in polizeilichen Informationssystemen verfügen, beispielsweise Personennamen, Geburtsdatum etc. Die Übermittlung dieser Daten richtet sich dabei nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Vertragsstaates. Die Übermittlung von Informationen erfolgt gemäss den Bestimmungen über gegenseitige polizeiliche Amtshilfe oder über Rechtshilfe. Unter polizeilichen Informationen sind Informationen zu verstehen, die den zuständigen Polizeibehörden bereits vorliegen und ohne Anwendung von Zwangsmassnahmen zugänglich sind. Sobald zur Erlangung von Informationen Zwangsmassnahmen angewendet werden müssen, gelten die Bestimmungen der Rechtshilfe.

Gemäss Artikel 6 Absatz 1 haben die Vertragsstaaten für die Übermittlung der Fundstellendatensätze nach Artikel 3 und 4 des Beschlusses 2008/615/JI eine nationale Kontaktstelle zu benennen. In der Schweiz wird diese Aufgabe fedpol wahrnehmen. Die Befugnisse sind im Artikel 357 StGB geregelt.

Artikel 6 Absatz 2 (Durchführungsmassnahmen): Dieser Artikel verweist auf die Durchführungsmassnahmen gemäss Artikel 33 des Beschlusses 2008/615/JI. Dieser Artikel richtet sich an die EU-Behörden. Er bedarf keiner Umsetzung ins Landesrecht.

Artikel 7 (Erstellung von Personenprofilen auf dem Rechtshilfeweg): Diese Norm regelt die Rechtshilfe durch die Gewinnung molekulargenetischen Materials und durch die Übermittlung von DNA-Profilen an andere Vertragsstaaten. Die von dieser Norm vorgesehene Rechtshilfe gewährt die Schweiz gestützt auf das
IRSG. Die «Gewinnung und Untersuchung molekulargenetischen Materials» findet ihre Grundlage in Artikel 63 Absatz 2 Buchstabe b IRSG («Beweiserhebung»). Die in Artikel 7 des Beschlusses 2008/615/JI statuierten Voraussetzungen decken sich mit jenen nach schweizerischem Recht. Fedpol wird entsprechende Ersuchen direkt an das Bundesamt für Justiz (BJ) weiterleiten.

Artikel 8 bis 11 (Daktyloskopische Daten) Artikel 8 (daktyloskopische Daten): Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass Fundstellendatensätze aus dem Bestand der nationalen automatisierten daktyloskopischen Identifizierungssysteme, die zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten errichtet wurden, vorhanden sind. Die Schweiz verfügt mit dem gestützt auf Artikel 354 StGB betriebenen Automatisierten Fingerabdruck-Identifikations-Systems (AFIS) bereits über das verlangte Informationssystem. Die Fundstellendatensätze (Fingerabdruck und Prozesskontrollnummer [PCN]) enthalten ­ wie im Artikel 8 verlangt ­ keine Daten, «aufgrund derer der Betroffene unmittelbar identifiziert werden 34 / 88

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kann». Die Personendaten sind im getrennten informatisierten Personennachweis-, Aktennachweis- und Verwaltungssystem bei fedpol (IPAS) gespeichert. Die Fundstellendatensätze werden erst zur Übermittlung weiterer personenbezogener Daten und sonstiger Informationen gemäss Artikel 10 des Beschlusses 2008/615/JI durch fedpol mit den Personendaten verknüpft.

Artikel 9 Absatz 1 (automatisierter Abruf): Diese Norm sieht vor, dass die Mitgliedstaaten den nationalen Kontaktstellen der anderen Mitgliedstaaten im Einzelfall Zugriff auf die Fundstellendatensätze ihrer zum Zwecke der Verhütung und Aufklärung von Straftaten eingerichteten automatisierten daktyloskopischen Identifizierungssystemen gewähren.

Im Unterschied zum Abruf von DNA-Profilen nach Artikel 3 des Beschlusses 2008/615/JI erlaubt diese Bestimmung auch den Abgleich von Fingerabdrücken zu Zwecken der «Verhinderung» von Straftaten (Art. 9 Abs. 1, erster Satz). Gemäss Artikel 354 Absatz 1 StGB ist der Zweck der Datenbearbeitung im AFIS schon heute nicht auf die «Strafverfolgung» beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf «andere gesetzliche Aufgaben».

Der Beschluss 2008/615/JI sieht hinsichtlich der Deliktskategorien keine Einschränkungen vor. Artikel 9 Absatz 1 spricht umfassend vom Zweck der «Verhinderung und Verfolgung von Straftaten».

Artikel 9 Absatz 2: Die «endgültige Zuordnung» des abgefragten Fingerabdrucks zu einem übermittelten Fingerabdruck erfolgt durch die Kontaktstelle des ersuchenden Staats.

Artikel 10 («Übermittlung weiterer personenbezogener Daten und sonstiger Informationen»): Diese Parallelnorm zu Artikel 5 sieht vor, dass sich die Übermittlung von personenbezogenen Daten nach dem innerstaatlichen Recht des angefragten Staates richtet.

Artikel 11 (Nationale Kontaktstelle): Jeder Mitgliedstaat hat eine Kontaktstelle zu bezeichnen. In der Schweiz wird diese Aufgabe fedpol wahrnehmen. Die Befugnisse von fedpol werden in Artikel 357 StGB geregelt. Der Informationsaustausch, den der Beschluss 2008/615/JI für die Phase der Übermittlung personenbezogener Daten vorsieht, wird bereits heute praktiziert, beispielsweise via INTERPOL und die Secure Information Exchange Network Application (SIENA) sowie durch die Polizeiattachés.

Artikel 11 Absatz 2 (Durchführungsmassnahmen) richtet sich an die EU-Behörden und bedarf keiner Umsetzung
ins Landesrecht.

Artikel 12 (Daten aus Fahrzeugregistern) Artikel 12 regelt den automatisierten Abruf von Daten aus den Fahrzeugregistern der Vertragsstaaten. Jeder Mitgliedstaat hat eine Kontaktstelle zu bezeichnen. In der Schweiz wird diese Aufgabe das Bundesamt für Strassen (ASTRA) wahrnehmen (siehe Ziff. 6.1.3).

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Gemäss Artikel 106a SVG kann der Bundesrat mit ausländischen Staaten völkerrechtliche Verträge über den gegenseitigen Austausch von Fahrzeughalter-, Fahrberechtigungs- und Motorfahrzeugdaten abschliessen. Dies ermöglicht insbesondere einen Datenaustausch im Abrufverfahren mittels des Informationssystems EUCARIS (European car and driving licence information system), das die EU «speziell für die Zwecke von Artikel 12 des Beschlusses 2008/615/JI entwickelt» hat (Art. 15 Abs. 1 des Beschlusses 2008/616/JI). Die Vertragsstaaten verwenden EUCARIS bereits für den Datenaustausch gemäss Artikel 12 dieses Beschlusses.

Die Einzelheiten zur Durchführung regelt der Beschluss 2008/616/JI (Art. 3­5, 15, 16 sowie Kapitel 3 des Anhangs).

In der Schweiz werden diese Daten im Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ) gemäss Artikel 89a bis 89h SVG erfasst. Gemäss dem Delegationsstandard in Artikel 89g Absatz 2 SVG hat der Bundesrat im Artikel 19 der Verordnung vom 30. November 201828 über das Informationssystem Verkehrszulassung (IVZV)die Bedingungen für die Übermittlung von Daten an ausländische Behörden festgelegt. Ein Datenaustausch mit ausländischen Behörden ist zulässig, wenn ein Staatsvertrag dies vorsieht (Art. 19 Abs. 1 IVZV). Die Bedingungen und die Durchführung des Datenaustauschs sind im entsprechenden internationalen Vertrag festgelegt.

Artikel 13 bis 15 (Datenübermittlung im Zusammenhang mit Grossveranstaltungen) Die Artikel 13 und 14 sehen eine Weitergabe von nichtpersonenbezogenen und personenbezogenen Daten auf Ersuchen und aus eigener Initiative an die anderen Vertragsstaaten vor, dies unter Beachtung des nationalen Rechts. Artikel 15 verlangt die Angabe einer nationalen Kontaktstelle. Dies wird auch hier fedpol sein (vgl.

Ziff. 6.1.3).

Generell verfügen die Polizeibehörden von Bund und Kantonen bereits über die erforderlichen Rechtsgrundlagen für den grenzüberschreitenden Datenaustausch anlässlich von Grossveranstaltungen, dies einerseits gestützt auf Artikel 39 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) vom 19. Juni 199029, andererseits auf nationales Recht, nämlich auf Artikel 24a Absatz 9 des Bundesgesetzes vom 21. März 199730 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS).

Anders als das SDÜ bestehen bei der Prümer Zusammenarbeit spezifischere Rechtsgrundlagen für den
Informationsaustausch bei Grossveranstaltungen, dies sowohl bezüglich Personendaten (Art. 14; Angaben über eine Person, die als gefährlich eingestuft wird; Identität einer Person, ihre Vorgeschichte etc.) als auch bezüglich Sachdaten (Art. 13; Angaben über den Reiseweg einer Gruppe, ihren Aufenthaltsort, ihre Durchreise durch ein Drittland, das verwendete Transportmittel etc.).

Der Informationsaustausch dient einerseits der Verhinderung von Straftaten und andererseits der Gefahrenabwehr bei Grossveranstaltungen im Bereich des Sports (in-

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SR 741.58 ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19.

SR 120

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ternationale Fussball- oder Hockeymatches) oder politischer Natur (G8, World Economic Forum etc.). Der Informationsaustausch kann ­ immer nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts ­ auf Anfrage oder auch spontan erfolgen.

Bezüglich der Übermittlung personenbezogener Daten verlangt Artikel 14 Absatz 2 die strikte Beachtung der Zweckbestimmung (keine nachträgliche Zweckänderung) sowie der Aufbewahrungsdauer (umgehende Löschung nach Erreichung des Zwecks, zu welchem die Daten übermittelt worden sind, spätestens aber nach einem Jahr).

Artikel 16 (Massnahmen zur Verhinderung terroristischer Straftaten) Gemäss Artikel 16 können personenbezogene Daten den Mitgliedstaaten im Einzelfall auch ohne Ersuchen übermittelt werden, um die in den Artikeln 1 bis 3 der Richtlinie (EU) 2017/54131 genannten terroristischen Straftaten zu verhindern. Diese Richtlinie gilt nur für die EU-Mitgliedstaaten, nicht aber für die Schweiz. Obwohl dieser Umstand weder im Abkommen zu Prüm noch im Eurodac-Protokoll formell berücksichtigt wurde, sollte auch in der Schweiz die Richtlinie als Massstab herangezogen werden. Die Richtlinie ist nämlich in allen gleichartigen Fällen massgebend. Die Massgeblichkeit der Begrifflichkeit der Richtlinie bedeutet jedoch nicht, dass die Schweiz die darin enthaltenen Straftatbestände tatsächlich schaffen muss. Vielmehr geht es darum, dass der nationale Gesetzgeber festlegt, welche der (bestehenden) Straftatbestände des nationalen Rechts als terroristische Straftaten im Sinne der Definitionen der Richtlinie gelten. Da damit der sachliche Anwendungsbereich der genannten Instrumente umschrieben wird, muss diese Festlegung im Gesetz erfolgen.

Zur konkreten Umsetzung dieser Vorgabe ist in Artikel 111j Absatz 6 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 200532 über die Integration der Ausländerinnen und Ausländer (AIG) festzulegen, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als terroristische Straftaten im Sinne der Definitionen der Richtlinie gelten.

Generell verfügen die Polizeibehörden von Bund und Kantonen bereits über die erforderlichen Rechtsgrundlagen für den grenzüberschreitenden spontanen Datenaustausch zur Verhinderung terroristischer Straftaten, dies einerseits gestützt auf Artikel 46 des SDÜ und ­ im Landesrecht ­ auf Artikel 7 des Schengen-Informationsaustausch-Gesetzes vom
12. Juni 200933 (SIaG). Aber auch hier ­ wie beim Datenaustausch im Zusammenhang mit Grossveranstaltungen (Art. 13­15) ­ bietet das Prümer Abkommen eine spezifischere Rechtsgrundlage.

Artikel 16 des Beschlusses 2008/615/JI verweist in Bezug auf den Informationsaustausch zum Zwecke der Terrorismusprävention auf den im Rahmenbeschluss 2002/475/JI festgelegten Deliktskatalog, um den Begriff der terroristischen Straftat zu definieren. Für die landesrechtliche Zuordnung der in Artikel 1 bis 4 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI aufgeführten terroristischen Straftaten ist auf Arti-

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Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des genannten terroristischen Straftaten zu verhindern, ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6.

SR 142.20 SR 362.2

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kel 111j Absatz 6 AIG zu verweisen, der festlegt, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als terroristische Straftaten im Sinne der Definitionen der Richtlinie (EU) 2017/541 gelten. Abgesehen von dieser spezifischen Norm wird im Beschluss 2008/615/JI der Umfang der Straftaten, die Gegenstand einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Bezug auf daktyloskopische Daten und DNA-Profile sein können, nicht weiter definiert. Bei der Festlegung, welche Straftaten mit daktyloskopischen Daten in den Informationssystemen der Vertragsstaaten verglichen werden können (vgl. Erläuterungen Art. 356 Abs. 3 StGB), oder beim Abgleich eines DNA-Profils mit den DNA-Profil-Informationssystemen der Vertragsstaaten (vgl.

Bemerkungen Art. 13a Abs. 3 DNA-Profil-Gesetz) ist deshalb das nationale Recht zu berücksichtigen.

Artikel 16 befasst sich mit den formalen Bedingungen für den Datenaustausch zum Zweck der Verhütung terroristischer Handlungen (Übermittlung nach innerstaatlichem Recht; Inhalt der Informationsübermittlung; Möglichkeit der Festlegung von Nutzungsbeschränkungen; Benennung einer nationalen Kontaktstelle). Die Mitgliedstaaten benennen ihre Kontaktstelle, deren Befugnisse im innerstaatlichen Recht festgelegt werden. Auch hier ist die Kontaktstelle fedpol (vgl. Ziff. 6.1.3).

Artikel 17 bis 23 (Weitere Formen der Zusammenarbeit) Artikel 17 sieht vor, dass zur Verhütung von Straftaten und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinsame Patrouillen oder andere Formen des gemeinsamen Einsatzes eingeführt werden können (Abs. 1). Dazu können gemeinsame Analysegruppen, Arbeitsgruppen und gemeinsame Überwachungs-, Beobachtungs- und Ermittlungsteams gehören, in denen die Beamten einer Vertragspartei, wenn sie im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei im Einsatz sind, Beratungs- und Unterstützungsfunktionen wahrnehmen, ohne für die autonome Ausübung von Hoheitsbefugnissen zuständig zu sein. Erforderlichenfalls und im Einvernehmen mit der anderen Vertragspartei werden die Regelungen für die gemeinsamen Teams auch in einer Zusatzvereinbarung gemäss Artikel 17 des Beschlusses 2008/616/JI festgelegt.

Der Aufnahmemitgliedstaat kann nach Massgabe seines innerstaatlichen Rechts Beamten aus anderen Mitgliedstaaten hoheitliche Befugnisse übertragen (Abs. 2). Neben den
gemeinsamen Ermittlungsgruppen kann dies z. B. die Begleitung von Fan-Zügen oder die Beförderung gefährlicher Güter (im nuklearen Bereich etc.) umfassen. Die Bestimmungen im Sinne von Artikel 20 des Zweiten Zusatzprotokolls vom 8. November 200134 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen bleiben vorbehalten Artikel 18 sieht vor, dass sich die Mitgliedstaaten bei Massenveranstaltungen und ähnlichen Grossereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts dadurch gegenseitig unterstützen, dass sie sich gegenseitig relevante Erkenntnisse zur Verfügung stellen, im Inland allenfalls erforderliche polizeiliche Massnahmen im Zusammenhang mit der entstandenen Lage ergreifen und auf Ersuchen des von der Lage betroffenen Mitgliedstaats diesem mit personellen Ressourcen oder Ausrüstung Hilfe leisten. Auf der Grundlage der bestehenden bilateralen Polizeiverträge können bereits heute mit den Nachbarstaaten der Schweiz gemischte 34

SR 0.351.12

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Streifen (Österreich, Deutschland, das Fürstentum Liechtenstein, Frankreich, Italien) und gemeinsame Ermittlungsgruppen (Österreich, Deutschland, das Fürstentum Liechtenstein, Frankreich) eingesetzt werden. Mit Deutschland beispielsweise ist gemäss Artikel 24 des Vertrags vom 27. April 199935 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit diese Unterstützung bei Grossveranstaltungen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen bereits möglich. Zudem sieht Artikel 46 SDÜ vor, dass sich die Polizeibehörden der beteiligten Staaten bei der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten gegenseitig Hilfe leisten (sofern keine Ergreifung von Zwangsmassnahmen erforderlich ist; Art. 39). Vorgesehen ist auch, dass sich die beteiligten Staaten nach Massgabe des nationalen Rechts bei der Bekämpfung von Straftaten oder deren Verhütung und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gegenseitig spontan Informationshilfe leisten können. Im Gegensatz zu den oben genannten völkerrechtlichen Bestimmungen ist der territoriale Geltungsbereich von Artikel 18 weiter gefasst. Der Beschluss 20087/615/JI richtet sich an die Mitgliedstaaten der EU und nicht an einige wenige Staaten, wie im Fall des Vertrags zwischen der Schweiz und Deutschland über die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit. Ausserdem ist Artikel 18 spezifisch auf Hilfeleistungen bei Grossveranstaltungen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen zugeschnitten.

Gemäss Artikel 19 richtet sich der Einsatz von Dienstwaffen, Munition und Ausrüstungsgegenständen für Beamte, die an einem gemeinsamen Einsatz in einem anderen Vertragsstaat eingesetzt werden, nach dem Recht des Heimatsstaates der Beamten («Entsendemitgliedstaat»). Der Staat, in dem der Einsatz stattfindet («Aufnahmemitgliedstaat»), kann Einschränkungen vorsehen.

Gemäss Artikel 20 ist der «Aufnahmemitgliedstaat» gegenüber den entsandten Beamten zu gleichem Schutz und Beistand verpflichtet wie gegenüber seinen eigenen Beamten.

Gemäss Artikel 21 haftet der «Entsendemitgliedstaat» zivilrechtlich für Schäden, die die entsandten Beamten anlässlich eines Einsatzes im «Aufnahmemitgliedsstaat» verursachen. Der «Aufnahmemitgliedstaat» hingegen haftet bei
Einsätzen gemäss Artikel 18.

Gemäss Artikel 22 gilt für entsandte Beamte die strafrechtliche Verantwortung des «Aufnahmemitgliedstaats» vorbehaltlich anderer Vereinbarungen. Hingegen bleiben gemäss Artikel 23 die dienstrechtlichen Vorschriften des «Entsendemitgliedstaats» für die Beamten massgebend.

Artikel 24 bis 32 (Allgemeine Bestimmungen zum Datenschutz) Artikel 24 (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) definiert im Beschluss 2008/615/JI verwendete Begriffe («Verarbeitung personenbezogener Daten», «automatisierter Abruf», «Sperrung» und «Kennzeichnung») und regelt, dass ­ sofern nicht in den vorhergehenden Kapiteln bereits anderes bestimmt ­ die im Kapitel 6 des

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SR 0.360.136.1

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Beschlusses 2008/615/JI enthaltenen Datenschutzbestimmungen für Daten gelten, die im Rahmen der Zusammenarbeit übermittelt werden oder übermittelt worden sind.

Artikel 25 (Datenschutzniveau): Das erforderliche Datenschutzniveau wird neu durch die Richtlinie (EU) 2016/680 definiert. Diese Datenschutzanforderungen werden mit dem SDSG bereits umgesetzt.

Artikel 26 Absatz 1 (Zweckbindung/Zweckänderung): Im Absatz 1 wird der Grundsatz der Zweckbindung statuiert. Eine Zweckänderung wird materiell davon abhängig gemacht, dass sie sowohl nach dem nationalen Recht der Daten übermittelnden als auch nach dem nationalen Recht der Daten empfangenden Vertragspartei zulässig ist.

Artikel 26 Absatz 2 und 3: Diese Absätze nennen abschliessend die Zwecke der Verarbeitung der übermittelten genannten Daten.

Eine Weitergabe «an andere Einheiten» muss gemäss Artikel 27 im innerstaatlichen Recht des empfangenden Mitgliedstaates vorgesehen sein.

Artikel 28 (Speicherungsdauer von Daten): Artikel 28 Absatz 1 statuiert die Grundsätze der Richtigkeit und Aktualität der Daten. Diese gelten ebenso im DSG. Absatz 2 verlangt, dass Daten gekennzeichnet werden können, wenn der Betroffene deren Richtigkeit «bestreitet und deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit sich nicht feststellen lässt»: Artikel 25 Absatz 2 DSG (Anbringen eines Vermerks) entspricht im Kern dieser Bestimmung. Das SDSG regelt diese Materie im Artikel 19 Absatz 2 und 4. Es ist Aufgabe der unabhängigen Datenschutzbehörde oder eines Gerichts, über die Aufhebung einer Kennzeichnung von Daten zu entscheiden. Die unabhängige Datenschutzbehörde ist der EDÖB. Diese ist gemäss Artikel 19 des Beschlusses 2008/616/JA dem Generalsekretariat des Rates mitzuteilen. Absatz 3 schliesslich verlangt die Möglichkeit der Sperrung von Daten, «wenn es Grund zur Annahme gibt, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden». Dieses Instrument sieht bereits der geltende Artikel 25 Absatz 3 Buchstabe a DSG vor.

Artikel 29 Absatz 1 beauftragt die beteiligten Vertragsstaaten generell, die erforderlichen technischen und organisatorischen Massnahmen zur Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit zu ergreifen. Absatz 2 (Regelungsauftrag an die EU betreffend Durchführungsregelung) verweist auf Artikel 33, der sich an den Europäischen Rat richtet.
Artikel 30: Die Absätze 1 bis 4 (Dokumentation und Protokollierung, weitere Vorschriften zur Datenübermittlung) weisen einen hohen Detaillierungsgrad auf, womit insbesondere den Besonderheiten des Online-Zugriffs Rechnung getragen wird. Gemäss Absatz 5 hat die unabhängige Datenschutzbehörde des jeweiligen Vertragsstaats die Übermittlung oder den Empfang personenbezogener Daten rechtlich zu kontrollieren.

Artikel 31 (Recht der Betroffenen auf Auskunft und Schadenersatz): Die Rechtsansprüche betroffener Personen werden im Artikel 15 DSG geregelt. Artikel 19 Absatz 6 SDSG behält die Spezialbestimmungen in anderen Gesetzen vor (z. B. Bundesgesetz vom 14. März 195836 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten [VG]).

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SR 170.32

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Artikel 8 und 9 DSG sowie die sektoriellen Bestimmungen in den Verordnungen regeln das Recht auf Auskunft, Berichtigung und Löschung. Artikel 17 SDSG verweist auf Artikel 8 DSG; bezüglich Einschränkung des Auskunftsrechts verweist Artikel 18 SDSG auf Artikel 9 DSG.

Artikel 32 (Auskunft auf Ersuchen der Mitgliedstaaten): Jener Staat, der die Daten übermittelt erhält, informiert den übermittelnden Staat über die Verarbeitung dieser Daten und das erzielte Ergebnis.

4.1.2

Erläuterungen zum Beschluss 2008/616/JI

Der Beschluss 2008/616/JI legt gemeinsame normative Bestimmungen fest, die für die administrative und technische Umsetzung der im Beschluss 2008/615/JI vorgesehenen Formen der Zusammenarbeit wesentlich sind. Der Anhang zu diesem Beschluss enthält die Durchführungsbestimmungen technischer Art. Darüber hinaus wird ein gesondertes Handbuch, das ausschliesslich die von den Mitgliedstaaten zu liefernden Sachinformationen enthält, vom Generalsekretariat des Rates erstellt und auf dem neuesten Stand gehalten.

Artikel 1 definiert den Zweck des Beschlusses, nämlich, dass er die administrativen und technischen Bestimmungen festlegt, die für die Durchführung des Beschlusses 2008/615/JI erforderlich sind.

Im Artikel 2 werden bestimmte Begriffe präzisiert, beispielsweise der Abruf und der Abgleich im Artikel 3, 4 und 9 des Beschlusses 2008/615/JI (Bst. a), der automatisierte Abruf im Artikel 12 des Beschlusses 2008/615/JI (Bst. b), die Begriffe betreffend das DNA-Profil (Bst. c­g), die Notiz (Bst. h), die daktyloskopischen Daten (Bst. i), die Fahrzeugregisterdaten (Bst. j) und der Einzelfall (Bst. k).

Die Artikel 3­6 betreffen die gemeinsamen Bestimmungen über den Datenaustausch bzw. die technischen Spezifikationen, das verwendete Kommunikationsnetz oder die Verfügbarkeit des automatisierten Datenaustauschs. Diese müssen 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche möglich sein.

Die Artikel 7­11 betreffen den Bereich des Austauschs von DNA-Profilen und die Grundsätze für den Austausch von DNA-Profilen. Die Mitgliedstaaten verwenden bestehende Standards für den Austausch von DNA-Profilen. Die automatisierte Abfrage und der automatisierte Abgleich von DNA-Profilen erfolgen in einer dezentralisierten Struktur. Es werden geeignete Massnahmen ergriffen, um die Vertraulichkeit und Integrität der an andere Mitgliedstaaten übermittelten Daten, einschliesslich der Verschlüsselung, zu gewährleisten.

Die Artikel 12­14 betreffen den Bereich der Fingerabdruckdaten. Zusätzlich zu den Bestimmungen, die die allgemeinen Grundsätze des Austauschs festlegen, gibt jeder Teilnehmerstaat seine maximale tägliche Kapazität für den Abruf daktyloskopischer Daten von Personen oder von Daten über Spuren an. Er stellt sicher, dass seine Abrufanfragen die vom ersuchten Mitgliedstaat angegebenen Abrufkapazitäten nicht überschreiten.

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Die Artikel 15 und 16 betreffen den Austausch von Fahrzeugregisterdaten. Es wird erklärt, dass die Teilnehmerstaaten eine speziell entwickelte Version der Softwareanwendung des Europäischen Fahrzeug- und Führerschein-Informationssystems (Eucaris) verwenden werden. Die über das Eucaris-System ausgetauschten Informationen werden in verschlüsselter Form übertragen.

Artikel 17 regelt gemeinsame Streifen und andere gemeinsame Einsatzformen. Die zuständigen Behörden jedes Mitgliedstaates können ihre Verfahren für die Bildung gemeinsamer Streifen und sonstiger gemeinsamer Einsatzformen, die Verfahren für Initiativen anderer Mitgliedstaaten in Bezug auf solche Einsätze sowie andere praktische Aspekte und die operativen Modalitäten im Zusammenhang mit diesen gemeinsamen Einsätzen festlegen. Vor Beginn eines bestimmten Einsatzes legen sie in mündlicher oder schriftlicher Form die Modalitäten fest, unter anderem: die beteiligten Behörden, den genauen Zweck des Einsatzes, den Ort, an dem der Einsatz stattfinden soll, die Dauer, die Waffen, die Munition und die Ausrüstung sowie die einschlägigen innerstaatlichen Vorschriften.

Die Artikel 18­24 betreffen Schlussbestimmungen wie die Bewertung des Datenaustauschs, die Umsetzung des Beschlusses sowie die Angabe der zuständigen Datenschutzbehörde.

Weil der Inhalt des Beschlusses 2008/616/JI nicht unmittelbar anwendbar ist, muss er auf Verordnungsebene umgesetzt werden. Die Umsetzung erfolgt zum einen in der DNA-Profil-Verordnung vom 3. Dezember 200437 und in der Verordnung vom 6. Dezember 201338 über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten.

4.1.3

Erläuterungen zum Rahmenbeschluss 2009/905/JI

Der verstärkte Austausch von Informationen über kriminaltechnisches Beweismaterial und die zunehmende Verwendung von Beweismaterial aus einem Mitgliedstaat in Gerichtsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat unterstreichen die Notwendigkeit, gemeinsame Standards für Anbieter kriminaltechnischer Dienstleistungen festzulegen. Gegenwärtig können Informationen, die durch forensische Verfahren in einem Mitgliedstaat verfügbar gemacht werden, in einem anderen Mitgliedstaat zu gewissen Unsicherheiten hinsichtlich der Art und Weise der Verwendung der Dokumente, der angewandten Methoden und der Interpretation der Ergebnisse führen. Es ist besonders wichtig, gemeinsame Standards für Anbieter kriminaltechnischer Dienste in Bezug auf sensible personenbezogene Daten wie DNA-Profile und daktyloskopische Daten festzulegen.

Gemäss Artikel 7 Absatz 4 des Beschlusses 2008/616/JI ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Massnahmen, «um die Integrität der den anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten oder zum Abgleich übermittelten DNA-Profile zu garantieren und um zu gewährleisten, dass diese Massnahmen mit internationalen Standards», wie etwa der Norm ISO/IEC 17025 mit der Bezeichnung «Allgemeine Anforderungen 37 38

SR 363.1 SR 361.3

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an die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien» (nachstehend ISO/IEC 17025 genannt), übereinstimmen.

Der Rahmenbeschluss 2009/905/JI regelt die Akkreditierung von Anbietern kriminaltechnischer Dienste, die Labortätigkeiten durchführen. Gemäss Artikel 1 Absatz 4 des Abkommens zur Beteiligung an Prüm gelten in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU nur die Artikel 1 bis 5 und Artikel 6 Absatz 1 dieses Rahmenbeschlusses.

Artikel 1 legt die Ziele fest. Der Zweck von Absatz 1 ist es, sicherzustellen, dass die Ergebnisse von Labortätigkeiten, die in einem an Prüm teilnehmenden Mitgliedstaat von akkreditierten Diensten durchgeführt werden, von den anderen an Prüm teilnehmenden Mitgliedstaaten als ebenso zuverlässig anerkannt werden wie die Ergebnisse von Laboratorien, die gemäss ISO/IEC 17025 akkreditiert sind.

Artikel 2 bestimmt den Anwendungsbereich. Dieser beschränkt sich auf DNA-Profile und daktyloskopische Daten.

Artikel 3 definiert die Begriffe im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Laboratorien, den Ergebnissen dieser Tätigkeiten, den Anbietern kriminaltechnischer Dienste, den DNA-Profilen und den daktyloskopischen Daten.

Artikel 4 behandelt die Akkreditierung. Sie verlangt, dass Anbieter kriminaltechnischer Dienste, die Labortätigkeiten durchführen, von einer nationalen Akkreditierungsstelle als der ISO/IEC 17025 entsprechend akkreditiert sein müssen.

Artikel 5 regelt die Anerkennung der Ergebnisse. Die Ergebnisse der kriminaltechnischen Dienste der Prümer Teilnehmerstaaten gelten als zuverlässig.

Die Schweiz erfüllt die Anforderungen des Rahmenbeschlusses. Es genügt, dass fedpol sowie jedes Laboratorium, das Labortätigkeiten im Rahmen des Beschlusses 2008/615/JI durchführt, gemäss Artikel 1 Absatz 1 der DNA-AnalyselaborVerordnung EJPD nach ISO/IEC/17025 akkreditiert sind. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass alle anerkannten forensischen Laboratorien, die in der Schweiz tätig sind, nach dieser ISO-Norm akkreditiert sind.

4.2

Eurodac-Protokoll

4.2.1

Erläuterungen zu den Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 603/2013

Art. 2 (Begriffsbestimmungen): Der Begriff der «terroristischen Straftaten» wird, wie beim Abkommen zu Prüm, durch einen Verweis auf den Deliktskatalog des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI näher bestimmt (Abs. 1 Bst. j). Der Rahmenbeschluss 2002/475/JI wurde durch die Richtlinie (EU) 2017/541 vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung ersetzt. Die Richtlinie (EU) 2017/541 gilt nur für die EUMitgliedstaaten, nicht aber für die Schweiz. Obwohl dieser Umstand weder im Abkommen zu Prüm noch im Eurodac-Protokoll formell berücksichtigt wurde, sollte auch in der Schweiz die Richtlinie als Massstab herangezogen werden. Die Richtlinie ist nämlich in allen gleichartigen Fällen massgebend. Eine landesrechtliche Zuord-

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nung der «terroristischen Straftaten» nach Artikel 1 bis 4 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI erfolgt unter Bezugnahme auf Artikel 111j Absatz 6 AIG, der festlegt, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als terroristische Straftaten im Sinne der Definitionen der Richtlinie (EU) 2017/541 gelten. Der Begriff der «schweren Straftaten» hingegen wird durch einen Verweis auf den Rahmenbeschluss 2002/584/JI näher bestimmt (Abs. 1 Bst. k). Diese Straftaten müssen zudem mit einer Strafe von mehr als drei Jahren bedroht sein. Für die landesrechtliche Zuordnung der in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI39 genannten Straftaten kann vollumfänglich auf Anhang 1 des SIaG verwiesen werden, der die Delikte den Straftatbeständen des nationalen Rechts zuordnet. Zwar wurde Anhang 1 des SIaG ursprünglich zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI erlassen.

Inhaltlich stimmt Anhang 1 allerdings mit dem Deliktskatalog gemäss Eurodac-Verordnung überein, weshalb auf ihn verwiesen werden kann. Dieser Verweis muss im Gesetz selber erfolgen. Zu diesem Zweck verweisen Artikel 111j Absatz 6 AIG und Artikel 102aquater Absatz 7 AsylG auf Anhang 1 des SIaG. Von den im Anhang 1 des SIaG genannten Straftaten werden nur diejenigen von der Eurodac-Verordnung erfasst, die mit einer Strafe von mehr als drei Jahren bedroht sind. Andernfalls muss die Übermittlung von Personendaten abgelehnt werden.

Artikel 5 (Zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken benannte Behörden der Mitgliedstaaten): Die schweizerischen Behörden, die befugt sind, einen Abgleich mit Eurodac-Daten zu beantragen, müssen alle im Ausführungsgesetz erschöpfend aufgeführt sein (vgl. Bemerkungen zu Art. 111j [AsylG]).

Artikel 6 Absatz 2 (Zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken zugangsberechtigte Prüfstellen der Mitgliedstaaten): Die für die Überprüfung zuständige Behörde des ersuchenden Vertragsstaates hat die Aufgabe sicherzustellen, «dass die Bedingungen für die Beantragung eines Abgleichs von Fingerabdruckdaten mit Eurodac-Daten erfüllt sind». Diese Aufgabe wird fedpol zugewiesen.

Artikel 19 (Verfahren für den Abgleich von Fingerabdruckdaten mit Eurodac-Daten): Diese Bestimmung regelt das Verfahren zur Beantragung eines Eurodac-Abgleichs und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden. Sie ist
ausreichend detailliert und direkt anwendbar.

Artikel 20 (Voraussetzungen für den Zugang der benannten Behörden zu Eurodac): Diese Bestimmung ist hinreichend detailliert und unmittelbar anwendbar. Sie definiert eine klare Hierarchie bezüglich der Konsultation. Vor jedem Abgleich mit EurodacDaten muss der ersuchende Mitgliedstaat die folgenden Systeme nach dieser Kaskade konsultieren:

39

1.

die nationale Fingerabdruck-Datenbank AFIS

2.

die automatisierten daktyloskopischen Identifizierungssysteme aller anderen Mitgliedstaaten nach dem Beschluss 2008/615/JI

3.

das Visa-Informationssystem

Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten ­ Stellungnahmen bestimmter Mitgliedstaaten zur Annahme des Rahmenbeschlusses, ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1.

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Die folgenden Bedingungen müssen erfüllt sein: ­

Es gibt ein übergeordnetes öffentliches Sicherheitsinteresse.

­

Der Abgleich ist im Einzelfall erforderlich (d. h., es findet kein systematischer Abgleich statt).

­

Es liegen hinreichende Gründe zu der Annahme vor, dass der Abgleich wesentlich zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung einer der fraglichen Straftaten beitragen wird.

Der Begriff der schweren Straftat ist im Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe k der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 definiert: Es handelt sich dabei um Straftaten, die den in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl aufgeführten Straftaten entsprechen oder gleichwertig sind, wenn die Straftaten nach innerstaatlichem Recht mit einer Freiheitsstrafe oder einer Sicherheitsmassnahme im Höchstmass von mindestens drei Jahren bedroht sind. Diese Straftaten sind von der Schweiz im Anhang 1 des SIaG in nationales Recht umgesetzt worden.

Artikel 21 (Bedingungen für den Zugang von Europol zu Eurodac): Diese Bestimmung ist an Europol gerichtet. Sie ist jedoch für die Schweiz von rechtlicher Bedeutung, da sie für Europol die rechtliche Grundlage bildet, um auch die von der Schweiz in Eurodac aufgezeichneten Daten für die in der Bestimmung festgelegten Zwecke und unter den darin festgelegten Bedingungen zu verarbeiten.

Artikel 22 (Kommunikation zwischen den benannten Behörden, den Prüfstellen und den nationalen Zugangsstellen): Die Kommunikation zwischen den benannten Behörden, den Prüfstellen und den nationalen Zugangsstellen muss sicher sein und auf elektronischem Wege erfolgen.

Artikel 30 (Überwachung durch die nationalen Kontrollbehörden): Diese Bestimmung bezieht sich auf die innerstaatliche Gesetzgebung und betrifft die nationalen Kontrollbehörden, die die Rechtmässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten kontrollieren. Die Schweiz verfügt mit dem EDÖB bereits über eine solche Behörde.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Richtlinie 95/46/EG40, auf die sich diese Bestimmung bezieht, nicht mehr in Kraft ist. Diese Richtlinie wurde durch die Verordnung (EU) 2016/67941 ersetzt. Diese Verordnung betrifft die Schweiz nicht direkt, da die EU sie nicht als Teil des Schengen-/Dublin-Besitzstandes eingestuft hat. Schliesslich werden ihre Anforderungen bei der derzeitigen Totalrevision des DSG 42 berücksichtigt. Die Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2016/680 gelten jedoch insoweit, als im Rahmen eines solchen Zugriffs auf Daten für «Strafverfolgungszwecke» zugegriffen und diese verarbeitet werden.

40

41

42

Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

Verordnung (EU) 2016/679 des europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1.

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Artikel 33 Absätze 1 bis 3 (Schutz der für die Zwecke der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung verarbeiteten personenbezogenen Daten): Diese Bestimmung enthält nur allgemeine Mandate, die den Mitgliedstaaten und Europol erteilt werden.

4.2.2

Datenschutz

Das zwischen der Schweiz, Liechtenstein und der EU geschlossene Eurodac-Protokoll sieht im Artikel 2 Absatz 1 und in seiner Erwägung 5 ausdrücklich vor, dass die auf das Eurodac-Protokoll gestützte Datenverarbeitung durch die Schweiz der Richtlinie (EU) 2016/680/JI unterliegt. Die Geltung der Richtlinie im schweizerischen Recht ist somit zwingende Voraussetzung für das Inkrafttreten des Protokolls. Mit dem Inkrafttreten des SDSG erfüllt die Schweiz die datenschutzrechtlichen Vorgaben (vgl.

Ziff. 1.4) für die Anwendung des Protokolls.

4.3

PCSC-Abkommen

Unterschiede zwischen dem PCSC-Abkommen und dem Abkommen zur Teilnahme an Prüm Das PCSC-Abkommen unterscheidet sich vom Beschluss 2008/615/JI in folgenden Punkten: ­

Anwendungsbereich: Der Beschluss 2008/615/JI regelt über den Abgleich von DNA- und Fingerabdruckdaten sowie Daten über Fahrzeuge und Fahrzeughalter die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit. Das PCSC-Abkommen dagegen beschränkt sich auf den Abgleich von Fingerabdruck- und DNA-Daten.

­

Deliktsbereiche: Das PCSC-Abkommen ist beschränkt auf die Verhinderung und Bekämpfung «schwerer Straftaten», insbesondere der organisierten Kriminalität und des Terrorismus. Ein Deliktskatalog grenzt den Zusammenarbeitsbereich ein. Demgegenüber stehen die im Beschluss 2008/615/JI geregelten Instrumente für die Verhinderung und Verfolgung jeglicher Kriminalität zur Verfügung.

Gemäss Artikel 1 Absatz 6 des PCSC-Abkommens sind «schwere Straftaten» die im Anhang dieses Abkommens aufgeführten strafbaren Handlungen sowie andere Handlungen, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind. Damit eine Datenabfrage erfolgen kann, muss gemäss Artikel 2 Absatz 2 des PCSC-Abkommens zusätzlich zum Katalog-Straftatbestand ein hinreichender Tatverdacht gegenüber der fraglichen Person vorliegen.

Allgemeine Bestimmungen des PCSC-Abkommens Artikel 1 («Begriffsbestimmungen») definiert die verschiedenen Begriffe, die in der Vereinbarung regelmässig verwendet werden. Die meisten davon basieren auf der in den Beschlüssen 2008/615/JI und 2008/616/JI verwendeten Terminologie.

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Zum Begriff des DNA-Profils gemäss Artikel 1 Absatz 1 gilt auch hier die Erläuterung zum Beschluss 2008/615/JI (siehe Ziff. 5.1.1). Künftig wird die Legaldefinition des DNA-Profils nach Landesrecht nicht mehr nach kodierenden und nicht kodierenden DNA-Abschnitten unterscheiden. Es ist aber grundlegend, dass der Zweck dieser Unterscheidung im Rahmen des Landesrechtes und des PCSC-Abkommens unverändert bleibt. Das DNA-Profil besteht aus einer Buchstaben-Zahlen-Kombination, aus der sich keine Rückschlüsse auf persönliche Eigenschaften der betroffenen Person ziehen lassen.

Artikel 1 (Begriffsbestimmungen) Absatz 2 («Fundstellendatensatz»): Wie beim Beschluss 2008/615/JI darf auch hier ein solcher Datensatz keine die betroffene Person «unmittelbar identifizierende Daten enthalten», es handelt sich also um anonymisierte Daten. Indexierte Daten, die nicht mit einer Person verknüpft werden können (nicht identifizierte Daten/DNA-Spurenprofile), müssen als solche erkennbar sein. Die Referenz, die sogenannte Prozesskontrollnummer (PCN), wird jedem DNA-Profil oder allen daktyloskopischen Daten zugeordnet. Die PCN ermöglicht es, nach einem automatisierten Abgleich nur im Falle einer fachlich überprüften und bestätigten Übereinstimmung die mit dem DNA-Profil oder den daktyloskopischen Daten verknüpften Personendaten anzufordern.

Absatz 3 definiert personenbezogene Daten als alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person («betroffene Person»). Diese Definition entspricht der Definition im Artikel 3 Buchstabe a DSG.

Absatz 4 definiert die Verarbeitung personenbezogener Daten. Es handelt sich um jeden Vorgang oder jede Vorgangsreihe, die mit personenbezogenen Daten durchgeführt wird, unabhängig davon, ob sie automatisch oder nicht automatisch erfolgt. In diesem Absatz werden Beispiele für Verarbeitungsprozesse aufgeführt.

Absatz 5 definiert die Datensperre. Dies erlaubt es insbesondere, Daten zu kennzeichnen, um ihre Verarbeitung einzuschränken.

Absatz 6 definiert schwere Straftaten. Dieser Begriff wird in der Vereinbarung autonom definiert. Bei den im Anhang aufgeführten Handlungen handelt es sich um schwere Straftaten und andere Straftaten, deren Begehung mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bestraft wird. Die letztgenannte Bedingung soll sicherstellen, dass der
Geltungsbereich des PCSC-Abkommens auf die Bekämpfung der Schwerkriminalität beschränkt bleibt. Diese Definition erfasst nur Verbrechen im Sinne von Artikel 10 Absatz 2 StGB. Artikel 359 StGB legt fest, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als schwere Straftaten im Sinne des PCSCAbkommens gelten (vgl. Ziff. 6.2.1).

Von den im Artikel 359 StGB aufgeführten Straftaten fallen jedoch nur Straftaten, die mit einer Strafe von mehr als drei Jahren bedroht sind, unter das PCSC-Abkommen (Art. 2 Abs. 3). Daher hat die Liste der Straftatbestände im Anhang des Abkommens grundsätzlich deklaratorischen Charakter. Sie hat konstitutiven Charakter, wenn diese Straftaten keine Straftat im Sinne von Artikel 10 Absatz 2 StGB darstellen. So stellt beispielsweise der Straftatbestand des unerlaubten Handels mit Kulturgut (Anhang, Ziff. 31) nach Artikel 24 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 200343 43

SR 444.1

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(KGTG) eine Straftat nach schweizerischem Recht im Sinne von Artikel 10 Absatz 3 StGB dar. Deshalb muss in diesem Fall die Übermittlung von Personendaten abgelehnt werden.

Daktyloskopische Daten und DNA-Profile Artikel 2 («Zweck und Anwendungsbereich»): Zweck dieses Abkommens ist die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien bei der Verhinderung und Ermittlung schwerer Straftaten durch Polizei- und Justizbehörden (Abs. 1). Es ist beabsichtigt, die Zusammenarbeit sowohl im Bereich der Strafverfolgung als auch der Prävention zu verstärken. Das Abkommen betrifft nur die Zusammenarbeit zwischen Polizei- und Justizbehörden. Absatz 2 sieht vor, dass der automatisierte Abgleich von DNA- und daktyloskopischen Daten (Artikel 4 und 6) nur zum Zwecke der Verhütung und Ermittlung einer schweren Straftat (vgl. Art. 1 Abs. 6) im Sinne dieses Abkommens erfolgen darf, auch wenn beim automatisierten Abgleich keine personenbezogenen Daten übermittelt werden. Darüber hinaus muss der Abgleich durch spezifische und rechtsgültige Umstände in Bezug auf eine bestimmte Person gerechtfertigt sein; der Abgleich erfolgt, um festzustellen, ob diese Person möglicherweise beabsichtigt, eine schwere Straftat zu begehen, oder bereits eine solche begangen hat. Diese Einschränkung soll verhindern, dass automatisierte Abfragen für geringfügige Straftaten durchgeführt werden, die nicht unter das Abkommen fallen. Darüber hinaus setzt sie einen qualifizierten Verdacht voraus, sodass automatisierte Abfragen nicht ohne ausreichende und rechtlich solide Beweise für die strafrechtliche Verantwortung der betroffenen Person durchgeführt werden können. Absatz 3 regelt die Übermittlung von Personendaten und anderen zusätzlichen Informationen nach einer automatisierten Abfrage (Artikel 5 und 7). Sie ist nur gerechtfertigt, wenn der darin beschriebene Sachverhalt nach dem Recht des ersuchten Staates eine schwere Straftat darstellt. Darüber hinaus werden diese Daten gemäss den Vorschriften über die Amtshilfe in Polizeiangelegenheiten und die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) übermittelt. Damit wird dem Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit Rechnung getragen.

Mit anderen Worten: Diese Daten werden daher nur dann ins Ausland übermittelt, wenn nach Prüfung des Ersuchens festgestellt wird, dass die dem Ersuchen
zugrundeliegenden Tatbestände sowohl nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates einer schweren Straftat gleichgestellt werden können. Die im Anhang abschliessend aufgezählten Straftaten, die konstitutiven Charakter haben, sind somit ausgeschlossen (vgl. die obigen Ausführungen zu Art. 1 Abs. 6).

Artikel 3 (Daktyloskopische Daten): Es wird der Grundsatz statuiert, dass sich die Vertragsparteien gegenseitig gemäss der nachfolgenden Regelung ihre im Informationssystem gespeicherten Fingerabdrücke zu den im Abkommen vorgesehenen Verwendungszwecken zur Verfügung stellen. Für die Schweiz ist dies das Automatische Fingerabdruck-Identifizierungssystem (AFIS). Im Rahmen der nationalen Umsetzung des PCSC-Abkommens hat die Schweiz weitere Verpflichtungen. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Datenschutz im Rahmen der Assoziierung der Schweiz an Schengen geschenkt. Bei der Übermittlung von Personendaten an die USA, die in Bezug auf Schengen als Drittstaat gilt, muss die Schweiz die Anforderungen von Artikel 6 DSG erfüllen. Deshalb muss bei der technischen Umsetzung des Austausches

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daktyloskopischer Daten sichergestellt werden, dass nur anonymisierte schweizerische Referenzdaten abgeglichen werden können (Abs. 4). Ebenso dürfen nur schweizerische Personendaten im Zusammenhang mit einem Treffer in die Vereinigten Staaten übermittelt werden (Art. 4).

Artikel 4 (Automatisierter Abruf von daktyloskopischen Daten) definiert das Verfahren für den Abruf daktyloskopischer Daten. Der Wortlaut der Bestimmung ähnelt dem im Artikel 9 des Beschlusses 2008/615/JI festgelegten Wortlaut. Wie bei der Prümer Zusammenarbeit handelt es sich bei dem in Artikel 4 und 6 genannten automatisierten Abfragesystem lediglich um die Einrichtung einer Schnittstelle zwischen den zuständigen Behörden und den Datenbanken und nicht um die Gewährung eines direkten gegenseitigen Zugriffs auf Referenzdaten. Gemäss Absatz 1 haben die nationalen Kontaktstellen gegenseitigen Zugang zu den in automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungssystemen enthaltenen Referenzdaten. Automatisierte Abfragen werden «im Einzelfall» nach Massgabe des nationalen Rechts der ersuchenden Partei durchgeführt und müssen den Zielen des Artikels 2 Absatz 2 entsprechen. Im Gegensatz zur Prümer Zusammenarbeit im Artikel 4 des Beschlusses 2008/615/JI (vgl. Ziff. 4.1.1) sind Massenabgleiche von Spurenprofilen nicht zulässig. Gemäss Absatz 2 erhält der anfragende Staat im Falle eines Treffers die jeweiligen anonymisierten Fundstellendatensätze automatisch übermittelt, damit er selbst den erzielten Treffer überprüfen kann.

Artikel 5 (Übermittlung weiterer personenbezogener Daten und sonstiger Informationen) regelt die Übermittlung solcher Daten im Anschluss an den automatisierten Abruf von daktyloskopischen Daten nach Artikel 4. Ein solches Ersuchen ist nur dann gerechtfertigt, wenn die von der ersuchenden Partei geltend gemachten Tatsachen eine schwere Straftat im Sinne von Artikel 1 Absatz 6 darstellen und die Übereinstimmung von einem Sachverständigen gemäss Artikel 4 Absatz 2 überprüft und bestätigt worden ist. Die Datenübermittlungen von Personendaten in der Folge eines Treffers erfolgen «nach dem innerstaatlichen Recht der ersuchten Vertragspartei». In der Schweiz sind dies die Bestimmungen über die polizeiliche Amtshilfe und internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG). Betrifft die Zurverfügungstellung von Daten ein eröffnetes
Strafverfahren, erfolgt sie nach den Voraussetzungen des IRSG. Der Verweis auf das innerstaatliche Recht in der Schweiz bezieht sich auf Artikel 75a IRSG, wonach obersten Polizeistellen des Bundes und der Kantone Ersuchen ausländischer Behörden («Polizeiersuchen») entsprechen können. Diese Antworten bzw. Auskünfte können sämtliche Informationen gemäss Artikel 63 Absatz 2 IRSG umfassen. Wie in der Botschaft zum IRSG44 erwähnt, ist diese Liste nicht abschliessend. Die zu liefernden Informationen gemäss Artikel 360 Absatz 2 Buchstabe c StGB («die personenbezogenen Daten und auf Ersuchen weitere verfügbare Angaben», siehe Ziff. 6.2.1) fallen unter die zu liefernden Daten. Bereits vorhandene Daten können nach dem Verfügbarkeitsprinzip von polizeilichen Behörden weitergeleitet werden. Begrenzt wird die Übermittlung der Daten durch Artikel 75a Absatz 2 IRSG, insbesondere Buchstabe a, wonach Ersuchen ausgenommen sind, welche die Anwendung prozessualen Zwangs 44

Botschaft vom 29. März 1995 betreffend die Änderung des Rechtshilfegesetzes und des Bundesgesetzes zum Staatsvertrag mit den USA über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen sowie den Bundesbeschluss über einen Vorbehalt zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, BBl 1995 III 24.

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erfordern. Darunter fallen gemäss Artikel 43 Absatz 3 StPO45 Zwangsmassnahmen, über die einzig eine Staatsanwaltschaft oder ein Gericht entscheiden kann. Der automatisierte Abruf bzw. Abgleich richtet sich gemäss den Artikeln 4 und 6 des PCSCAbkommens nach dem Recht der abrufenden Vertragspartei. Die darauffolgende Übermittlung von weiteren personenbezogenen Daten und sonstiger Informationen richtet sich hingegen gemäss Artikel 5 und 7 nach dem Recht (und den Bestimmungen über die Rechtshilfe) der ersuchten Vertragspartei. Die Schweiz kann sich somit als ersuchte Vertragspartei nach erfolgtem automatischem Abgleich für die danach folgende Übermittlung an die Vereinigten Staaten von Amerika von personenbezogenen und anderen Daten als Form der Rechtshilfe auf das innerstaatliche Recht (und auf für die Rechtshilfe geltende Regeln) berufen und eine Übermittlung der Daten allenfalls verweigern. So kann die Schweiz von den Vereinigten Staaten von Amerika auch die Zusage einfordern, dass die an sie gelieferten Daten nicht für die Verhängung der Todesstrafe verwendet werden, da diese gegen die öffentliche Ordnung gemäss Artikel 2 IRSG verstösst.

Artikel 6 (Automatisierter Abruf von DNA-Profilen): Absatz 1 macht diesen Abruf von mehreren Bedingungen abhängig: ­

Er steht in Einklang mit innerstaatlichem Recht.

­

Der Abruf ist zulässig bzw. in der Praxis möglich.

­

Die Durchführungsvereinbarungen (Art. 11 des PCSC-Abkommens) sind geregelt.

Dieser Vorbehalt beruht auf der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten von Amerika derzeit keine Rechtsgrundlage für die Übermittlung von DNA-Profilen ins Ausland haben (vgl. auch die Erläuterungen zu Artikel 8 und 29).

Artikel 6 Absatz 1 legt ausserdem ausdrücklich fest, dass die Vertragsparteien automatisierte Abrufe «nur im Einzelfall» und im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht der abrufenden Vertragspartei vornehmen können und dass die Abrufe den im Artikel 2 Absatz 2 genannten Zwecken dienen müssen. Wurde eine Übereinstimmung festgestellt, wird der abrufenden Vertragspartei der entsprechende anonymisierte Fundstellendatensatz automatisch zur Prüfung der Übereinstimmung übermittelt. Die abrufende Vertragspartei wird auch automatisch darüber informiert, wenn kein Treffer (No-Hit) erzielt worden ist.

Artikel 7 (Übermittlung weiterer personenbezogener Daten und sonstiger Informationen): Artikel 7 bezieht sich auf die Übereinstimmung von DNA-Profilen. Der Wortlaut der Norm ist identisch mit jenem von Artikel 5, der sich auf die Übereinstimmung von daktyloskopischen Daten bezieht. Es wird auf die dortigen Erläuterungen verwiesen.

Artikel 8 (Alternative Möglichkeiten zum Abruf von DNA-Daten): Dieser Artikel sieht eine Übergangslösung für den Austausch von DNA-Profilen für die Zeit zwischen dem Inkrafttreten dieses Abkommens und der Durchführung des automatisierten Abrufs von DNA-Profilen und anderen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen vor. Die Artikel 6 und 7 (Automatisierter Abruf von DNA-Profilen und 45

SR 312.0

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die entsprechende Übermittlung von Personendaten) können gemäss Artikel 29 Absatz 2 erst angewendet werden, wenn das amerikanische Recht die Umsetzung dieser beiden Artikel «auf der Grundlage der Gegenseitigkeit» zulässt. Bis dahin kann die Schweiz Ersuchen der Vereinigten Staaten von Amerika auf einen Datenbankabgleich im Einzelfall gestützt auf das geltende Recht vornehmen und das Ergebnis (Hit-/NoHit-Meldung) an die Vereinigten Staaten von Amerika übermitteln. Konkret erfolgt dieser Informationsaustausch über INTERPOL.

Artikel 9 (Nationale Kontaktstellen): Die Vertragsparteien benennen die nationalen Kontaktstellen, die für die Übermittlung der in den Artikeln 4 bis 8 des PCSCAbkommens genannten Daten zuständig sind. Wenn jede Vertragspartei eine nationale Kontaktstelle für den Austausch von DNA-Daten benennt (Artikel 6 und 7 des PCSC-Abkommens), kann sie eine oder mehrere Kontaktstellen festlegen, die für den Austausch daktyloskopischer Daten zuständig sind. Im Gesetz ist fedpol als die nationale Kontaktstelle zu bezeichnen. (fedpol übt diese Funktion bereits im Rahmen des Beschlusses 2008/615/JI aus.)

Artikel 10 («Kontingente») ermöglicht es den Vertragsparteien, durch Abschluss einer Durchführungsvereinbarung (Artikel 11) tägliche Kontingente zu vereinbaren, um die Zahl der in den Artikeln 4 bis 7 genannten Ersuchen zu begrenzen. Mit dieser Massnahme soll eine Überlastung der eingesetzten Personalressourcen und der genutzten Infrastruktur vermieden werden.

Artikel 11 («Durchführungsvereinbarung») sieht vor, dass die Vertragsparteien die technischen und prozeduralen Einzelheiten in einer oder mehreren Durchführungsvereinbarungen festlegen. Diese betreffen insbesondere die Kontingente, die verschiedenen Spezifikationen der verwendeten Schnittstellen und die Angaben zu den nationalen Kontaktstellen. Der Abschluss einer Durchführungsvereinbarung nach Artikel 6 Absatz 1 ist die Voraussetzung für die gegenseitige Abfrage von Daten.

Datenschutz Artikel 12­21 (Datenschutz): Der Datenschutz ist ein zentrales Regelungsthema beim PCSC-Abkommens.

Artikel 12 (Übermittlung personenbezogener Daten und sonstiger Informationen zur Verhinderung schwerer Straftaten sowie Handlungen im Zusammenhang mit Terrorismus): Es handelt sich hier um die Parallelnorm zu Artikel 16 des Beschlusses 2008/615/JI. Gestützt
auf geltendes Recht können diese Informationsübermittlungen bereits via den INTERPOL-Kanal vorgenommen werden. Das gilt auch für die im Absatz 1 vorgesehene spontane Informationsübermittlung. Dieser Absatz legt fest, dass in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht die Vertragsparteien einander «im Einzelfall auch ohne Ersuchen» bestimmte personenbezogene Daten und andere Informationen übermitteln können. Die Übermittlung solcher Daten muss als nötig erachtet werden, um strafbare Handlungen, die eine ernsthafte Bedrohung öffentlicher Interessen darstellen, zu verhindern. Die Notwendigkeit gilt als gegeben, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass die betreffende Person strafbare Handlungen im Zusammenhang mit Terrorismus, einer terroristischen Gruppierung oder Verschwörung sowie strafbare Handlungen im Zusammenhang mit schweren Straftaten, wie sie nach dem innerstaatlichen Recht der datenübermittelnden Vertragspartei bestimmt sind, begehen könnte. Jede Partei klärt ab, ob die Bedingungen für diese 51 / 88

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spontane Übermittlung gemäss ihrem innerstaatlichen Recht gegeben sind. Die Übermittlung von Informationen ist dem alleinigen Willen der Vertragsparteien überlassen und nur dann statthaft, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Absatz 2 listet die Daten auf, die übermittelt werden können; die Auflistung ist jedoch nicht abschliessend. Absatz 3 sieht vor, dass der Übermittlungsstaat Bedingungen für die Verwendung der Daten durch die empfangende Partei festlegen kann. Die empfangende Partei ist an diese Bedingungen gebunden. Dies gilt jedoch nicht für allgemeine Einschränkungen der Rechtsnormen der empfangenden Partei hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten. Dies ist in dem Sinne zu verstehen, dass es nicht möglich ist, die Schaffung eines spezifischen Datenschutzregimes zu erzwingen. So ist es beispielsweise nicht erlaubt, eine Bedingung hinsichtlich der maximalen Aufbewahrungsdauer der übermittelten Daten oder der Art und Weise, wie die empfangende Partei ihre Daten aufbewahrt, zu stellen. Andererseits sind Anforderungen z. B. bezüglich der Übermittlung von Daten an im Abkommen nicht erwähnte Behörden oder an ausländische Behörden möglich. Absatz 4 betrifft die Benennung einer oder mehrerer nationaler Kontaktstellen. Für die Schweiz ist fedpol die nationale Kontaktstelle.

Artikel 13 (Allgemeine Grundsätze des Datenschutzes): Kontaktstelle für die Umsetzung der Datenschutzbestimmungen ist der Inhaber der Informationssysteme, also fedpol. Die Befugnisse der betroffenen Person ergeben sich aus den Artikeln 8 und 9 DSG. Absatz 1 bestimmt, dass die Vertragsparteien in ihrem innerstaatlichen Recht ein hohes Schutzniveau gewährleisten müssen. Diese Bestimmung spiegelt die Bedeutung der Festlegung und Aufrechterhaltung angemessener Datenschutzstandards bei der Verarbeitung personenbezogener Daten wider. Absatz 2 erinnert an die wichtigen Grundsätze, die für jede Vertragspartei bei der Bearbeitung personenbezogener Daten gelten. Jede verpflichtet sich, sie zu respektieren. Dieser Absatz konkretisiert die im schweizerischen Recht bekannten Grundsätze von Treu und Glauben und der Gesetzmässigkeit (Art. 4 Abs. 1 und 2 DSG). Solche Daten dürfen daher nur verarbeitet werden, wenn es für den Zweck des Abkommens notwendig und verhältnismässig ist (Abs. 2 Bst. a). Diese Formulierung entspricht den
Anforderungen der Verhältnismässigkeit und der Eignung für den im schweizerischen Recht in Artikel 4 Absatz 2 und 3 DSG definierten Zweck. Insbesondere muss ein angemessenes Verhältnis zwischen dem mit der Bearbeitung personenbezogener Daten verfolgten Zweck und dem Interesse der betroffenen Person am Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte bestehen. Die Vertragsparteien müssen auch sicherstellen, dass die Daten richtig, aktuell und angemessen sind (Abs. 2 Bst. b). Diese Anforderung trägt der Tatsache Rechnung, dass die Verarbeitung unrichtiger Daten erhebliche Auswirkungen auf die betroffenen Personen haben kann. Die Vertragsparteien verpflichten sich, personenbezogene Daten nur so lange aufzubewahren, wie es für die Erfüllung des spezifischen Zwecks, zu dem die Daten nach diesem Abkommen zur Verfügung gestellt oder weiterverarbeitet wurden, erforderlich ist (Abs. 2 Bst. c). Wenn dieser Zweck nicht mehr gegeben ist, dürfen die Daten nicht mehr aufbewahrt und müssen vernichtet werden.

Absatz 3 legt fest, dass das Abkommen nur die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien in Bezug auf die Bearbeitung der im Rahmen dieses Abkommens zur Verfügung gestellten personenbezogenen Daten festlegt. Privatpersonen haben im Rahmen dieses Abkommens keine neuen eigenen Rechte. Das bestehende nationale Recht in diesem Bereich bleibt in Kraft und ist von diesem Abkommen nicht betroffen. Absatz 4 regelt die Kontrolle von Übermittlung, Empfang, Bearbeitung und Speicherung. Diese 52 / 88

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Kompetenz wird durch die nationalen Datenschutzbehörden sichergestellt. Die Vertragsparteien teilen einander die Namen der für die Durchführung der einschlägigen Bestimmungen zuständigen Behörden mit. Des Weiteren wird ausdrücklich auf die Zuständigkeit und die Befugnisse der unabhängigen Datenschutzbehörde gemäss dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien verwiesen. In der Schweiz ist diese Behörde der EDÖB.

Artikel 14 (Zusätzlicher Schutz bei der Übermittlung von personenbezogenen Daten besonderer Kategorien): Die in Absatz 1 genannten personenbezogenen Daten entsprechen den besonders schützenwerten Personendaten gemäss Artikel 3 Buchstabe c Ziffern 1 und 2 DSG. Solche Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn sie für die Anwendung dieses Abkommens von besonderer Bedeutung sind. Solche Daten dürfen jedoch nicht zur Verfolgung eigener Interessen verwendet werden, z. B. für eine einseitige Massnahme zur Verstärkung der Grenzkontrollen, die nicht mit diesem Abkommen in Zusammenhang steht. Nach Absatz 2 sind die Vertragsparteien verpflichtet, geeignete Sicherheitsmassnahmen zum Schutz dieser Daten zu ergreifen. Dazu gehören Massnahmen, die die Sicherheit der technischen Infrastruktur oder Zugangsrechte betreffen. Solche Massnahmen sind auch im DSG vorgesehen.

Artikel 15 (Bearbeitungsbeschränkungen zum Schutz personenbezogener Daten und sonstiger Informationen): Absatz 1 spezifiziert die Zweckbindung der übermittelten Daten. Unbeschadet der vom übermittelnden Staat festgelegten zusätzlichen Bedingungen (Art. 12 Abs. 3) dürfen die Daten nur für folgende Zwecke verarbeitet werden: ­

für den Zweck ihrer strafrechtlichen Ermittlung (Bst. a);

­

zur Verhinderung einer ernsthaften Bedrohung ihrer öffentlichen Sicherheit (Bst. b);

­

in ihren nicht strafrechtlichen Gerichts- und Verwaltungsverfahren, die in direktem Zusammenhang mit einer vorangegangenen Ermittlung stehen (Bst. c);

­

für jeden anderen Zweck, jedoch nur mit vorheriger Zustimmung der Vertragspartei, die die Daten übermittelt hat, in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht der übermittelnden Vertragspartei (Abs. 1 Bst. d).

Absatz 2 verbietet die Übermittlung von Daten an Drittstaaten oder internationale Organisationen ohne die vorherige und ausdrückliche Zustimmung der Vertragspartei, die die Daten zur Verfügung gestellt hat, und ohne die Gewährleistung angemessener Datenschutzmassnahmen ihrerseits. Die Herkunft der Daten ist sehr wichtig in Bezug auf die gesetzlichen Bestimmungen, die im Falle der Übermittlung von Daten gelten, die einem Drittstaat oder einer internationalen Organisation zur Verfügung gestellt werden. Es gilt, zwischen den folgenden Fällen zu unterscheiden: ­

Falls es sich bei den von der Schweiz übermittelten Daten um eigene Daten handelt, unterliegt der Austausch entsprechend den eigenen Vorgaben des innerstaatlichen Rechts;

­

falls es sich bei den von der Schweiz übermittelten Daten um solche handelt, die sie von einem anderen Schengen-Staat erhalten hat, sind auf diesen Datenaustausch die EU-Regeln zum Informationsaustausch mit einem Schengen-Drittstaat anwendbar, konkret: Artikel 349c ff. StGB. Die Weitergabe ist 53 / 88

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nur mit Zustimmung der Vertragspartei zulässig, welche die Daten der Schweiz zur Verfügung gestellt hat.

Die Absätze 3 und 4 definieren die Gründe und Bedingungen für die Weiterverarbeitung der übermittelten Daten. Sie legen auch die Bedingungen fest, unter denen die Daten dauerhaft und unverzüglich gelöscht werden müssen. Die Vertragsparteien dürfen daktyloskopische Daten oder DNA-Profile nur abfragen, um eine Übereinstimmung zwischen den abgeglichenen Daten festzustellen, um nach der Feststellung der Übereinstimmung ein Folgeersuchen zu stellen oder um im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht die obligatorische Protokollierung des durchgeführten Abgleichs zu veranlassen (Abs. 3). Die für die Datenverwaltung verantwortliche Vertragspartei darf die übermittelten Daten nur insoweit verarbeiten, als dies für einen Abgleich, für eine automatisierte Antwort im Zusammenhang mit einem Abgleich oder für Registrierungszwecke erforderlich ist (Abs. 4).

Artikel 16 (Anspruch der betroffenen Person auf Berichtigung, Sperrung und Löschung von Daten): Die Vertragsparteien verpflichten sich, die erhaltenen Daten zu berichtigen, zu sperren oder zu löschen, wenn sie unrichtig oder unvollständig sind oder wenn ihre Verwendung dem Zweck des Abkommens (Abs. 1) zuwiderläuft. Sind solche Daten übermittelt oder empfangen worden, sind geeignete Massnahmen zu treffen, wie Vervollständigung, Löschung, Berichtigung oder Kennzeichnung der Daten (Abs. 2). Ebenso muss bei Zweifeln an der Richtigkeit der Daten jede Partei die andere Partei unverzüglich informieren (Abs. 3). Diese Massnahmen sind ein Kontrollmechanismus, um die Verwendung falschen Daten zu verhindern. Soweit das innerstaatliche Recht es zulässt, können solche Daten, soweit die Löschung den Interessen der unmittelbar betroffenen Person oder anderer betroffener Personen zuwiderläuft, anstelle der Löschung auch gesperrt werden (Abs. 4). Mit Artikel 16 wird ein völkerrechtlicher Berichtigungs-, Sperrungs- und Löschungsanspruch zwischen den Vertragsparteien geschaffen. Es muss festgelegt werden, welche Behörde in der Schweiz für die Entgegennahme der Ersuchen von Privaten und für die Weiterleitung an die jeweilige US-Behörde zuständig ist. Gemäss Artikel 8 DSG ist dies jeweils der Inhaber der Datensammlung. Die Ansprüche der betroffenen Personen richten sich nach
dem bereits bestehenden innerstaatlichen Recht, das heisst, nach den im Artikel 20 (Sperrung) festgelegten Bestimmungen sowie nach Artikel 25 Absatz 3 Buchstabe a (Berichtigung, Sperrung und Vernichtung) DSG. Absatz 5 regelt die Löschung von Personendaten nach Ablauf der im nationalen Recht vorgesehenen Aufbewahrungsfrist. Die Höchstfrist für die Bearbeitung der Daten richtet sich nach dem innerstaatlichen Recht. Nach Artikel 16 Absatz 3 DNA-Profil-Gesetz und Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten beträgt die «Auffang-Löschfrist» 30 Jahre.

Artikel 17 (Dokumentation): Diese Bestimmung gewährleistet die Möglichkeit, die Zulässigkeit der Datenübermittlung zu überprüfen. Die Übermittlung und der Empfang von Personendaten ist durch die Vertragsparteien zu dokumentieren. Die Bestimmung nennt die zu dokumentierenden Angaben, die zuständigen Beamten sowie den Schutz und die Aufbewahrung der dokumentierten Informationen. Absatz 1 sieht vor, dass bei nicht automatisiertem Datenaustausch zur Überprüfung, ob die Übermittlung mit den Zwecken des PCSC-Abkommens übereinstimmt, von jeder Vertragspartei der Grund (Bst. a), der Inhalt (Bst. b), das Datum (Bst. c) sowie die beteiligten Behörden 54 / 88

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(Bst. d) dokumentiert werden müssen. In Bezug auf den in Artikel 4 und 6 des PCSCAbkommens vorgesehenen automatisierten Austauschs legt Absatz 2 fest, dass Abgleiche nur von Bevollmächtigten der nationalen Kontaktstelle durchgeführt werden dürfen. Die Person, die den Abruf vornimmt, muss protokolliert und identifizierbar sein (Bst. a). Jede Vertragspartei muss auch sicherstellen, dass jeder Empfang und jede Übermittlung aufgezeichnet werden. Dieser Datensatz muss den Inhalt, das Datum, den Ort und den Grund für den Vergleich enthalten (Bst. b). Durch diese Protokollierung ist es möglich, einen Abruf vollständig nachzuvollziehen. Alle oben genannten Aufzeichnungen müssen gegen zweckfremde Verwendung und sonstigen Missbrauch geschützt werden. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind die Protokolldaten unverzüglich zu löschen, sofern dies nicht dem innerstaatlichen Recht widerspricht (Abs. 3).

Artikel 18 (Datensicherheit): Dieser Artikel ist mit den technischen Modalitäten der Datenübermittlung als zusätzliche Massnahme zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit befasst. Die Vertragsparteien schützen personenbezogene Daten und «sonstige Informationen» vor unbefugten Formen der Verarbeitung. Personenbezogene Daten und andere Informationen sind vor unrechtmässiger oder versehentlicher Zerstörung, Verlust, Offenlegung oder Bearbeitung zu schützen. Zudem ist zu gewährleisten, dass nur autorisierte Personen Zugang zu diesen Daten haben (Abs. 1). Absatz 2 macht Angaben zu den technischen Zwecken, die in den im Art. 11 des PCSC-Abkommens genannten Durchführungsvereinbarungen zu spezifizieren sind. Daher muss jeder Vertragsstaat moderne Technologien oder anerkannte Verschlüsselungs- und Authentifizierungsverfahren verwenden. Ebenso muss ein Mechanismus geschaffen werden, der sicherstellt, dass nur zulässige Abfragen durchgeführt werden. AFIS und CODIS werden diese technischen Anforderungen vollständig erfüllen.

Artikel 19 (Transparenz ­ Information der betroffenen Personen): Die innerstaatlich geregelten Informations- und Berichtigungsrechte der Personen betreffend der Bearbeitung ihrer Personendaten sowie deren Einschränkungen bleiben vorbehalten. Absatz 1 sieht vor, dass das nationale Recht von den in diesem Abkommen festgelegten Datenschutzbestimmungen nicht berührt wird. Dementsprechend
haben Einzelpersonen ein Recht auf Zugang zu sie betreffenden Informationen, insbesondere über den Zweck der Datenbearbeitung, die Identität des für die Bearbeitung Verantwortlichen und die Empfänger. Die betroffene Person darf sich jedoch nicht direkt an die Behörde der anderen Vertragspartei wenden, sondern muss sich an die nationale Behörde ihres eigenen Staates wenden. Diese setzt sich gegebenenfalls im Rahmen von Artikel 20 des PCSC-Abkommens mit der zuständigen Behörde der anderen Vertragspartei in Verbindung. Diese Informationen können nach dem innerstaatlichen Recht jedes Vertragsstaates verweigert werden, wenn sie insbesondere den Zweck der Bearbeitung, die Ermittlungen oder die Rechte und Freiheiten Dritter gefährden könnten (Abs. 2).

Nach Schweizer Recht ist dies im Artikel 9 des DSG vorgesehen.

Artikel 20 (Überprüfung): Der Artikel ergänzt die im Artikel 16 aufgeführten Kontrollmechanismen und ermöglicht es einer Vertragspartei, von der Datenschutzbehörde der anderen Vertragspartei unter anderem auf Ersuchen einer betroffenen Privatperson zu verlangen, dass diese überprüft, ob die Übermittlung personenbezogener Daten in Übereinstimmung mit diesem Abkommen erfolgt ist.

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Artikel 21 (Ersuchen von Personen auf Zugang zu Daten und auf Berichtigung, Sperrung und Löschung von Daten sowie Entschädigungsverfahren): Diese Bestimmung verweist auf das innerstaatliche Recht, das heisst, auf das DSG. Dieses regelt die Behelfe bereits im Artikel 8 (Auskunftsrecht), Artikel 20 (Sperrung der Bekanntgabe) sowie Artikel 25 Absatz 3 Buchstabe a (Berichtigung, Sperrung und Löschung) DSG.

Entschädigungsansprüche nennt das DSG nicht explizit, diese können im Rahmen des VG geltend gemacht werden. Das Ersuchen ist an die zuständige Datenschutzbehörde seines Staates oder an eine andere zuständige Behörde im Sinne von Artikel 13 Absatz 4 (Abs. 2) zu richten. In der Schweiz ist dies der Eidgenössische Datenschutzund Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB). Diese Behörde ist nach Massgabe ihres innerstaatlichen Rechts und gemäss Artikel 16 oder 20 (Abs. 2) verantwortlich. Bei Verletzungen ihrer Datenschutzrechte stellen die Vertragsparteien einen angemessenen Rechtsbehelf (Abs. 3) sicher. Die Verfahren für den Zugang, die Berichtigung, die Sperrung, die Löschung und den Rechtsbehelf richten sich nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet die Rechte beansprucht werden (Abs. 4).

Artikel 22 (Unterrichtung): Dies Bestimmung statuiert die Pflicht der Vertragsparteien, sich gegenseitig über ihre innerstaatlichen Gesetze zum Schutz von Personendaten sowie deren Änderungen und über die Bearbeitung der gegenseitig übermittelten Personendaten sowie deren Ergebnis zu informieren, die für die Anwendung dieses Abkommens von Bedeutung sind (Abs. 1). Auf Anfrage unterrichtet die Vertragspartei, die die personenbezogenen Daten erhält, die übermittelnde Vertragspartei über die Verarbeitung der Daten und die Ergebnisse dieser Verarbeitung (Abs. 2). Die Vertragsparteien informieren auch gegenseitig über Ersuchen von betroffenen Personen nach Artikel 21 (Abs. 3).

Artikel 23 (Verhältnis zu anderen Abkommen): Dieser Artikel legt fest, dass dieses Abkommen die Rechte und Pflichten, die sich aus anderen bilateralen Abkommen zwischen den beiden Vertragsparteien oder aus internationalen Übereinkünften ergeben, an die sie gebunden sind, nicht berührt.

Artikel 24 (Konsultationen): Der Artikel sieht regelmässige Konsultationen zwischen den Vertretern beider Parteien vor, um die Umsetzung
seiner Bestimmungen zu überwachen und gegebenenfalls zu verbessern (Abs. 1). Er sieht auch einen Mechanismus für die Beilegung von Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Abkommens vor (Abs. 2). Dieser Mechanismus wird genutzt, um Lösungen zu finden, die eine mögliche Kündigung (Art. 26) oder Suspendierung (Art. 27) vermeiden würden.

Artikel 25 (Kosten): Beide Vertragsstaaten tragen ihre jeweiligen Kosten zur Umsetzung des Abkommens.

Artikel 26 (Kündigung): Das Abkommens kann von jeder Vertragspartei mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Für die bereits gemäss Abkommen ausgetauschten Daten gelten die Bestimmungen des PCSC-Abkommens über die Kündigung hinaus, es sei denn, die Vertragsparteien hätten etwas Anderes vereinbart.

Artikel 27 (Suspendierung): Das Abkommen kann von jeder Partei ausgesetzt werden, wenn die andere Partei «in grundlegender Weise gegen dieses Abkommen verstösst» 56 / 88

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oder nationales Recht anwendet, um das Ziel des Abkommens zu untergraben. Dieser Artikel sieht vor, dass das Abkommen ganz oder teilweise ausgesetzt wird, wenn die Konsultationen nach Artikel 24 nicht zur Beilegung von Streitigkeiten, insbesondere solchen über den Datenschutz, führen. Die Aussetzung wird der anderen Vertragspartei auf diplomatischem Wege notifiziert und tritt mit Erhalt der Notifikation in Kraft.

Dasselbe Verfahren gilt für die Aufhebung der Suspendierung (Abs. 1). Zwischen den Parteien finden Konsultationen mit dem Ziel statt, die Streitigkeit beizulegen (Abs. 2).

Der im Artikel 24 vorgesehene Konsultationsmechanismus kann auch während der Dauer der Aussetzung angewandt werden.

Artikel 28 (Änderungen): Der Artikel sieht die Möglichkeit vor, das Abkommen an mögliche Entwicklungen anzupassen. Zu diesem Zweck finden Konsultationen statt.

Änderungen können jederzeit durch schriftliche Vereinbarung der Parteien vorgenommen werden. Die internen Genehmigungsverfahren bleiben anwendbar.

Artikel 29 (Inkrafttreten): Der Artikel sieht einen Notenwechsel zwischen den beiden Parteien vor, um sich gegenseitig über den Abschluss des internen Genehmigungsverfahrens zu informieren. Dreissig Tage nach der Absendung der Notifikation der zweiten Vertragspartei tritt das Abkommen in Kraft (Abs. 1). In Bezug auf den Austausch von DNA-Profilen, personenbezogenen Daten und anderen Informationen nach den Artikeln 6 und 7 ist es notwendig, den Abschluss der im Artikel 11 genannten Durchführungsvereinbarungen und die Bestätigung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit im Recht durch die Vereinigten Staaten abzuwarten (Abs. 2). Geltendes Recht der Vereinigten Staaten gestattet noch keinen Austausch von DNA-Daten (vgl. dazu die Ausführungen zu Artikel 8).

Weitere Bestimmungen Anhang (Deliktskatalog): Der Anhang enthält eine Liste schwerer Straftaten, die in den Geltungsbereich des PCSC-Abkommens fallen. Artikel 359 StGB bestimmt, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als «schwere Straftaten» im Sinne des PCSC-Abkommens gelten (vgl. Ziff. 6.2.1).

5

Ausführungen zu den Umsetzungserlassen

5.1

Die beantragte Neuregelung

Die Vorlage umfasst zwei Teile. Der erste umfasst die Genehmigung und Umsetzung des Abkommens mit der EU betreffend Prüm und von Eurodac. Der zweite Teil betrifft die Genehmigung und Umsetzung des PCSC-Abkommen mit den USA über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten.

Der Grundsatz der Einheit der Materie verbietet es, dass in einer einzigen Vorlage über mehrere Fragen, die ohne inneren Zusammenhang voneinander sind, abgestimmt wird. Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Regelungselementen einer Vorlage ein «sachlicher Zusammenhang» besteht. Im vorliegenden Fall wird das Geschäft mit zwei Bundesbeschlüssen behandelt: Der erste betrifft den Bundesbeschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Abkommens über die Beteiligung an Prüm und des mit der EU vereinbarten Eurodac57 / 88

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Protokolls. Zwischen diesen beiden Rechtsakten besteht eine enge materielle und rechtliche Verbindung. Die Anwendbarkeit des einen hängt von der Anwendbarkeit des anderen ab. Darüber hinaus verfolgen sie beide dasselbe Ziel, nämlich die Verhütung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und des Terrorismus.

Folglich wurden sie in einem einzigen Bundesbeschluss zusammengefasst.

Der zweite betrifft den Bundesbeschluss zur Genehmigung und Umsetzung des PCSC-Abkommens mit den Vereinigten Staaten über die Verhütung und Bekämpfung schwerer Straftaten. Das Abkommen ist inhaltlich unabhängig. Dennoch deckt es teilweise dieselben Bereiche der Zusammenarbeit ab wie das Abkommen über die Beteiligung an Prüm, nämlich den Austausch von DNA-Profilen und Fingerabdrücken. Mit dem Abkommen wird auch dasselbe Ziel wie mit den beiden europäischen Abkommen verfolgt.

Daher sollten diese Dossiers in einer einzigen Botschaft behandelt werden.

Wie oben in Ziffer 4 aufgezeigt sind die Abkommen teilweise nicht direkt anwendbar, oder sie erfordern eine Anpassung des Landesrechts. Folglich muss das Landesrecht in gewissen Punkten angepasst werden. Der Vorschlag sieht daher die Aufnahme einzelner Bestimmungen in das StGB, in das DNA-Profil-Gesetz sowie in das AsylG und das AIG vor.

Geregelt wird in diesen Bestimmungen der Ablauf des Abgleichs und der nachfolgenden Übermittlung der Ergebnisse dieser Abgleiche. Dazu wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen für die Zusammenarbeit zwischen Bund und den Kantonen sowie zwischen dem Bund und den Vertragsstaaten im Rahmen des Abkommens zur Beteiligung an Prüm, dem Eurodac-Protokoll sowie dem PCSC-Abkommen. Die gesetzliche Grundlage umfasst den zwischenstaatlichen Abgleich von daktyloskopische Daten, DNA-Profilen und den automatisierten Abruf von Daten über Fahrzeuge und Fahrzeughalter.

Zusätzlich muss die Zuständigkeit der verschiedenen am Abgleich und an der Übermittlung beteiligten inländischen Behörden geregelt werden.

Umgesetzt werden die grundsätzlichen Regelungen zum einen im StGB für die grundsätzlichen Aspekte sowie spezifisch für die DNA-Profile im DNA-Profil-Gesetz. Der Abgleich von daktyloskopischen Daten wird zusätzlich im AsylG sowie im AIG geregelt.

5.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Umsetzung des Abkommens zur Beteiligung an der Prümer Zusammenarbeit, des PCSC-Abkommens und des Eurodac-Protokolls in der Schweiz führt zu Aufwendungen finanzieller und personeller Art für die Bundesverwaltung und die Kantone. Diese unter Ziffer 7 erwähnten Aufwendungen müssen jedoch den grossen Vorteilen gegenübergestellt werden, die die neuen Möglichkeiten infolge der Umsetzung der beiden Abkommen sowie des Protokolls bieten. Der vereinfachte Abgleich von daktyloskopischen Daten und DNA-Profilen mit den Mitgliedstaaten der EU sowie mit den Vereinigten Staaten von Amerika wird für die schweizerischen Strafverfolgungsbehörden

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ein wichtiger Vorteil sein. Ausserdem können diese Behörden auch die Eurodac-Datenbank abfragen. All diese Entwicklungen führen zu einer Erhöhung der Sicherheit in der Schweiz.

5.3

Umsetzungsfragen

Der Bund und die Kantone müssen die zur Umsetzung ins Landesrecht nötigen Normen schaffen. Im kantonalen Recht besteht Regelungsbedarf, sofern dieses das Antragsrecht auf Abgleich gemäss den Artikeln 357 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 5 und 359 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 5 StGB sowie den Artikeln 13a Absatz 3 Buchstabe d und 13b Absatz 3 Buchstabe d DNA-Profil-Gesetz noch nicht vorsieht. Ebenso muss garantiert werden, dass das Datenschutzniveau der Kantone den Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2016/680/JI entspricht, damit Daten nach Massgabe des Abkommens über die Beteiligung an Prüm und des Eurodac-Protokolls bearbeitet werden dürfen.

Die Anwendung der neuen Regelungen wird sich weitgehend auf erprobte Abläufe stützen können.

Die Kantone erhalten über ihre Behörden erweiterte Möglichkeiten für den Abgleich von DNA-Profilen und daktyloskopischen Daten sowie zum Austausch von Daten zu Fahrzeugen und Fahrzeughaltern.

6

Erläuterungen zu den Bestimmungen der Umsetzungserlasse

6.1

Beschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit) und des Eurodac-Protokolls zwischen der Schweiz, der EU und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke

6.1.1

Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration

Art. 111j Diese Bestimmung regelt den Zugang der Schweizer Behörden zu Eurodac zum Zwecke des Abgleichs daktyloskopischer Daten mit den dort gespeicherten Daten.

Laut Absatz 1 ist das SEM die nationale Zugangsstelle in diesem Bereich, da es einen eigenen direkten Zugang zur Eurodac-Datenbank hat. Das SEM ist berechtigt, Fingerabdrücke abzugleichen.

Der Abgleich kann neu zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung in Fällen von Terrorismus oder anderen schweren Straftaten durchgeführt werden. Der 59 / 88

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Begriff der schweren Straftat ist im Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe k der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 definiert. Dabei handelt es sich um Straftaten, die den in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl aufgeführten Straftaten entsprechen oder gleichwertig sind, sofern diese Straftaten nach innerstaatlichem Recht mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Massnahme im Höchstmass von mindestens drei Jahren bedroht sind.

Ein solcher Abgleich wird nach einer Überprüfung der für den Erhalt der Daten erforderlichen Bedingungen durch fedpol eingeleitet.

Absatz 2 listet die Behörden auf, die berechtigt sind, einen Abgleich der Fingerabdrücke in Eurodac für die oben genannten Zwecke zu beantragen. Der Antrag auf Zugang zu Eurodac-Daten muss bei fedpol eingereicht werden.

Absatz 3 sieht vor, dass die Einsatz- und Alarmzentrale von fedpol die nationale Prüfstelle gemäss Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 ist. Diese Behörde prüft, ob die in Artikel 20 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 genannten Zugangsbedingungen für die Einleitung eines Abgleichs von Fingerabdrücken in Eurodac erfüllt sind.

Wenn die Bedingungen erfüllt sind, initiiert fedpol das Ersuchen um Abgleich und leitet es an die nationale Zugangsstelle beim SEM weiter, die gemäss Artikel 4 den automatisierten Abgleich der Daten in der Eurodac-Datenbank durchführt. Das Ergebnis erscheint in Form einer Hit-/No-Hit-Antwort. Im Falle einer Übereinstimmung ­ eines Hits ­ muss das Ergebnis überprüft werden. Die Überprüfung wird von fedpol gemäss Artikel 102ater Absatz 1 durchgeführt.

Im Anschluss an die Konsultation wurde die in den Absätzen 3 und 4 verwendete Bezeichnung «zentrale Zugangsstelle» in Übereinstimmung mit der im Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 verwendeten Terminologie in «nationale Prüfstelle» abgeändert. Obwohl andere Informationssysteme wie das zentrale Visasystem (C-VIS) oder das Schengener Ein- und Ausreisesystem (EES) als «zentrale Zugangsstelle» bezeichnet werden, wird für diese Datenbank der in der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 verwendete Begriff übernommen.

In einem ausserordentlichen Notfall kann der Abgleich gemäss Absatz 5 vor der Überprüfung der Bedingungen gemäss Absatz 3 vorgenommen werden.

Bei Ersuchen der Kantone und Bundesstellen,
einschliesslich anderer fedpol-Einheiten, prüft die Einsatz- und Alarmzentrale von fedpol, ob die Voraussetzungen für eine Kaskadenabfrage erfüllt sind (vgl. Erläuterung zu Art. 9 Abs. 1 [«Automatisierte Abfrage»], Ziff. 5.1.1). fedpol prüft allenfalls eigene Ersuchen. Dies ist zulässig, da nach Artikel 6 Absatz 1 der EU-Verordnung Nr. 603/2013 die Prüfstelle und die ersuchende Dienststelle zwar derselben Organisation angehören können, ihre Unabhängigkeit jedoch gewährleistet sein muss. Diese Unabhängigkeit ist gewährleistet, da die Einsatzund Alarmzentrale von fedpol, die eine Überprüfungsbehörde ist, weder von Eurodac noch von anderen europäischen Informationssystemen Daten anfordert, da sie dazu nicht befugt ist, weil sie nicht für die Durchführung von Ermittlungen zuständig ist.

Der Begriff der «terroristischen Straftaten» ist sowohl im Prümer Beschluss 2006/615/JI (zur Umschreibung des Anwendungsbereichs des polizeilichen Informationsaustausches zur Verhinderung von Terrorismus, Art. 16) als auch in der Eurodac-

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Verordnung (im Hinblick auf die Zweckbestimmung für die Zugriffsrechte der Strafverfolgung) von Bedeutung. In beiden Fällen verweisen die jeweiligen Bestimmungen auf den Deliktskatalog des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI, doch wurde dieser durch die Richtlinie (EU) 2017/541 aufgehoben und ersetzt. Obwohl dieser Umstand weder im Abkommen zur Beteiligung an Prüm noch im Eurodac-Protokoll formell berücksichtigt wurde, sollte auch in der Schweiz die Richtlinie als Massstab herangezogen werden. Die Richtlinie ist nämlich in allen gleichartigen Fällen massgebend. Die Massgeblichkeit der Begrifflichkeit der Richtlinie bedeutet jedoch nicht, dass die Schweiz die darin enthaltenen Straftatbestände tatsächlich schaffen muss. Vielmehr geht es darum, dass der nationale Gesetzgeber festlegt, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als terroristische Straftaten im Sinne der Richtlinie gelten. Da damit der sachliche Anwendungsbereich der genannten Instrumente umschrieben wird, muss diese Festlegung im Gesetz erfolgen. Absatz 6 legt entsprechend fest, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als terroristische Straftaten im Sinne der Definitionen der Richtlinie gelten.

Der Begriff der «schweren Straftaten» wird in der Eurodac-Verordnung durch einen Verweis auf den Rahmenbeschluss 2002/584/JI näher bestimmt. Diese Straftaten müssen zudem mit einer Strafe von mehr als drei Jahren bedroht sein. Für die landesrechtliche Zuordnung der in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI genannten Straftaten kann vollumfänglich auf Anhang 1 des SIaG verwiesen werden, der die Delikte den Straftatbeständen des nationalen Rechts zuordnet. Zwar wurde Anhang 1 des SIaG ursprünglich zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI erlassen. Inhaltlich stimmt Anhang 1 allerdings mit dem Deliktskatalog gemäss Eurodac-Verordnung überein, weshalb auf ihn verwiesen werden kann. Dieser Verweis muss im Gesetz selber erfolgen. Absatz 6 verweist zu diesem Zweck auf Anhang 1 des SIaG. Von den im Anhang 1 des SIaG genannten Straftaten werden nur diejenigen von der Eurodac-Verordnung erfasst, die mit einer Strafe von mehr als drei Jahren bedroht sind. Andernfalls muss die Übermittlung von Personendaten abgelehnt werden.

6.1.2

Asylgesetz

Artikel 99 Absätze 2­4 Die Abkürzung fedpol für Bundesamt für Polizei wird in diesem Artikel eingeführt.

Inhaltlich bleibt der Artikel aber ansonsten unverändert.

Artikel 102aquater Dieser Artikel übernimmt den Inhalt von Artikel 111j AIG, da Eurodac neben Daten über Personen, die illegal in den Schengen-/Dublin-Raum eingereist sind, auch Daten über Asylsuchende enthält.

Im Übrigen sei auf den Kommentar zur Bestimmung des AIG verwiesen (vgl.

Ziff. 6.1.1 oben).

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6.1.3

Strafgesetzbuch

Neuer Zwischentitel: 5quinquies: Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens zur Beteiligung an Prüm Der Zwischentitel macht die neuen Artikel 356 ff. StGB zur Beteiligung an Prüm innerhalb des Gesetzes kenntlich und grenzt sie vom vorherigen Zwischentitel 5quater (SIRENE-Büro) ab.

Die nachfolgenden Artikel regeln umfassend die Umsetzung des Abkommens zur Beteiligung an Prüm bezüglich des Abgleichs von Fingerabdrücken und DNA-Profilen und der Übermittlung von Daten über Eigentümerinnen und Eigentümer sowie über Fahrzeuge und Fahrzeughalter.

Artikel 356 Absatz 1 hält fest, dass der Bund und die Kantone die Vertragsstaaten, die am Abkommen zur Beteiligung an Prüm beteiligt sind, insbesondere bei der Bekämpfung von Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität unterstützen. Der Absatz dient als Grundlage für den Abruf daktyloskopischer Daten und Daten über Fahrzeuge und Fahrzeughalter. Der Absatz dient auch dazu, zu bestimmen, zu welchen Zwecken Daten ausgetauscht werden dürfen.

Absatz 2 erlaubt den nationalen Kontaktstellen der Vertragsstaaten in der Phase der Abfrage einzelfallweise den Abruf indexierter Daten aus den schweizerischen Informationssystemen. Mit dem Begriff «Einzelfall» wird ein einzelner «Ermittlungs- oder Strafverfolgungsakt» bezeichnet. Der Abruf der DNA-Profil-Daten wird spezialgesetzlich im Artikel 13a Absatz 1 E-DNA-Profil-Gesetz geregelt. Der Abruf der Daten über Fahrzeuge und Fahrzeughalter liegt in der Zuständigkeit des ASTRA und ist im Artikel 357 Absatz 4 E-StGB geregelt.

Der Beschluss 2008/615/JI nennt in Artikel 9 Absatz 1 als Zweck des Abgleichs daktyloskopischer Daten die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten. Weder der Beschluss 2008/615/JI noch das Abkommen zwischen der Schweiz und der EU zur Prümer Zusammenarbeit beinhaltet eine Definition der «Straftat» oder einen Deliktskatalog (vgl. Ziff. 5.1.1).

Absatz 3 bestimmt, dass die nationale Kontaktstelle nach Artikel 357 Absatz 1 zur Verfolgung strafbarer Handlungen aufgrund eines Antrags den Abgleich mit den daktyloskopischen Daten in den Informationssystemen der Vertragsstaaten vornimmt.

Die Bestimmung ist als Parallelnorm zu Artikel 13a Absatz 2 DNA-Profil-Gesetz zu verstehen, der dieselbe Regelung für DNA-Profile nach Artikel 3 des Beschlusses 2008/615/JI aufstellt. Die massgebliche Norm ist hier Artikel
354 Absatz 1 StGB.

Dieser sieht vor, dass erkennungsdienstliche Daten bzw. die relevanten daktyloskopischen Daten für die Zwecke der «Strafverfolgung» erhoben werden können, womit alle drei Deliktskategorien gemäss StGB erfasst sind, also die Übertretungen, die Vergehen und die Verbrechen. Die Verordnung über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten meint dasselbe, wenn sie in ihrem Artikel 2 Buchstabe b vorsieht, dass daktyloskopische Spuren im Zusammenhang mit der Verfolgung «strafbarer Handlungen» bearbeitet werden dürfen. Entsprechend sieht Absatz 3 neu vor, dass ein Abgleich mit den daktyloskopischen Daten in den Informationssystemen der 62 / 88

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Vertragsstaaten erlaubt ist, wenn er der Verfolgung «strafbarer Handlungen» dient.

Damit ist auch im Bereich der daktyloskopischen Daten der Kreis der Delikte, für die seitens der Schweiz im Rahmen von Prüm ein Abgleich in den Informationssystemen der beteiligten Staaten angeordnet werden kann, deckungsgleich mit dem Kreis der Delikte, zu deren Aufklärung nach schweizerischem Landesrecht die Bearbeitung daktyloskopischer Daten erfolgen darf.

Artikel 357 Während Artikel 356 E-StGB den Zugriff der ausländischen Vertragsstaaten auf die schweizerischen Informationssysteme für daktyloskopische Daten und DNA-Profile regelt, wird mit der vorliegenden Bestimmung in umgekehrter Richtung den nationalen Kontaktstellen der Schweiz der Abruf von Daten in den Informationssystemen der Vertragsstaaten ermöglicht.

Dieser Artikel setzt die Artikel 6, 11, 12, 15 und 16 Absatz 3 des Beschlusses 2008/615/JI um.

Absatz 1 definiert fedpol als die nationale Kontaktstelle für den Austausch von daktyloskopischen Daten und Personendaten. Was den Austausch von Polizeidaten seitens der Schweiz betrifft, wird fedpol die Funktion einer nationalen Kontaktstelle übertragen. Dies muss der Europäischen Kommission zu gegebener Zeit mitgeteilt werden.

fedpol ist bereits heute der Single Point of Contact im Bereich der internationalen Polizeizusammenarbeit. Die nationale Kontaktstelle wirkt sowohl in der Phase 1 (Abfrage der biometrischen Daten und Prüfung, ob ein Treffer vorliegt) als auch in der Phase 2 (Übermittlung der personen- und fallbezogenen Daten an den ersuchenden Staat, sofern ein Treffer vorliegt) gemäss dem Abkommen zur Beteiligung an Prüm.

Die potenziellen Treffer des Abgleichs daktyloskopischer Daten werden durch Spezialistinnen und Spezialisten bei fedpol verifiziert.

Die Absätze 1 und 2 regeln den Austausch der Polizeidaten, Absatz 4 jenen von Fahrzeughalter- und Fahrzeugdaten. Die Aufzählung der Aufgaben ist bewusst nicht abschliessend («namentlich»), um so eine einfache Ergänzung zu ermöglichen.

Absatz 2 Buchstabe a, der vorsah, dass die Kontaktstelle Anträge entgegennimmt, ist im Nachgang zur Vernehmlassung konkretisiert worden. Unter Buchstabe a wird nun präzisiert, dass die Kontaktstelle den Abgleich vornimmt.

Nach Buchstabe b überprüft die nationale Kontaktstelle (fedpol) die Treffer, die im Informationssystem
für Fingerabdrücke eines Vertragsstaats erzielt worden sind. Präzisiert wird Buchstabe b, da der Treffer als Resultat des Abgleichs und nicht etwa der Antrag um den Abgleich durch die nationale Kontaktstelle geprüft wird.

Buchstabe c verweist auf die zweite Phase, also den beantragten Austausch von Personendaten und anderen fallrelevanten Informationen, die einen Zusammenhang mit einem in der ersten Phase verifizierten Treffer aufweisen. Als Personendaten gelten die im IPAS verzeichneten Daten. Der Begriff «weitere verfügbare Angaben» kann Informationen umfassen, die beispielsweise mit einem Fall in Zusammenhang stehen, einen Modus Operandi betreffen oder sofort verfügbare Angaben zur Identität einer Person. Auf jeden Fall muss es möglich sein, polizeiliche Informationen auf vereinfachte Weise (Prinzip der Verfügbarkeit) ohne Anwendung von Zwangsmassnahmen 63 / 88

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auszutauschen. Auf jeden Fall werden «weitere verfügbare Angaben gemäss 10 des Beschlusses 2008/615/JI » nur übermittelt, soweit dies nach schweizerischem Recht vorgesehen ist. In der Schweiz gibt es keine umfassende gesetzliche Grundlage für die internationale Amtshilfe. Deshalb wurden in den jeweiligen Bereichen besondere Regeln der internationalen Zusammenarbeit erarbeitet. So findet sich die gesetzliche Grundlage im Bereich der Geldwäsche im Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 199746. Ist eine Beschränkungsmassnahme vorgesehen oder sollen die Informationen als Beweismittel in Gerichtsverfahren verwendet werden, wird die Übermittlung dieser Informationen durch das IRSG geregelt.

Buchstabe d verweist auf die Bestimmungen im Beschluss 2008/615/JI, die die verschiedenen Zwecke des Informationsaustausches festlegen.

Buchstabe e erlaubt es fedpol, die eigenen maximalen täglichen daktyloskopischen Abrufkapazitäten gemäss Artikel 13 des Beschlusses 2008/616/JI dem Generalsekretariat des Rates mittels Erklärung mitzuteilen.

Im Absatz 3 werden die Schweizer Behörden angegeben, die Abgleiche beantragen können. Diese Behörden dürfen dies nur im Rahmen der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben tun.

Im Absatz 4 wird das ASTRA als die nationale Kontaktstelle für den Austausch von Daten von Fahrzeugen und Fahrzeughaltern benannt. Zudem wird die gesetzliche Grundlage für den Zugang der Prüm-Partnerstaaten auf Daten im Subsystem IVZFahrzeuge geschaffen. Der zweite Satz verweist auf Artikel 12 Absatz 1 des Beschlusses 2008/615/JI (siehe Ziff. 5.1.1), wonach der Zugang zulässig ist zur Verfolgung von Straftaten, zur Verfolgung von Verstössen, die beim abrufenden Mitgliedstaat in die Zuständigkeit der Gerichte oder Staatsanwaltschaften fallen, und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Unter diese Verstösse fallen auch Delikte gemäss SVG und weitere Ordnungsbussen, da sämtliche solche Entscheide potenziell in die Zuständigkeit eines Gerichts bzw. der Staatsanwaltschaft fallen können. Die Mitgliedstaaten der EU nutzen den Zugang zu diesen Informationen bereits heute mittels EUCARIS umfassend, auch zur Verfolgung von einfachen Verkehrsbussen. Absatz 4 (dritter Satz) verweist zudem auf Artikel 15 sowie Kapitel 3 des Anhangs des Beschlusses 2008/616/JI. Damit wird präzisiert, dass der Zugang auf
das IVZ-Subsystem nicht direkt erfolgt, sondern via den von allen Prüm-Vertragsstaaten gemeinsam genutzten Server «EUCARIS-Prüm». Daten über Fahrzeuge und Fahrzeughalter werden vollständig automatisiert und ohne menschliches Zutun ausgetauscht.

Der Begriff der «terroristischen Straftaten» ist sowohl im Prümer Beschluss 2006/615/JI (zur Umschreibung des Anwendungsbereichs des polizeilichen Informationsaustausches zur Verhinderung von Terrorismus, Art. 16) als auch in der EurodacVerordnung (im Hinblick auf die Zweckbestimmung für die Zugriffsrechte der Strafverfolgung) von Bedeutung. Absatz 5 legt fest, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als terroristische Straftaten gelten. Für weiterführende Informationen kann auf die Kommentierung von Artikel 111j Absatz 6 AIG verwiesen werden (6.1.1).

46

SR 955.0

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6.1.4

DNA-Profil-Gesetz

Artikel 1 Der bestehende Regelungsbereich des DNA-Profil-Gesetzes muss um den grenzüberschreitenden Datenaustausch im Rahmen der Abkommen ergänzt werden (Abs. 1 Bst. d).

Neuer Abschnitt vor Artikel 13a Das geltende DNA-Profil-Gesetz enthält mit Artikel 13 nur eine einzige Bestimmung zur internationalen Zusammenarbeit. Da zu diesem Themenbereich zusätzliche Bestimmungen (Art. 13a und 13b E-DNA-Profil-Gesetz) hinzukommen, wird ein eigenständiger neuer «4. Abschnitt: Internationale Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens zur Beteiligung an Prüm und des PCSC-Abkommens» geschaffen.

Artikel 13a Die Spezialregeln zum grenzüberschreitenden Datenaustausch im Bereich der DNADaten (Profile und Spuren) werden im DNA-Profil-Gesetz (Art. 1) geregelt. Unter Personenprofile können auch DNA-Profile von nicht identifizierten Leichen und vermissten Personen fallen. Der Beschluss 2008/615/JI dient lediglich der Verfolgung von Straftaten und definiert den Begriff der Straftat nur restriktiv. Er verweist, was den Informationsaustausch zur Terrorismusverhinderung anbelangt, zwecks Definition des Begriffs der «terroristischen Straftaten» auf die Deliktsliste des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI (vgl. Kommentierung von Art. 16 des Beschlusses 2008/615/JI, Ziff. 4.1.1). Was den Begriff der Straftaten im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Kriminalität anbelangt, so nimmt der Beschluss 2008/615/JI keinen Bezug auf andere europäische Rechtsakte und enthält keinen spezifischen Deliktskatalog.

Artikel 13a ist eine generelle Norm. Als solche regelt sie die Umsetzung des Abkommens zur Beteiligung an Prüm, will heissen, den Abruf und Abgleich von DNAProfilen, hinreichend.

Absatz 1 legt fest, dass der Bund und die Kantone die Vertragsstaaten des Abkommens zur Beteiligung an Prüm insbesondere bei der Bekämpfung von Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität unterstützen. Er dient als Grundlage für die Abfrage der Daten und für die Festlegung, welche Daten zu welchen Zwecken ausgetauscht werden dürfen.

Im Absatz 2 wird die erforderliche eigenständige, formell-gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass Vertragsstaaten im Abrufverfahren einzelfallweise selber einen Abgleich im DNA-Profil-Informationssystem nach Artikel 10 DNA-Profil-Gesetz vornehmen können.

Die Aufgaben der schweizerischen Kontaktstelle bei der Bearbeitung von Prüm-Anfragen sind nach den folgenden zwei Phasen zu unterscheiden: ­

Phase 1: Das eingehende DNA-Profil wird rein automatisiert (also ohne manuellen Zwischenschritt) in CODIS abgeglichen, das anonymisierte Resultat wird automatisiert zurückgemeldet; 65 / 88

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­

Phase 2: Zusätzliche personenbezogene Informationen werden bei einem verifizierten Hit, also einer Übereinstimmung, auf Anfrage durch den Dienst Internationale Identifizierungen (INTID) über Interpol oder SIENA47 ans Ausland weitergeleitet.

Die Vertragsstaaten am Abkommen zur Beteiligung an Prüm können die Schweiz anfragen, ob ein bestimmtes DNA-Profil (Person oder Spur) einen Hit im schweizerischen DNA-Profil-Informationssystem CODIS erzielt. Die nationale Kontaktstelle eines zugriffsberechtigten Staates erhält bei einem Abgleich eines Profils mit CODIS automatisch die Fundstellendatensätze, die mit dem Profil übereinstimmen. Kann kein Hit, also keine Übereinstimmung festgestellt werden, so wird das ebenfalls automatisch mitgeteilt. Massgebendes Recht ist dabei das innerstaatliche Recht des «abrufenden» Staates.

Nach einem durch die Schweiz an den anfragenden Staat automatisch gemeldeten und durch den anfragenden Staat verifizierten Hit werden auf dem Weg der klassischen Amtshilfe via INTERPOL oder Europol die Informationen zur Person oder weitere Informationen ausgetauscht.

Ebenso nennt Absatz 2 die Zwecke gemäss dem Abkommen zur Beteiligung an Prüm, zu welchem dieser Abgleich erfolgen darf: Der Abgleich dient der Verfolgung von Straftaten.

Gemäss Absatz 3 kann die nationale Kontaktstelle den Abgleich eines DNA-Profils in den Informationssystemen der Vertragsstaaten aufgrund eines Antrags vornehmen.

Die nationale Kontaktstelle nimmt die Anträge der berechtigten Schweizer Behörden auf Abgleich (vgl. Abs. 4) entgegen. Im Nachgang zur Vernehmlassung wurde Absatz 3 dahingehend präzisiert, dass die Kontaktstelle den Abgleich vornimmt. Zuvor sah Absatz 3 vor, dass die Kontaktstelle die Anträge entgegennimmt. Gemäss dem Grundsatz der doppelten Strafbarkeit muss die Tat in beiden Staaten strafbar sein. Für die Schweiz entspricht die Definition der Straftatbestände den Straftaten und Vergehen, bei denen die Erstellung und der Abgleich von DNA-Profilen nach Artikel 255 StPO zulässig ist. Artikel 3 Absatz 1 DNA-Profil-Gesetz und Artikel 255 StPO bestimmen gleichlautend, dass Probenahmen und DNA-Analysen in Strafverfahren zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens zulässig sind. Absatz 3 wurde folglich dahingehend geändert, dass die nationale Kontaktstelle nach Artikel 357 Absatz 1 StGB aufgrund eines Antrags den Abgleich eines DNA-Profils mit den DNA-Profil-Informationssystemen der Vertragsstaaten vornimmt, wenn dies für die Aufklärung eines Vergehens oder Verbrechens erforderlich ist. Damit ist der Kreis der Delikte, für die
seitens der Schweiz im Rahmen von Prüm ein Profilabgleich angeordnet werden kann, deckungsgleich mit dem Kreis der Delikte, zu deren Aufklärung nach schweizerischem Landesrecht die Erstellung eines DNA-Profils angeordnet werden kann.

Absatz 4 nennt die zu einem Antrag auf Abgleich gemäss Absatz 3 berechtigten Behörden. Die kantonalen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden gemäss Buchstabe c können im Bereich des Abkommens zur Beteiligung an Prüm den Abgleich sowohl für Spuren- als auch für Personenprofile beantragen (siehe Ziff. 3.2).

47

Secure Information Exchange Network Application (Europol).

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Die Überprüfung von Übereinstimmungen der im Informationssystem eines Vertragsstaates verzeichneten DNA-Profile erfolgt gestützt auf Artikel 9a Absatz 2 Buchstabe a der DNA-Profil-Verordnung durch die Koordinationsstelle des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich und durch die Laboratorien, die das ursprüngliche DNA-Profil aufgrund von Artikel 8 der Verordnung des EJPD über die DNAAnalyselaboratorien erstellt haben. Da das Verfahren bereits geregelt ist, besteht keine Notwendigkeit, dies in diesem Artikel erneut zu tun.

Die Übermittlung von Personendaten und anderen Fallinformationen zu einer in Phase 1 verifizierten Übereinstimmung erfolgt auf Anfrage gemäss E Artikel 357 Absatz 2 Buchstabe c StGB. Der Begriff «weitere verfügbare Angaben» kann sich beispielsweise auf Informationen beziehen, die mit einem Fall oder einem Modus Operandi in Zusammenhang stehen.

Nach Absatz 5 kann die schweizerische Kontaktstelle (fedpol) bei Vorliegen eines Verbrechens oder Vergehens zur Ermittlung der Täter im Informationssystem jeweils immer nur eines Vertragsstaates einen Massenabgleich der DNA-Spurenprofile durchführen, unter der Voraussetzung, dass die Kontaktstelle des Vertragsstaates dazu ihr Einverständnis gibt. Dabei wird der gesamte Bestand der DNA-Spurenprofile im Informationssystem der Schweiz mit dem Bestand der Profile eines Vertragsstaates abgeglichen.

Absatz 6 ermöglicht es den Kontaktstellen der anderen Prümer Mitgliedstaaten, einen Massenabgleich ihrer DNA-Spurenprofile mit allen in der schweizerischen Datenbank enthaltenen DNA-Profilen durchzuführen.

6.2

Beschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten

6.2.1

Strafgesetzbuch

Neuer Randtitel 5sexies: Zusammenarbeit im Rahmen des PCSC-Abkommens Der Randtitel macht die neuen Artikel 358 ff. StGB zum bilateralen Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika innerhalb des Gesetzes kenntlich und grenzt diese vom vorherigen Zwischentitel ab.

Artikel 358 Absatz 1 stellt die gesetzliche Grundlage für die Weitergabe bzw. die Zurverfügungstellung der im PCSC-Abkommen vorgesehenen Datenkategorien durch die Schweiz an die Vereinigten Staaten von Amerika dar.

Für die schweren Straftaten, bei denen ein Austausch von daktyloskopischen Daten zulässig ist, verweist Absatz 1 auf den Artikel 6 Absatz 1 des PCSC-Abkommens, in dem diese schweren Straftaten abschliessend auflistet werden.

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Zusätzlich nennt Absatz 1 die Daten, die abgeglichen werden dürfen, und verweist auf die Artikel 4 bis 5 des Abkommens, die den Abruf und die Übermittlung der Daten regeln.

Absatz 2 erlaubt der nationalen Kontaktstelle der beiden Vertragsstaaten, in der Phase 1 einzelfallweise, d. h. nur eine Anfrage aufs Mal, zur Verhinderung und Verfolgung schwerer Straftaten daktyloskopische Daten mit den Fundstellendatensätzen des anderen Staates abzugleichen.

Absatz 3 verweist auf die Datenschutzbestimmungen des PCSC-Abkommens, die beim Abgleich von daktyloskopischen Daten zu beachten sind. Mit diesem Verweis wird sichergestellt, dass den Anforderungen des nationalen Datenschutzrechts nachgekommen wird. Gemäss Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a DSG können Personendaten ins Ausland nur bekanntgegeben werden, wenn hinreichende Garantien, insbesondere durch Vertrag, einen angemessenen Schutz im Ausland gewährleisten. Ausserdem ist gemäss Artikel 8 Absatz 2 SDSG die Bekanntgabe von Personendaten an einen Drittstaat wie die USA nur zulässig, wenn sie durch Spezialbestimmungen des anwendbaren Bundesrechts vorgesehen ist. Diesen Anforderungen wird durch die vorliegende Bezugnahme im StGB auf die Datenschutzbestimmungen des PCSC-Abkommens entsprochen. Die Schweiz und die Vereinigten Staaten sind sich bewusst, dass der Umgang mit und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die sie voneinander erhalten, für die Aufrechterhaltung des Vertrauens bei der Durchführung des PCSCAbkommens von entscheidender Bedeutung sind, weshalb sie den Datenschutzbestimmungen nach den Artikeln 13­23 des PCSC-Abkommens besondere Beachtung schenken.

Artikel 359 Artikel 359 legt fest, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als schwere Straftaten im Sinne des PCSC-Abkommens gelten. Hintergrund ist, dass das PCSC-Abkommen für die Definition der «schweren Straftat» auf einen Deliktskatalog verweist (Art. 1 Abs. 6 i.V.m. Anhang). Dieser Katalog wurde demjenigen des Rahmenschlusses 2002/584/JI nachempfunden, ist aber mit diesem nicht deckungsgleich. Es bedarf folglich einer eigenständigen Begriffsdefinition für das PCSC-Abkommen, wobei diese im Gesetz verankert werden muss. Die folgende Tabelle veranschaulicht, welche der bestehenden Straftatbestände des nationalen Rechts als schwere Straftaten im Sinne PCSC-Abkommens gelten: Anhang des PCSC-Abkommens

Straftatbestände des nationalen Rechts

1 Terrorismus und Terrorismusbezogene Straftagen

Schreckung der Bevölkerung; öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit: Landfriedensbruch; strafbare Vorbereitungshandlungen; Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen und terroristischen Organisation; Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Waffen; Finanzierung des Terrorismus; Anwerbung, Ausbildung und Reisen im Hinblick

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Straftatbestände des nationalen Rechts

auf eine terroristische Straftat, rechtswidrige Vereinigung (Art. 258 bis 260bis, 260ter, 260quater, 260quinquies, 260sexies, und 275ter StGB) Organisationsverbot (Art. 74 NDG48) Verstösse gegen Artikel 2 des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen49 Gewaltverbrechen, mit denen die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder einem Unterlassen genötigt werden soll.

2 Völkermord

Völkermord (Art. 264 StGB)

3 Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 264a StGB)

4 Kriegsverbrechen

Kriegsverbrechen (Art. 264b bis 264j StGB)

5 Vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, zu schweren Verletzungen führende strafbare Handlungen

Tötung; vorsätzliche Tötung; Mord; Totschlag; Tötung auf Verlangen; Kindestötung; schwere Körperverletzung; Verstümmelung weiblicher Genitalien (Art. 111 bis 114, 116, 122 und 124 StGB)

6 Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe

Sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB); sexuelle Handlungen mit Abhängigen (Art. 188 StGB); sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB); Vergewaltigung (Art. 190 StGB) und Schändung (Art. 191 StGB)

7 Schwerer Diebstahl

Diebstahl und Raub (Art. 139 Ziff. 3 und Art. 140 StGB)

8 Einbruchdiebstahl

Diebstahl (Art. 139 StGB); Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB) und Sachbeschädigung (Art. 144 StGB)

48 49

BG vom 25. September 2015 über Nachrichtendienst (SR 121).

BG vom 12 Dezember 2014 über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen, SR 122.

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Straftatbestände des nationalen Rechts

9 Menschenhandel und -schmuggel

Zwangsheirat, erzwungene eingetragene Partnerschaft; Menschenhandel (Art. 181a, Art. 182 Abs. 1, 2 und 4 StGB) Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise sowie des rechtswidrigen Aufenthalts (Art. 116 Abs. 1 Bst. a, abis i.V.m. Abs. 3 AIG)

10 Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie

Gefährdung der Entwicklung von Minderjährigen: sexuelle Handlungen mit Kindern; Pornografie (Art. 187 und 195 Bst. a, 196, und 197 Abs. 1, 3, 4 und 5 StGB)

11 Illegaler Handel mit Drogen und psychotropen Stoffen

Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (Art. 19 Abs. 1 und Art. 2, 19bis, 20 und 21 BetmG50)

12 Illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprechstoffen

Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Waffen (Art. 260quater StGB) Vergehen gemäss dem Waffengesetz (Art. 33 Abs. 1 und 3 WG51)

13 Korruption

Bestechung schweizerischer Amtsträger (bestechen, sich bestechen lassen, Vorteilsgewährung, Vorteilsannahme, Bestechung fremder Amtsträger) (Art. 322ter bis 322septies StGB)

14 Betrug

Betrug (Art. 146 Abs. 1 und 2 StGB)

15 Steuerbetrug

Steuerbetrug (Art. 186 DBG52) Steuerbetrug (Art. 59 StHG53)

16 Geldwäscherei

Geldwäscherei (Art. 305bis StGB)

17 Geldfälschung

Geldfälschung, Geldverfälschung (Art. 240 und 241 StGB)

50 51 52 53

Betäubungsmittelgesetz vom 3. Oktober 1951 (SR 812.121).

Waffengesetz vom 20. Juni 1997 (SR 514.54).

BG vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (SR 642.11).

BG vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinde (SR 642.14).

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Anhang des PCSC-Abkommens

Straftatbestände des nationalen Rechts

18 Fälschung von Zahlungsmitteln

Geldfälschung; Geldverfälschung; in Umlaufsetzen falschen Geldes; Nachahmen von Banknoten, Münzen oder amtlichen Wertzeichen ohne Fälschungsabsicht; Einführen, Erwerben, Lagern falschen Geldes: Fälschungsgeräte; unrechtmässiger Gebrauch von Geräten; Geld und Wertzeichen des Auslandes (Art. 240 bis 244, 247 und 250 StGB)

19 Cyberkriminalität

Unbefugte Datenbeschaffung; unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem; Datenbeschädigung; betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage; Erschleichen einer Leistung (Art. 143, 143bis, 144bis, 147 Abs. 1 und 2 und Art. 150 StGB)

20 Beihilfe zur illegalen Einreise und zum illegalen Aufenthalt

Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise sowie des rechtswidrigen Aufenthalts (Art. 116 Abs. 1 Bst. a, abis und c i.V.m.

Abs. 3 AIG)

21 Entführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme

Freiheitsberaubung und Entführung; erschwerende Umstände; Geiselnahme (Art. 183 bis 185 StGB) Verbotene Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziff. 2 StGB)

22 Raub in organisierter Form oder mit Waffen

Diebstahl und Raub (Art. 139 Ziff. 3 und Art. 140 StGB)

23 Erpressung und Schutzgelderpressung

Erpressung (Art. 156 StGB)

24 Fälschung von amtlichen Dokumenten und Handel damit

Fälschung amtlicher Wertzeichen; Fälschung amtlicher Zeichen; Fälschung von Mass und Gewicht; Urkundenfälschung; Fälschung von Ausweisen; Erschleichung einer falschen Beurkundung; Urkunden des Auslandes; Urkundenfälschung im Amt (Art. 245, 246, 248, 251 bis 253, 255 und 317 Ziff. 1 StGB)

25 Illegaler Handel mit nuklearen und radioaktiven Substanzen

Gefährdung durch Kernenergie, Radioaktivität und ionisierende Strahlen; strafbare Vorbereitungshandlungen (Art. 226bis und 226ter StGB) Missachtung von Sicherheits- und Sicherungsmassnahmen des Kernenergiegesetzes (Art. 88 bis 91 KEG54)

54

Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 (SR 732.1).

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Anhang des PCSC-Abkommens

Straftatbestände des nationalen Rechts

26 Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen

Hehlerei (Art. 160 StGB)

27 Brandstiftung

Brandstiftung (Art. 221 StGB)

28 Flugzeug- und Schiffsentführung Erpressung; Nötigung; Freiheitsberaubung und Entführung; Geiselnahme (Art. 156, 181 und 183 bis 185 StGB) 29 Sabotage

Sachbeschädigung; Brandstiftung; Verursachung einer Explosion; Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht; Herstellen, Verbergen, Weiterbeschaffen von Sprengstoffen und giftigen Gasen; Verursachen einer Überschwemmung oder eines Einsturzes; Beschädigung von elektrischen Anlagen, Wasserbauten und Schutzvorrichtungen (Art. 144, 221, 223, 224, 226, 227 und 228 StGB)

30 Illegaler Handel mit Organen und menschlichem Gewebe

Vergehen gemäss Bundesgesetz über die Forschung an embryonalen Stammzellen (Art. 24 Abs. 1 bis 3 StFG55) Missbrauch von Keimgut und Handeln ohne Einwilligung oder Bewilligung gemäss Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Art. 32 und 34 FMedG56) Vergehen gemäss Transplantationsgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Art. 69 Abs. 1 und 2 Transplantationsgesetz57

31 Illegaler Handel mit Kulturgütern, einschliesslich Antiquitäten und Kunstgegenstände

55 56 57

Strafbestimmungen gemäss Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransport (Art. 24 bis 29 KGTG)

Stammzellenforschungsgesetz vom 19. Dezember 2003 (SR 810.31).

Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998 (SR 810.11).

Transplantationsgesetz vom 8. Oktober 2004 (SR 810.21).

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Anhang des PCSC-Abkommens

Straftatbestände des nationalen Rechts

32 Nachahmung und Produktpiraterie

Warenfälschung (Art. 155 StGB) Markenrechtsverletzung; betrügerischer Markengebrauch; Gebrauch unzutreffender Herkunftsangaben (Art. 61 Abs. 3, Art. 62 Abs. 2, Art. 63 Abs. 4 und Art. 64 Abs. 2 MSchG58) Designrechtsverletzung (Art. 41 Abs. 2, DesG59) Urheberrechtsverletzung; Verletzung von verwandten Schutzrechten (Art. 67 Abs. 2 und Art. 69 Abs. 2 URG60) Patentverletzung (Art. 81 Abs. 3 PatG61)

33 Umweltkriminalität, einschliesslich des illegalen Handels mit bedrohten Tierarten oder mit bedrohten Pflanzenund Baumarten

Verbreiten von Schädlingen; Verunreinigung von Trinkwasser (Art. 233, 234 StGB) Vergehen gemäss Bundesgesetz über den Umweltschutz (Art. 60 Abs. 1 USG62) Delikte gemäss Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Art. 70 Abs. 1 GSchG63) Strafbestimmungen des Strahlenschutzgesetzes (Art. 43 und 43a Abs. 1 StSG64) Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über die Gentechnik im Ausserhumanbereich (Art. 35 Abs. 1 GTG65)

34 Falschaussage als Zeuge oder unter sonstiger Verletzung innerstaatlichen Rechts

Falsches Zeugnis. Falsches Gutachten.

Falsche Übersetzung (Art. 307 StGB)

Artikel 360 Im Rahmen der auf das PCSC-Abkommen gestützten Zusammenarbeit nimmt fedpol gemäss Absatz 1 die Funktion der nationalen Kontaktstelle wahr, so wie dies auch bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens zur Beteili-

58 59 60 61 62 63 64 65

Markenschutzgesetz vom 28. August 1992 (SR 232.11).

Designgesetz vom 5. Oktober 2001 (SR 232.12).

Urheberrechtsgesetz vom 9. Oktober 1992 (SR 231.1).

BG vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (SR 232.14).

Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983 (SR 814.01).

Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 1991 (SR 814.20).

Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991 (SR 814.50).

Gentechnikgesetz vom 21. März 2003 (SR 814.91).

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gung an Prüm der Fall ist (vgl. Erläuterungen zu Art. 357 StGB oben). Auch die Aufzählung der Aufgaben der Kontaktstelle stimmt mit jener gemäss Artikel 357 E-StGB überein.

Absatz 2 Buchstabe a nennt die Daten, welche abgeglichen werden, und verweist dazu auch auf das PCSC-Abkommen. Zudem ist im Nachgang zur Vernehmlassung Buchstabe a, der vorsah, dass die Kontaktstelle die Anträge empfängt, dahingehend präzisiert worden, dass diese Stelle den Abgleich vornimmt.

Buchstabe b wurde nach der Vernehmlassung präzisiert, da sich der Treffer aus einem Abgleich und nicht aus einem Antrag um Abgleich ergibt. Dieser Treffer ­ und nicht etwa der Antrag ­ wird danach durch die nationale Kontaktstelle geprüft, denn der Abgleich aufgrund des Antrags erfolgt automatisch, d. h. ohne vorgängige Prüfung.

Nach Buchstabe b überprüft die nationale Kontaktstelle (fedpol) die Treffer, die im Informationssystem einer der Vertragsparteien erzielt worden sind.

Buchstabe c verweist auf die zweite Phase, also auf die Übermittlung von personenbezogenen Daten und auf Ersuchen weiterer verfügbarer Angaben beim Vorliegen eines in der ersten Phase verifizierten Treffers. Der Begriff «weitere verfügbare Angaben» kann beispielsweise zusätzliche Informationen zu einem Fall oder einen Modus Operandi umfassen. Auf jeden Fall werden «weitere verfügbare Angaben gemäss 10 des Beschlusses 2008/615/JI» nur übermittelt, soweit dies nach schweizerischem Recht vorgesehen ist. In der Schweiz gibt es keine umfassende gesetzliche Grundlage für die internationale Amtshilfe. Deshalb wurden in den jeweiligen Bereichen besondere Regeln der internationalen Zusammenarbeit erarbeitet. So findet sich die gesetzliche Grundlage im Bereich der Geldwäsche im Geldwäschereigesetz. Ist eine Beschränkungsmassnahme vorgesehen oder sollen die Informationen als Beweismittel in Gerichtsverfahren verwendet werden, wird die Übermittlung dieser Informationen durch das IRSG geregelt.

Buchstabe d nennt die Zwecke, zu denen personenbezogene und nicht personenbezogene Daten übermittelt werden dürfen, und verweist dazu auf den Artikel 12 des PCSC-Abkommens.

Art. 361 Dieser Artikel nennt die schweizerischen Behörden, die die in Artikel 359 Absatz 2 Buchstabe a genannten Abgleiche beantragen können. Diese Behörden dürfen dies nur im Rahmen der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben tun.

6.2.2

DNA-Profil-Gesetz

Artikel 1 Der heutige durch das DNA-Profil-Gesetz geregelte Bereich muss um die Bestimmungen über den grenzüberschreitenden Datenaustausch im Rahmen des PCSCAbkommens (Abs. 1 Bst. d) ergänzt werden.

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Neuer Abschnitt vor Artikel 13a Das geltende DNA-Profil-Gesetz enthält mit Artikel 13 nur eine einzige Bestimmung zur internationalen Zusammenarbeit. Da zu diesem Themenbereich zusätzliche Bestimmungen (Art. 13a und 13b E-DNA-Profil-Gesetz) hinzukommen, wird ein eigenständiger neuer «4. Abschnitt: Internationale Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens zur Beteiligung an Prüm und des PCSC-Abkommens» geschaffen.

Artikel 13b Die besonderen Regeln für den grenzüberschreitenden Datenaustausch im Bereich der DNA-Daten (Profile und Spuren) sind im DNA-Profil-Gesetz (Art. 1) festgelegt. Personenprofile können DNA-Profile von nicht identifizierten Leichen und vermissten Personen enthalten. Das PCSC-Abkommen dient nicht allein der Strafverfolgung, sondern auch der Prävention von strafbaren Handlungen. Nach dem Grundsatz der doppelten Strafbarkeit muss die Tat in beiden Staaten strafbar sein. Für die Schweiz entspricht die Definition von Straftaten dem nationalen Recht: Verbrechen und Vergehen sind die Kategorien von Straftaten, bei denen die Erstellung und der Abgleich von DNA-Profilen nach Artikel 255 StPO zulässig ist.

Artikel 13b ist als generelle Norm hinreichend für die Umsetzung des PCSCAbkommens zur Abfrage und zum Abgleich der DNA-Profile.

Absatz 1 legt fest, dass der Bund und die Kantone die Vereinigten Staaten insbesondere bei der Verhütung und Ermittlung von schweren Straftaten unterstützen. Dieser Absatz gilt als Grundlage für die Abfrage der Daten und für die Festlegung, welche Daten zu welchen Zwecken ausgetauscht werden dürfen.

Die Neuerung, dass ausländische Staaten im Abrufverfahren auf das DNA-ProfilInformationssystem nach Artikel 10 DNA-Profil-Gesetz zugreifen dürfen, erfordert eine eigenständige formell-gesetzliche Grundlage.

Die dafür notwendige formelle Rechtsgrundlage wird im Absatz 2 geschaffen, damit die Vereinigten Staaten von Fall zu Fall in dem in Artikel 10 des DNA-Profil-Gesetzes genannten Informationssystem DNA-Profildaten abgleichen können. Dieser Absatz enthält auch die Zwecke, für die ein solcher Zugang gewährt werden kann. Schwere Straftaten sind in Artikel 1 Absatz 6 des PCSC-Abkommens definiert: «die im Anhang dieses Abkommens aufgeführten strafbaren Handlungen sowie andere Handlungen, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind». Diese letzte
Bedingung soll sicherstellen, dass der Geltungsbereich des PCSC-Abkommens auf die Bekämpfung der Schwerkriminalität beschränkt bleibt. Diese Definition erfasst nur Verbrechen im Sinne von Artikel 10 Absatz 2 StGB. Zu den im Anhang des Abkommens aufgeführten Straftaten gehören die in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI aufgeführten Straftaten. Diese Liste ist von der Schweiz in Anhang 1 des SIaG in nationales Recht umgesetzt worden. Von den im Anhang 1 SIaG aufgeführten Straftaten nach schweizerischem Recht, die den vom Rahmenbeschluss 2002/584/JI erfassten Straftaten entsprechen oder gleichwertig sind, fallen jedoch nur Straftaten, die mit einer Strafe von mehr als drei Jahren bedroht sind, unter das PCSC-Abkommen (Art. 2 Abs. 3). So stellen beispielsweise die Straftatbestände der Kinderpornographie (Ziff. 10 des Anhangs) nach Artikel 197 Absatz 3 des StGB oder des unerlaubten Kulturgütertransfers (Ziff. 31 des Anhangs) nach Artikel 24 des 75 / 88

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KGTG Straftaten nach schweizerischem Recht im Sinne von Artikel 10 Absatz 3 StGB dar. In diesem Fall muss die Übermittlung von Personendaten abgelehnt werden.

Gemäss Absatz 3 kann umgekehrt die Schweiz im Hinblick auf die Verhütung und Verfolgung schwerer Straftaten im Sinne von Artikel 1 Absatz 6 des PCSCAbkommens einzelfallweise einen Abgleich mit den indexierten DNA-Profilen des Informationssystems der Vereinigten Staaten von Amerika vornehmen. Die nationale Kontaktstelle nimmt die von den befugten Schweizer Behörden gestellten Anträge auf Abgleich vor (vgl. Abs. 4). Absatz 3 sah vor, dass die Kontaktstelle die Anträge entgegennimmt. Nach der Vernehmlassung ist er dahingehend präzisiert worden, dass die Kontaktstelle den Abgleich vornimmt.

Absatz 4 nennt die zu einem Antrag auf Abgleich gemäss Absatz 2 berechtigten Behörden. Im Rahmen der ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben können die kantonalen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden gemäss Buchstabe e im Bereich des PCSC-Abkommens den Abgleich sowohl für Spuren- als auch für Personenprofile beantragen (siehe Ziff. 3.2).

Die Überprüfung von Treffern zu DNA-Profildaten, die durch den Abgleich mit den im Informationssystem der Vereinigten Staaten von Amerika verzeichneten Daten erzielt worden sind, erfolgt gestützt auf Artikel 9a Absatz 2 Buchstabe a der DNAProfilverordnung durch die Koordinationsstelle des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich und gestützt auf Artikel 8 der Verordnung des EJPD über die DNAAnalyselaboratorien durch die Laboratorien, die das ursprüngliche DNA-Profil erstellt haben. Da das Verfahren bereits geregelt ist, besteht keine Notwendigkeit, dies in diesem Artikel erneut zu tun.

Die auf Antrag erfolgte Übermittlung von Personendaten und anderen Fallinformationen zu einer in Phase 1 verifizierten Übereinstimmung erfolgt gemäss dem EntwurfArtikel von Artikel 359 Absatz 2 Buchstabe c StGB. Der Begriff «weitere verfügbare Angaben» kann sich auf Informationen beziehen, die beispielsweise mit einem Fall oder einem Modus Operandi zusammenhängen.

Absatz 5 verweist auf die Datenschutzbestimmungen des PCSC-Abkommens, die beim Abgleich eines DNA-Profils zu beachten sind. Mit diesem Verweis wird sichergestellt, dass den Anforderungen des nationalen Datenschutzrechts nachgekommen wird. Gemäss Artikel 6 Absatz 2
Buchstabe a DSG können Personendaten ins Ausland nur bekanntgegeben werden, wenn hinreichende Garantien, insbesondere durch Vertrag, einen angemessenen Schutz im Ausland gewährleisten. Ausserdem ist gemäss Artikel 8 Absatz 2 SDSG die Bekanntgabe von Personendaten an einen Drittstaat wie die USA nur zulässig, wenn sie durch Spezialbestimmungen des anwendbaren Bundesrechts vorgesehen ist. Diesen Anforderungen wird durch die vorliegende Bezugnahme im DNA-Profil-Gesetz auf die Datenschutzbestimmungen des PCSCAbkommens entsprochen. Die Schweiz und die Vereinigten Staaten sind sich bewusst, dass der Umgang mit und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die sie voneinander erhalten, für die Aufrechterhaltung des Vertrauens bei der Durchführung des PCSC-Abkommens von entscheidender Bedeutung sind, weshalb sie den Datenschutzbestimmungen nach den Artikeln 13­23 des PCSC-Abkommens besondere Beachtung schenken.

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6.2.3

Schengen-Informationsaustausch-Gesetz

Der Begriff der «schweren Straftaten» ist in der Eurodac-Verordnung (im Hinblick auf die Zweckbestimmung für die Zugriffsrechte der Strafverfolgungsbehörden) von Bedeutung. Gemäss der Eurodac-Verordnung sind «schwere Straftaten» jene, die den in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI (zum Europäischen Haftbefehl) aufgeführten Straftaten entsprechen oder gleichwertig sind, wenn die Straftaten mit einer Strafe von mehr als drei Jahren bedroht sind (Art. 2 Abs. 1).

Die Deliktsliste des Rahmenschlusses 2002/584/JI liegt auch der sogenannten «schwedischen Initiative» (Rahmenbeschluss 2006/960/JI) zugrunde. Bei der Übernahme dieser Initiative im Rahmen der Assoziierung der Schweiz an Schengen hat der Gesetzgeber die notwendige Zuordnung der schweizerischen Straftatbestände zu den einzelnen Elementen der Deliktsliste des Rahmenschlusses im SIaG bzw. dessen Anhang vorgenommen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die gegenwärtige Deliktsliste im Anhang des SIaG nicht mehr aktuell ist und zwingend nachgeführt werden muss, weil einige Straftatbestände seither gestrichen wurden und neue dazugekommen sind (z. B. Sexualstraftaten). Die vorliegende Gesetzesrevision trägt diesem Umstand Rechnung und aktualisiert Anhang 1 des SIaG gemäss Beilage zum «Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit) und des Eurodac-Protokolls zwischen der Schweiz, der EU und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr-und Strafverfolgungszwecke».

7

Bundesbeschluss über einen Verpflichtungskredit zur Umsetzung des Programms Prüm Plus (Abkommen Prüm, PCSC und Eurodac-Protokoll)

Ziel der Prümer Zusammenarbeit und des PCSC-Abkommens ist eine Verstärkung der polizeilichen Zusammenarbeit, indem der Austausch von DNA- und daktyloskopischen Daten vereinfacht wird. Das Eurodac-Protokoll sieht vor, dass die in der Eurodac-Datenbank enthaltenen schweizerischen und europäischen Daten erst nach der Umsetzung der Prümer Zusammenarbeit zugänglich sind. Da es sinnvoll ist, die technischen und juristischen Synergien dieser Dossiers zu nutzen, ist es unabdingbar, dass sie sowohl beim politischen Prozess als auch bei der technischen Umsetzung parallel geführt werden. Aus diesem Grund wurde unter der Verantwortung von fedpol eine Programmstruktur mit dem Namen «Progamm Prüm Plus» geschaffen. Dieses Programm umfasst vier Projekte: «Gesetzgebung», «Technologie und Geschäftsprozess», «Evaluation und Ausbildung» und «Prüm ASTRA». Die Umsetzung des Bereichs bezüglich des Austauschs von Daten über Fahrzeuge und Fahrzeughalter liegt in der Verantwortung des ASTRA. Die Ziele des Programms unterstützen die rechtzeitige Umsetzung der IT-Anforderungen des Prümer Abkommens, des Eurodac-Protokolls und des PCSC-Abkommens in der erforderlichen Qualität.

Die Umsetzung des Prümer und des PCSC-Abkommens sowie des Eurodac-Protokolls erfordert eine Anpassung der verschiedenen bestehenden technischen Strukturen

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sowie der Fallbearbeitungsprozesse vor allem innerhalb des EJPD und des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) (siehe Ziff. 7.1). Dies führt auch zu Anpassungen in den Kantonen (siehe Ziff. 7.2).

Bei einem wesentlichen Teil der Arbeiten wird es darum gehen, sicherzustellen, dass die Schweiz gemäss dem Prümer und dem PCSC-Abkommen sowie gemäss dem Eurodac-Protokoll Anfragen verschicken und erhalten kann, ohne jedoch den internen Informationsfluss zwischen Bund und Kantonen zu beeinträchtigen. Das Ziel besteht darin, dass die Nutzerinnen und Nutzer biometrische Daten (DNA-Profile und Fingerabdruckdaten) und Fahrzeugregisterdaten effizienter und rascher vergleichen können.

Der Inhalt der verschiedenen Abkommen ist in den Ziffern 1.1.1 und 1.1.2 genauer beschrieben.

Die Programmaktivitäten ab 2022 erfordern Verpflichtungen, die sich über mehr als ein Jahr erstrecken. Gemäss Artikel 21 des FHG ist deshalb ein Verpflichtungskredit erforderlich.

Mit der vorliegenden Botschaft unterbreitet der Bundesrat dem Parlament einen Verpflichtungskredit im Umfang von 11 Millionen Franken für die Periode 2022­2024.

Dieser Kredit wird für die Umsetzung des Programms Prüm Plus verwendet. Der Kredit wird von fedpol verwaltet und schliesst die Investitionsausgaben des ASTRA ein (siehe Ziff. 1.2).

8

Auswirkungen

8.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

In finanzieller Hinsicht haben die Kantone und der Bund 2011 eine Grundsatzvereinbarung für die Prümer und die PCSC-Zusammenarbeit geschlossen und sich auf folgende Aufteilung geeinigt: ­

Die für die Umsetzung des Programms anfallenden Kosten und die Personalkosten trägt der Bund.

­

Die Aufwendungen für Betrieb und Wartung der Systeme gehen zulasten der Kantone (siehe Ziff. 8.2).

Diese Aufteilung wurde von den Kantonen an der Herbstversammlung 2013 der KKJPD bestätigt. Dieser Punkt wurde bei der Vernehmlassung nicht in Frage gestellt.

Vorbemerkungen Liechtenstein hat mit der EU ebenfalls ein Abkommen zur Beteiligung an «Prüm» abgeschlossen. Zur Erinnerung: Liechtenstein nutzt die biometrischen Datenbanken der Schweiz (DNA-Profile und Fingerabdruckdaten) gemäss dem Vertrag vom 15. Dezember 200466 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Rahmen der schweizerischen 66

SR 0.360.514.1

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Informationssysteme für Fingerabdrücke und DNA-Profile und die im Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ) verzeichneten Daten über Fahrzeuge sowie Fahrzeughalterinnen und -halter gemäss dem Abkommen vom 18. Juni 201567 über den Strassenverkehr zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein. Weil die Kosten für Unterhalt und Betrieb dieser Systeme im Rahmen der Prümer Zusammenarbeit steigen, muss sich Liechtenstein ebenfalls daran beteiligen. Der finanzielle Beitrag wird von der gewählten konkreten technischen Lösung abhängen.

Erforderliche finanzielle und personelle Ressourcen für die Umsetzung des Programms Prüm Plus Die Umsetzung des Prümer Abkommens, des Eurodac-Protokolls und des PCSCAbkommens ist ein Digitalisierungs- und Innovationsprojekt. Die entsprechenden Arbeiten sind Teil des Programms Prüm Plus. Die Arbeiten zu diesem Programm umfassen die Erstellung einer Programmstudie, eine Standortbestimmung, die Analyse der zu erreichenden Ziele und technischen Anforderungen und die Entwicklung und Umsetzung der Informatiksysteme, die erforderlich sind, um die in den drei Abkommen vorgesehenen automatisierten Abgleiche durchführen zu können.

Künftig sollen Abgleiche, die manuell und einzeln bearbeitet werden, mit einem Klick ausgelöst und durchgeführt werden (vgl. Ziff. 2.4. oben). Damit die Schweiz gemäss dem Prümer und dem PCSC-Abkommen sowie gemäss dem Eurodac-Protokoll Anfragen verschicken und erhalten kann ­ und so ihre Verpflichtungen gegenüber der EU und den Vereinigten Staaten von Amerika erfüllen kann, ohne jedoch den internen Informationsfluss zwischen Bund und Kantonen zu beeinträchtigen ­, müssen die bestehenden technischen Strukturen und die Prozesse zur Bearbeitung der Rechtssachen angepasst werden. Diese Anpassungen betreffen insbesondere die nationale Fingerabdruck-Datenbank (AFIS), die nationale DNA-Profil-Datenbank CODIS und das zentrale Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ). Ebenfalls angepasst werden müssen die Fallbearbeitungs-Prozesse. Hinsichtlich Eurodac gilt es, ein System zur kaskadenartigen Abfrage einzurichten, und Anpassungen sind auch beim nationalen zentralen System nötig, in dem die Aufträge und der Workflow (jMessageHandler) verwaltet werden. Diese Anpassungen werden zwischen 2020 und 2024 Gesamtkosten in der Höhe von 14,7
Millionen Schweizerfranken verursachen. Die in der Phase 2022­2024 anfallenden Investitionskosten belaufen sich auf 12,8 Millionen Franken. Die nachstehende Tabelle bietet eine Übersicht über die Kosten.

Kosten der Umsetzungsphase Bezeichnung

2022

2023

2024

Summe

­ Prüm Fingerabdrücke

0,66

1,10

0,44

2,2

­ Prüm DNA

0,24

0,40

0,16

0,8

fedpol-Investitionskosten (fw)

67

SR 0.741.531.951.4

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Bezeichnung

2022

2023

2024

Summe

­ Prüm Workflow-Mgmt.

0,47

0,47

0,26

1,2

­ PCSC

0,30

0,50

0,20

1,0

­ Eurodac

0,30

0,50

0,20

1,0

­ Externe Leistungen

0,70

1,00

0,60

2,3

0,75

1,25

0,50

2,5

3,4

5,2

2,4

11,0

­ Prüm Fingerabdrücke

0,17

0,17

0,17

0,5

­ Prüm DNA

0,06

0,06

0,06

0,2

­ Prüm Workflow-Mgmt.

0,12

0,12

0,12

0,4

­ PCSC

0,08

0,08

0,08

0,2

­ Eurodac

0,08

0,08

0,08

0,2

0,09

0,09

0,09

0,3

Total Eigenleistungen (gerundet)

0,6

0,6

0,6

1,8

GESAMTKOSTEN (gerundet)

4,0

5,8

3,0

12,8

Investitionen ASTRA (fw) ­ Prüm Fahrzeuge Total Verpflichtungskredit (gerundet) fedpol-Eigenleistungen

Eigenleistungen ASTRA ­ Prüm Fahrzeuge

Erforderliche finanzielle und personelle Ressourcen für den Betrieb der Systeme In der Schweiz werden DNA-Profile oder Fingerabdruckdaten international nur fallweise und hauptsächlich über den INTERPOL-Kanal abgeglichen. Mit anderen Worten: Für jeden Fall muss bei jedem betreffenden/ausgewählten Staat eine separate Anfrage eingereicht werden. Die grössten Hindernisse bei diesem System sind der grosse administrative Aufwand, der betrieben werden muss, bis die betreffenden personenbezogenen Daten bereitgestellt werden, und die langen Antwortzeiten. Der automatisierte Abgleich über die Systeme Prüm, Eurodac und PCSC gestaltet den Abgleich biometrischer Daten mit allen EU-Mitgliedstaaten und den USA einfacher und effizienter. Und unabhängig davon, ob eine Übereinstimmung besteht oder nicht, wird die Reaktionszeit auf Anfragen verkürzt, wodurch strafrechtliche Ermittlungen schneller abgeschlossen werden können. Die Anfrage nach personenbezogenen Daten aus den betreffenden Staaten ist daher zielgerichteter.

Aufgrund der Vorteile von automatisierten Abgleichen wird erwartet, dass die Zahl der biometrischen Datenabgleiche durch schweizerische und ausländische Strafver-

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folgungsbehörden zur Lösung anhängiger Fälle zunehmen wird. Daraus wird ein beträchtlicher Anstieg der Übereinstimmungen resultieren. Ihre Bearbeitung wird zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung führen, die ohne zusätzliche Ressourcen nicht zu bewältigen ist. Die Ressourcen werden dazu dienen, eine manuelle Überprüfung der Übereinstimmungen durchzuführen, Anträge zu stellen, mit einer Übereinstimmung in Zusammenhang stehende personenbezogene Daten zu übermitteln und Ermittlungen durchzuführen. Diese positiven Effekte werden nur dann zu einer Stärkung unserer inneren Sicherheit führen, wenn auf allen Stufen der Polizeiarbeit und auf allen Ebenen (Gemeinden, Kantone und Bund) Ressourcen bereitgestellt werden.

Die Schätzungen ­ insbesondere hinsichtlich der Trefferquote und der festgelegten Kontingente für den Austausch von Fingerabdruckdaten, DNA-Profilen, von Daten über Fahrzeuge sowie Fahrzeughalter und nicht zuletzt, was mögliche Synergien zwischen den verschiedenen Systemen anbelangt ­ stützen sich auf Erfahrungen der Referenzstaaten, die mit Prüm Plus arbeiten (Österreich, die Niederlande, Deutschland und Frankreich). Sie berücksichtigen auch die Effizienzgewinne aufgrund der automatisierten Abgleiche. Diese Schätzungen lassen ab 2024 ein beträchtliches Mehr an Arbeitsaufwand erwarten. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Inbetriebnahme von Prüm vorrübergehend, will heissen während zwei Jahren (2024­2025), mit einer zusätzlichen Arbeitsbelastung zu rechnen ist. Dieser zusätzliche Aufwand ist unabdingbar, um zu gewährleisten, dass während der Phase, in der Prüm in Betrieb genommen wird, DNA-Spuren paketweise ausgetauscht werden können.

Zusätzlich zu den Investitionen, die mit der Anpassung der verschiedenen bestehenden Strukturen verbunden sind, fallen jährliche Betriebs- und Nutzungskosten sowie Wartungs- und Unterhaltskosten (einschliesslich Infrastruktur) an. Diese Kosten werden von den Kantonen getragen (vgl. Ziff. 8.2).

Im Zuge der Entwicklung des Prüm Plus-Konzepts werden die für den Betrieb erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen im Hinblick auf die anzupassenden oder neu zu errichtenden Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen im Detail kritisch geprüft.

8.2

Personelle und finanzielle Auswirkungen auf die Kantone

Das Abkommen zur Beteiligung an Prüm und das PCSC-Abkommen ermöglichen es den kantonalen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden der Schweiz, zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen, welche ausländischen Behörden über sachdienliche Informationen verfügen. Dies wird bei der Ermittlung zu und Identifizierung von gesuchten, vermissten oder verstorbenen Personen und auch zur Beschaffung von Informationen über diese Personen von Nutzen sein. Die Abkommen ermöglichen es somit, Ermittlungen gezielter zu gestalten.

Das Eurodac-Protokoll wird den Strafverfolgungsbehörden den Zugang zu Informationen ermöglichen, die sich im Kampf gegen Terrorismus und andere schwere Straftaten als wesentlich erweisen könnten.

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Gemäss der 2011 zwischen dem Bund und den Kantonen geschlossenen Grundsatzvereinbarung über die Prümer Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit im Rahmen des PCSC-Abkommens tragen die Kantone die Kosten, die für den Betrieb und den Unterhalt der Systeme anfallen. Vorläufigen Schätzungen zufolge belaufen sich diese Kosten auf jährlich 2 bis 3 Millionen Schweizerfranken.

Angesichts der zu erwartenden Zunahme von Informationen, die dazu beitragen können, Ermittlungen voranzubringen und Fälle, insbesondere ältere ungelöste Fälle (cold cases) zu lösen, müssen die Kantone ausreichende polizeiliche und justizielle Ressourcen bereithalten. Ausserdem müssten sie allfällige Anpassungen ihrer Anfragesysteme planen.

8.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Genehmigung und die Umsetzung des PCSC-Abkommens ist eine der Bedingungen für den Verbleib der Schweiz im Visa Waiver Program der Vereinigten Staaten von Amerika. Dank diesem Programm sind Schweizer Staatsbürger, die in die Vereinigten Staaten von Amerika reisen, und US-amerikanische Staatsangehörige, die in die Schweiz reisen, von der Visumspflicht befreit. Diese Befreiung gilt für touristische oder geschäftliche Aufenthalte von bis zu 90 Tagen. Jedes Jahr reisen rund 340 000 in der Schweiz wohnhafte Personen in die USA.

8.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Das Programm Prüm Plus bezweckt die Verbesserung der Sicherheit in der Schweiz durch die Vertiefung der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit, insbesondere durch den vereinfachten Abgleich von DNA-Profilen und Fingerabdruckdaten sowie den Austausch von Fahrzeug- und Fahrzeughalterdaten.

8.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Das Vorhaben wird offensichtlich keine unmittelbaren Auswirkungen im Umweltbereich haben. Daher wurde diese Frage im Vorfeld nicht analysiert.

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9

Rechtliche Aspekte

9.1

Verfassungsmässigkeit

Die Bundesbeschlüsse zur Genehmigung und Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit)68, des Eurodac-Protokolls zwischen der Schweiz, der EU und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr-und Strafverfolgungszwecke69 und des Abkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten 70 basieren auf Artikel 54 Absatz 1 BV. Dieser Artikel besagt, dass die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Gemäss Artikel 184 Absatz 2 BV unterzeichnet und ratifiziert der Bundesrat die völkerrechtlichen Verträge und unterbreitet sie der Bundesversammlung zur Genehmigung. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV genehmigt die Bundesversammlung die völkerrechtlichen Verträge; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200371; ParlG; Art. 7a Abs. 1 RVOG). Der Bundesrat hat im vorliegenden Fall nicht die Befugnis, diese Verträge selbst abzuschliessen, weil er nicht durch ein Bundesgesetz oder einen von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag dazu ermächtigt ist und weil diese Verträge nicht von beschränkter Tragweite gemäss Artikel 7a Absatz 2 RVOG sind. Diese Abkommen sind daher dem Parlament zur Genehmigung zu unterbreiten.

Das Programm Prüm Plus stützt sich auf die allgemeine Befugnis des Bundes, die notwendigen Massnahmen zur Erfüllung seiner Aufgaben zu treffen. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Bewilligung des beantragten Verpflichtungskredits ergibt sich aus Artikel 167 BV.

68

69

70

71

Abkommen vom 27. Juni 2019 zwischen der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anwendung einiger Bestimmungen des Beschlusses 2008/615/JI des Rates zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, des Beschlusses 2008/616/JI des Rates zur Durchführung des Beschlusses 2008/615/JI zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, und seines Anhangs sowie des Rahmenbeschlusses 2009/905/JI des Rates über die Akkreditierung von Anbietern kriminaltechnischer Dienste, die Labortätigkeiten durchführen (ABl. L ...).

Protokoll vom 27. Juni 2019 zwischen der Europäischen Union, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke (ABl. L ...).

Abkommen vom 12. Dezember 2012 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten.

SR 171.10

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9.2

Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Der Abschluss der genannten Abkommen und die damit verbundenen Gesetzesänderungen sind mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

9.3

Erlassform

Die Vorlage sieht zum einen die Genehmigung und Umsetzung der Abkommen mit der EU betreffend Prüm und Eurodac sowie des mit den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossenen PCSC-Abkommens vor; zum anderen umfasst die Vorlage die Anpassung einzelner Bestimmungen in bestehenden Bundesgesetzen. Ergänzt wird der Erlassentwurf um den Antrag auf Bewilligung eines Verpflichtungskredits.

Das Geschäft wird mit den folgenden Bundesbeschlüssen behandelt: ­

Bundesbeschluss zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit) und des Eurodac-Protokolls zwischen der Schweiz, der EU und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke;

­

Bundesbeschluss zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung;

­

Bundesbeschlusses über einen Verpflichtungskredit zur Umsetzung des Programms Prüm Plus (Abkommen Prüm, PCSC und Eurodac Protokoll)

Zwischen dem Prümer-Abkommen und dem Eurodac-Protokoll besteht ein so enger Bezug, dass die Anwendbarkeit des einen von der Anwendbarkeit des anderen abhängt und daher diese in einem Bundesbeschluss zusammengenommen werden. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung und Umsetzung des PCSC-Abkommens ist inhaltlich selbstständig. Dennoch befassen sich die beiden Bundesbeschlüsse mit einer sehr ähnlichen Materie, sodass es angezeigt ist, sie in einem Geschäft, also mit einer Botschaft, zu behandeln.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen völkerrechtliche Verträge dem Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Weder das Abkommen zur Beteiligung an Prüm noch das Eurodac-Protokoll, die beide mit der EU abgeschlossen wurden, noch das PCSC-Abkommen, das mit den Vereinigte Staaten von Amerika abgeschlossen wurde, erfüllen die ersten beiden Bedingungen. Sie können nämlich jederzeit aufgehoben werden und sehen auch keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es gilt noch zu überprüfen, ob die Abkommen wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder ob deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 ParlG gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar 84 / 88

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verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV gelten Bestimmungen, die in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen sind.

Die vorliegenden Abkommen enthalten wichtige rechtsetzende Bestimmungen, insofern als sie die Übernahme von Änderungen, das Recht der Beteiligung von Expertinnen und Experten an Arbeitsgruppen oder auch den automatisierten Abgleich bestimmter Daten betreffen. Müssten diese Regeln im internen Recht erlassen werden, hätte dies im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV in Form eines Bundesgesetzes zu erfolgen. Folglich unterliegen die Genehmigungsbeschlüsse für die Abkommen zwischen der Schweiz und der EU und jenes zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem Referendum.

Wenn völkerrechtliche Verträge dem Referendum unterliegen, werden sie von der Bundesversammlung in der Form eines Bundesbeschlusses genehmigt (Art. 24 Abs. 3 ParlG).

Untersteht der Genehmigungsbeschluss eines völkerrechtlichen Vertrags dem Referendum, so kann die Bundesversammlung gemäss Artikel 141a Absatz 2 BV die Gesetzesänderungen, die der Umsetzung des Vertrages dienen, in den Genehmigungsbeschluss aufnehmen. Die Gesetzesbestimmungen, die im Entwurf vorgeschlagen wurden, dienen der Umsetzung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit), des Eurodac-Protokolls zwischen der Schweiz, der EU und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr-und Strafverfolgungszwecke und des Abkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten.

Nach Artikel 163 Absatz 2 der Bundesverfassung und Artikel 25 Absatz 2 ParlG ist für den vorliegenden Fall ein Erlass in der Form des einfachen, also nicht dem Referendum unterstehenden Bundesbeschlusses vorgesehen.

Die vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen erwachsen unmittelbar aus den in diesen Abkommen enthaltenen Verpflichtungen. Der Entwurf des Umsetzungserlasses kann somit in die Genehmigungsbeschlüsse für die oben genannten Abkommen integriert werden.

9.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Das Vorhaben sieht weder einen Verpflichtungskredit noch einen Zahlungsrahmen vor, die neue einmalige Ausgaben über 20 Millionen Franken verursachen. Deshalb untersteht es nicht der Ausgabenbremse (Art. 159, Abs. 3, Bst. c BV).

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Liste der Abkürzungen AFIS

Automatisches Fingerabdruck-Identifizierungssystem

AIG

Ausländer- und Integrationsgesetz

ASTRA

Bundesamt für Strassen

AsylG

Asylgesetz

BPI

Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes

BV

Bundesverfassung

CODIS

Combined DNA Index System

DAA

Dublin-Assoziierungsabkommen

DEA

Direktion für Europäische Angelegenheiten

DNA

Desoxyribonukleinsäure

DSG

Bundesgesetz über den Datenschutz

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EDÖB

Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EU

Europäische Union

EUCARIS

European car and driving licence information system

EZV

Eidgenössische Zollverwaltung

Interpol

Internationale kriminalpolizeiliche Organisation

IPAS

Informatisiertes Personennachweis-, Aktennachweis- und Verwaltungssystem im Bundesamt für Polizei

IRSG

Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen

IVZV

Verordnung über das Informationssystem Verkehrszulassung

KdK

Konferenz der Kantonsregierungen

KKJPD

Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren

ParlG

Parlamentsgesetz

PCN

Process Control Number

PCSC

Cooperation in Preventing and Combating Serious Crime (Abkommen)

RVOG

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz

SDSG

Schengen-Datenschutzgesetz

SIaG

Schengen-Informationsaustausch-Gesetz

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SIENA

Netzanwendung für sicheren Datenaustausch (Secure Information Exchange Network Application)

StGB

Schweizerisches Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

SVG

Strassenverkehrsgesetz

VIS

Visa-Informationssystem

VWP

Visa Waiver Program

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